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Hans FolzDas Leben
Über das Leben(1) des Hans Folz ist bemerkenswert viel bekannt, da er als Barbierer,(2) Wundarzt und Meistersinger zum Nürnberger Bürgertum zählt und dort urkundlich mehrfach erwähnt ist. Hans Folz stammt aus Worms, wie viele Verfassersignaturen und Druck-Kolophone unterstreichen, die ihn formelhaft als "hans von wurmß barwirer" oder ähnlich apostrophieren. Auch die Nennung von "Hanns Barbirer von wurmms" in Nürnberger Dokumenten über seine Einbürgerung am 1.11.1459 unterstreicht die von der Forschung unwidersprochen vermutete Herkunft.(3) Die Verfassersignaturen wie auch die Nennung in Nürnberger Dokumenten unterstreichen auch seinen Beruf als Barbierer und Wundarzt, d.h. eines nicht akademisch sondern handwerklich ausgebildeten ‘Laienarztes’, der neben dem Friseur-, dem eigentlichen Barbierhandwerk, auch die Versorgung von Wunden, Knochenbrüchen und ähnlichem vornimmt. Sein Geburtsjahr liegt im Dunkeln, er dürfte jedoch um 1435-40 geboren sein und nach Ausbildung bzw. Lehrzeit von drei und üblicher Gesellenwanderzeit von sechs Jahren nach Nürnberg gekommen sein.(4) Seine Wanderungen während der Gesellenzeit haben ihn wohl weit geführt, zwei singuläre Erwähnungen in seinen Werken zeigen, dass er sowohl die städtischen Zentren des süddeutschen Raumes als auch Südeuropa bereist hat. Im «Trinker»(5) wird Augsburg erwähnt; und im «Bäderbüchlein» Z. 377ff wird von ‘Iakesa von Avern’ gesprochen, wobei der Autor bekennt, dass ihm ein einmaliger Besuch gereicht habe, denn nach dem Trank sei es ihm so übel ergangen, vier Tage hätte er kaum überleben können; es scheint nicht geklärt, ob es sich bei diesem ‘Iakesa von Avern’ um einen Badeort in der Gegend des nordspanischen Navarra oder in der französischen Auvergne handelt.(6) Wie erwähnt, wird Hans Folz 1459 mit einem Mindestvermögen von 100 Gulden Bürger von Nürnberg, der Hauptstätte seines beruflichen wie künstlerischen Wirkens. Er muss wohl schon früher hier seinen Wohnort genommen haben, denn während der Lehr- und Wandergesellenzeit dürfte es ihm kaum möglich gewesen sein, das für die Erlangung des Bürgerrechts notwendige Vermögen angespart zu haben. Das Bürgerrecht war Voraussetzung für den Erwerb des Meistertitels, den Hans Folz spätestens 1486 besaß, da er in einem Ratsverlass, in welchem ihm mit seinen Verwandten die Aufführung eines Fastnachtspiels genehmigt wird, als solcher apostrophiert wird. Als Meister wird er auch in einem Dokument des Jahres 1489 genannt, das die Bestätigung über ein gezahltes Arzthonorar enthält. Ratsverlässe der Jahre 1486 und 1494 zeigen, dass Hans Folz die Doppelbelastung als Dichter/Fastnachtsspielleiter/Drucker einerseits und Barbier/ Wundarzt andererseits nicht immer zufriedenstellend bewältigte; es ist mehrfach von ärztlicher Nachlässigkeit die Rede.(7) 1498 erscheint er als ‘geschworener Meister’, d.h. er überwacht als durch alle Meister seines Handwerks Gewählter die Einhaltung der Handwerksordnung und vertritt seine Berufskollegen gegenüber dem Rugamt, der städtischen Gerichtsbehörde für alle Handwerksangelegenheiten zivil-, straf- und arbeitsrechtlicher Art. Diese Erwähnung ist zudem interessant, weil es sich um einen prozessualen Vergleich in einem ‘Kunstfehlerprozeß’ handelt; Hans Folz soll gemeinsam mit seinem Berufskollegen Hanns von Frankfurt eine Armamputation wegen vorangegangener falscher Behandlung ohne Einwilligung des Patienten vorgenommen haben. Die Erwähnung als ‘geschworener Meister’ zeigt, dass Hans Folz in der Hierarchie der Handwerkerschaft, d.h. des städtischen mittleren Standes unterhalb des Patriziats eine herausgehobene Stellung einnahm. Sowohl sein Handwerk als auch seine Dichtungen, für deren Verbreitung er selbst sorgte, scheinen ihn zu einigem Vermögen gebracht zu haben, denn 1493 erwirbt er gemeinsam mit seiner Frau Agnes das Erbrecht an einem Haus ‘unter den Schustern’, und nach deren Tod im Jahre 1499, versucht er eine Pfründe bei den Augustinern als ‘Altersheimplatz’ zu kaufen, was ihm jedoch mit Ratsbeschluss vom 7. März 1506 versagt wird. 1509 kann er sich jedoch in eine ‘Altenwohnung’ im Nürnberger Klosterhof der Heilsbronner Zisterzienser unter einschränkender Rats-Bedingung einkaufen. Im hohen Alter muss Hans Folz nochmals geheiratet haben, denn in einem Geschäftsvertrag vom 6. September 1515 erfahren wir von einer ‘Elsbeth, weiland Hannsen Voltzen Babirers seligen Wittib’, d.h. der Witwe des im Januar des Jahres 1513 in Nürnberg gestorbenen Hans Folz. Hans Folz ist in seiner Zeit ein singuläres Phänomen. Er weist in seiner Produktionsvielfalt und -thematik sowie in seiner Publikationsweise weit über seine Zeit hinaus. Wir können konstatieren, dass er in seinem Schaffen außer den epischen Großformen alle Gattungen der spätmittelalterlichen Dichtung umfasst. Es sind unter seinem Namen überliefert bzw. von ihm verfasst ca. 100 Meisterlieder, mindestens 12 Fastnachtspiele und 48 Reimpaarsprüche zu unterschiedlichsten Sachverhalten und Themen sowie zwei Prosaschriften. Wir werden die drei Publikationsbereiche, und dabei v.a. die Reimpaarsprüche nach einem Blick auf ein besonderes Phänomen der Folz-Rezeption kurz würdigen. Hervorzuheben ist die Publikationsweise des Hans Folz, erscheinen doch fast alle seine Werke - außer den Meisterliedern,(8) für die besondere Vortrags- und vordringlich handschriftliche Rezeptionsbedingungen gelten - schon zu Lebzeiten im Druck, und zwar in den Jahren 1479-1488 in der Folzschen Druck-Offizin, die er wohl nur zum Druck von Eigenveröffentlichungen betrieb, und ab 1488 - nach der vermutlich erzwungenen Aufgabe der eigenen Offizin - bei Peter Wagner in Nürnberg. Nur wenige Jahrzehnte nach Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern nutzt ein ‘Nebenerwerbs’-Autor die modernste Technik zur Verbreitung seiner eigenen Schriften.(9) In einem Meisterlied zum Lob der Buchdruckerkunst warnt er zunächst vor der Gefahr, welche die Druckkunst birgt, zeigt aber dann den großen Nutzen auf: Ye doch schilt ich des drukez nicht, Die christlich ler Lob hab der erst Dar nach dem ersten in dem werk Hans Folz, der in der hier nicht abgedruckten Schlussstrophe dieses Meisterliedes bekennt, dass der Autor der Verse durch das Barbierhandwerk seinen Lebensunterhalt verdient, nutzt als einer der ersten nach der von ihm angesprochenen Phase der Ausbreitung vorwiegend lateinischer geistlicher Texte das neue Medium zur Laienunterweisung in allen Lebensbereichen. Dies spiegelt sein Werk wider, dessen Produktion spätestens zu Beginn der 70er Jahre mit den an den abgeschlossenen Kreis der ‘Singschule’ gebundenen Meisterliedern und wohl nur unwesentlich später mit den in der Aufführungspraxis das städtische Publikum suchenden Fastnachtspielen beginnt, um sich später in Reimpaarsprüchen ein zusätzliches, neues Feld zu erschließen, in welchem er das neue Druckmedium zur massenhaften Verbreitung nutzt. Meistersang und Fastnachtspiel fand Folz in der stadtbürgerlichen Gesellschaft Nürnbergs vorgeprägt, erst in seinen Reimpaarsprüchen verlässt er die vorgegebenen literarischen Pfade. Weder das Gesamtwerk noch einer der drei Teilbereiche ist bisher einer interpretatorischen Gesamtwürdigung unterzogen worden. Diese kleine Schrift mag v.a. für das «Bäderbüchlein» einen weiteren Baustein hierzu liefern. In der Folge seien die Werke bzw. Werkgruppen des Hans Folz - gegliedert nach den drei Teilbereichen summarisch und zum Teil exemplarisch aufgeführt.(11) Anmerkungen: Die Dokumente und Lebenszeugnisse zu Folz nebst jeweiligem Fundort sind bei Lochner (1874), Hampe (1900), Fischer (1966) und Janota (1977) verzeichnet und nachgewiesen, ich verzichte im folgenden auf weitere Verweise, alle Angaben sind in den genannten Artikeln zu finden. Interessant ist für den Wildbad-Freund ein Umstand, auf welchen mich Krohn (1993) S.111 bringt. Ludwig Uhland schreibt Ende August 1809 an seinen Freund Justinus Kerner nach Hamburg: "In v.d.Hagens u.s.w. Museum, das überhaupt sehr unterrichtend ist, las ich, daß Hans Folz Meistersänger und ‘Barwierer’ zu Nürnberg war, auch daß er eine Privatdruckerei hatte, wahrscheinlich weil er keinen Verleger fand [...]". Natürlich ist die (scherzhafte) Überlegung Uhlands zum Grund der eigenen Druckerei nicht ernst zu nehmen; aber mit Bezug auf das Thema unseres Bandes, das «Bäderbüchlein», das Wildbad und Zell würdigt, und den Umstand, dass Justinus Kerner kurze Zeit nach dem Erhalt dieses Briefes praktischer Arzt in Wildbad wird und (Ausg.1813) eine ganze Monographie über Wildbad verfasst, der er in der 3.Aufl. (Ausg.1932) noch Liebenzell hinzufügt, lässt sich bei Kerners parapsychologischen und seherischen Studien ganz unwissenschaftlich manche Spekulation anschließen!?
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© Dr. Rüdiger Krüger, Rheda-Wiedenbrück
2006 |