Alva & Aquarius
Prolog:
Eine anmutige Gegend, friedvoll und ruhig, in die der alte, weise
Göttervater Zeus getreten kommt - würdevoll, doch auch alt und müde - mit
Blitzbündel in der Hand und Strahlenkranz auf dem Kopf. Man spürt seine
ehemalige Größe, merkt aber zugleich, dass wohl eine neue Zeit angebrochen
ist; ja, dass dies die Abenddämmerung des Götterzeitalters des Zeus und seiner
Olympier ist.
Zeus [spricht das Publikum direkt an]:
Das Alter kommt und mit ihm die Gebrechen;
Man sucht die Ruhe, meidet Lärm und Streit,
Und gibt sich selbst im stillen das Versprechen:
Am Ort der ruhigen Heiterkeit
Den Lebensabend zu verbringen.
Der wilden Jugend Zeit ist um;
Das ferne Ziel, jetzt muss es mir gelingen:
Dort staune ich in Andacht, werde stumm!
Der Jugend, guter Freund, bedarfst du allenfalls,
Wenn dich in Schlachten Feinde drängen,
Wenn mit Gewalt an deinen Hals
Sich allerliebste Mädchen hängen,
Wenn fern des schnellen Laufes Kranz
Vom schwer erreichten Ziele windet,
Wenn nach dem heft’gen Wirbeltanz
Die Nächte schmausend man vertrinket.
Doch ins bekannte Saitenspiel
Mit Mut und Anmut einzugreifen,
Nach einem selbst gesteckten Ziel
Mit holdem Irren hinzuschweifen,
Das, alte Herrn, ist unsre Pflicht,
Und man verehrt uns drum nicht minder.
Das Alter macht nicht kindisch, wie man spricht,
Es findet uns nur noch als wahre Kinder.
Und wie ein Kind nach oben strebt,
Unschuldig rein das Schöne sucht;
So streb’ ich Alter nun, als hätt’ ich vorher nie gelebt
An einen schönern Ort, die Reise ist gebucht.
Ich seh ihn vor mir, diesen Lindenbaum,
Und ich mit ihr in seinem Schatten, welch ein Traum:
"Welch eine Göttin gießt Entzücken
Ins Herz des Fühlenden?
Lässt mitleidsvoll vor seinen Blicken
Oft Szenen sanfter Freud’ entstehn,
Und bildet ihre Haine schön
Sanfttrauernder Melancholie?
Sie ist’s, des Himmels Phantasie -
Oft wandelt sie auf Blumenwegen
Mit ihm ins stille Tal hinab,
Zeigt ihm die Unschuld da in Hütten
Und Freuden, welche Gott ihr gab..."
So hoff auch ich, der Gott des eignen Traumes,
Anteil zu haben an des Traumes tief’rem Sinn,
In der Unendlichkeit des Raumes
den Ort zu finden, wo ich wahrhaft bin.
Es ist die Zeit der Ernte, der Acker ist bestellt:
Ich lass der Jugend ihren Tanz ums goldne Kalb
Und mach mich mit den Meinen auf zum schönsten Ort der Welt:
Bad Herrenalb!
Zeus verschwindet in einer Wolke, die langsam durch das Tal zieht. Er ist im
Folgenden nur mehr stimmlich anwesend (außer eventuell in Szene III.1, die aus
dem Off oder auch direkt anwesend gestaltet werden kann); erst im Epilog wird er
mit seiner Hera in Herrenalb – dem Ruhesitz der Götter – wirklich
angekommen sein.
Hinter der durchziehenden Wolke öffnet sich eine anmutige, wasser-,
wiesen- und waldreiche Gegend, die von besonderer Schönheit und Harmonie
gezeichnet ist und von allerlei Naturwesen bevölkert wird.
Erde: Reich der Demeter
I. Akt – in dem die Olympier ins Albtal kommen und sich mit den heimischen
Faunen und Nymphen bekannt machen.
Szene I.1. Ankunft der Olympier im Albtal
Von einer buschigen Anhöhe kommen einige modisch gekleidete Damen, wohl
Urlauberinnen, geschritten, die sich im Laufe ihres Gesprächs als
griechische/römische Gottheiten und mythologische Gestalten offenbaren. Sie
sind auf Urlaub im wald- und wasserreichen Bad Herrenalb. Wald- und Wasserwesen,
Faune, Feen, Nöcke und Nymphen gesellen sich zu den antiken Gestalten und
umschwirren diese ständig. Thema der diversen Gespräche zwischen den Antiken
sind die Verwandtschaftsprobleme um sie und den Göttervater Zeus, genauer die
Liebesprobleme des Zeus in seinen diversen amourösen Abenteuern. Die Szene
schwingt in einem ernsten Gespräch zwischen Undine und der schönen Helena
über den Untergang Trojas und das Leid der Helena aus, über die Liebe, die
stets nur Leid gebiert.
Helena [kommt mit ihrer Mutter Leda, Europa und - ein wenig
dahinter - Diana und Demeter anstolziert, bleibt stehen]: Was für ein
Tag, mir angemessen, Helena, der schönsten Frau de Welt. [schaut sich
interessiert um, sie streckt die Arme in die Luft und atmet tief durch] Ahhh!
Welch wundervoll-behaglicher Ort. [Sie atmet tief durch] Und was für
eine Luft, es riecht förmlich nach Wald, Wiese und Wasser. [sie räkelt
ihren Körper] Ein Glück, dass uns der alte Zeus den Ausflug hierher
vorgeschlagen hat. Nicht wahr, Tante Europa?
Europa [wie Leda mit ihrem Schwan, kuschelt sie ständig mit
einem Stoff-Stier]: Ja, und es war ein guter Gedanke von Demeter, gerade
dies Tal hier vorzuschlagen.
Leda [hat in den Armen einen Stoff-Schwan, den sie ständig
streichelt; etwa gleichzeitig zu Helena]: Stimmt, mein Kind! [schaut
sich begeistert um] Wirklich angenehme Gegend hier, so urwüchsig. Hier
müssten sich doch Schwäne finden lassen?!... Denkt man gar nicht, was Europa
noch für stille Winkel hat.
Europa [schaut verständnislos]: Wie meinst du das, Leda?
Wo hab ich stille Winkel?
Leda [schüttelt den Kopf, redet auf sie ein - von oben
herab]: Nicht dich mein ich, Freundin und Rivalin, die du auch Europa
heißt. Ich mein den Kontinent, den man benannt nach dir: Europa, deinen
Kontinent!
Europa [schaut blond-wissend]: Ach so, das mit der Union
oder Gemeinschaft oder so, der europäischen... [Leda schüttelt den Kopf]
- du meinst dies geografisch und politisch...? [Leda nickt lachend, Europa
schaut sich begeistert um] Ja, echt super...
Leda [ergänzt]: Superb!
Helena [holt zu einer großen Geste aus]: Ich fühle mich
so erhaben, so... Lasst es mich mal mit klassischen Worten sagen, die einer
einst auf mich gedichtet hat: [stellt sich in Positur]
Ich fühle mich so fern und doch so nah,
Und sage nur zu gern: Da bin ich! da!
[sie atmet wiederum tief durch] Jetzt versteh ich auch, was mit den
Worten "gegenwärtig, ganz präsent sein" gemeint ist. So wie jetzt,
das muss es sein.
Diana [ist den anderen gefolgt, in Jagdkleidung, stimmt
Helena zu]: Ja, ein wunderbarer Platz. Genau das Richtige, um
auszuspannen. Das ist in Athen in diesem Sommer wirklich extrem. Und der Olymp
ist auch nicht mehr das, was er einmal war. Kein Ort für Götter mehr!
Leda [zu Diana]: Für dich als Jägerin, Diana, Patronin
der Jagd, muss es hier doch traumhaft sein. Wälder, Wiesen und Wasser und
jede Menge Wild. Wildschweine und Rehe, ja sogar Hasen im Wald, und selbst in
den Flüssen die Fische...
Demeter [stand die ganze Zeit ein wenig abseits und tritt nun
hinzu]: Lasst der Natur ihren Frieden. Seid doch froh, dem griechischen
Glutofen entronnen zu sein, und den olympischen Touristenmassen. [seufzt]
Das ist schon schmerzlich, die schöne Stadt Athen so leiden und schwitzen zu
sehen. - Jahrein, jahraus... Die geschundene Natur, alles verdorrt und
verbrennt! Gegen die verderblichen Einflüsse der Sterblichen bin selbst ich,
Demeter, Mutter der Erde und ihrer Früchte, machtlos.
Diana/Leda/Europa [stimmen ihr bedauernd zu]:
- Demeter, genau so ist es. Das ganze Wild verdurstet und verbrannt!
- Ja, wirklich extrem - du sagst es! Glut von oben - Glut von unten.
- In Athen ist es selbst für Unsterbliche schwer geworden; ich sag’s schon
lange, Demeter!
Helena [ironisch deklamierend]:
Ihr müsst nicht jammern und flennen;
Troja war eine bessere Stadt,
Und musste doch verbrennen.
Demeter [sehr nachdenklich]: Troja war das Schlachthaus
der Götter. Aber hier ist es anders. Ich bitte euch: Denkt nicht wieder
gleich ans Töten! Persephone ist aus dem Reich ihres Gatten Hades beurlaubt,
und Hades grollt deshalb. [sie streicht sich über die Stirn] Fort mit
den Gedanken an den Tod. Denkt an die üppig wuchernde Natur; an die
paradiesische Zeit, die wir hier verbringen werden.
Leda [eifrig zustimmend]: Ja, das ist eigentlich ein
wunderbarer Platz. Genau das Richtige, um auszuspannen.
Helena [schüttelt den Kopf]: Mama, das sagte Diana
gerade, [weist sie von oben herab zurecht] sei kein Papagei!
Leda [arrogant]: Kind, Kind... Etwas mehr Achtung vor
deiner Mutter! Seit Zeus ein wenig altersschwach geworden ist, begehrt die
Jugend auf...
Zeus [vorwurfsvoll nur stimmlich aus der Ferne]: Leda,
meine Liebe, ich bitte dich! - Der Zahn der Zeit nagt an uns allen...
Leda [gleich in die Defensive gehend]: Oh, Zeus,
entschuldige! Ich wusste nicht, dass du schon hier bist.
Zeus [matt und gelangweilt]: Ich ruhe mich mit Hera von
der Reise aus.
Helena [zischt ihrer Mutter Leda zu]: Mutter - pscht -
und Hera hat er auch dabei...
Zeus [freudig erstaunt]: Welche Stimme höre ich? Wen habt ihr
mitgebracht? Hallo, Helena! [begeistert] Du hier? Du riechst nach dem
trojanischen Brande, ich habe dich wieder, schöne Helena! Wunderbar, dass du
mitgekommen bist.
Europa [eifersüchtig]: Reicht dir Europa nicht, mein
Stier?
Zeus [spöttisch]: Dich hatt’ ich schon, sie fehlt in
meiner Sammlung noch! [lacht dröhnend, dann matt und verbraucht] Doch
lasst mich noch ein wenig ruhen.
Leda [wieder mutiger, als Zeus sich (stimmlich) entfernt hat,
zu den Übrigen]: Die eigne Tochter?! [droht lachend mit dem Finger ins
Ungewisse] Mein lieber Schwan... [zu den Anderen gewandt] Da hat
der alte Göttervater in seiner Geilheit wohl bei all den Frauen, Schwestern,
Töchtern, Menschen und so fort den Überblick verloren.
Europa [kichert glucksend]: Was seine Hera wohl dazu
meint? Die Hüterin des Herdes und des Ehestandes führt doch sicher Buch
über alle Seitensprünge.
Helena [anklagend und ärgerlich]: Er hätte mir lieber
helfen sollen, als Páris mich raubte... - mir meine Liebe schützen. Er, Zeus
- wer sonst, hätte doch die Macht gehabt, Mutter! [zornig-ironisch]
Und seine Hera war doch schuld an meinem und an Trojas Unheil, weil sie
beleidigt war, als Páris ihr den Schönheitspreis nicht zuerkannte.
Europa [spitz]: Das ist doch grade das Problem des Zeus.
Er steht in der Schuld aller Weiber des Olymp - und muss sich zudem stets vor
seiner Hera und ihrer Eifersucht hüten.
Leda [stimmt zu]: Drum sind ihm seine Flügel gestutzt,
mein Kind, er steht den Intrigantinnen machtlos gegenüber...
Europa [lachend]: Da ist der kräftige Bulle seiner Kraft
beraubt, und wird ganz unkastriert zum Ochsen.
Helena [sarkastisch]: Und ihr meint, was dem Ochsen nicht
erlaubt ist, davon sollte Zeus die Finger lieber lassen... [lacht
aufreizend] Alle Finger!
Demeter [sehr ruhig und sehr bestimmt]: Sprecht nicht so
von meinem Bruder Zeus. Er hält den Götterkreis zusammen; ohne ihn sind wir
nichts! Ihr wart [sie senkt den Blick und die Stimme] - wir waren -
willig und haben uns freudig, mit großer Lust von ihm nehmen lassen.
Diana [ruhig und stolz]: Ich habe meine Jungfräulichkeit
bewahrt. Viele begehrten, umschwärmten mich und machten mir den Hof. - Aber
was ist es denn, das uns Frauen zum schwachen Geschlecht werden lässt? Doch
nur die Männer, indem sie ihre Körperstärke ausnutzen und uns gefügig
machen.
Demeter [widerspricht in großer Ruhe]: Und doch ist es
das Schönste auf der Welt, wenn zwei Geschöpfe sich vereinen. Nur so kann
neues Leben erwachsen und erwachen.
Geißen-Faun [der sich ständig an junge Nymphen und Feen
heranmacht, hat dem letzten Teil des Gesprächs mit großer Heiterkeit
gelauscht]: Oh ja, [macht eine obszöne Bewegung] das ist das
Schönste auf der Welt. [greift sich die neben ihm stehende Heide] Komm
her... und in die Büsche.
Heide [kreischt lustvoll, indem sie sich widerstrebend-willig
von ihm abschleppen lässt]: Du Sexprotz, immer nur das Eine im Kopf.
Geißen-Faun [aus der Ferne, lachend]: Nicht im Kopf,
Heide, im Schritt... [lacht aufreizend und fasst sich zwischen die Beine] -
zwischen den Beinen...
Demeter [lächelt und deutet hinter den beiden her]: Da
nimmt sich die Natur ihr Recht! Saat und Ernte, Geburt und Tod, der ew'ge,
vorbestimmte Kreislauf. Doch ist es uns - anders als diesen Naturwesen -
gegeben, zu wählen, zu entscheiden...
Europa [vehement]: Zu wählen? - Zu entscheiden? - Von
wegen...! Wenn so ein Stier über dich kommt, gibt’s nicht mehr viel
Entscheidungsfreiheit. [besinnlich] Obwohl - eigentlich war’s
wunderschön, genau so, wie ich’s immer wünschte...
Demeter [legt der Europa den Arm um die Schulter und zieht
sie beiseite, die Anderen folgen den beiden; ruhig]: Dies meine ich: Es
ist die Freiheit tief in uns; in unsern Wünschen, unsern Träumen. Meist
kommt es, wie wir’s wünschen... - und ist dann wunderschön.
Helena [tritt von den Anderen weg und sinniert]: Ich
weiß nicht, ob wir wirklich frei in der Entscheidung sind, wen wir und wann
wir lieben. Ich weiß es wirklich nicht!
Helena tritt ein wenig abseits, sie scheint traurig zu sein.
Die kleinen Nymphen, Nixen und Feen haben sich während des Vorangehenden im
Halbkreis um die Antiken geschart, sie beobachten das Gespräch, sie sind bei
der vorherigen Aktion des Geißen-Faun in Richtung auf die Zuschauer
auseinandergestoben.
Undine [hat sich aus dem Kreis der Wasser-Nymphen gelöst und
schwimmt/geht auf Helena zu, die sich zuvor ein wenig von den Anderen entfernt
hatte und ein besinnlich-trauriges Gesicht macht]: Ich fühl mich
schwesterlich zu dir hingezogen. Was grämt dich?
Helena [wehrt ab]: Ach lass! Mich grämt nichts, lass mich!
Undine [lässt sich nicht abweisen]: Entschuldige, dass ich
dich anspreche; euer Gespräch ist doch zu interessant; - wir hier, wir wissen
davon nichts. Da hab ich eben mitbekommen, welche Verwicklungen und Verwirrungen
es unter euch Frauen am Olymp gibt. - Dieser Zeus ist wohl der Vater, Bruder,
Gatte fast von jeder. [sie tritt nah an Helena heran] Und selbst du, du
Schönste unter den Schönen, seine eigene Tochter, scheinst nicht sicher vor
ihm zu sein.
Helena [fast ein wenig zornig]: Ach - der alte
Spruchbeutel! Mit seinen großen Sprüchen ist er hinter jeder her, die halbwegs
aussieht...
Undine [streichelt sie]: Doch du bist ja auch
wunderschön...
Helena [anklagend]: In Hellas musst ich einst nur schön
sein, nichts sonst; mit makellosem Körper, das reichte - und die Männer waren
scharf auf mich.
Undine [stimmt mit einem Seufzer zu]: Ja das ist es, was
die Männer an uns schätzen, die körperliche Schönheit. Bein, Po und Busen
müssen stimmen, und ein geschminktes, lächelndes Gesicht... Die äußere Form
ist ihnen wichtig, um ihre Körperlust befriedigen zu können.
Helena [niedergeschlagen]: Das reichte auch mir an Páris,
war genug... Mehr wollt ich nicht, hatt’ ich nur ihn, den Strahlenden, den
Mann der Männer... Doch wurde er gemordet, viel zu jung...
Undine [verständnisvoll]: Du hast wie ich zu früh den
Liebsten verloren?
Helena [klagend weint sie]: Nicht nur einen, dreimal war
ich verheiratet, drei Könige, zweimal wurde ich geraubt - um am Schluss wieder
den zu heiraten, den Aphrodite, dieses Luder, mir entzog. [sie schluchzt laut
auf] Mein Páris... [nach einer Pause nüchtern] Und hernach wieder
Menelaos, der mich wie einen Besitz in furchtbar dauerndem Kampf
zurückeroberte; - ein ganzes Volk musste drüber sterben. [sie weint
hemmungslos]
Undine [nimmt sie in den Arm und streichelt sie tröstend]: Ganz
anders und im Ende doch ganz gleich erging es mir. Mein Ritter Huldbrand, den
das Menschenweib Bertalda mir genommen, hat uns beide früh, zu früh verlassen
müssen. Ungeliebt blieben wir zurück... Doch dies ist Menschenschicksal, seit
es Menschen gibt - seit es die Liebe gibt!
Helena [ruft laut und anklagend]: Wie konnte Zeus mir,
seiner eignen Tochter, dies nur antun? Oh Paris, mein Páris! [sie hält
inne, schaut auf Undine und besinnt sich an das eben von dieser Gesagte] Wie
hieß deiner doch gleich wieder
Undine [spricht bedächtig-zärtlich, fast schüchtern]: Huldbrand...
Doch die Zeit heilt Wunden...
Helena [sinnierend]: Huldbrand... [dann relativ hart] Die
Zeit heilt keine Wunden; sie ist wie der Verband, in dessen Wärme der Wundbrand
eiternd schwärt.
Undine [versucht sie weiterhin zu trösten]: Und grämt und
schmerzt der Tod des Liebsten dich auch ewig, ein neuer Tag bringt neue
Hoffnung, neues Glück; Fortuna lässt die ihren nie im Stich. [beiseite]
Doch eigentlich: Wie recht sie hat...
Helena [bitter]: Was bringt Fortuna schon, und was der neue
Tag: Nur neue Männer bringt der neue Tag, kein Glück und keine Hoffnung - auf
Liebe. [nach einem kurzen Moment der Besinnung, während Undine sie
streichelt] Ach ja, die Männer. [abfällig] Männer! [mit einer
wegwerfenden Handbewegung] Lassen wir das. - Fort mit den trüben Gedanken;
wir wollen uns an uns erfreuen. [sie küsst Undine] ...und außerdem: [sie
räkelt sich wieder entspannt] Was für ein Tal; - die Luft, [sie atmet
tief ein] - es riecht nach Wasser, Wiese, Wald... [und eilt mit Undine an
der Hand davon]
Die antiken Göttinnen etc. haben sich während des Gesprächs der Helena
mit Undine lachend mit den einheimischen Nymphen, Feen und Nöcken vereint und
in den Hintergrund zurück gezogen. Man hört von ihnen noch Geplauder und
Gelächter; die Olympier versuchen, den "Einheimischen" weiterhin zu
imponieren, ihnen zu zeigen, wer und was die "feine Gesellschaft" ist.
Helena und Undine sind zum Ende ihres Gesprächs in ihre Richtung gelaufen.
Szene I.2. Alva und "ihr" Tal
Die Wassernymphe Alva kommt auf ruheloser Suche nach dem unbestimmten
Geliebten in "ihr" Tal, das Albtal geschwommen, und begegnet Fortuna,
die ihr aus ihrem Füllhorn das Glück der erfüllten Liebe weissagt. Die selige
Alva wird vom Geißen-Faun sexuell belästigt, der von Diana in die Schranken
gewiesen wird und sich dann an die klare Pfütz heranmacht, die ihn zunächst
neckisch hinhält, sich dann aber willig von ihm ent- und verführen lässt.
Alva sehnt sich nach menschlicher Liebe, ahnt aber zugleich die Unmöglichkeit
einer solchen Verbindung. Die Szene schwingt in einem ernsten Gespräch zwischen
Alva und Undine über deren Liebesschicksal und -leid aus; das Leid liebender
Wasserwesen.
Alva [kommt, ein wenig atemlos, wie auch atemlos schön, auf
die Szenerie gelaufen/geschwommen und schaut sich freudig um]: Wo befinde
ich mich? Welch ein angenehmes Tal! Gehör ich schon den Geistern an? Am
Eingang des Waldes nahm mein freundlicher Führer von mir Abschied und sprach:
Weiter darf ich dich nicht geleiten, doch folge deinem Herzen, und du wirst
mich nicht vermissen. Ich ging und ging, und unwillkürlich hat es mich
hierher gezogen. [sie beobachtet die herrliche Natur] Dieses schöne
Tal, wie wird mir so sonderbar bei seinem Anblick! Warum wird es auf einmal so
still, so ruhig in meiner Brust?
Fortuna [tritt ruhig auf Alva zu und ruft im Kommen]: Ich
grüße dich, Alva, Enkelin des Poseidon, oder nennst du ihn Neptun?
Alva [erstaunt und zunächst ein wenig misstrauisch]: Guten
Tag! Poseidon ist schon recht... - Sie kennen mich, sprechen mich bei meinem
Namen an?!
Fortuna [ruhig und würdevoll]: Oh ja, du bist mir
angekündigt worden, und daher hab ich dich erwartet. Eigentlich schon
früher. Warst du nicht ewig schon in diesem Tal?
Alva [antwortet überrascht-verwirrt, weil sie wohl die Frage
nicht richtig versteht]: Es war ein weiter, schöner Weg, das Tal hinauf.
So viel zu schauen rechts und links des Flusses. So viel zu hören: Das
Gezwitscher der Vögel und Murmeln der Quellen und Bäche. Und doch war alles
mir nicht fremd - so heimisch, heimelig.
Fortuna [die ihr mit großem Interesse zugehört hat]: Es
scheint ganz so, als gehörtest du hierher, in dieses liebliche Tal... [zu
sich selbst] Sie ist dies Tal...
Alva [eifrig]: Ja, und mir ist, als wäre ich schon ewig
hier. [hält inne und schaut Fortuna von der Seite an, drängend] Doch
sagen Sie mir nun doch auch, wer Sie sind?!
Fortuna [sehr freundlich]: Es hat noch Zeit, mich dir zu
erklären, Alva; du wirst früher oder später von selbst drauf kommen. Bis
dahin reich mir deine Hand und nenn mich Schwester.
Alva [gibt ihr zögernd die Hand, fragend]: So, meinen
Sie - ich kenn Sie auch?
Fortuna [mit Bedacht]: Natürlich kennst du mich... [sie
schaut Alva lächelnd ins Gesicht] Doch sage "Du" zu mir, denn
wenn ich deine Schwester bin, so ist das "Sie" hier gänzlich fehl
am Platz.
Alva [die Vertrauen gewonnen hat]: Wenn ich denn wirklich
darf. [schaut unsicher, aber Fortuna umarmt sie lachend] Du bist so
herzlich zu mir. Du und die herrliche Natur... Ich könnt beinahe meinen
Kummer ganz vergessen.
Fortuna [aufmunternd]: Dein Kummer, liebe Alva, wird
getröstet werden, deine Sehnsucht erfüllt!
Alva [überrascht]: Wie das? Du kennst auch meinen
Kummer, meine Sehsucht?
Fortuna [sehr weich und zurückhaltend]: Es ist ein Mann,
dem all dein Sehnen gilt. Und er ist jung und schön, zugleich auch reif und
weise. Ein solcher Mann ist schwer zu finden, zu gewinnen, - noch schwerer zu
halten. Wo ist die Frau, die sich nicht einen solchen träumt?
Alva [schwärmerisch]: Oh ja, so denk ich, träum ich
ihn.
Fortuna: Ich weiß, in sternenklaren Nächten...
Alva: Dann liege ich in meinem Bett und seh’ den Liebsten vor
mir.
Fortuna: Er ist es...
Alva [drängend]: Wie meinst du das?
Fortuna [ruhig]: So, wie ich’s gesagt habe...
Alva: Du sprichst in Rätseln.
Fortuna: Bald wird das Rätsel für dich aufgelöst.
Alva [traurig und ungeduldig]: Bald, bald...
Fortuna [ganz zart]: Sehr bald
Alva [beinahe schluchzend]: Ich halte diese Sehsucht kaum
noch aus...
Fortuna [sie legt Alva beschützend den Arm um die Schulter]:
Tröste dich, ich werde dich mit ihm vereinen. Er verdient dich, ich kenne
ihn genau.
Alva [ungläubig]: Du kennst auch ihn schon?
Fortuna [wie selbstverständlich]: Natürlich kenn ich
ihn!
Alva [schaut sie verständnislos an]: Das ist mir
unbegreiflich..
Fortuna [mütterlich]: Komm, Kind! Du wirst dem Liebsten
heute noch begegnen. Er soll uns beide wiederfinden, dich und mich durch dich.
Und hab ich euch vereint, geb’ ich auch meinem Herzen dann ein Fest,
durchziehe froh die Welt, und wo ich einen Armen finde, der krank liegt am
Verlust der Freude, will ich schnell die Hand ihm reichen und sie
überströmen lassen aus meinem Herzen in das seinige!
Alva [freudig-ungläubig]: Du bist so gut und gibst mir
wieder neuen Lebensmut. Es strömt dir eine solche Kraft und Ruhe aus. Doch
sag mir bitte noch, wer bist du? [sie lacht schüchtern] Ich komme
wirklich nicht von selbst darauf...
Fortuna [zart]: Nicht jedem zeig ich mich, nicht jeder
darf mich kennen; und wen’ge nur beim Namen nennen. Denn wenn mein Name
fällt, muss ich gleich geh’n... [sie schaut Alva fest an] Das
Glück, Fortuna, heiße ich - [leiser] auf Wieder sehn! [sie
streicht Alva übers Haar und entfernt sich in den Hintergrund; Alva bleibt
nachdenklich in sich versunken stehen]
Während des Gesprächs zwischen Alva und Fortuna haben sich von einer
Seite die ausgelassenen Nymphen, Feen, Nöcke und Waldschrate, und von der
anderen die antiken Göttinnen etc. inklusive Undine genähert. Das Folgende
spielt sich zwischen diesen beiden Gruppen ab, wobei die handelnden Personen
sich spontan aus der jeweiligen Gruppe lösen. Die Handlung findet sozusagen
im Spannungsfeld zwischen antik-fernem und heimisch-nahem Mythos statt. Aus
der heimischen Gruppe löst sich der Geißen-Faun, während aus der antiken
Diana der bedrängten Alva zu Hilfe eilt.
Geißen-Faun [zu sich, während er sich zögernd der Alva
nähert]: Was für ein Weib, welche Gestalt und welche Anmut... [erregt]
Mir steigt der Saft. Die muss ich haben, [er kann sich kaum noch
beherrschen] wen sonst als die? [er eilt auf Alva zu]
Alva [erschrickt vor dem geilen Faun]: Halt, halt!
Geißen-Faun [reißt sie an sich]: Was soll das, zier
dich nicht so... [hält die sich wild Wehrende an beiden Handgelenken fest]
Sei nicht so zickig, Nymphe! [er zieht sie an sich und versucht sie zu
küssen]
Undine [eilt Alva zur Hilfe, indem sie den Faun mit einem
Eimer Wasser übergießt]: Fort du geiles Ungetüm! Immer wie ein
Geißbock, der zu viel vom Sellerie genossen.
Geißen-Faun [lässt Alva los und schüttelt sich]: Brrrr...
Wie erfrischend - so ‘ne kalte Dusche...
Undine [stellt sich vor Alva und geht, den Eimer schwingend,
drohend auf ihn zu]: Du bekommst gleich noch mehr, wenn du dich nicht
trollst, und meine Alva hier in Frieden lässt. [der Faun umkreist die
beiden Frauen, die plaudernd ein wenig zur Seite gehen und lässt dann von
ihnen ab]
Alva [umarmt Undine herzlich]: Bist du es wirklich,
Undine. Ich habe dich so lange nicht geseh’n.
Undine [erwidert die Zärtlichkeiten]: Du hier, Alva? Was
bist du groß und wunderschön geworden...
Alva [knufft sie]: Sei du ganz still. Bist immer noch die
Schönheit, ganz wie früher. Doch was machst du hier...?
Undine [beinahe verbittert]: Rastlos bin ich, mal hier
mal dort. Meine Ruh ist hin, seit langem... [fasst sich] Und jetzt bin
ich schon geraume Zeit in diesem wunderschönen Tal. Es ist so friedvoll hier.
Und all die Nixen, Feen und Nymphen sind noch ganz Natur, noch ohne
Falschheit, ganz mit sich im Reinen.
Alva [wirft ein]: Aber ziemliche Rabauken, scheint mir...
Undine [wehrt ab]: Oh nein, Alva. Sie sind nur ganz bei
sich; kein bisschen böse, nur ausgelassen, fröhlich, und ein klein wenig
naiv. Und ihre Gastfreundschaft ist grenzenlos - wenn du mit ihnen warm
geworden bist...
Alva [bohrend]: Du scheinst dich hier recht wohl zu fühlen? Und
ich dachte, dass du mit deinem Huldbrand beieinander bist; in seliger
Zweisamkeit...
Undine [traurig]: Das wäre schön! Doch streift ich
einsam-ruhelos umher. Bis ich dies schöne Tal hier fand. [schaut Alva
traurig an] Mein Huldbrand? Ja, wie gern wär’ ich bei ihm!
Alva [geht mit Undine zur Seite und unterhält sich mit ihr]:
Warum, was ist passiert? Wie ist es dir die ganze Zeit ergangen, und wie
geht’s deinem Huldbrand?
Die beiden unterhalten sich weiter, man sieht, dass sie sich sehr erregen.
Während im Vordergrund der Geißen-Faun die klare Pfütz umgarnt, tauschen sich
die beiden aus; und erst wenn sich Faun und Nymphe in die Büsche schlagen,
hört man die beiden wieder.
Geißen-Faun [ruft einer der vorbei tänzelnden Nymphen zu]: He,
Pfütz, Wo geht die Reise hin?
Die klare Pfütz [bleibt stehen, umtanzt den Faun, der sie zu fangen
versucht und skandiert schnippisch]:
Über Täler und Höhn,
Durch Dornen und Steine,
Über Gräben und Zäune,
Durch Flammen und Seen
Wandl’ ich, schlüpf ich überall,
Schneller als des Mondes Ball.
Geißen-Faun [fängt sie und nimmt sie lachend in den Arm]: Du
bist ja heute stark drauf, Pfütz, und wie geht’s sonst so?
Die klare Pfütz [entschlüpft ihm wieder und saust davon]:
Ich dien der Elfenkönigin
Und tau ihr Ring’ aufs Grüne hin.
Die Primeln sind ihr Hofgeleit;
Ihr seht die Fleck’ am goldnen Kleid,
Das sind Rubinen, Feengaben,
Wodurch sie süß mit Düften laben.
Nun such ich Tropfen Taus hervor
Und häng ‘ne Perl in jeder Primel Ohr.
Geißen-Faun [hält sich den Bauch vor Lachen]: Mann o
Mann...
Die klare Pfütz [Sie kommt langsam und lauernd auf den
lachenden Faun zu]:
Wenn du nicht ganz dich zu verstellen weißt,
So bist du jener schlaue Poltergeist,
Der auf dem Dorf die Dirnen zu erhaschen,
Zu necken pflegt; den Milchtopf zu benaschen;
Durch den der Brau missrät, und mit Verdruss
Die Hausfrau atemlos sich buttern muss;
Der oft bei Nacht den Wandrer irreleitet,
Dann schadenfroh mit Lachen ihn begleitet.
Geißen-Faun [lacht schallend, indem er die Pfütz an beiden
Händen nimmt und im Kreis herumwirbelt]: ‚Die Hausfrau atemlos sich
buttern muss!’ [lacht prustend] Das ist verdammt gut; ich glaub’, du
weißt gar nicht, wie gut das ist. [er umarmt sie]
Die klare Pfütz [zieht ihn an ihre Brust]: Wenn du die Dirne
schon erhaschst, dann nasch auch an dem Milchtopf...
Geißen-Faun [fasst sie um die Hüfte und legt eine Hand an
ihre Brust, lüstern]: Das lass ich mir nicht zweimal sagen, bei diesen
Milchtöpfen [lachend] - komm... [er nimmt sie an der Hand und beide
laufen lachend, schmusend in die Büsche; von der anderen Seite treten Alva und
Undine wieder in die Mitte der Szenerie, sie unterhalten sich erregt]
Alva [fassungslos]: Er hat die andere geheiratet? Dich und
die Liebe, die er dir geschworen, konnte er mit Füßen treten?
Undine [erregt]: Nein, liebe Alva, auch er litt wohl daran.
Und nach seiner Hochzeit mit der andern, mit Bertalda, durfte ich noch einmal zu
dem liebsten Treuelosen. Als ich ihn sah, als er mich sah, da wussten wir, dass
unsre Liebe doch für alle Ewigkeiten sein würde...
Alva [dringt in sie]: Und wie ging es weiter, dann konntest
du ihn retten, den Untreuen?
Undine [wehrt ab]: Nein, Rettung ist in diesen Fällen nur
von kurzer Dauer.
Und als er mich dann bat: "wenn ich sterben dürfte an einem Kusse von
dir", küsste ich ihn mit einem himmlischen Kuss, und ließ ihn nicht mehr
los. Ich drückte ihn inniger an mich und weinte, als wolle ich meine Seele
fortweinen. Die Tränen drangen in seine Augen und wogten im lieblichen Wehe
durch seine Brust, bis ihm endlich der Atem entging und er aus meinen schönen
Armen als ein Leichnam sanft auf die Kissen des Ruhebettes zurücksank. Ja,
meine liebe Alva, ich habe ihn tot geweint!
Alva [ist der Erzählung mit wachsender Erregung gefolgt, sie
erschrickt]: Du hast ihn tot geweint!? Wie schrecklich!
Undine [sehr ruhig]: Ja, schrecklich und doch unser
Schicksal.
Alva [erstaunt]: Unser Schicksal? Wie meinst du das?
Undine [sie legt den Arm um Alvas Schulter]: Wir
Wasserwesen können, dürfen keinen Menschen lieben. So wie sich Wasser und Erde
in einem ewigen Kampf befinden, und das Wasser der Erde wieder und wieder
Stücke entreißt, so müssen wir die Liebe zu den Menschen, den Erdbewohnern
immer wieder in Stücke reißen. Sie können uns nicht ewig lieben, und wir
ertragen es nicht, verstoßen zu werden.
Alva [hat aufmerksam zugehört]: Dann werd’ ich Obacht
geben, dass mir nicht solch ein unheilvolles Schicksal blüht. [lachend]
Ich warte am besten... [nachdenklich] auf einen Wassermann... [sie
gleitet ins nahe gelegene Wasser, an dem beide im Gespräch auf und ab gegangen
sind und hört von dort die nächsten Worte Undines]
Undine [lächelt sie wissend an]: Ach Alva, was wissen wir,
was die Zukunft bringen wird, was Fortuna in ihrem Füllhorn für dich bereit
hält? Die Liebe zwischen Mann und Frau hat stets viel Leid parat - und doch:
Ich will die schöne Zeit der ehelichen Liebe niemals missen! [mit einem
Seufzer folgt sie Alva; die beiden entfernen sich]
Szene I.3. Die Eheprobleme der Hera mit Göttervater Zeus
Alva und Undine sind zur Seite abgegangen/geschwommen, da drängen johlend
die jungen Nixen, Feen und Nymphen in den Vordergrund; sie werden von
Geißen-Faun gejagt, der sich daraufhin - umlagert von den weiblichen Nixen,
Nymphen und Feen, mit etwas Abstand Alva und Undine - mit Demeter und Diana,
sowie der Nymphe Echo über Liebe und Fruchtbarkeit unterhält. In das Gespräch
mischt sich dann und wann Zeus als alte Stimme ein. Hera tritt als
eifersüchtiges und zänkisches Eheweib mit den anderen Olympierinnen im Gefolge
auf den Plan und schimpft auf die Männer, Zeus meinend. Zeus verwickelt sie
wütend (aus dem Off) in einen Disput über Treue und Eifersucht. Leda und
Europa mischen sich auf Seiten des Zeus ein. Alva schaut in die Abgründe der
(ehelichen) Liebe.
Geißen-Faun [hält völlig außer Atem vor Diana an, die mit
Demeter und Echo im Gespräch vertieft ist]: Ach, ist das schön, in der
Natur, im weichen Gras und Moos zu laufen; die Luft des Waldes atmen, frei und
ungebunden... [er wendet sich direkt an die drei] Na ihr drei Grazien,
es liegt Vergnügen in der Luft...
Diana [lächelnd]: Na, du Naturbursche. Du scheinst die
Landschaft hier in diesem Tal wie wir zu lieben...
Demeter [begeistert]: Er ist ein Teil von ihr, er ist
Natur! Hier ist Natur noch mit sich selbst versöhnt.
Geißen-Faun [neugierig die beiden vornehmen Damen
beäugend]: Und wer seid ihr; so schön, so fremd, [rückt ihnen etwas
näher] - und so begehrenswert...?
Echo [die ein wenig abseits steht]: Ehrenswert...
Geißen-Faun [schaut sie erstaunt an]: Was ist denn das
gewesen?
Echo [im gleichen Ton]: Wesen...
Geißen-Faun [wendet sich irritiert an Diana]: Wer ist
die denn, sie ähnelt uns - und ist doch anders...
Diana [lacht]: das ist Echo, die Berg-Nymphe aus Attika.
Sie dient uns als Orakel, wenn wir fern von Delphi sind...
Geißen-Faun [guckt irritiert]: Als was? Orakel? Nie
gehört...
Demeter [berührt ihn leicht am Arm]: Sie sagt die
Wahrheit, ungeschminkt, wenn man sie fragt. Doch musst die Wahrheit du zu
deuten wissen.
Geißen-Faun [immer noch verunsichert]: Die Wahrheit? -
Sagt nicht jeder sie in der Natur, ganz unverstellt und ungeschminkt?
Echo: Geschminkt...
Geißen-Faun [beginnt das Prinzip zu verstehen]: Du bist
die Nymphe, die am Felsenhang mir spielend Antwort gibt.
Echo: Wort gibt...
Geißen-Faun [lauernd]: Ich mach die Probe: Wie nennen
Menschen diesen Zustand, wo es heißt:
Was der Mann will, das geschehe!
Echo: Ehe...
Zeus [aus dem Off, ironisch]: Man meint fast, Hera wäre
die Befragte...
Echo: Betagte...
Geißen-Faun [schaut um sich, um den Sprecher zu sehen]: Und
was war das? Die Stimme? - Wer?
Demeter [klärt auf]: Der Göttervater Zeus, schon lang
in Ehe mit seiner Hera fest verbunden...
Geißen-Faun [lachend]: Ach so, der Bulle, von dem ihr
vorhin gesprochen habt. Das muss ein scharfer Typ sein... Wie war das mit dem
Stier?
Diana [zum Geißen-Faun]:
Als Zeus Europa lieb gewann,
Nahm er, die Schöne zu besiegen,
Verschiedene Gestalten an,
Verschieden ihr verschiedlich anzuliegen.
Als Gott zuerst erschien er ihr;
Dann als ein Mann, und endlich als ein Tier.
Umsonst legt er, als Gott, den Himmel ihr zu Füßen:
Stolz fliehet sie vor seinen Küssen.
Umsonst fleht er, als Mann, in schmeichelhaftem Ton:
Verachtung war der Liebe Lohn.
Zuletzt - mein schön Geschlecht, gesagt zu deinen Ehren! -
Ließ sie - von wem? - vom Bullen sich betören.
Geißen-Faun [kommt in Fahrt]: Ich sag’ es doch, ein
toller Typ. Der scheint es zu versteh’n, mit Weibern umzugeh’n. Der passt
zu uns, zu mir. Es wäre schön, wenn der mit euch hier länger bliebe...
Diana [fängt an, und stockt, als sie Echo hört]: Die...
Echo [fast gleichzeitig]: Liebe...
Geißen-Faun [beinahe schwärmerisch]: Ja, die freie,
ungebundene Liebe. Die Entfaltung aller Triebe, ist das Höchste der Natur.
Für mich und jede Kreatur. [er stutzt, und lacht dann aus vollem Hals]
Ich reime mich... [Zeus lacht vergnügt aus dem Off]
Diana [schüttelt den Kopf, ironisch]: Wie poetisch! [wieder
ernst] Und über allem regiert Aphrodite und du, [sie deutet ins
imaginäre] listiger Eros:
Zwar rühmst du dich, dass alle Welt
Für ihren Sieger dich erkenne;
Dass selbst der Vater Zeus, so oft es dir gefällt,
Von unerlaubten Flammen brenne;
Dass, seiner Majestät beraubt,
So oft du willst, der Götter Haupt
Bald als ein Drache, bald als Stier
Bald als ein böckischer Satyr, [sie droht schelmisch in Richtung des
Geißen-Faun]
Und bald mit Stab und Schäfer-Tasche
Der Nymphen Einfalt überrasche.
Doch trotze nicht zuviel auf deine Macht!
Geißen-Faun [klatscht sich auf die Schenkel]: So hat der
Zeus sich Frauen, Nymphen, Göttinnen genommen, wann und wo er wollte?
Demeter [besonnen]: Ja, wann und wo es die Natur von ihm
verlangte.
Diana [ist in Fahrt]: Er ging noch weiter, machte keinen
Halt,
Nahm sich als Adler einen Jüngling in Gewalt.
Und Hera schäumt. Denn Zeus lässt, ohne Schrecken,
Sich nicht nur Nektar von der Hand des Jünglings schmecken.
Die Göttin staunt, bemerkt, vergleicht,
Sie untersucht und schließt, es reicht:
Denn was glaubt sie zuletzt zu sehen,
Dass Ganymed und ihr geliebter Mann
Einander mehr als nötig ist verstehen.
Und klar, dass eine Frau so was nicht leiden kann...
Geißen-Faun [vergnügt]: Der Typ ist toll, und so
flexibel. [kichert] Kein Kostverächter, scheint mir. [er macht eine
eindeutige, obszöne Bewegung] Der geile Göttergatte und sein Ganymed... [lacht]
Zu gut...! Ein Bulle als Sexprotz auf dem Götterthron...! Und setzt der
Ehe-Kuh die Hörner auf... [lacht lauthals]
Hera und die übrigen Damen haben sich – umgeben von den kleinen Nymphen,
Nöcken und Feen – langsam der Gruppe genähert und die letzten
Gesprächsfetzen mitbekommen.
Hera [kommt wütend auf den Geißen-Faun zu, die Fäuste
schwingend]: Das ist die Höhe, was erlaubst du dir? Mir, Hera, solchen
Dreck in meinen Ehestand zu schmieren...
Geißen-Faun [schreckt zurück]: Ich wollt doch bloß... [zieht
sich von Hera und der olympischen Damengruppe bei Heras folgendem Einwurf
zurück und beobachtet das Geschehen aus sicherer Entfernung]
Hera [giftig, äfft ihn nach]: Ich wollt doch bloß...
ich wollt doch bloß... Und wenn man euch zur Rede stellt, den Schwanz
einziehen. So seid ihr Männer. [Hera weiter, voll Gift und Galle] Doch
was den werten Gatten anbelangt, so hat der Waldschrat recht: Einen geilern
Bock gibt’s kaum... - er passt wohl eher hier zu Nöck und Faun und
Nymphe...
Demeter [zu Hera]: Ist dir denn so das Schelten gänzlich
einverleibt,
Dass ohne Tadeln du keine Lippe regen kannst?
Hera [geht drohend auf Demeter zu, die anderen Antiken
nähern sich und gruppieren sich um die beiden]: Sei du ganz still! Woher
stammt deine Tochter, die Persephone! [Demeter macht eine abwehrende
Bewegung; Hera wendet sich zu Leda und Europa] Und ihr?! Als Tier habt ihr
euch von ihm nehmen lassen. So sind die Männer: Tiere – nichts als Triebe
und Brunftgefühle; - mit ihnen kam das Unglück auf die Welt und über uns
Frauen.
Zeus [wütend, mit donnernder Stimme, vor der Hera zurück
schreckt]: Wer hat zuerst vom Apfel der Sünde gegessen? Gänse haben das
Kapitol gerettet, aber durch ein Weib ging Troja zugrunde. O Troja! Troja! des
Priamos’ heilige Feste, du bist gefallen durch die Schuld eines Weibes! Wer
hat den Marcus Antonius ins Verderben gestürzt? Wer verlangte den Kopf
Johannis des Täufers? Wer war Ursache von Abälards Verstümmelung? Ein Weib!
Die Geschichte ist voll Beispiele, wie wir durch euch zugrunde geh’n. All eu’r
Tun ist Torheit, und all eu’r Denken ist Undank. Wir geben euch das
Höchste, die heiligste Flamme des Herzens, unsere Liebe - was gebt ihr uns
als Ersatz?
Hera [wehrt sich wütend und droht ihm mit der Faust in den
Himmel]: Gerade du musst so auf uns Frauen schimpfen! Ich kann dir auch
die Litanei der Männer vorbeten, die uns Frauen hintergangen haben: Und da
stehst du gewiss zuoberst auf der Liste!
Leda [ergreift naiv für Zeus Partei]: Lass das doch,
Hera; wir Frauen haben es und ihn doch genossen!
Zeus [gleichzeitig wütend grollend]: Du Furie, du dummes
Weib!
Hera [kreischt]: Du nennst mich ‚dummes Weib‘!? [deutet
auf Leda, die sich empört abwendet] Zu der da passt dies Wort... [wieder
mit drohender Gebärde] Warte nur, das sollst du mir büßen...!
Zeus [lacht im Zorn]: Du willst mir drohen, Hera? - dass
ich nicht lache. Überschätz dich nicht in deinem Zorn.
Demeter [schüttelt den Kopf]: In aller
Öffentlichkeit... Ist das nötig, dass alle Welt sich mit dem Streit, der
Eifersucht der Götter unterhält? Ist dies der neue, der moderne Stil: Das
Aller-Privateste vor alle Welt zu zerren, dass es von Hinz und Kunz begafft
und amüsiert betrachtet wird? [Nachdenklich] Mir war, als habe es eine
Zeit gegeben, in der nicht so viel Hass und Zwietracht zwischen euch war. Als
ihr noch in Kultur natürlich miteinander umgegangen seid. Und damals war
Intimes noch privat und nicht herabgewürdigt zum Spektakel.
Hera [mit langsam abklingendem Zorn]: Er bringt mich eben
immer wieder zur Weißglut mit seinem Gockel-Gehabe.
Zeus [versöhnlich, doch immer noch mit ironischem Unterton]:
Demeter hat recht, jetzt ist’s genug! Du weißt, wie ich im Traum oft
bittre Tränen um dich und dein hartes Schicksal weine. Und doch: Ich bin ein
Gott zwar, aber doch zuerst ein Mann, und tu als Gott und Mann nur meine
Pflicht... nicht nur als Ehemann.
Hera [immer noch erregt, aber deutlich weniger wütend]: Straf’
mich nun mit Worten, wie du willst, dass ich so dumm bin, aber der Eifersucht
Brand tobt in mir, wenn du mir nicht am Boden bleibst, wo auch ich bin. Immer
habe ich den Eindruck, dass du nur im Vorübergehen mit mir bist, ich aber
wollte immer mit dir sein, jetzt und immer, und ungemischt mit andern; erst
hast du geweint im Traum um mich, und nachher im Wachen vergisst du alles
Dasein mit mir.
Zeus [lenkt besänftigend ein]: Ach meine gute Hera, du
magst wohl durch meinen Zorn gekränkt sein, aber du wirst mir doch nicht
zürnen. Sei zufrieden Hera, werde nur nicht eifersüchtig, sieh dich im
Spiegel, du blühende Rose, so freudig sah ich dich nie wie eben mitten in der
Kümmernis unsres Streits, dann sieh mich an und du wirst deine Eifersucht
beruhigen, selbst wenn du meiner Liebe zu dir nicht glauben wolltest.
Hera [nun auch besänftigt]: Natürlich glaube ich dir
deine Liebe, mein Zeus. Aber wenn ich dich nicht sehe, nicht bei mir weiß -
kann ich mir deiner sicher sein? Wo treibst du dich rum? Nach wem schaust du?
Mit wem bist du zusammen? Sind es wieder schöne Frauen, die deine Gedanken
umnebeln? Fragen über Fragen strömen auf mich ein, wenn du nicht bei mir
bist.
Europa [fragt hinterhältig]: Ob er bei mir, [deutet
zu Leda] bei Leda ist? Oder welche der Sterblichen er unsterblich macht! [Hera
winkt nur ab]
Diana [fast ein wenig spöttisch]: Tja, das sind die
Schattenseiten der Liebe... Wie heißt es doch im Sprichwort?: [sie
deklamiert]
Eifersucht ist eine Leidenschaft,
die mit Eifer sucht, was Leiden schafft.
Zeus [lacht]: Diana, du hast gut reden! Unter den Frauen
des Olymp bist du die einzige, die von der Schlange Eifersucht verschont ist.
Sie kriecht in euch und wird groß und übermächtig... [lacht wieder]
- bis ihr förmlich platzt!
Hera [ganz versonnen]: Doch ohne diese Schlange wüsste
ich kaum mehr, wie sehr ich liebe, mich nach dir verzehre, mein Zeus.
Zeus [ganz ähnlich]: So lang das Gift der Schlange dich
nicht auf Dauer schädigt, so lange mag sie in dich kriechen, wann immer sie
will. Denn sie zeigt dich, wie du bist:
Wenn deine hohe Stirn sich kräuselt
mit den Linien der Sorge;
um deinen Mund
- sonst lächelnd -
zucken Blitze der Erregung;
und deine Nasenflügel beben:
Dann, meine Liebste,
bist du ganz bei dir;
stolz, unnahbar:
Ganz DU.
Hera [verliebt schwärmerisch - und fast ein wenig
lächerlich]: Oh Zeus! Wie schön... Du mein Poet. Jetzt fühl ich’s
wieder, dass und wie du mich liebst.
Zeus [matt]: Schon gut... Nach all den Jahren, [leiser]
- all den Stürmen...
Demeter [ganz ruhig und abgeklärt]: Es ist alles in der
Liebe: Freundschaft, schöner Umgang, Sinnlichkeit und auch Leidenschaft; und
es muss alles darin sein, und eins das andre verstärken und lindern, beleben
und erhöhen.
Zeus [ruhig]: So ist es, Demeter: Auch Leidenschaft und
Feuer muss in der Liebe sein. [ermattet] Doch ich bin müde,
ausgebrannt, die Tausende von Jahren und die Liebschaften schwächen den
Geist, den Körper, die Glieder und [lacht matt] die Lenden. Ich ziehe
mich zurück, vergnügt ihr euch nur weiter... [im Hintergrund hört man
noch den Widerhall des Zeus’schen Donnergrollens]
Interludium
Alva [hat dem Geißen-Nöck und der Hera’schen
Eifersuchtsszene gemeinsam mit Undine von der einen Seite/vom Rand des Wassers
- innerhalb des eigentlichen Geschehens - zugeschaut]: Oh! Ich beginne zu
verstehen. Du hast gesagt, dass Liebe ohne Leid nicht möglich ist.
Echo [steht abseits, fällt im Folgenden dieser Szene etwas
aus der Rolle, indem sie, wie bei ‚Befragte : Betagte‘ etwas weiter oben,
nun auch reine Reimwörter echot]: List...
Undine [umarmt sie]: Ach Alva, wenn es nur die kleinen
Eifersüchteleien sind; was machen die schon... Vergiss sie: - nur
Alltäglichkeit der Ehe. Das ist kein wirkliches Leid, kein tiefer Schmerz.
Echo [dito]: Herz...
Alva [fragend]: Du meinst, dies ist ein Ritual der
Ehe?...
Undine [fällt ein]: Ein Zug im Ehe-Spiel. Mit Liebe hat
dies nur am Rand zu tun: [mit großem Nachdruck] Die wahre Liebe, wie
sie Aphrodite schenkt, ist ein Himmelsglück!
Alva [versonnen leise]: Die Liebe, die Liebe - ist eine
Himmelsmacht... Die Liebe, - ja die Liebe...
Echo [dito]: Hiebe, ja die Triebe...
Feuer: Reich des Vulkanus
II. Akt – in dem Alva den Ganymed und Ganymed die Alva kennen und lieben
lernt.
Szene II.1. Ganymed/Aquarius beobachtet Vulkanus und die tanzenden Nymphen
Der hinkende Schmied Vulkanus tritt zornig auf - er setzt das
Donnergrollen des Zeus aus der vorherigen Szene fort - und wird von den
Elementarwesen, vor allem dem unbekümmerten Geißen-Faun, verspottet. Nur der
Reigen der singenden Wasser-Nymphen kann ihn in seiner Wut besänftigen. Alva
führt den Reigen und Gesang. Ein schöner junger Mann, Ganymed, beobachtet die
Szene, bei ihm steht ein Alter im Sternenmantel, der sich im Gespräch über
Frauenschönheit als dessen Alter Ego Aquarius herausstellt. Ganymed/Aquarius
sind verliebt, jedoch noch unbestimmt, wie Alva zuvor.
Vulkanus [mit dröhnend lauter Stimme von der Seite der Szene
in das Zeus’sche Donnern hinein, er qualmt und riecht nach Pech und
Schwefel]: Es ist des Eros doppelte Gestalt, die Mann und Frau
zusammentreibt: die geile Sinnenlust und dann doch auch die Sehnsucht, eins zu
sein mit einem andern. Und Eros zündelt gern, drum habe ich ihm Pfeil und
Bogen schön geschmiedet... Wo sein Pfeil trifft, da brennt verzehrend das
lodernde Liebesfeuer... [er hinkt auf die Gesellschaft zu]
Diana [gleichzeitig besänftigend und erklärend zu den vom
Donnern und der lauten Stimme verängstigten Nymphen, Faunen, Nixen etc.]: Wir
fürchten das Feuer und doch brauchen wir es. Und immer wieder geschieht es,
ja muss es geschehen, dass in den Paradiesen der Welt sich in der Anmut und
Schönheit zugleich die vulkanische Hölle so gewaltsam auftut und seit
Jahrtausenden die Wohnenden und Genießenden aufschreckt und irremacht. Es ist
unser alter Freund Vulkanus, der seine Macht demonstrieren muss; hören wir
ihn an!
Vulkanus [immer noch mit gewaltiger Stimme]: Ja es ist
Vulkanus, der mit euch Göttern noch eine Rechnung offen hat.
Geißen-Faun [löst sich mutig aus der verängstigten Menge]:
Er ist ein rechtes Hinkebein, stinkend wie der Mächtige aus der
Unterwelt... [lacht den Vulkanus aus, muss sich aber dann schnell vor
dessen Wut in Sicherheit bringen]
Vulkanus [wütend hinter dem Geißen-Faun her wetternd und
hinkend]: Wart nur, ich werde dir den Pelz verbrennen, dass du froh
wärst, hinken zu können.
Die jungen Nymphen, Nöcke etc. [rufen hinter den beiden
her]: Hinkebein, Hinkebein, bist ein rechtes Stinkeschwein... [sie
wiederholen den Ruf, bis sie von Helena unterbrochen werden]
Helena [tritt von der Seite hinzu]: Ruhig, Kinder!
Spottet dieses Vulkans nicht, wenn er hinkt, denn ihn haben zweimal die
Götter vom Himmel auf die Erde geworfen.
Diana [versucht alle zu beschwichtigen]: Helena hat
recht! Spottet nicht, sondern tanzt einen Reigen für den großen Donnerer,
ihr Wasserwesen. Das wird ihn beruhigen.
Eine junge Nymphe [ängstlich]: Aber er ist gar zu
furchtbar!
Eine andere [beinahe gleichzeitig]: Er wird uns doch
nichts antun!?
Diana [vorwurfsvoll]: Ihr habt ihn gereizt, jetzt tanzt,
um ihn zu besänftigen. [deutet zur Seite] Da kommt er schon... [sie
beginnt rhythmisch zu klatschen]
Alva [klatscht mit und stimmt ein slowakisches Zigeunerlied an, in
das die Anderen nach und nach einstimmen, die jungen Nymphen tanzen darauf
einen Rundtanz]
Fließe, Wasser fließe - hei! -
In das Bächlein schnelle!
Liebe mich, nur liebe - hei! -
meine süße Seele!
Fließe, Wasser fließe - hei! -
Über Steine lärmend!
Wer noch nicht kann seufzen, - hei -
Lernt’s in Lieb sich härmend.
Fließe, Wasser fließe, - hei! -
Musst ums Häuschen jagen.
Aber wen ich liebe, - hei -
Werd ich keinem sagen.
Während des Liedes kommt Vulkanus - noch immer wütend gestikulierend -
zurück gehinkt, die Nymphen und Nöcke tanzen um ihn herum, und er beruhigt
sich, ja wiegt sich im Rhythmus hin und her.Ebenfalls während der Tanzes sind
am Rand der Szene Aquarius und Ganymed aufgetaucht, die das Treiben interessiert
- aber aus der Ferne und ohne irgendwie einzugreifen - beobachten. Sie
unterhalten sich leise (für die Zuschauer unhörbar), und an ihren Gesten und
ihrer Mimik erkennt man, dass sie sich für die einzelnen agierenden Personen
interessieren und am Geschehen lebhaft Anteil nehmen..
Vulkanus [im Kreis der Nymphen und Nöcke, begeistert]: Sehr
schön - ihr feuchten Wesen! Auch mein jugendlicher Freund Eros hätte seine
Freude an eurem Tanz und Gesang. Er liebt das warme feuchte Element. [lacht
hintergründig]
Undine [erstaunt]: So fürchtest du das Wasser nicht...?
Vulkanus [leutselig]: Oh nein, im Gegenteil, ich wärme es,
so dass es heiß dem Tier und auch dem Menschen nutzbar ist. Der Mensch fasst es
in großen Becken und lindert seine körperlichen Gebrechen mit der Heilkraft
meiner Therme.
Demeter [stimmt Vulkanus zu]: Denn nur gemeinsam sind wir
stark. Wo Neptun nicht sein Wasser spendet, das durch Erde, Sand, Gestein
gefiltert wird, dort ist kein Leben. Und wenn Vulkanus es tief drunten in der
Erde wärmt, so sprudelt’s heiß als Arznei, wie hier in diesem Tal.
Helena [atmet tief ein und breitet die Arme aus]: Dazu die
gute Luft... So rein und würzig...
Diana [euphorisch]: Ja, dieses Tal mit seinem Wasserlauf
durch saftig grüne Wiesen, den schönen, wald- und wildreichen Hügeln, ist ein
Ort zum Wohlfühlen, Entspannen, ein Ort der Musen und der Muße.
Alva [tritt auf Vulkanus zu und reicht ihm die Hand]: Es ist meine
Bestimmung, hier zu sein mit euch. Und du, Vulkanus, sei mein Freund, und wärme
mir das Herz, wie du mein Element, das Wasser wärmst.
Vulkanus [nimmt die angebotene Hand]: Du bist noch jung. Du
kennst die Kraft des Vulkanus noch nicht, die auch Vernichtung, Unglück bringen
kann. Wenn Wut mich packt, wenn mich die Götter oder Menschen zum Äußersten
reizen. Auch weißt du nicht, wie verzehrend es sein kann, wenn ich das Herz dir
wärme.
Alva [erstaunt]: Wie meinst du das?
Vulkanus [schaut sie fest an]: Kein loderndes Feuer, keine
glühenden Kohlen brennen so heiß, wie die Flammen des Herzens, die Liebesglut,
die ich entfachen kann...
Alva [ebenso fest]: Zündle du nur; [erregt] das
Feuer lodert doch schon längst, ich fühl es tief in mir. Wie es mich verzehren
will, wie ich mich verzehre... [sie eilt aufgewühlt davon, die Anderen
blicken, laufen ihr nach]
Vulkanus [humpelt lachend hinterdrein]: Hier bin ich ganz
in meinem Element, und kann subtil die Glut entfachen, das Feuer schüren.
Ganymed [löst sich von Aquarius, mit dem er die Szenerie aus
einiger Entfernung aufmerksam beobachtet hat, und taumelt fast]: Aquarius,
mein altes, andres Ich! Wie ist mir so schwindelig. [bleibt ganz benommen
stehen]
Aquarius [lächelnd]: Sorge dich nicht, mein Ganymed, durch
den mein Schicksal sich erfüllte; du schönster Jüngling Griechenlands
[leiser] so nannte man mich einst. Du spürst etwas, was nie bisher in dir
Gestalt gewann. Weil Zeus dir seine Liebe schenkte. Da warst du machtlos. Doch
auch jetzt wirst du wieder machtlos sein... - und wirst zum zweiten Mal das
Schicksal wenden.
Ganymed [immer noch wie im Traum]: Du sprichst in
Rätseln...
Aquarius [zu seinem Alter Ego Ganymed, der eng bei ihm steht]:
Denk dir ein Weib im reinsten Jugendlicht,
Nach einem Urbild von dort oben
Aus Rosenglut und Lilienschnee gewoben;
Gib ihrem Bau das feinste Gleichgewicht;
Ein stilles Lächeln schweb auf ihrem Angesicht,
Und jeder Reiz, von Majestät erhoben,
Erweck und schreck’ zugleich die lüsterne Begier:
Denk alles, und du hast den Schatten kaum von ihr!
Und nun, sanft angelockt von ihren süßen Blicken,
Dies holde Weib, das nur die Luftgestalt
Von einem Engel schien, an meine Brust zu drücken,
Zu fühlen, wie ihr Herz in meines überwallt,
Ist’s möglich, dass ich vor Entzücken
Nicht gar verging? - Nun komm, und sprich mir kalt,
Es war ein Traum! Wie schal, wie leer und tot ist neben
So einem Traum mein vorig’s ganzes Leben!
Ganymed [hat begeistert zugehört und stimmt ein]: Ja, mein
Aquarius, und ich schaute ein Wesen in solch göttlichem Liebreiz, in solch
hoher Anmut, dass der sengende Schirokko inbrünstiger Liebe mir durch alle
Adern und Nerven fuhr und der Glutstrom erstarrte zur Lava, die dem Vulkan des
aufflammenden Herzens entquollen.
Aquarius [Ganymed nimmt sein Alter Ego in den Arm]: Sie
macht rechte Dichter aus uns, die Liebe. Ganymed! Selbst wenn sie noch
unbestimmt ist, nur ein leises Ahnen.
Ganymed [ganz verträumt]: Und sie macht trunken... [er
sinniert] - trunken von kommendem Glück.
Aquarius [löst sich sanft von ihm]: Und doch braucht es
dazu auch den Verstand. Ein heißes Herz und ein kühler Verstand machen den
Dichter und machen den Liebenden. Liebender zu sein ist das höchste Glück -
nicht Verliebter oder Geliebter.
Ganymed [steht Aquarius gegenüber]: Ich glaube fast, es
braucht gar keines Gegenüber, um Liebender zu sein.
Aquarius [schaut diesen fest an]: Ja! Denn es ist ein
innerer Zustand, dem das ‚Du‘ von ganz alleine zuwächst.
Ganymed [seufzend]: Aber dieses leise Ahnen, das stille
Sehnen, das in mir größer und größer wird, gilt doch - wenn auch noch
unbestimmt - einem geliebten Gegenüber, einem ‚Du‘.
Aquarius [tritt einen Schritt zurück, aufmunternd]: So ist
es! Aber nun auf, zur Suche nach dem ‚Du‘: dem Ewig-Weiblichen! [schmunzelnd]
Denn hier bei mir wirst du’s nicht finden. [ruft dem sich langsam zu den
anderen begebenden Ganymed nach]:
Die Nacht schafft tausend Ungeheuer;
Doch frisch und fröhlich ist mein Mut: [er reckt und streckt sich wie ein
Rad schlagender Pfau]
In meinen Adern welches Feuer!
In meinem Herzen welche Glut!
Szene II.2. Die Schönheitskonkurrenz - oder: Das Urteil des Ganymed
Auf Veranlassung von Vulkanus und auf Bitten der Antiken findet nach
klassischem Vorbild (Urteils des Páris) ein Schönheitswettbewerb zwischen den
ältlich-überheblichen Zeus-Geliebten Europa und Leda sowie der natürlichen,
jungfräulichen Alva statt. Ganymed wird als Schönheitsrichter bestellt; sein
Lohn soll ein Kuss der von ihm erwählten Schönsten sein. Alva werden Apfel und
symbolischer Preis zuerkannt, und Ganymed bekommt als Lohn einen zarten Kuss der
Alva auf beide Wangen.
Ganymed [tritt auf Vulkanus zu]: Ich grüße dich, du
Erwärmer von Erde, Luft und Wasser [lachend] - und der Herzen.
Vulkanus [distanziert]: Sei mir gegrüßt, du schöner
Jüngling. [er schaut neugierig] Du kennst mich, weißt, dass ich
Vulkanus bin?
Ganymed [lächelt]: Natürlich. Denn wir begegneten uns
vor langen Jahren, Vulkanus...
Vulkanus [erstaunt]: Wir kennen uns. [fasst sich an
die Stirn] Oh ja, mir dämmerts - ist es möglich? Du bist verbannt ins
Meer der Sterne... [tritt auf Ganymed zu] Ja, Ganymed, du bists!
Ganymed [legt den Arm um ihn]: Ganz recht, ich bin es!
Leda [ist zu den beiden getreten, schaut erstaunt]: Ganymed?
Oh ja! [sie dreht sich zu den Anderen um] Kommt alle, schnell, und
schaut, wer hier ist...
Hera [tritt mit den Anderen näher, staunend und ein wenig
unwirsch]: Du hier? Was machst du hier?
Ganymed [versucht sie zu beruhigen]: Ja, Hera! Warum
sollte ich - nach so vielen Jahren - nicht wieder einmal Erdenluft atmen?
Hera [wütend]: Das weißt du ganz genau! Zeus hat es so
bestimmt, auf meinen Wunsch, der ihm Befehl ist... Ganz unerträglich ist es
mir, dir hier im wohlverdienten Urlaub zu begegnen...
Vulkanus [mischt sich ein]: Ach Hera, sei nicht so. Was
ist denn schon dabei, wenn Ganymed...
Hera [unterbricht ihn schroff]: Was dabei ist, fragst du
mich? [ihre Stimme überschlägt sich fast] Es ist unsäglich, dieser
Lotterknabe hier. Das soll mein Zeus erfahren [sie dampft wutschnaubend
davon] - der wird dem Lümmel Beine machen, dafür sorge ich...!
Vulkanus [beruhigt die Umstehenden]: Die regt sich wieder
ab, so ist die gute Hera: [lacht] Immer schnell ein Vulkanausbruch der
Gefühle... [alle lachen und umringen Ganymed, den schönen Jüngling]
Alva [hat Ganymed sehr aufmerksam und mit großem Wohlwollen
beobachtet; fragt Helena etwas abseits der Anderen]: Wer ist der schöne,
junge Mann, den alle Olympier zu kennen scheinen?
Helena [zieht sie ins Vertrauen]: Das ist der schönste
Jüngling Griechenlands, den Zeus sich einst zum Lustknaben erkor und raubte.
Die eifersüchtige Hera - du hast sie ja schon kennen gelernt - ließ ihn als
Aquarius auf ewig an den Sternenhimmel verbannen.
Alva [erbleicht]: Welch grausames Schicksal...
Helena [deutet auf Ganymed und die ihn umringenden und
bewundernden Damen]: ... das jetzt anscheinend beendet ist. Nur wenn er
einstmals wahrhaft lieben sollte - so hieß es stets - dann wird der Fluch
für eine Weile aufgehoben.
Alva [wiederholt die letzten Worte der Helena zu sich
selbst]: Für eine Weile aufgehoben. [plötzlich aufmerksam] Mir
ist, als hätte ich ihn schon einmal geseh’n... [greift sich an den Kopf]
In meinen langen Träumen... aber da... da war er älter, - jetzt so jung, so
schön.
Helena [die sie erstaunt angeschaut hat]: Was ist mit
dir?
Alva [winkt ab]: Nichts, liebe Helena...
Vulkanus [kommt gleichzeitig mit großer Geste mit Ganymed an
der Hand, den er hinter sich her zieht, auf die beiden zu]: Die Idee ist
toll, die mir gerade kommt! Wir haben jetzt die schönsten all versammelt,
Olympier, Halbgötter, Nymphen und Faune. Der Frauen Liebreiz und der Männer
Schönheit erfüllen dieses Tal. Da sollten wir doch wirklich...
Helena [schaut interessiert]: Was hast du mit dem Ganymed
vor?
Vulkanus [laut]: Nicht nur mit Ganymed; mit euch allen.
Wir machen eine Schönheitskonkurrenz zum Thema: Antike gegen Nymphenwelt. Das
wird ein großer Spaß. [schaut sich um, betrachtet etwas abfällig die
Faune und dann sein Hinkebein]. Aber ich denke, wir sollten sie vielleicht
doch nur unter der holden Weiblichkeit veranstalten.
Helena [nun ganz wach]: Das ist ja wirklich super... Ich
bin natürlich mit dabei!
Leda [drängelt sich vor]: Nein, nein, mein Kind! Was du
mit deiner Schönheit in Troja angerichtet hast, das reicht. Jetzt bin ich
dran...
Europa [fällt ein]: Sind wir dran! Denn wer durch seine
Schönheit selbst den edlen Zeus betörte, dem wird hier sicherlich der
Lorbeer winken.
Helena [lacht]: Na, wenn ihr beide es noch mal versuchen
wollt...?
Vulkanus [unter dem Hallo der Umstehenden]: Halt, Halt;
wir wollen Ordnung wahren. [denkt kurz nach] Aber - wenn keiner
widerspricht, so sollen Leda und Europa Griechenland und den Olymp vertreten.
Und für die Nymphenwelt schlag ich die beiden Wasserwesen Alva und Undine
vor.
Alva [wehrt ab]: Was ich? Wie könnte ich bei diesen
schönen Damen denn bestehn...?
Undine [lacht]: Ach Alva; das ist doch nur Spiel, ein
großer Spaß.
Alva [unsicher]: Ich weiß doch gar nicht, wie das geht.
Vulkanus [eilt zu ihr]: Na, wenn du es bisher noch nie
gesehen hast, dann wird es Zeit. Gib deinem Herzen einen Ruck und willige ein.
Du brauchst nur alles so zu machen, wie die andern. [die Umstehenden
klatschen in Richtung Alva]
Alva [ziert sich noch ein wenig]: Na, wenn ihr meint,
dann mach ich’s halt.
Vulkanus [erfreut]: Dann kann es losgeh’n. Ganymed!
Komm her; du als schönster aller Männer sollst der Richter sein, den
Schönheitspreis, den einst die Aphrodite erhielt, vergeben.
Ganymed [tritt näher und stimmt zu]: Das wird mir eine
Ehre sein; - aber einfach ist das bei den vier Grazien nicht. Naja; [lacht]
ebenso gut könnte man die Göttin Diana unter die Haube bringen - oder
der Thetis den Verlobungsring an den rosigen Finger stecken oder die Phantasie
heiraten - und alle neun Musen dazu.
Diana [stellt sich in Positur]: So ist es! Sollte nur
einer wagen, sich an meiner Weiblichkeit zu vergreifen...
Vulkanus [schmunzelnd]: Keine Angst, Diana, das hat
keiner vor. [klatscht in die Hände] Dann alle her, jetzt bildet einen
großen Kreis, und die Kinder sollen den Korb bringen. [winkt den Kleinen]
Hallo - ihr! Ja auf, auf, bringt den Apfelkorb... [die kleinen Nymphen und
Nöcke schleppen einen Korb voller rotbackiger Äpfel herbei]
Ganymed: Páris hatte einst die Auswahl unter dreien. [beiseite]
Vulkans künstliches Netz zieht sich unzerreißbar um uns her, und schließt
uns eng und enger an Venus, die vollendete Schönheit an.
Geißen-Faun [singt, indem er um Ganymed tanzt]: In
París, in París... sind die Mädchen so süß...
Helena [schüttelt den Kopf]: Páris, mein geliebter
Mann, der mit Troja unterging! Und nicht París! Wie ungebildet dieser Typ
ist.
Geißen-Faun [singt weiter und lässt sich von Helena nicht
stören]: In París, in París... sind die Mädchen so süß...
Ganymed [schaut den Korb voll Äpfel - den die Kinder vor ihm
und Vulkanus niedergestellt haben - genau an, nimmt einen Apfel, besieht ihn
sich und beißt kräftig hinein; mit vollem Mund]: Schmeckt wunderbar...
hmmm...
Klare Pfütz [singt, während Ganymed beißt und spricht,
indem sie neckisch mit dem Finger droht]: Beiß nicht gleich in jeden
Apfel, denn er könnte sauer sein.
Buckel-Nöck [grölt und klatscht sich auf die Schenkel]: Ja,
auf rote Apfelbäckchen, fällt man leicht herein.
Alle Nymphen etc. [singen und wiegen sich im Takt]:
Schaaa - la la la,
Es ist nicht alles Gold, was glänzt;
Nein - nein nein nein
Es trügt auch oft der Schein. [alle lachen prustend los und nehmen sich
aus dem Korb einen Apfel, den sie lustvoll essen]
Vulkanus [schüttelt den Kopf und klatscht wieder kräftig -
Ruhe heischend - in die Hände]: Nein, nein, nein! So geht das nicht. Die
Äpfel können hinterher gegessen werden. [er nimmt ein besonders schönes
und großes Exemplar aus dem Korb] Hier, Ganymed, den Apfel überreichst
du dann der Siegerin. - Und du wirst von ihr einen Kuss als Lohn für deine
Mühe und als Dank für deine Wahl erhalten.
Ganymed [nimmt den Apfel und dreht ihn in der Hand]: Und
wie soll das Ganze nun vonstatten gehen?
Vulkanus [erklärt mit weit ausholenden Gesten]: Nun,
einzeln werden sich die Vier vor uns in ihrer Schönheit präsentieren. Du
Ganymed wirst neben eigner Vorliebe auch auf den Applaus zu achten haben, den
jede erhält. [wendet sich zu den vier Wartenden] Ich schlage vor, wir
machen eine bunte Reihe: Leda beginnt, hernach Undine, welcher die Europa
folgt. Zu guter Letzt dann unsre scheue Alva. [zu den anderen Umstehenden]
Bildet einen großen Halbkreis, damit ein jeder die weibliche Schönheit sehen
kann. [man folgt seinen Anweisungen] Du Ganymed, an meine Seite, Aug
und Ohren auf, kühler Verstand und heißes Herz. - Und Leda, jetzt beginne. [eine
leise Musik setzt ein, zu der sich Leda mit dem Plüsch-Schwan etwa eine
Minute lang träumerisch graziös bewegt; am Ende kommt herzlicher Applaus
auf, der bei Leda, Undine und Europa etwa gleich stark ist]
Vulkanus [in die Musik hinein, worauf herzlich applaudiert
wird]: Sehr schön, du mit dem Schwan. - Nun du, Undine. [Undine tanzt
eng umschlungen mit einem imaginären Geliebten]
Vulkanus [wie zuvor]: Ein wunderbarer Sinnentanz der
Nymphe. - Und jetzt Europa mit dem Stier. [wie zuvor Leda mit ihrem Schwan
bewegt sich Europa - ein wenig affektiert mit ihrem Stier - zur Musik]
Vulkanus [wiederum wie zuvor]: Wenn Zeus dich so gesehen
hätte, Europa! - Und nun noch Alva, unsre Wassernymphe.
Alva [ganz scheu]: Es reichen doch die drei, bei Páris
waren es doch auch drei Grazien. Im Wasser wär es mir viel angenehmer...
Vulkanus [sehr milde, beinahe zärtlich]: Nur keine
Angst! Es ist ein Spiel, du hast nichts zu verlieren.
Alva [tritt mit fließenden Bewegungen vor]: Nun gut... [und
tanzt wie in Trance einen fließenden Nymphentanz; als die Musik endet, bleibt
sie träumerisch stehen, und nach einem Moment der vollkommenen Ruhe bricht
frenetischer Beifall los; Ganymed hat ihr wie im Traum zugeschaut und bleibt
nach dem Tanz wie versteinert stehen und schaut nur noch]
Helena [ruft begeistert]: Mann o Mann, war das toll...
Diana [geht auch erstmals aus sich heraus]: Ja, alle
Viere warn wunderbar...
Demeter [lacht]: Aber die Alva war einfach große
Klasse...
Vulkanus [bittet mit kräftiger, fröhlicher Stimme um Ruhe]:
Das war wirklich eine super - na, wie sagt man heute - eine...
Helena [lacht]: Sagt man nicht Performance? oder so...?
Vulkanus: Genau! Eine super Performance. Ich muss euch allen
sagen: Ich bin begeistert, das Feuer, das ihr in euch habt, wie es loderte. [lacht
dröhnend] Mir wurde ganz warm ums Herz. Doch jetzt ist es an Ganymed, die
Siegerin zu nennen. [Ganymed steht immer noch träumerisch da, und merkt
nicht, was um ihn herum passiert; Vulkanus tippt ihm auf die Schulter und sagt
lachend] Hey, Ganymed! Was ist mit dir...?
Ganymed [wie aus einem tiefen Traum erwachend]: Was,
wer...? [schaut sich um und lächelt] Dann war es doch kein Traum...? [er
schaut auf den Apfel in seiner Hand]
Vulkanus [klopft ihm auf den Rücken]: Traumhaft war es
schon, doch jetzt: Deine Entscheidung!
Ganymed [fasst sich, als er sieht, dass ihn alle
erwartungsvoll anschauen, vor allem Leda und Europa, die neben Undine und der
auch ganz versunkenen Alva stehen; zögernd]: Meine Entscheidung...? Ja...
Ich denke, da gibt es nicht viel nachzudenken. [er tritt auf Alva zu]
Du bist die Schönste [reicht ihr den Apfel, sie schaut ihn strahlend an] -
die Schönste, die ich je gesehen habe. [sie nimmt den Apfel, wiederum
Applaus und Hurra-Rufe; Leda und Europa sind beleidigt und zeigen dies durch
ihre Haltung und Gesten]
Alle rufen durcheinander: - Wo bleibt das Dankeschön...- Alva,
Alva, Alva...
- Der Kuss...
- Die Alva muss den Ganymed küssen...
Vulkanus [ruft in das Getümmel]: Die Alva ist Siegerin,
ihr gebührt der Schönheitspreis. [schmunzelnd zu Alva] Der
Preisrichter erwartet seinen Lohn...
Alva [schüchtern]: Meine Lippen haben noch nie einen
Mann geküsst!
Helena [wirft ein, aber Vulkanus gebietet ihr durch eine
Geste, zu schweigen]: Dann wird es langsam Zeit...!
Ganymed [ganz zart]: Wenn du nicht kannst, nicht
willst... Ich kann verzichten...
Alva [wie zuvor]: Nein... doch...; die vielen [schaut sich
schüchtern um] um uns her...
Vulkanus [nimmt sie väterlich in den Arm]: Es muss sein,
denn das ist die Regel. Doch niemand kann bestimmen, dass es mit Publikum
geschehen muss. [er winkt den Anderen, die ganz ruhig geworden sind und der
Szene bewegt gelauscht haben, zu, sich zu entfernen] Wir werden euch für
eine Weile alleine lassen. Dann könnt ihr schauen [lacht] ob es nicht
doch klappt. [alle entfernen sich langsam, indem sie sich mehrfach
umdrehen, um doch noch einen Blick auf die Kuss-Szene zu erhaschen]
Alva [schaut Ganymed ganz offen an]: Beug dich ein wenig
zu mir nieder, du bist so stark und groß...
Ganymed beugt sich nieder zu Alva, die zart und scheu seinen Kopf zwischen
ihre Hände nimmt und ihn innig auf die rechte und - nach einem langen Blick
in seine Augen - auf die linke Wanke küsst; nach dem Kuss umarmen sich beide
sanft und bleiben in der Umarmung eine ganze Weile verträumt stehen, ehe sie
sich langsam voneinander lösen.
Interludium
Aquarius [tritt einige Schritte von der Seite herein und
schaut auf Alva und Ganymed, er hebt - beinahe segnend - die Hände]:
Jetzt komm und hülle, freundlicher Feuergeist,
Den zarten Sinn der Frauen in Wolken ein,
In goldne Träume und schütze sie, die
Blühende Ruhe der Immerguten.
Vulkanus [tritt beiseite zu Aquarius]: Nicht umsonst habe
ich dem Eros Pfeil und Bogen geschmiedet, nun soll er sie gebrauchen. Oder hat
er gar schon...? [lacht] Auch wenn die Ruhe der Alva dahin sein wird: [direkt
zu Aquarius] Ich habe Ganymed und Alva im Netz. Das Feuer der Liebe wird
bald lodern. [er zieht sich in den Hintergrund zurück].
Szene II.3. Die Liebe der Alva und des Ganymed
Stimmungswechsel. Die Anderen haben sich zurückgezogen und das Paar ist
alleine. Nur Aquarius ist am Anfang noch dabei; später beobachtet er stumm sein
Alter Ego. Intime Liebesszene zwischen Alva und Ganymed, Fortsetzung des
vorangegangenen Szenenschlusses. Die beiden bekennen sich nun gegenseitig ihre
immerwährende Liebe. Das Bekenntnis wird durch einen lang andauernden Kuss
besiegelt.
Alva [ganz verklärt]: Der Kuss auf deine Wangen brennt
mir auf meinen Lippen. Ich weiß nicht, wie mir ist!
Ganymed [steht ganz verdattert vor ihr]: Mir geht es
ebenso. Die Wangen glühn von deinen Küssen. Was für ein Wettbewerb: Du hast
gewonnen, - ich bekomm den Preis...
Alva [presst die Hände ans Herz]: Nein, ich. Bist du der
Preis?
Ganymed [schaut unsicher]: Was für ein Preis könnt ich
dir sein?
Alva [zart lächelnd]: Nun wird mir klar, was mir Fortuna
weissagte. [strahlt] Wie recht sie hatte als sie sagte, er verdiene
mich.
Ganymed [scheint immer noch nicht recht zu begreifen]: Wie
ist mir, was geht hier vor...?
Alva [sieht ihn strahlend an]: Ach Ganymed, - mein
Ganymed!
Aquarius [tritt vor Ganymed, der dadurch nicht mehr sichtbar
ist, und versucht sich ihr zu nähern]: Süß Liebchen!
Alva [wehrt ihn, beinahe kokett, ab]: Lasst einmal! [sie
pflückt eine Sternblume und zupft die Blätter ab, eins nach dem andern]
Aquarius [er fragt staunend]: Was soll das? Keinen
Strauß?
Alva [schnippisch]: Nein, es soll nur ein Spiel.
Aquarius [unsicher] :Wie?
Alva [sie lacht]: Geht, Ihr lacht mich aus. [sie rupft
und murmelt]
Aquarius [geht näher an sie und fragt]: Was murmelst du?
Alva [halblaut]: Er liebt mich - liebt mich nicht -
Aquarius [höchst erfreut, da er nun merkt, um was es ihr
geht]: Du holdes Himmelsangesicht!
Alva [fährt fort]: Liebt mich - nicht - liebt mich -
nicht - [das letzte Blatt ausrupfend mit holder Freude] Er liebt mich!
Aquarius [steht lächelnd vor ihr]: Ja, mein Kind! Lass
dieses Blumenwort
Dir Götterausspruch sein: Er liebt dich!
Verstehst du, was das heißt: Er liebt dich! [er fasst ihr beide Hände]
Alva [sie fühlt wohlige Schauer über den Körper fließen]:
Mich überläuft’s!
Aquarius [er legt fest den Arm um sie]:
O schaudre nicht! Lass diesen Blick,
Lass diesen Händedruck dir sagen,
Was unaussprechlich ist:
Sich hinzugeben ganz und eine Wonne
Zu fühlen, die ewig sein muss!
Ewig! - Ihr Ende würde Verzweiflung sein.
Nein, kein Ende! Kein Ende!
Alva [fällt ihm um den Hals]: Kein Ende, nie
Geliebtester! [sie hält inne und merkt nun, dass sie es gar nicht mit
Ganymed zu tun hat] Doch wer bist Du? [sie schaut ihn forschend an]
So fremd und doch vertraut? Nicht Ganymed... und doch...?
Aquarius [schaut sie zart an]: Ich bin der, den du des
Nachts im Bett stets angeschaut...
Ganymed [tritt hinter Aquarius hervor und neben diesen und
vollendet seinen Satz]: ...und ich der, den du liebst.
Aquarius/Ganymed [zugleich]: Wir sind die beiden Seiten
eines Wesens: Das weise Alter und die schöne Jugend. Wir sind das Göttliche
und Menschliche im Mann. Wir sind die ewige Sehnsucht und der
leidenschaftliche Moment.
Alva [schaut beide fest an]: Ihr seid, du bist ein Zwei
in Eins - und doch entzweit. So lieb ich euch - so lieb ich dich!
Aquarius [indem er einen Schritt zur Seite tritt und Ganymed
näher an Alva herangehen lässt]: Du Alva, sei gewiss, ich liebe dich,
und du liebst mich in Ganymed. Dies musst ich dir noch sagen, und nun
überlass ich euch dem weiteren Schicksal. Die Eumeniden mögen euch gnädig
sein. [mit leiser Stimme] Sie waren es nicht immer - die Erinnyen. [er
zieht sich mit sanften Schritten ein wenig zurück, bleibt aber in einiger
Entfernung stehen und beobachtet den Fortgang]
Alva [fragend]: Sie waren es nicht immer? Was war euer
Schicksal, wie kam es zu der Entzweiung?
Ganymed [klärt sie in knappen Worten auf]: Zeus hat sich
einst in mich verliebt, und mich als Adler hoch auf den Olymp entführt. Dort
macht’ er mich an Hebes statt zum Mundschenk an der Götter-Tafel. Doch Hera
war erzürnt, dass er mich liebte und ihrer Lieblingstochter Hebe als
Mundschenk vorzog. Sie forderte meine Verbannung auf ewig an den
Sternenhimmel. Und Zeus tat um des lieben Ehefriedens willen, was sie
verlangte.
Alva [verständnisvoll]: So wurdest du Aquarius, der
Wassermann, der hold die ganze Zeit mich angeschaut und mir im Frühling und
im Herbst fruchtbare Regenschauer schickte?
Ganymed [liebevoll]: So ist es. Und so war Zeus der
Stifter der Begegnung zwischen dir und mir, ganz ungewollt. Der gute Gott!
Alva [verständnisvoll]: So liebst du auch ein wenig noch
den Zeus. Ein wenig ihn, den Gott und Mann, ein wenig mich, das Nymphenweib?
Ganymed [turtelt zärtlich]: Nein, nein, so ist das
nicht!
Beim Zeus, du denkst dir gar zu viel in mir,
An deiner Seite denk ich nur an dich.
Zeus [zornig aus dem Off]: Lass mich da raus!
Ganymed [erschrocken]: Du Zeus, du hier...?!
Zeus [verärgert, aber ironisch]: Oh ja!
Ganymed [stottert]: Das war doch nur so eine Redensart:
Beim Zeus, Oh Gott, Bei allen guten Geistern... Was man so sagt...
Zeus [etwas versöhnlicher]: Mich anzurufen - auch als
Redensart - indem du einem Weib den Hof machst, ist unerhört, [nach einer
kurzen Pause, mit vorwurfsvollem Unterton] - nach allem, was gewesen
war... Doch jetzt lass gut sein, wir reden noch!
Ganymed [hat sich wieder gefasst]: Der gute, alte Zeus. [schmunzelt]
Er scheint eifersüchtig, wenn er sieht, dass und wie bedingungslos ich dich
liebe.
Alva [lächelnd]: Man kann es ihm nicht verdenken, nach
allem, was du mir berichtet hast; - und ich erahne... [sie macht eine
wegschiebende Handbewegung] Doch die Vergangenheit, sie soll nun ruh’n;
und nur die Gegenwart mit dir ist wichtig.
Ganymed [setzt sich]: Komm her zu mir und setz dich neben
mich und lass uns diese Gegenwart genießen.
Alva [kniet sich neben ihn]: Ja, Ganymed, lass uns den
Moment genießen; wer weiß, was kommen wird. Doch ich bin müde, darf ich
mich hier ins Gras legen, und meinen Kopf geborgen dir anvertraun? [sie
legt sich während der letzten Worte neben Ganymed ins Gras]
Ganymed [sitzt und hat den Kopf der liegenden Alva zart in
seinen Schoß gebettet]: Oh meine Alva, ich kenne ein wunderschönes
Gedicht, es scheint nur für dich ganz alleine geschrieben zu sein. Höre: [er
deklamiert voller Hingabe und Inbrunst]
Ich liebe, Nymphe, deine keusche Flut,
Die kühl im allertiefsten Walde ruht.
Du spiegelst weder Stadt noch Firneschnee,
Den Himmel schimmerst du, mein kleiner See!
Dein Antlitz sagt mir alles, rasch erregt,
Was dir das kindliche Gemüt bewegt,
Und leicht erhellt, verdunkelt ohne Grund,
Macht es mir alle deine Launen kund.
Der Kahn geborgen tief im Schilfe dort,
Gefesselt ist er durch ein Zauberwort.
Nie hat gelöst ihn eine trunkne Schar,
Nie hat sich eine Dirn im Flatterhaar,
Von rohen Buhlen durch den Wald gehetzt,
Vor deinen Spiegel keuchend hingesetzt.
Nie hat ein unstet zuckend Fackelrot
Dir über deine kühle Stirn geloht!
Horch! Stimmen durch den Wald! Ein Lustgeschrei!
Gekreisch! Gewieher! Freches Volk, vorbei!
Den Gassenhauer, liederlich gejohlt -
Schäme dich, Echo! - hast du wiederholt!
Verhülle, Nymphe, deiner Augen Schein,
Verbirg dich tiefer in den Wald hinein!
Und zürnend gegen den Tumult gewandt: "Hinweg!"
gebot ich mit erhobner Hand.
"Nicht näher!" Und im Walde ward es Ruh.
Der Jubel zog sich einer Schenke zu.
Du bliebst in deinem blauen Kleide rein
In deinem grünen Waldesdämmerschein -
Indessen hat die Sonne sich geneigt.
Wie süß in jedem Blatt die Stille schweigt!
In Tannenduft und unter Himmelsruh
Bewacht von meinem Blick, entschlummerst du!
Alva [ganz zärtlich]: Oh ja, das ist wirklich
wunderschön, mein geliebter Ganymed. So zart und innig.
Ganymed [ebenso]: Ja, zart und innig, wie meine Liebe zu
dir.
Alva [nimmt sein Hände und zieht ihre Linien nach]: Mein
Ganymed... Ich lese in deinen Händen ein ewig langes Liebesglück [sie
zögert] und Liebesleid zugleich...
Ganymed [zieht seine Hand zurück, greift Alvas Hand und
drückt sie an sein Herz]: Oh Alva, Alva! Es ist Liebesglück, dir
begegnet zu sein. Nichts und niemand mehr wird uns wahrhaft trennen, unsere
Liebe stören können.
Alva [schaut ihn voll an]: Und was ist mit Aquarius?
Ganymed [erstaunt]: Wie meinst du das?
Alva [dringt in ihn]: Ich liebe ihn auch, liebe euch
beide mit der gleichen Intensität, mit identischen Gefühlen...
Ganymed [begreift, was sie meint]: Ja Alva! Du liebst uns
beide und doch liebst du einen nur.
Alva [greift sich an den Kopf]: Ich bin verwirrt... und
auch so glücklich...
Ganymed [nimmt wiederum ihre Hand]: Du liebst den Mann in
Jugend und im Alter. Und darum bist du glücklich. Denn du bist einzigartig
und hast das Glück, einzigartig zu lieben, und einzigartig geliebt zu werden!
Alva [sehr zurückgenommen]: Und doch ist auch ein banges
Sehnen in mir; ich hab’ in deiner Hand auch Leid und Sehnsuchtsqual
gesehen...
Ganymed [küsst ihre Hand]: Es ist die Sehnsucht deiner
langen Nächte, als du Aquarius am Sternenhimmel angeschaut und dich nach
diesem Augenblick gesehnt hast.
Alva [sehr zart]: Oh nein, es war nicht Sehnsucht der
Vergangenheit; es war die wonnevolle Liebesqual der langen Zukunftsnacht...
Ganymed: Doch weißt du jetzt, was früher du nur ahntest: Du
wirst geliebt, so wie du liebst. - Du wirst geliebt von dem, den du auch
liebst.
Alva [glücklich]: Ja Ganymed, ich liebe Dich und bin von
dir geliebt. Das ist das einzige, was jetzt, in diesem Augenblick nur zählt.
Ganymed: Und keiner kann uns diesen Augenblick verderben oder
rauben...
Alva [nachdenklich]: Nur die Gedanken...
Ganymed [sofort]: Die Gedanken?
Alva: Ja, die Gedanken über das, was war. Du hast geliebt - und
wurdest für die Liebe schwer bestraft.
Ganymed [wischt die Gedanken weg]: Nein, nein! So war das
nicht.
Alva [nachdrücklich]: Doch Ganymed! Du hast es mir
gesagt. Zeus und du, ihr wart ein Paar, er hat als Adler dich geraubt. Und
Hera, ewig eifersüchtig, hat verlangt, dass du fortan am Himmel ewig prangen
sollst...
Ganymed [ganz versonnen]: Er hat als Adler mich
geraubt... - du sagst es! - [fest] Aber gegen meinen Willen. Doch ich
war jung, naiv und unbekümmert - und geschmeichelt, weil der Göttervater
mich erwählte. Und mich auch noch zum Mundschenk an der Tafel des Olymp
erhob. Doch hab ich nicht geliebt, nicht wirklich...
Alva [zart fragend]: Keinen vor mir?
Ganymed [ganz zärtlich ihren Kopf zwischen seinen Händen
haltend]: Ich habe keinen Menschen auf der Welt geliebt als dich. Alva,
verlang, was du willst. Ich bin noch jung. Ich will dir treu sein mein Leben
lang. Ich will nur dir allein gehören. Sieh mich an, Alva. - Sieh mich an! [mit
Nachdruck] Sieh mich an! [er streichelt sie zärtlich]
Alva [ist völlig in seinen Bann gezogen und bittet]: Komm,
gib mir einen Kuss!
Ganymed [er zögert den Moment des Kusses noch hinaus]: In
deinen Augen schimmert es, wie der Wasserspiegel in einem tiefen Brunnen, in
den man einen Stein geworfen hat.
Alva [hält es nicht mehr aus]: Komm! [legt ihre Arme
um ihn und drückt ihn an sich; sie küssen sich lang und innig].
Ganymed [seufzt, trunken vor Glück]: Deine Lippen...
Alva [ebenso]: Deine, [Kuss] meine, [Kuss]
unsere Lippen. [sie küsst ihn wieder und wieder, leidenschaftlich]
Ganymed [trunken vor Glück]: Alva, meine Alva. [er
schaut hinüber zu Aquarius, der ihm eine zustimmende Geste macht] Nie
hätt’ ich in den langen Nächten gewagt, mir solch ein Glück zu erhoffen.
Ich sah dich, weiß und rein, hoch von dort oben; wissend, diese oder keine...
Alva [sie erhebt sich etwas und legt ihre Arme um seinen
Hals]: Du strahltest über mir, und ich war mir gewiss...
Ganymed [schwärmerisch]: Meine Alva - ewig dein...
Alva [gleichzeitig]: Mein Ganymed [verträumt] und
mein Aquarius...
Die beiden umarmen sich innig unfern des Wassers, dem Alva entstiegen war.
Sie drehen sich wie in einem stummen Tanz im Kreis, der sich träumerisch auf
das Wasser zu bewegt, bis Alva ins Wasser fällt. Sie schwimmt träumerisch
davon. Ganymed tanz ebenso träumerisch weiter auf Aquarius zu. Dieser kommt ihm
leise lachend entgegen und sie fallen sich in die Arme.
Luft: Reich des Aquarius
III. Akt – in dem Aquarius k Ganymed den allerhöchsten Segen zur Hochzeit
mit seiner Alva erhält.
Szene III.1. Die Eifersucht der Hera und des Zeus
Aquarius und Ganymed stehen sich auf grüner Wiese gegenüber. Sie werden
in der Folge von Zeus und Hera zwar einzeln angesprochen aber immer beide
zugleich gemeint. Das Zeus’sche Göttertribunal fällt ins Wasser, denn
Ganymed/Aquarius ist in seiner Liebe dem Götterpaar Zeus/Hera überlegen. Statt
dessen setzt sich Aquarius mit seinem Vorschlag durch, freie Hand zu haben, wenn
er sich nach der Hochzeit wieder an den Sternenhimmel zurückzieht und bis in
alle Ewigkeit schweigend dort verharren wird. Zeus kann hier aus dem Off
sprechen, oder - als einzige Szene im Stück - direkt auftreten.
Zeus [mit sehr ärgerlicher Stimme]: Nun, Aquarius, was
ist los mir dir. Wir sind nur aus dem Glutofen in Griechenland und von den
Touristen, die den Olymp belagern, hier in die Sommerfrische geflohen. Und
gleich musst du uns als verliebter Ganymed in die Quere kommen.
Hera [tritt mit nur mühsam beherrschtem Zorn auf Aquarius
und Ganymed zu]: Und ich dachte, das wäre ein für allemal vorbei,
seitdem du da oben als Sternbild prangst. Nicht mal im Urlaub hat man seine
Ruhe. Und jetzt scharwenzelt ihr gar zu zweit hier umher.
Aquarius [spöttisch, aber auch ein wenig ärgerlich]: Ach
Zeus, vorhin schon deine Stimme... [nachdenklich] Du wirklich hier; ich
dachte nicht, dich hier im Norden nach ach so langen Jahren wieder zu sehen!
Und wenn du dich auch nicht zeigen willst, so spür ich doch:
In deinem Antlitz liegt Unglück und Gram,
Und doch noch immer der alte Stolz.
Das waren bessere Zeiten, o Zeus,
Als du dich himmlisch ergötztest
An Knaben und Nymphen und Hekatomben;
Doch auch die Götter regieren nicht ewig,
Die jungen verdrängen die alten,
Wie du einst selber den greisen Vater...
Ganymed [gleichzeitig mit seinem Alter Ego Aquarius;
träumerisch]: Ich weiß nicht, ob täuschende Geister um diese Gegend
schweben, oder ob die warme, himmlische Phantasie in meinem Herzen ist, die
mir alles rings umher so paradiesisch macht. Da ist gleich ein Brunnen, an den
ich gebannt bin wie Melusine mit ihren Schwestern, wo unten das klarste Wasser
aus Marmorfelsen quillt. Die hohen Bäume, die den Platz rings umher bedecken,
die Kühle des Orts; das hat alles so was Anzügliches, was Schauerliches.
Zeus [nun beinahe wütend]: Was soll die Rede, dieses
Durcheinander. Es ist Skandal genug, dass du dich hier verführerisch
herumtreibst. Nun aber mir zu drohen...
Hera [sehr erregt, fällt Zeus ins Wort]: Wir hatten eine
Abmachung, dass du am Himmel still deine Bahnen ziehst. Was du bist, bist du
nur durch Verträge, Aquarius! Gehst du so mit Verträgen um?
Aquarius [ironisch]: Ich sagte schon, die alten Zeiten
sind vorbei; und ob sie wirklich besser waren? Doch schau dich heute um, wer
hält sich an Verträge, an Gesetze? Wer achtet euch noch und eure Macht?
Hera [geifert]: Du gehörst zu unserer Ordnung und hast
dich zu fügen. Wäre ja noch schöner, wenn dieser geile Ganymed sich wieder
aufspielte, um meinem alten Zeus zu gefallen.
Zeus [versucht sie zu beruhigen]: Ach Hera, musst du
wieder an die alten Zeiten erinnern!? Das ist doch längst vorbei - ich
dachte, auch vergeben und vergessen...
Hera [von oben herab]: Vergeben hab’ ich dir, dass du
dich in den schönen Jüngling verguckt und ihn verführt hast. [spöttisch]
Die Variante mit Adler und jungem Mann hatten wir ja zuvor noch nicht. [wieder
wütend] Aber vergessen werde ich es nie...
Zeus: Meine Gute; ich kann doch gar nicht mehr; [leiser]
selbst wenn ich wollte...
Hera [zu Aquarius]: Du warst als Wassermann am Himmel
doch so prächtig anzuschau’n, warum jetzt dies hier. Noch dazu mit deinem
Alter Ego, dem Verführer alter Männer... [wendet sich an Ganymed]
Ganymed [braust auf]: Lass doch das dumme Geschwätz. [deutet
ins Ungewisse] Der Verführer ist ein anderer, mein Fehler war es nur,
seiner Begehrlichkeit nicht zu trotzen. Was ist denn Übles daran, sich zu
verlieben...
Aquarius [unterbricht ihn ruhig]: Ganz ruhig, Ganymed!
Genieße du die anmutige Landschaft, lass mich verhandeln. [zu Hera und
Zeus] Du Hera und du Zeus, ihr müsst keinen Argwohn hegen. Ich führe
nichts Übles im Sinn. Lasst uns den Vertrag nur für kurze Zeit aussetzen.
Bis ich mich ganz mit der, die sich seit undenklicher Zeit nach mir verzehrt,
vereinigt habe.
Ganymed/Aquarius [gleichzeitig]: Oh meine Alva...!
Hera [besänftigt]: Na, wenn das so ist! Dies Wasserwesen
mag wohl angeh’n. Da hat der Alte wenigstens eine weniger, der er sich
nähern könnte; diesmal hätt’ er es wahrscheinlich als Forelle versucht.
Zeus [ärgerlich]: Aber meine Liebe, ich bitte dich...;
lass ab von Streit und Krieg - nimm dir an Troja ein Beispiel, das auf diese
Art in Flammen unterging.
Hera [ganz sanft, mit ironischem Unterton]: Schon gut,
mein liebster Zeus. Wir wollen doch den Streit von vorhin nicht wieder
aufwärmen...
Zeus [ruhiger]: Ich bitte drum... Lass uns den Urlaub
hier genießen und den hellenischen Alltag ganz vergessen! [still in sich
hinein schmunzelnd] Ich hatte doch recht, als ich der Venus einst ans Herz
legte:
Töchterchen, dein Geschäft sind nicht die Werke des Krieges;
Gehe du heim und besing Werke der Liebe und Lust.
Aquarius [nun aufgewühlt]: Und lasst uns gemeinsam eine
himmlische Hochzeit feiern, in der sich Alva und Aquarius vereinen, um in ew’ger
Liebe eins zu sein.
Hera [nun ganz die weise Mutter]: Glaub mir, Aquarius,
das kann nicht gut gehen. Ich spreche aus Erfahrung als Ehefrau und Mutter.
Und: Wie ist es dem Pygmalion ergangen? Er hat sich in sein eigenes Kunstwerk,
die schöne Galathea, verliebt - und was ist ihm geblieben, nur ein
Spuk-Gebilde. Und diese Alva, sie lebt doch nur von dir und durch dich. Deine
Regenschauer sind ihr Leben. Du weißt, doch höre noch einmal, wie sich
Pygmalion verzehrte:
Oh, wie brenn ich vor Verlangen,
Galathea, schönes Kind,
Dir zu küssen deine Wangen,
Weil sie so verlockend sind.
Dass ich auch die Gnade fände,
Galathea, schönes Kind,
Dir zu küssen deine Hände,
Weil sie so verlockend sind.
Und was tät ich nicht du süße
Galathea, schönes Kind,
Dir zu küssen deine Füße,
Weil sie so verlockend sind.
Und mich treibt der Pulse Stocken,
Galathea, schönes Kind,
Dir zu küssen deine Locken,
Weil sie so verlockend sind.
Aber deinen Mund enthülle,
Mädchen, meinen Küssen nie,
Denn in seiner Reize Fülle
Küsst ihn nur die Phantasie.
Für Pygmalion konnte sein Kunstwerk Galathea nur eine Gedankenliebe sein:
So wird es dir auch ergehen. Deine Alva kann doch für dich nichts weiter sein
als ein Phantasiegebilde, ein schöner Traum!
Ganymed [mischt sich wieder ein, schwärmerisch]: Oh
nein! Sie ist kein Traum, sie ist aus Fleisch und Blut: [er fährt ihren
Körper in Gedanken nach] Aus Haaren, Händen und Hüften; [schließt
die Augen] - aus Lippen, Lust und Leidenschaft...
Aquarius [mit großem Ernst]: Und - was das Wichtigste
ist -: Sie ist einer tiefen Liebe fähig, sie liebt mit jeder Faser ihres
Leibes und jedem Funken des Verstandes. Ihre Seele ist übervoll von Liebe.
Ganymed [begeistert]: Ja, voll von Liebe zu mir...
Aquarius [sehr fest]: Voller Liebe zu uns!
Zeus [ungeduldig]: Ach Hera! Ich versteh dich nicht. Mal
so, mal so - erst bist du wütend, dass Ganymed wieder in meinem Blickfeld
erscheint; dann freust du dich über sein Techtelmechtel mit dieser Nixe; und
jetzt rätst du dem guten Aquarius wieder ab - [lacht] dabei will er
doch bloß ein wenig Spaß haben. Im Übrigen weißt du genau, dass Pygmalion
nur durch seine ausschließliche Liebe sein Kunstwerk zum Leben erweckte.
Eigentlich lebt ihr doch nur durch unsere Liebe. Doch ihr Weiber wisst nie,
was ihr wollt - das ist euer Problem! - und wir Männer leiden lebenslänglich
darunter. Hör zu, Hera: Verliebte kann und soll man nicht stören. Er soll
seinen Willen haben! Und wir unser Fest...
Hera [ironisch]: Wir Frauen sind eben nicht so
elsternhaft schwarz-weiß wie ihr, [abfällig] die Krone der Schöpfung
[lacht]; wir kennen Zwischentöne, wägen ab. Und ihr, die Liebe macht
euch - und einiges an euch - quicklebendig, und vernebelt euren Verstand. Auch
Pygmalion hatte den Frauen und der Ehe abgeschworen, bis er sich in ein Stück
seiner selbst verliebte. [fast verächtlich] Ihr liebt in uns doch nur
euer Spiegelbild - oder was ihr dafür haltet. [Zeus lacht] Ach lach du
nur, doch pass auch auf, dass dich Aquarius nicht reinlegt. [zu Aquarius]
Wie ist das mit dem Aussetzen des Vertrags? Was hast du vor?
Aquarius [geschäftsmäßig]: Es ist ganz einfach! Bis
zur Eheschließung und dem Hochzeitsfest zwischen mir und Alva soll Friede
herrschen zwischen den Göttern, den Menschen und allen Wesen. Kein Zwang soll
irgendwen einengen, keine unnötigen Ver- und Gebote, kein Streit...
Zeus [unterbricht launig]: Ob Hera das schaffen wird....
Hera [milde]: Ach geh...
Aquarius [wie zuvor]: Und wenn das Fest den Höhepunkt
erreicht, werde ich mich in stiller Liebe in mein Sternenreich zurückziehen,
und auf meine Zeit warten.
Ganymed [schwärmerisch]: Unsere Liebe überdauert jede
Trennung. Sie wird mit jedem Tag der Trennung stärker werden, größer.
Zeus [süffisant]: Denn Trennung lässt matte
Leidenschaften verkümmern, aber die starken wachsen! Hera, wir sollten dies
vielleicht auch einmal ausprobieren.
Hera [beinahe zärtlich]: Ach du, mein Zeus! Wie oft war
ich von dir getrennt, hab mich nach dir verzehrt...
Zeus [gerührt]: Na, na, jetzt werd mir nicht sentimental...
Aquarius [verträumt]: Die Liebesmacht lässt nicht nur
Herzen höher schlagen; sie macht den Toren törichter, den Weisen weiser...
Zeus [spontan]: Was du nicht sagst. Ich denke doch, mit
Weisheit gut gesegnet zu sein, und bin, einmal verliebt, doch dumm wie ein
Stier und blöde wie ein Schwan den Weibern nachgerannt, geschwommen und
geflogen...
Hera [lachend]: Du sagst es, Liebster: Zu Land, zu Wasser und in
der Luft...
Aquarius: Verliebtsein ist der Unvernunft oft nahe! Doch ich
sprech’ von der ewigen Macht der Liebe. Nicht Eros, sondern seine Herrin
Aphrodite...
Zeus [winkt müde ab]: Ich weiß, ich weiß, Aquarius!
Doch sprich: Wie stellst du dir das Weitere vor?
Aquarius [fest]: Der frühere Vertrag kann dann erfüllt
werden und ist - weil für dich, Hera, nie mehr Schaden drohen kann - doch
letzthin überflüssig.
Hera [sehr ernst]: Ich meinte es nur gut mit dir,
Aquarius, als ich dich warnte - doch: Euch beiden scheint es wirklich ernst zu
sein... Ich bin die Letzte, die einer wahren Liebe im Wege stehen wird. Schon
gar nicht, wenn sie im Ehehafen mündet.
Zeus [leutselig]: Und Heras Wort sei meines. Ihr Wunsch
ist mir Befehl. Es sei, so wie du willst, Aquarius!
Ganymed [freudig erregt zu einem kleinen Nöck, der sich ihm
mit den spielenden Nymphen genähert hat]: Hey, Kleiner! Laufe hin zu der
Schönsten und verkünde ihr, dass der treueste, der schmuckste aller
Bräutigame hier vor lauter Sehnsucht, vor inbrünstigem Verlangen
hinlänglich wüte, und dass in den Flammen seines Liebesgrimms ganz Rom, ein
zweites Troja, aufgehen könnte, wenn sie nicht alsbald komme und mit den
feuchten Mondesstrahlen ihrer holdseligen Augen die Glut lösche! [der
kleine Nöck eilt davon]
Zeus [spöttisch]: Die Liebe lässt dich gar zum Dichter
werden; pass nur auf, dass Pegasus nicht mit dir durchgeht. [lacht sein
dröhnendes Lachen]
Aquarius [nimmt Ganymed an der Hand]: Komm nun, mein Ich,
und lass uns ihr entgegen eilen!
Sie entfernen sich eilig und laufen hinter dem kleinen Nöck her. Hera
geht in Richtung der im Hintergrund der Szene zuschauenden Götter und antiken
Gestalten.
Szene III.2. Alva und Ganymed im Liebeslager
oder: Die vorzeitige Hochzeitsnacht
Gespräch der einheimischen Nöcke und Nymphen über die Liebe. Es zeigt,
wie ernsthaft auch diese naturverbundenen Wesen die Liebe, bei all ihrer sonst
an den Tag gelegten - auch sexuellen - Ausgelassenheit nehmen.Ganymed verführt
(nach allen Regeln der Kunst) an einem lauschigen Platz nahe des Wassers seine
Alva. Während des Liebeslagers, um das allerlei Nöcke, Faune und
Elementargeister schweben, steht Aquarius ganz in der Nähe und beobachtet das
Geschehen wohlwollend. Er ist am Ziel seiner Wünsche angelangt, ist endgültig
mit Alva vereint, - wenn er auch weiß, dass diese Vereinigung nur von kurzer
Dauer sein wird.
Chor der Nymphen und Nöcke [im weiten Rund im Hintergrund
singen und wiegen sich die Nymphen, Feen und Nöcke; wer nicht singt, summt
mit]:
Schöne Nacht, du Liebesnacht, oh stille das Verlangen.
Süßer als am Tage lacht uns Liebeslust zur Nacht.
Zeit entflieht. Eh du’s gedacht, lässt dich zurück in Bangen,
huldige der Liebe Macht, sie flieht, eh du’s gedacht.
Der Südwind verführt, will uns zärtlich umfangen,
und wen er berührt, hat die Lockung verspürt.
Hast auch du sie verspürt? Ah!
Schöne Nacht, du Liebesnacht, oh stille das Verlangen.
Süßer als am Tage lacht uns Liebeslust zur Nacht.
Oh du herrliche Nacht, stille du das Verlangen,
du schöne Liebesnacht. Ah! Ah! Ah! Ah! Ah! Ah!
Aus dem Kreis der Nöcke, Nymphen, Feen etc. lösen sich während des
Gesangs langsam Buckel-Nöck und Geißen-Faun auf der einen und Heide mit
klarer Pfütz auf der anderen Seite, die folgenden beiden Dialoge finden
simultan statt, während sich in der Mitte Ganymed und Alva - während des
Simultan-Dialogs stumm, davor und danach im Gespräch - dem Liebespiel
hingeben; im Hintergrund summt während der gesamten Szene der Chor der
Nymphen und Nöcke, er wird zum Schluss der Szene hin wieder lauter und
vernehmlich.
Ganymed [steht mit Alva in einer Haltung wie auf Klimts
Gemälde "Der Kuss"]:
Oh Alva, du bist so bezaubernd schön,
- wie nie mein Auge je gesehn...
Alva [legt sanft ihre Hände um seinen Nacken]: Sag
solches nicht, mein Herz...
Ganymed [in stiller Emphase]: Ich fühl es...! Ich fühl
es...!
Alva [taumelnd]: Mit ist so schwindelig, als ob du
wunderwirkend auf einer Zauberflöte blasen würdest.
Ganymed [er hält sie zart]: Du bist das Wunder, bist der
Zauber... Lass mich den Nektar der Liebe von deinen Lippen trinken... [er
küsst sie leidenschaftlich]
Alva [hält sich an ihm fest, er lässt sie sanft in Gras
unter einen Fliederbaum sinken]: Wie ist mir? - In welches Zauberreich
entführst du mich, geliebter Ganymed...? [die beiden liegen zärtlich
schmusend im Gras, während sich von der einen Seite Geißen-Faun und
Buckel-Nöck nähern]
Buckel-Nöck [zu Geißen Faun]: Das sind turbulente
Zeiten! So lang ich denken kann, ging’s hier, in unserm Tal, noch nie so
zu....
Geißen-Faun [zustimmend]: Genau! Ich leb zur Zeit, erleb
die Zeit, fast wie im Rausch.
Buckel-Nöck [nachdenklich]: Du drehst auch ganz schön
auf und bringst die vornehme Gesellschaft durcheinander.
Geißen-Faun [breit grinsend]: Das macht doch einfach
Spaß, der Vornehmheit die Maske vom Gesicht zu reißen. Da kommen die
gleichen Wünsche, Begehrlichkeiten und Ängste zum Vorschein, wie bei uns.
Buckel-Nöck: Da hast du recht...
Geißen-Faun: Klar hab ich recht! Die können doch vor lauter
Konventionen gar nicht mehr sie selbst sein. Sie ersticken noch an ihren
hinten herum ausgetragenen Eifersüchteleien und Intrigen.
Buckel-Nöck [kopfschüttelnd]: Ja, kaum ein echtes
Gefühl, nur so Getue und Geziere - [nach kurzer Überlegung] außer
bei dem Ganymed vielleicht...
Geißen-Faun [sehr sachlich]: Oder bei mir!
Buckel-Nöck [überrascht]: Bei dir, wie das?
Geißen-Faun [ungewohnt ernst]: Oh ja, bei mir. Ich
weiß, es klingt verrückt, mein Freund: Ich habe mich verliebt!
Buckel-Nöck [lacht]: Du dich verliebt? Wohl in die
schöne Helena...?
Geißen-Faun [wie zuvor]: Lass nur die Späße, es ist
wirklich ernst. [platzt heraus] Die Heide ist’s, doch sag ihr nichts.
Sie soll es bald von mir erfahren.
Buckel-Nöck [erstaunt]: Der Geiß, wer hätte das
gedacht; - verliebt, der alte Bock.
Geißen-Faun [winkt ab und zieht ihn zur Seite weg]: Ruhig,
ruhig...! [deutet im Verschwinden zu Heide und klarer Pfütz auf der
anderen Seite] Dort drüben sind die beiden, lass uns schnell
verschwinden...
Heide [ganz aufgeregt]: Ich mag den Geiß, auch wenn er
manchmal etwas spinnig ist.
Klare Pfütz [stimmt ihr zu]: Ich auch, Heide. Und ich
glaub, ihm liegt viel an mir...
Heide [erstaunt]: Du auch? [lacht hell auf] Da
wird er sich aber mal entscheiden müssen. [schaut ihre Freundin offen an] Mir
macht er nämlich schon ne Weile nicht nur schöne Augen...
Klare Pfütz [schnippisch]: Warum soll er sich
entscheiden? [lacht ebenso wie zuvor Heide] Hat er nicht genug für uns
beide?
Heide [nachdenklich]: Stimmt eigentlich - doch warum
nicht?!
Klare Pfütz: Die Männer huldigen doch sowieso zumeist dem
Spruch: "Drum prüfe, was sich ewig bindet, ob sich nicht noch ne Bessre
findet!" - Machen wir’s doch einfach ebenso.
Heide [wiederspricht]: So habe ich das nicht gemeint!
Klare Pfütz [fragend]: Wie dann?
Heide [schaut ganz ernst]: Warum soll er sich nicht
entscheiden?
Klare Pfütz [perplex]: Gar für dich?
Heide [fest]: Für wen denn sonst?
Klare Pfütz [lacht erstaunt]: Heide, Du! Du bist
verliebt? Ich glaub es kaum...
Heide [winkt ab]: Ach lass. [sie deutet zu
Geißen-Faun und Buckel-Nöck hinüber] Doch schau, da drüben sind die
beiden..
Klare Pfütz [will sie zu den beiden ziehen]: Dann laufen
wir doch rüber... [will rufen] He... [doch Heide hält ihr den Mund
zu]
Heide [erregt]: Pssst, Pfütz! Ich bitt’ dich, schweig!
Und lass uns schnell verschwinden in der Nacht. [zieht die Freundin ins
Dunkle]
Ganymed [stammelt orgiastisch stöhnend, mit lustvollen
Pausen zwischen den Versen]:
Mit tausendfacher Liebeswonne
Sich an mein Herz drängt
Deiner ewigen Wärme
Heilig Gefühl,
Unendliche Schöne!
Dass ich dich fassen möchte
In diesen Arm! [er stöhnt laut und glückselig auf]
Alva [stammelt wie ertrinkend]: Ganymed, mein Ganymed!
Chor der Nymphen und Nöcke [leise summend]:
Schöne Nacht, du Liebesnacht, oh stille das Verlangen.
Süßer als am Tage lacht uns Liebeslust zur Nacht....
Ganymed [völlig außer Atem]:
Ach, an deinem Busen
Lieg ich, schmachte,
In deinem Schoße
Aufwärts!
Umfangend umfangen!
Aufwärts an deinen Busen... [wie weggetreten]
Echo [aus der Ferne schallend]: schmusen...
Alva [atmet schwer und singt beinahe]: Schmusen! Ganymed!
Schmusen!
Chor der Nymphen und Nöcke [etwas lauter singend, an- und
abschwellend]:
Zeit entflieht. Eh du’s gedacht, lässt dich zurück in Bangen,
huldige der Liebe Macht, sie flieht, eh du’s gedacht.
Ganymed [jauchzt]:
Lieblicher Morgenwind!
Ruft drein die Nachtigall
Liebend nach mir aus dem Nebeltal.
Echo [dito]: Liebesqual...
Alva [schreit lustvoll]: Ganymed!
Ganymed [schreit ebenfalls in höchster Lust]:
Ich komm, ich komme!
Chor der Nymphen und Nöcke [noch lauter werdend]:
Hast auch du sie verspürt? Ah!
Schöne Nacht, du Liebesnacht, oh stille das Verlangen.
Süßer als am Tage lacht uns Liebeslust zur Nacht.
Oh du herrliche Nacht, stille du das Verlangen,
du schöne Liebesnacht. Ah! Ah! Ah! Ah! Ah! Ah!
Szene III.3. Verkündigung der himmlischen Hochzeit
Durch Ariel, den Luftgeist, und Hermes, den Götterboten, wird die
himmlische Hochzeit zwischen Alva und Aquarius als Versöhnung der Elemente und
der Götter mit der Natur angekündigt. In weiter Ferne verharren die Nixen,
Nöcke und Elementargeister und schauen gebannt auf die beiden Boten. Die Luft
ist voller himmlischer Sphärenklänge und es duftet nach herrlichen Blumen. Am
Himmel zeichnen sich bunte Farbenspiele ab.
Heide [abseits zwischen den Nymphen und Nöcken und der Szenerie]:
Schaut, da kommen zwei seltsame Gestalten.
Klare Pfütz [lacht fragend]: Das ist doch Ariel der Luftgeist
und Bote der Natur; der andre wird wohl sein olympischer Kollege sein, wie
heißt er gleich...?
Heide [knufft sie in die Seite]: ...ach ja, Hermes der
Götterbote...
Ariel [kommt von der Seite der Fabelwesen hereingeschwebt und
singt, in Richtung des Publikums deutend]:
Ariel bewegt den Sang
In himmlisch reinen Tönen;
Viele Fratzen lockt sein Klang,
Doch lockt er auch die Schönen.
Hermes [kommt von der anderen Seite schuhbeflügelt und
leichten Schritts mit seinem goldenen Stab]: Was liegt an?
Ariel [tritt auf Hermes zu]: Es gilt, eine himmlische
Hochzeit zu verkünden.
Hermes [sehr beflissen]: Ja, Ariel! Ich weiß es wohl, du
Luftikus; doch gilt es damit auch, so wollen es die Götter, den Himmel mit
der Erde zu versöhnen. Drum bin ich hier, Zeus und Demeter schicken mich,
dass ich die Rechte der Natur wahre.
Ariel [fast ein bisschen spöttisch]: Der Götterbote
Hermes höchst persönlich, welche Ehre. Traut man mir dies nicht zu, die Welt
zu informieren über das bevorstehende Freudenfest. Braucht man deine
Bürgschaft, und genügt mein Wort nicht mehr.
Hermes [belehrt]: Oh nein, doch hier in diesem ganz
besonderen Fall ist es vielleicht hilfreich, dass mein Vater Zeus ist und
meine Mutter Maia eine Nymphe war... [ebenfalls ironisch] Im Übrigen:
Wir wissen, dass du reiner bist als rein. Ariel, unser Bester! Kein
Grauschleier trübt das Weiße deines Inneren.
Ariel [würdevoll]: Die reine Luft und ihre Winde sind
mein Element. Die Geisterwelt ist meine Welt. Und spotte du nur, ich bin nicht
- wie du - den Händlern, Wucherern und Dieben auskunftspflichtig.
Hermes [stolz]: Die Nachrichten sind leider selten gut.
Und ich berichte, was mir aufgetragen, auch wenn’s um Börsenkurse oder
andre Schelmenstreiche geht. Doch heute endlich eine gute Meldung, nicht aus
der Unterwelt, von oben, von Aquarius...
Ariel [unterbricht ihn]: Mich hat Aquarius gebeten, seine
Vermählung mit der Wasser-Nymphe Alva im ganzen Lande anzukündigen.
Hermes [fragt etwas überrascht]: Kennst du denn auch den
Bräutigam Aquarius?
Ariel [erklärt mit lebhaften Gesten deklamierend]:
Er schürzet sich, blickt in den festen Spiegel,
Der aller Flüsse wandelnd Leben decket,
Und unter seinem heißen Blicke springet
Der zarten Nymphen und Sirenen Fessel;
Sie fassen dankbar seiner Jugend Schöne
Und eilen, sie in alle Welt zu tragen...
Hermes [zustimmend]: Ja so ist er, der Magier Aquarius.
Ihn kenne ich schon lange [er schaut Ariel neugierig an] - die Braut
hab ich übrigens nie gesehn.
Ariel [spontan]: Und die ist sehr schön. Sie ist
blond... Und sie hat die schönsten Augen, die ich je gesehen habe.
Hermes [wehrt ab]: Ich bitte dich, wie sehn schöne Augen
aus? Ist es der Blick? Ich habe Augen niemals schön gefunden...
Ariel [schüttelt den Kopf]: Gut, ich habe vielleicht ein
wenig übertrieben. Sie ist aber eine hübsche Frau.
Hermes [versöhnlich]: Nun, sie soll ja nicht uns
gefallen; und Aquarius spricht nur in höchsten Tönen über sie.
Ariel [ebenso]: So ist es. Und er will die Hochzeit ihr
zuliebe hier, in diesem Tal ausrichten lassen.
Hermes [fast ein wenig enttäuscht]: Wir werden also eine
Hochzeit auf dem Lande ausrichten... [mit Verve] Aber eine, wie sie
hier noch nie gesehen wurde.
Ariel [emphatisch]: Ja, denn hier ist der Ort, an welchem
alle Wesen glücklich sind; an welchem Götter, Menschen, Tier und Pflanze
sich vereinen zu einem Kosmos, einer Einheit.
Hermes [bedächtig, fasst sich an die Stirn]: Oh ja,
jetzt dämmert’s mir, warum mir aufgetragen wurde, hierher zur Hochzeit
einzuladen. Und ich war unsicher, ob nicht doch der Olymp der rechte Ort für
diese Freudenfeier sei. Doch wenn du sagst, dass hier ein Ort der Ruhe und des
Friedens, der Versöhnung aller Elemente...[...ist]
Ariel [unterbricht ihn sanft]: Ja, der Versöhnung aller
Elemente, Hermes! Dies trifft die Sache, trifft den Ort.
Hermes [zu sich]: Die Götter haben solch ein Fest
der Einigkeit ganz dringend nötig. [zu Ariel] Dann lass uns eilen,
allen diese Hochzeit anzuzeigen...!
Ariel [wehrt ab]: Zunächst muss ich noch alle Wesen der
Natur, die Elfen in der Luft, im Wald und auf den Wiesen, um ihren Beistand zu
dem Fest bitten.
Hermes [flehend]: Doch eile dich...
Ariel [hebt - beinahe segnend - die Hände und spricht in
verkündendem Ton in die Luft]:
Wenn der Blüten Frühlingsregen
Über alle schwebend sinkt,
Wenn der Felder grüner Segen
Allen Erdgebornen blinkt,
Kleiner Elfen Geistergröße
Eilet, wo sie helfen kann,
Immer heilig, niemals böse,
Hilft dem edlen Wassermann.
Die ihr sein Haupt umschwebt im luft’gen Kreise,
Erzeigt euch hier nach edler Elfen Weise,
Beglückt die Braut mit duft’gem Hochzeits-Strauß,
Getroffen von des Eros glühend süßem Pfeile,
Und schmückt die Tafel festlich für den Hochzeitsschmaus.
Und auf dem Hochzeitsfest soll keine Langeweile
Die Gäste stören, nein, es gehe freundlich aus.
Und senkt die Braut zur Nacht ihr Haupt ins kühle Polster nieder,
Dann badet sie im Tau aus Lethes Flut;
Löst sanft die vor Verlangen zitternd-steifen Glieder,
Macht, dass sie wundervoll gestärkt dem Tag entgegenruht!
Vollbringt an ihm, dem Bräutigam, der Elfen schönste Pflicht,
Führt ihn hinauf zum ewig heil’gen Licht!
Hermes [nimmt ihn an der Hand und eilt mit großen Schritten
davon]: Jetzt schnell, und keine Zeit vergeudet!
Interludium
Alva [sanft zu Aquarius, der sie zärtlich am Arm an der
Szenerie vorbei führt]: All die fremden Frauen aus Hellas und die Nymphen
und Feen, die jetzt den ganzen Raum um mich besetzt haben, werden ganz
allmählich durch den gütigen Ablauf dieser Tage zurückgedrängt, ohne dass
ich ihnen auch nur im Geringsten helfen müsste. Und ich kann, wie es sich als
natürlich ergeben wird, schwach und still sein und alles mit mir ausführen
lassen und doch muss alles gut werden, nur durch die verfließenden Tage.
Aquarius [spricht mit verkündender Stimme]: Ja,
Liebste...! Harre nur eine kleine Weile, bis dann morgen unsere hohe Zeit
heranreift. Ich sehe es vor mir: Musik liegt in der reinen Luft, und gelüftet
ist der altgebaute, seliggewohnte Saal; um grüne Teppiche duftet die
Freudenwolk und weithinglänzend stehn, gereiftester Früchte voll und
goldbekränzter Kelche, wohlangeordnet, eine prächtige Reihe, zur Seite da
und dort aufsteigend über dem geebneten Boden die Tische. Denn ferne kommend
haben hierher, zur Abendstunde, sich liebende Gäste beschieden. [die
beiden verschwinden wieder.]
Wasser: Reich des Poseidon
IV. Akt – in dem das verliebte Paar schließlich getraut wird.
Szene IV.1. Die Hochzeitsvorbereitungen - oder: Frauen unter sich
Die Frauen - d.h. von den Göttinnen nur Hera, die mütterlich für die
Hochzeitsvorbereitungen sorgt, von den antiken Gestalten nur Echo, sowie alle
einheimischen Nymphen, Feen etc. - sammeln sich, um mit Alva gemeinsam unter der
Leitung von Hera die Hochzeitsvorbereitungen durchzuführen. Zwischen den
Nymphen-Freundinnen der Alva, die bepackt mit Koffern und Taschen von auswärts
zu Besuch kommen - Undine hat sie informiert - und die so zu Beginn zu den
Anderen stoßen und das Schmücken der Braut übernehmen, und Hera entspannt
sich eine intensive Diskussion über Ehe, Treue, Hochzeitsnacht...Auf der
gegenüberliegenden Seite/im Hintergrund spielt der glückliche Ganymed
ausgelassen mit den kleinen Nymphen, Nöcken, Feen und Faunen.
Chor der Sirenen [singen und summen, murmeln und tuscheln,
zischeln und seufzen unsichtbar und verführerisch im Hintergrund des
Wassers]:
Auf der Erde ist es schwül,
In den Wassern ist es kühl,
Sonne, Mond und alle Sterne
Stürzen sich hinein so gerne,
Denn im Wasser wird’s so klar,
Wie’s auf Erden traurig war.
Hera [zu den Frauen, die sich um die in der Mitte sitzende
Alva versammeln]: Hört nur die Sirenen - ihren verführerischen Gesang.
Chor der Sirenen:
Ruhig schlaft ihr bei uns ein
In der Wasser grünem Schein,
Höret keine Kinder schrein,
Fühlet keine Liebespein,
Liebet ohne Eifersucht,
Findet alles, was ihr sucht.
Undine [lauscht andächtig und sagt verträumt]: Ja, die
Sirenen; sie künden vom Stammvater Poseidon, in dessen Reich wir uns
befinden.
Chor der Sirenen:
Was verloren in dem Meer,
Stehet da im Haus umher,
Alter Zeiten Schätz und Kunst
Brauchet ihr durch unsre Gunst,
Jeder Sturm bringt neue Gäst
Zu dem ew’gen Freudenfest.
Hera [nun sehr aufmerksam]: Sie künden die erwarteten
Gäste der Braut an. [alle schauen erwartungsvoll]
Chor der Sirenen:
Wenn wir tanzen in dem Kreis,
Wirbelt sich die Welle weiß,
Wenn wir unten lustig sind,
Stürmet über uns der Wind,
Stürmt in unsrer Haare Glanz,
Und das kühlet in dem Tanz.
Schöne Melusine/Schöne Lau/Loreley [kommen während der
letzten Strophe, die sie mitsingen; sie halten sich an den Händen und tanzen
im Kreis; sie schauen sich um und sind erstaunt über die vielen Nixen, Nöcke,
Feen etc., gleichzeitig]:
- Da sind wir endlich, wurde auch Zeit...
- Doch wo ist Alva, unsere liebe Schwester?
- So viele Gäste, wie schön für sie!
Hera [klatscht in die Hände]: Wir haben Besuch und Hilfe
bekommen. Alvas Freundinnen werden bei den Vorbereitungen zur Hochzeit helfen.
Echo [deutet auf die drei Nymphen, die sich zu Undine gesellt
haben]: Elfen!
Schöne Melusine [fröhlich]: Wir kommen, um die Braut zu
schmücken, doch hoffentlich sind wir noch früh genug...
Schöne Lau [ebenso fröhlich]: Grüß Gott, ihr Lieben. [sie
umarmt Alva und küsst sie auf die Wange] Wir kommen spät, weil Melusine
und Loreley [sie deutet bei den Namensnennungen auf die jeweilige Freundin]
im Rhein auf mich warten mussten.
Schöne Melusine [lacht]: Bei unsrer schönen Lau weiß
man nie, ob sie im Blautopf oder Schwarzen Meer erreichbar ist.
Schöne Lau [erklärt]: Diesmal lag die Verspätung nicht
an der Erreichbarkeit oder gar Abkömmlichkeit; es war der neue Weg durchs
Altmühltal. Ich hab den neuen Kanal das erste Mal durchschwommen und die
geschundene Natur beweinen müssen...
Hera [deutet ins weite Rund]: Dann wird hier dieses
paradiesische Tal dich wieder aufheitern.
Schöne Lau [legt den Arm zärtlich um Alvas Schultern]: Ach,
die schöne Landschaft ist hier nur Beiwerk. Die Alva ist es und ihr Glück. [sie
umarmt Alva wieder] Hoffentlich ist es, ist er dein Glück!? Wo ist und
wer der Glückliche?
Alva [strahlend]: Mein Ganymed und mein Aquarius
zugleich. Du wirst ihn sehen und du wirst begeistert sein.
Loreley [dreht sich tanzend und singend - auf die bekannte
Loreley-Melodie - im Kreis]: Ich weiß schon, das muss was bedeuten...
Echo [mit einer Zeigegeste]: ...deuten....
Loreley [wie zuvor]: ...Dass ich so fröhlich bin...
Echo [zeigt auf sich selbst]: ...ich bin....
Loreley [freut sich wie ein Kind, und nimmt Alva im Tanz bei
beiden Händen]: Alva, Alva. Ich kenn dich noch als kleines Mädchen... [Bleibt
stehen und schaut Alva bewundernd lächelnd von Kopf bis Fuß an] Und
jetzt, so groß, so schön... Und wie das Feuer der Liebe in dir lodert!
Hera [hausfraulich]: Nicht jede Frau, die ein Feuer
anbläst, kocht auch.
Alva [schlägt die Augen nieder]: Ich habe geblasen und
es brannte lichterloh.
Loreley [gibt zu bedenken]: Und du meinst, auch das
ungewohnte Kochen des Alltags geht dann gut vonstatten? Ist es nicht besser,
ungebunden, frei zu leben und zu lieben. Nur muss der rechte Mann für so ein
Leben her...
Melusine [stimmt zu]: Und das sind die eigentlich
Berufenen. Eine Frau nehmen ist alltäglich...
Hera [entgegnet sehr bestimmt]: Und keine Frau nehmen ist
ein Wagnis. Und die Nachrede der Leute hat man noch obendrein.
Melusine [lächelt]: Diese Nachrede hat man immer. Es ist
das erste, wogegen man gleichgültig werden muss. Nicht in Stolz, aber in
Liebe.
Hera [nickt bedächtig mit dem Kopf]: Das will ich gelten
lassen. Aber die Liebe des natürlichen Menschen bezeigt sich am besten in der
Familie.
Melusine [hintergründig]: Ja, die des natürlichen
Menschen...
Hera [schüttelt den Kopf]: Was ja so klingt, liebe
Melusine, als ob du dem Unnatürlichen das Wort reden wolltest.
Melusine [sehr ernsthaft]: In gewissem Sinne, ja! Hera.
Was entscheidet, ist, ob man dabei nach oben oder nach unten rechnet.
Hera [hart]: Das Leben rechnet nach unten.
Melusine [wieder lächelnd]: Oder nach oben; je nachdem.
Loreley [vehement dazwischen]: Doch was interessieren uns
das Leben und die Liebe der Menschen. Es bringt doch nur Unglück...
Alva [bohrend]: Nur Unglück? Sag, wie meinst du das.
Loreley [wehrt ab]: Ach nichts, nur ist es manches Mal
gewiss viel besser, sich im Rausch dem wilden Liebessturm der Leidenschaft
hinzugeben - ohne das Band der Ehe. Wie es Melusine angedeutet hat.
Alva [fragend - fast ein wenig naiv]: Doch ist das Modell
der Ehe, wie sie unter den Menschen üblich ist, nicht ein Vorbild für alle
Wesen? Ja, auch bei den Göttern vorgelebt, [sie spricht Hera an] wenn
ich den Zeus mit dir, du gute Hera, anschaue.
Hera [lachend]: Das meinte ich ja vorhin. Zeus und ich,
wir sind das Vorbild für die Ehe der Menschen; wobei sich viele Männer
leider den Zeus gar zu sehr als Vorbild nehmen... [alle Umstehenden lachen]
Schöne Lau [versonnen]: Auch ich wollte lange gern die
Wohnungen der Menschen sehn; was alles sie darin gewerben, spinnen, weben,
angleichen... auch wie ihre Töchter Hochzeit machen und ihre kleinen Kinder
in der Wiege schwenken...
Die Umstehenden [neugierig drängend]: Und? - Hat es
geklappt? - Wie war’s? - Komm, erzähl!
Schöne Lau [ganz gelöst in der schönen Erinnerung an die
Tage in Blaubeuren]: Es war witzig und interessant, ein ganz anderes Leben
als ich es üblicherweise lebte... Ich habe damals viel dazu gelernt; vor
allem das Lachen. [sie entfernt sich mit dem Großteil der beteiligten
Frauen im Folgenden ein wenig von der jetzt sitzenden Alva, der von Loreley
mit einem großen goldenen Kamm das Haar gekämmt wird und die von Undine mit
einer Nagelpfeile und Nagellack manikürt wird] Schaut, wie sie ihre
Kinder wickeln. Gebt mir einmal ein Tuch, ein großes Kopftuch oder etwas
Ähnliches... [sie bekommt eine Schürze oder ein Kopftuch gereicht und
kniet sich zwischen die Umstehenden, die ihrer für das Publikum nun nicht
mehr hörbaren Erläuterung mit gespannter Aufmerksamkeit folgen]
Alva [ganz versonnen zu sich, während Loreley ihr das Haar
kämmt]: ...diese feierlichen Vorbereitungen, die Wichtigkeit, mit der
jeder sein Geschäft betreibt, ein wahres Fest.
Loreley [fragend]: Was sagst du, liebe Alva? Kämm ich zu
kräftig, ziept es?
Alva [sehr zart]: Nein, Lore, es ist alles nur so
überwältigend.
Undine [die ihr die Finger manikürt]: Ja, so ist das vor
der Hochzeit, vor dem folgenden Alltag, mit den Sorgen um des Liebsten Leben.
Alva [besorgt]: Wie meinst du das, Undine?
Loreley [schnell dazwischen]: Ach lass... [zu Undine]
Freu’ du dich auch ein wenig und vertreibe deine dunklen Gedanken!
Undine [ruhig und fest]: Das ist leichter gesagt, als
getan. Ich weiß, was ich weiß... [sie fasst sich] Fort mit den
trüben Gedanken. Ich werde dir die Finger silber-blau lackieren, wie das
Wasser, das wir alle so lieben. [sie kramt einen Nagellack aus einem Koffer
und beginnt mit dem Lackieren der Fingernägel]
Alva [versonnen]: Ja das Wasser, das aus kalten Quellen
und heißer Tiefe in diesem Tal so üppig sprudelt: Unser Element und Element
des Lebens. Es war die Verbindung zwischen Aquarius und mir... [ganz ruhig]
und wird unsere Verbindung auf ewig bleiben. Oh wie ich meinen Ganymed liebe,
wie ich mich nach meinem Aquarius sehne...
Buckel-Nöck/Geißen-Faun [kommen, wohl leicht angesäuselt,
durch die Szene geschlendert und grölen nach der Melodie des "Liedes der
Deutschen" - oder, falls man’s nicht so politisch anspielend mag, auf
eine speziell rhythmisierte Melodiefassung von "Au clair de la lune..."]:
Wen das Band der Liebe bindet ewig scheint er uns vereint;
wo sich Herz zum Herzen findet Hass und Zwietracht sind verneint.
Wen das Band der Liebe bindet, ist besoffen nur vor Lust,
Fühlt sich wie im siebten Himmel, denkt noch nicht an Alltagsfrust!
Wenn das Band der Liebe bindet, ohne Ausweg lebenslang,
und die Liebe langsam schwindet: gib ihm nach, dem wilden Drang,
nur das Leb(e)n währt lebenslänglich; wer nicht liebt Wein, Weib, (und)
Gesang,
greift das Leben überschwänglich, bleibt ein Narr sein Leben lang!
Hera [schaut lachend hinter den beiden her]: Die Männer!
Die sind in euren Kreisen auch nicht anders als auf dem Olymp oder unter den
Menschen. [zur etwas entfernt sitzenden Alva] Nimm du dich nur in Acht
vor ihren Lastern, ihrer Triebhaftigkeit...
Alva [scheint sie nicht zu verstehen]: Wie meinst du das?
Hera [macht eine Bewegung mit dem Kopf hinter den
Davongrölenden her]: Schau dir die beiden an. Immer Frauen im Kopf und
Alkohol im Blut...
Alva [widerspricht vehement]: Das glaube ich nicht! Und -
haben die beiden nicht irgendwie recht? Wenn ich über dich nachdenke, und mir
die Szenen zwischen dir und Zeus vergegenwärtige, die ich gesehen und
mitgefühlt habe, scheint es doch so zu sein, wie die beiden singen...
Hera [versteht nicht]: Was haben die beiden denn
gesungen, dass es an mich und Zeus erinnert?
Loreley lacht]: Ja, dass Liebende am Anfang im siebten
Himmel schweben und später im alltäglichen Frust landen...
Undine [zu sich]: Wenn es nur das wäre, es kann auch in
Tod und Vernichtung enden.
Hera [wischt die Bedenken beiseite]: Ach weg mit all dem
trüben Zeug. Was gibt es Schöneres, als eine Ehe: Jetzt steht erst einmal
der siebte Himmel an... [verschmitzt] Und die Hochzeitsnacht...
Alva: Die Hochzeitsnacht??
Hera [ungläubig]: Ja weißt du denn nicht, dass es darum
etwas ganz Besonderes ist?
Schöne Lau [versucht Alva aufzuklären]: In dieser Nacht
musst du dich besonders vorsehen. Sie kann entscheidend sein für deine
Zukunft, für dein weiteres Glück.
Alva [schmunzelt]: Jetzt verstehe ich. Oh ja, Aquarius
hat mir erzählt, was er vorhat in der Hochzeitsnacht. Es wird wunderschön
und doch auch traurig werden.
Hera [schwärmerisch]: Ach was, der Schmerz beim ersten
Mal vergeht sehr schnell; und dann ist nur noch Glückseligkeit...
Undine [bitter]: Auch die vergeht meist viel zu
schnell...
Alva [sagt mit leuchtenden Augen]: Bei uns wird beides
ewig dauern: Schmerz und Glückseligkeit! [alle schauen sie an] Und es
wird traurig und wunderschön zugleich sein.
Hera [verständnislos]: Das versteh ich nicht. [schüttelt
den Kopf] Traurig-wunderschön?
Alva [mit einer wegwischenden Handbewegung]: Aber lassen
wir die ernsten Gedanken. Lasst uns fröhlich sein. [wendet sich an die
schöne Lau] Du wolltest doch von den Menschen erzählen...?
Hera [wirft ein]: Sie hat schon...
Alva: Vielleicht den größten Spaß, den du bei deinen Menschen
miterlebt hast...?
Schöne Lau [schmunzelt]: Da wär‘ schon etwas, ein
Zungenbrecher, ja ein Sprachspiel, über das wir alle herzlich lachten und das
den auf mir lastenden Fluch endgültig löste.
Alva [interessiert]: Au ja, wie geht der Zungenbrecher?
Schöne Lau [spricht in ziemlicher Geschwindigkeit den
Zungenbrecher]:
’s leit a Klötzle Blei glei bei Blaubeura,
glei bei Blaubeura leit a Klötzle Blei.
Jetzt probiere du’s, Hera!
Hera [sagt ganz langsam und prononciert unschwäbisch]: ‘s
leit a Klötzle Blei glei bei Blaubeura... [die Umstehenden beginnen zu
kichern]
Schöne Lau [sagt vorwurfsvoll]: Nein Hera, so ist’s
keine Kunst, es muss gehen wie geschmiert!
Hera [probiert es nun mit Geschwindigkeit und verhaspelt sich
total]: ‘s leit a Klötzle Blei blei glei Blaubleura
blei brei Graubleura breit a Plötzle Klei...
Die Umstehenden prusten los und lachen lauthals, Hera lacht herzhaft mit,
in den entstehenden Trubel hinein - alle tanzen um Hera herum und gemeinsam
langsam aus der Szene - geht Alva murmelnd mit strahlendem Gesicht ein Wenig in
Richtung Zuschauer, Melusine und Undine folgen ihr erstaunt.
Interludium
Alva [flüstert im Weggehen leise, kaum hörbar]: Ich
will küssen! Küssen!
Melusine [bedrängt sie zart]: Alva sag, was heißt das
Flüstern?
Undine [fragend]: Was bewegt dir leis die Lippen?
Alva [laut und sehnsuchtsvoll]: Ich will küssen!
Küssen! sag ich. [sie läuft hastig davon, Melusine und Undine
hinterdrein]
Aquarius [der abseits stehend die Szene der
Hochzeitsvorbereitungen und die Liebessehnsucht der Alva beobachtet hat;
emotional, sehr erregt zu sich]:
Sie liebt mich -
Und allen Weibern Hellas’ ich zum Trotz,
Beim Styx! beim ganzen Hades! - ich sie auch.
Szene IV.2. Der Einspruch des Hades
In die Hochzeitsvorbereitungen hinein platzt ein Diskurs zwischen den
Brüdern Hades und Zeus. Die Hochzeitsgesellschaft bereitet das Fest weiterhin
vor, dazu sphärische Klänge. Zunächst das Gespräch zwischen Hades und
Demeter, in das sich später Ganymed und auch Undine einmischen und das im
Disput zwischen den göttlichen Brüdern endet, in welchem Hades den Ganymed
für sich beansprucht, wenn dieser es wagen sollte, die Wassernymphe Alva
tatsächlich zu heiraten.
Hades [aus dem Off]: Persephone, meine geliebte Gattin,
weilt schon geraume Zeit auf der Erde, und ihre Mutter Demeter schmückt sich
und alle Welt vor Freuden darüber in den buntesten Farben, mit den reichsten
Früchten. Und sie lässt Eros seinen Spaß am tollen Treiben des Lebens und
der Liebe. Alles drängt zum Werden. Doch nichts kann werden, wenn nichts
vergeht. Und alles Leben ist im Moment der Zeugung schon dem Tod anheim
gegeben.
Demeter [abweisend]: Was willst du hier, Herrscher der
Unterwelt. Hier ist die Freude zu Hause - und du bist völlig fehl am Platz.
Hades [ironisch]: Da irrst du, liebe Schwiegermutter!
Denn bei der Freude wohnt das Leid, du weißt es, spürst es jedes Jahr im
Jahreslauf aufs neue. Und ich bin hier, nur um zu holen, was mir zusteht.
Demeter [wehrt ab]: Was dir zusteht, Hades? Persephone
ist nicht hier, und überdies: Was sollen solche Reden?
Hades [lacht satt und zufrieden]: Es geht mir nicht um
deine Tochter, liebe Demeter. [nach einer Pause, lauernd] Du weißt,
warum einst Troja unterging?...
Demeter [fällt ein]: Du langweilst, das weiß jeder:
Weil Hera ihre Eifersucht und ihren Zorn nicht im Zaum halten konnte.
Hades [ironisch lauernd]: Mag sein, jedoch ich meine: Der
Beginn war wohl ein anderer. Peleus heiratete die Meeresnymphe Thetis. Doch
die Göttin Eris rächte sich, weil sie nicht eingeladen war. Sie säte aus,
was Menschen wie Götter ins Verderben stößt: Ihr Gift der Zwietracht. So
nahm das Unheil seinen Lauf. Der Liebe und der Ehe wohnt die Zwietracht nahe.
Und hier besonders, denn: Stets gibt es Unglück, wo sich ein Sterblicher mit
einer Wassernymphe liebend verbindet.
Demeter [nachdenklich]: Da hast du recht, ich erinnere...
Und es begann dort alles auch mit einem Schönheitspreis, den Páris der
Liebesgöttin Aphrodite zusprach... Und es endete in Tod, Verwüstung,
Chaos... [wieder fester] Doch was hat das mit unserem Hochzeit-Fest der
Alva mit Aquarius zu tun? Du, Hades, hast doch damit nichts zu schaffen!
Hades [widerspricht]: Oh doch, du irrst schon wieder,
Demeter. Dies Fest wird mir den Ganymed und auch Aquarius in meine Herrschaft
überführen.
Demeter [wehrt ab, mit ironischem Unterton]: Wie könnte
dies ein Hochzeitsfest. Das ist der Augenblick im Leben, wo nichts dem
Menschen ferner ist als du und dein Reich, mein lieber Bruder Hades.
Hades [sicher]: Du wirst schon sehen, denn es gibt
Gesetze, die mir die beiden überantworten.
Demeter [unsicher]: Es gibt Gesetze, wo, von wem
erlassen?
Hades [würdevoll]: Gesetze der Natur, die schon von
Anbeginn des Kosmos wirken und deren Geltung ewig währt.
Ganymed [hat Demeter schon eine Weile von der den
Hochzeitsvorbereitungen gegenüberliegenden Seite beobachtet, wo er mit den
kleinen Nöcken und Nymphen gespielt hat; er ist, mit einem kleinen Nöck an
der einen und einer kleinen Fee an der anderen Hand, langsam näher getreten;
er mischt sich ins Gespräch ein]: Was sollen diese Spitzfindigkeiten;
Demeter, mit wem verhandelst du?
Hades [tritt nun aus dem Hintergrund schwarz und streng auf]:
Mit mir, mit Hades, dem ein jeder Mensch bei Zeiten dienen muss.
kleiner Nöck [sich ängstlich an Ganymed klammernd]: Wer
ist der schwarze, unheimliche Mann. Ich fürchte mich...
Ganymed [legt den Arm schützend um ihn]: Hades, der
Herrscher in der Unterwelt...
kleine Nymphe [erschrickt]: Der Tod, der Sensenmann...?
Ganymed [beruhigt die beiden]: Mehr als der Tod: Der Gott
des Todes. Doch ihr habt ihn noch nicht zu fürchten.
Hades [zu den beiden Kleinen sehr freundlich]: Noch
nicht, ihr Kinder, ihr habt noch einen weiten Weg. [zu Ganymed] Doch du
läufst schnurstracks mir in meine Arme.
Ganymed [schüttelt den Kopf]: Ich habe nichts mit dir zu
schaffen, und fürchte dich auch nicht. Denn deiner Macht sind Grenzen
auferlegt, wo Aphrodite herrscht...
Hades [noch sanft, aber schon grimmig lauernd]: Wo
heilige Gesetze gebrochen werden, hilft auch die Liebesgöttin nicht; denn: [holt
unter seinem Mantel eine rote Rose hervor, die er vor sich hält] Die
Liebe ist nicht schön - es ist nur der Traum der Liebe, der entzückt. Höre,
Jüngling! Siehst du an meiner Brust die Geliebte, o so brich sie schnell, die
Rose, [er wirft Ganymed die rote Rose zu und holt eine weiße aus seinem
Mantel] und wirf den weißen Schleier über das blühende Gesicht. Die
weiße Rose des Todes ist schöner als ihre Schwester, denn sie erinnert an
das Leben und macht es wünschenswert und teuer. Über dem Grabhügel der
Geliebten schwebt ihre Gestalt ewig jugendlich und bekränzt und nimmer
entstellt die Wirklichkeit ihre Züge... [er lacht hämisch]
Ganymed [schüttelt den Kopf und entreißt ihm die weiße
Rose]: Du machst mir keine Angst. Die Rosen nehm ich gern und lass mir
einen Brautstrauß winden für Alva, aus Liebe und aus Unschuld. Und will dein
lasterhaftes Reden gar nicht hören.
Hades [ernst]: Höre, Ganymed. Noch wäre es nicht zu
spät. Ich bin nicht wild auf Herrschaft über dich, noch über einen andern
Menschen. Doch keiner kann das Schicksal wenden, das jedem Erdenwurm am
Lebensende blüht; schon gar nicht der, der gegen heiliges Gesetz verstößt.
Sag diese Hochzeit ab. Du kannst dich nicht mit einer Wassernymphe, einem
Fischweib trauen lassen.
Ganymed [stolz und feurig]: Ich kann nicht? - Und ob ich
kann! Alva entsagen? Nie! Und mit dir möchte ich nichts weiter zu schaffen
haben. [nimmt die beiden Kleinen fest an der Hand und eilt davon]
Kommt! Dies ist kein Ort und kein Gespräch für Kinder und Verliebte...
Hades [ruft ihm nach]: So wird dein Schicksal sich
erfüllen. Nach eurer Hochzeit bist du mein!
Undine [tritt hinzu und stimmt ihm traurig zu]: Ja,
Hades, leider hast du recht und bist im Recht. Hier haben die Kraft der
Menschen und die Macht der Götter ein Ende. Wir Wasserwesen wollen den
Menschen-Mann umgarnen, und es gelingt uns auch. Doch was danach geschieht...
Ich hab es bitter erfahren, und nur im traurig-trüben Gedicht lebt die
Begegnung zwischen unsereins und Menschen ewig fort:
Am grünen Teich
Der Knabe so bleich
Sang einsam seine Lieder.
Im Grunde so tief
Die Nixe schlief.
Da weckten die Klänge sie wieder.
Hinab, hinauf!
Im Strudellauf
Zerteilen sich die Wogen;
Bei Mondeslicht
Ein bleich Gesicht
Kommt still heraufgezogen.
"Lieb Knabe traut,
Es ruft die Braut!"
Leis hat die Nixe gesungen.
Ein Arm so weiß,
So kalt wie Eis,
Hat bald den Knaben umschlugen.
"Wie wohl, wie warm
In deinem Arm!
Lieb Knabe, lass uns scherzen!"
Die Nixe sang,
Dem Knaben drang
Der kalte Tod zum Herzen.
Aber dies Schicksal muss nicht sein. Du kannst es aufhalten, du hast die
Macht, wie einst bei Orpheus eine Ausnahme zu machen
Hades [lacht]: Ha! Und wie ging meine Milde damals aus?
Es hat sich nicht für ihn und nicht für Eurydike gelohnt. Denn was er mit
mir ausgemacht, das konnte er nicht halten. Er hat sich umgeschaut nach der
Geliebten: Und sie war ewig mein.
Demeter [versucht ihn milde zu stimmen]: Sei doch noch
dieses Mal versöhnlich und kein solches Ungeheuer...
Hades [unwirsch fragend]: Du nennst mich Ungeheuer? Mich?
Der ich das Schicksal nur erfüllen muss, an denen, die am Ende allenfalls die
Überfahrt zu mir verdienen, denn nichts ist ungeheuerlicher als der Mensch.
Demeter [versucht weiterhin zu vermitteln]: Er ist der
Schöpfung Krone, manches Mal Spielzeug der Götter, der Natur-Gewalten im
Jahreszeiten-Wechsel. Doch ist er auch zugleich das Ebenbild der Götter.
Zeus [mischt sich aus dem Off ein]: Recht hast du,
Demeter, nimm ihn in Schutz, den Menschen. Denn was wären wir, gäb‘ es ihn
nicht?
Hades [poltert wütend]: Oha, mein Bruder Zeus höchst
persönlich mischt sich ein. Ich will dir kurz und knapp den Menschen
definieren, so wie ich ihn seh’: Der Mensch entsteht aus Morast, und watet
eine Weile im Morast, und macht Morast, und gärt wieder zusammen in Morast,
bis er zuletzt an den Schuhsohlen seines Urenkels unflätig anklebt. Das ist
das Ende vom Lied - der morastige Zirkel der menschlichen Bestimmung, und
somit glückliche Reise, Herr Bruder! Der milzsüchtige, podagrische Moralist
von einem Gewissen mag runzligte Weiber aus Bordellen jagen, und alte Wucherer
auf dem Todesbett foltern - bei mir wird er nimmermehr Audienz bekommen!
Zeus [lachend]: Hab ich, hat dein Gewissen dich um
Audienz gebeten? Hast du so etwas überhaupt, kannst du dir’s leisten?
Hades [würdevoll]: Ich halte mich nur an die Regeln und
Gesetze, die für jeden Gültigkeit besitzen. Und wer ein Fischweib ehelicht,
ist mein. Das weißt du ganz genau, und auch dein Einspruch ändert nichts
daran.
Zeus [sehr vergnügt]: Nun hab ich richtig Spaß an dem,
was folgen wird. Und bin gespannt - obwohl ich’s weiß -, wer recht behalten
wird.
Hades [sehr bestimmt]: Auf meiner Seite ist das Recht!
Das kannst auch du nicht beugen, Zeus.
Zeus [wie zuvor]: Zwischen Recht haben und Rechthaberei
da liegen Welten, lieber Bruder!
Hades [unwirsch]: Lass das, sie werden mein, und damit
basta!
Zeus [schmunzelnd]: Da hat Aquarius längst vorgesorgt.
Ein schlauer Fuchs, in vielen Jahren weise geworden...
Hades [hämisch lachend]: Da hat Aquarius vorgesorgt?! Da
gibt’s nicht vorzusorgen, nur zu sorgen.
Zeus [voller Begeisterung]: Oh nein, das Arrangement ist
wundervoll, das sich Aquarius ausgedacht hat. Es schützt ihn vor dir, lieber
Bruder. [lachend] Und lässt zudem jedem seinen Spaß!
Hades [hinterhältig, aber unsicher]: Wie meinst du das,
oh Zeus? Vor mir geschützt, wenn er als Mensch sich traut und mit dem
Fischweib trauen lässt.
Zeus [ironisch]: Du wirst es sehen, lass dich
überraschen!
Hades [geht auf Zeus’ Ton ein]: Ich fass mich in Geduld
und warte eine Weile. Doch wenn die Hochzeit um ist, hol ich mir das
Menschlein, und keine Macht der Welt kann mich dran hindern...
Zeus [lacht lauthals]: Es ist zum Lachen.
Hades [siegessicher]: Ich habe Zeit und: Wer zuletzt
lacht, lacht am besten! [er verschwindet laut lachend in einer Rauchwolke
in einem Spalt der sich öffnenden Erde]
Zeus [kichernd]: Ganz recht, wer zuletzt lacht... [lacht
donnernd]
Interludium
Aquarius
[hat von der Seite die Szene beobachtet, tritt ein
wenig vor und ruft mit empor gestreckten Händen]:
Poseidon, mächt’ger Gott!
Der du die Wasser legtest an die Zügel,
Den Tod mir scheuchtest von dem feuchten Mund.
Zeus, mächtig über allen, hehr und groß!
Und Liebesgöttin, du, die mich berief,
Den kundlos Neuen, lernend zu belehren
Die Unberichteten, was dein Gebot.
Steht ihr mir bei und leitet wie bisher!
Szene IV.3. Die Hochzeitsfeier der Alva mit Aquarius/Ganymed
Die himmlische Hochzeit zwischen Alva und Aquarius/Ganymed als rauschendes
Wasser-Fest. Zunächst die göttliche Zeremonie, apollinisch streng, bei der ein
kleiner Nöck mit einer kleiner Blumenfee aus kleinen Körben vor Alva Blüten
ausstreut; darauf folgend die dionysisch-ausschweifende Party, mit Musik und
Tanz am und im Wasser. Das Ganze schwingt im versöhnlichen Abschied des
Aquarius von seiner Alva und der mythischen Begründung Herrenalbs aus. Es
bleibt der Regie überlassen, inwieweit das Element Wasser hier aktiv mit
einbezogen wird. Zu Beginn kommen die unterschiedlichen Gruppen aus den
verschiedensten Richtungen auf die Szenerie gelaufen / geschlendert /
geschwommen / getanzt... Als erster Ganymed, der einen Strauß blauer (Wasser)-Blumen
mit der weißen und roten Rose in der Mitte in Händen hält, mit dem kleinen
Nöck und der kleinen Blumenfee, um die der Geißen-Faun mit anderen im Tanz
ausgelassen herumhüpft.
Ganymed [zu den beiden Kleinen]: Und vergesst nicht, die
Blumen schön gleichmäßig zu verteilen, vor Alvas Füßen.
kleiner Nöck [gleichzeitig mit der kleinen Blumenfee]: Das
ist doch klar...
kleine Fee: Und wo sie steht, besonders viele...
Ganymed [legt die Arme um beide]: Ich bin so
durcheinander, all das Glück. Kann kaum mehr richtig denken, weil alles
voller Liebe ist...
Geißen-Faun [tänzelt bei ihm vorbei und hat die letzten
Worte aufgeschnappt]: So eine Liebe nur im Kopf, ist doch ein
Hirngespinst, nur Phantasie...
Ganymed [unterbricht ihn]: Was? Nur Phantasie wär‘
meine Liebe?
Geißen-Faun [lachend]: So sagt Euer Vetter! [deutet
nach hinten ins Unbestimmte in Richtung Aquarius, der sich langsam und
würdevoll nähert]
Ganymed [sehr bestimmt]: So ist Phantasie tausendmal
besser als die Wirklichkeit! [nach einer kurzen Pause, kurz angebunden]
- Jetzt geh fort! [der Faun trollt sich zu den anderen feiernden Nymphen
etc.; zu sich] Aquarius liebt Alva nur im Kopf, wie’s seine Art ist, und
ich lieb sie mit jeder Faser meines Körpers. Sind Phantasie und Wirklichkeit
in ihm und mir, in uns nicht eins? [Aquarius ist unterdessen zu ihm
getreten und hat die beiden Kleinen an die Hand genommen, die beim
Näherkommend von Alva sofort zu dieser laufen und Blumen auf den Weg streuen;
wenn Alva stehen bleibt, streuen sie einen Kreis um sie und kehren dann an die
Hand von Aquarius zurück]
Poseidon [taucht mit Dreizack und großem Muschelhorn aus den
Fluten auf, und bläst in sein Horn]: Wo ist meine Urenkelin - die Braut?
Alva, komm zu mir!
Ganymed [deutet zur Gruppe der sich nähernden Frauen, in
deren Mitte Alva strahlt]: Dort kommt sie schon, die Schönste der
Schönen, [schwärmerisch] die Liebste der Lieben...
Poseidon [leutselig, wie der reiche Onkel aus Amerika]: Dann
musst du Ganymed sein, der Bräutigam!?
Ganymed [freudig]: Ja, der bin ich. Und ich freue mich,
dass du, Poseidon, uns die Ehre machst, zu kommen.
Poseidon [wie zuvor]: Ich komm nicht nur als Gast, ich
komm als Herrscher hier im Wasserreich. Als solcher werd ich auch den Akt der
Trauung zelebrieren. [zu Alva, die inzwischen bei ihm angelang ist - der
kleine Nöck und die Blumenfee streuen eifrig ihre Blumen] Da bist du ja!
Lass dich an meinen Busen drücken... [umarmt sie überschwänglich und
nass]
Alva [sie schiebt ihn vorsichtig von sich]: Brrrr... du
nasser Wasser-Opa; sei mir gegrüßt! [sie gibt ihm einen Kuss auf die
Nase]
Poseidon [breitet nochmals seine Arme aus, um sie wieder an
sich zu drücken]: Jetzt aber, - Alva! Du wirst doch nicht dein Element
verleugnen... [sie drückt ihn sanft aber bestimmt auf Abstand]
Alva [lachend]: Lieber Poseidon, du zerstörst mir ja
Kleid und Frisur in deiner Wiedersehens-Freude.
Poseidon [generös lachend]: Schon gut, Liebes. [tätschelt
ihr feucht die Wange] Und das ist also dein Bräutigam. [er nimmt
Aquarius und Ganymed je in einen Arm und strahlt Alva an] Da hast du gut
gewählt, sehr gut, mein Kind!
Aquarius [mit Ernst und Rührung in der Stimme]: So kommt
nun der geheiligte Moment...
Ganymed [fröhlich]: Die Stunde, die ich lange mir
ersehnt...
Alva [strahlt alle drei an]: Die Erfüllung aller
Sehnsuchtsträume...
Poseidon [ruft alle zusammen, indem er mit einem Dreizack
wild in der Luft herumschlägt]: Dann lasst uns nun die Hochzeitszeremonie
beginnen. Kommt und versammelt euch alle hier vor dem Brautpaar.
Geißen-Faun [lustig dazwischen]: Das ist ein
Brauttrio...
Buckel-Nöck [fällt lachend ein]: Ja, ‘n ziemlich
flotter Dreier...
Poseidon [generös-leutselig]: Ach ihr! Es ist doch jedem
klar, wer Ganymed und wer Aquarius ist: Die beiden Seelen, ruhend in der
Männerbrust...
Buckel-Nöck [grinsend]: Doch eher passen in die Brüste
Alvas zwei Seelen. [die Nöcke und Faune lachen und machen entsprechende
Bewegungen]
Poseidon [ernst]: Jetzt ist’s genug der Scherze, die
Sache ist zu ernst. [alle beruhigen sich und erwarten das Folgende mit
gespannter Aufmerksamkeit] Wir wollen die Zeremonie nun in alt-gewohnter
Form beginnen!
Hera [fragend]: Das gleiche Procedere wie letztes Mal?
Poseidon [fast ein wenig vorwurfsvoll, so als verstünde er
die Frage nicht]: Die gleiche Prozedur wie jedes Mal!
Demeter [fragt nach]: Mit Freudenhymnus, [sie schaut
fragend in die Runde] obwohl Apoll und Aphrodite nicht bei uns sind, ihn
anzustimmen?
Poseidon [drängend]: Natürlich mit! [er deutet auf
Hera] Hera wird ihn anstimmen, sie war von Anfang an bei allen
Eheschließungen dabei, und hat die meiste Erfahrung damit. [er winkt die
Nymphen herbei] Doch füllt zuvor die Gläser, die Pokale. [die Nymphen
beginnen sofort damit und schenken zunächst den Olympiern ein; während diese
zu singen beginnen, folgen die Anderen] Auf Hera, stimm an - und lasst uns
die Freudenhymne beginnen!
Hera [ganz wichtig]: Nun denn, wenn du mir dies Amt
zutraust.
Hera fängt zu singen an, die Götter und Antiken fallen nach und nach,
zunächst summend, dann mit voller Stimme, in den Gesang ein; bis - etwa ab
"Wem der große..." - ein machtvoller Chor durchs Tal braust.
Die Götter [singen auf die Melodie der "Ode an die
Freude", aus dem Finalsatz von Beethovens neunter Sinfonie, (d-Moll,
op.125)]:
Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium,
Wir betreten feuertrunken
Himmlische, dein Heiligtum.
Deine Zauber binden wieder,
Was der Mode Schwert geteilt;
Bettler werden Fürstenbrüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.
Wem der große Wurf gelungen,
Eines Freundes Freund zu sein;
Wer ein holdes Weib errungen,
Mische seinen Jubel ein!
Ja - wer auch nur eine Seele
Sein nennt auf dem Erdenrund!
Und wers nie gekonnt, der stehle
Weinend sich aus diesem Bund!
Alle gemeinsam [mit großer Emphase]:
Was den großen Ring bewohnet,
Huldige der Sympathie!
Zu den Sternen leitet sie,
Wo der Unbekannte thronet.
Alle Frauen [die Wald-, Wiesen- und Wasserwesen mit
schunkelnden, tänzerischen Bewegungen, die anderen eher statisch]:
Freude trinken alle Wesen
An den Brüsten der Natur,
Alle Guten, alle Bösen
Folgen ihrer Rosenspur.
Küsse gab sie uns und Reben
Einen Freund, geprüft im Tod.
Wollust ward dem Wurm gegeben,
Und der Cherub steht vor Gott.
Freude heißt die starke Feder
In der ewigen Natur.
Freude, Freude treibt die Räder
In der großen Weltenuhr.
Blumen lockt sie aus den Keimen,
Sonnen aus dem Firmament,
Sphären rollt sie in den Räumen,
Die des Sehers Rohr nicht kennt.
Alle gemeinsam [Mit schmetternden Stimmen]:
Froh, wie seine Sonnen fliegen,
Durch des Himmels prächtgen Plan,
Laufet, Brüder, eure Bahn,
Freudig wie ein Held zum Siegen.
Alle Erd-/Wasserwesen [singen in Richtung der Götter]:
Göttern kann man nicht vergelten,
Schön ists, ihnen gleich zu sein.
Gram und Armut soll sich melden,
Mit den Frohen sich erfreun.
Groll und Rache sei vergessen,
Unserm Todfeind sei verziehn,
Keine Träne soll ihn pressen,
Keine Reue nage ihn.
Freude sprudelt in Pokalen,
In der Traube goldnem Blut
Trinken Sanftmut Kannibalen,
Die Verzweiflung Heldenmut.
Brüder, fliegt von euren Sitzen,
Wenn der volle Römer kreist,
Lasst den Schaum zum Himmel spritzen:
Dieses Glas dem guten Geist.
[beim letzten Vers schütten die Erd- und Wasserwesen das zuvor in die
Höhe gehaltene Glas in hohem Bogen in die Natur]
Alle gemeinsam [heben die Gläser in die Höhe, und wer noch
etwas im Glas hat, gießt es beim entsprechenden Vers in die Natur]:
Den der Sterne Wirbel loben,
Den des Seraphs Hymne preist,
Dieses Glas dem guten Geist
Überm Sternenzelt dort oben!
Zeus [mit generöser Stimme]: Danke, danke! Ich bin hier
unten - bei euch - selbst Aquarius ist vom Sternenzelt herabgestiegen... Aber
ich bitte euch, verschüttet nicht so viel von dem guten Nass! Erhebt das Glas
auf Alva und Aquarius, [er setzt nach kurzer Pause hinzu] und -
natürlich - auf Ganymed, den Liebling der Götter und Nymphen. [er lacht,
die Nymphen füllen nebenher wieder allen die Gläser]
Poseidon [sehr förmlich, wie ein Standsbeamter]: Dann
lasst uns die Zeremonie fortführen. [Ganymed und Alva stehen gesenkten
Hauptes vor ihm, während sich Aquarius etwas hinter Ganymed aufhält] Wer
zeugt für Braut und Bräutigam? [blickt in die Runde]
Aquarius [tritt neben Ganymed]: Für Ganymed will ich der
Zeuge sein, [lächelnd] denn niemand kennt ihn so wie ich...
Hera [hinterhältig]: Geht das denn...?
Zeus [belehrend dazwischen]: Mein liebes Weib, das haben
wir doch vorher schon diskutiert, lass das doch... [beiseite] - diese
Frau macht mich wahnsinnig - [wieder laut] und störe nicht den
Fortgang der Feier!
Hera [spöttisch]: Na... wenn du meinst; so lang er nur
für ihn und nicht mit ihm zeugt [sie lacht] - ich will nicht wieder
Streit mit dir...
Zeus [ermattet]: Das ist wohl auch besser so! [mehr zu
sich] Dies ewige Rumgenörgele hab ich langsam satt...
Poseidon [ein wenig unwirsch]: Habt ihrs endlich? Könnt
ihr eure Eheprobleme nicht ein anderes Mal diskutieren? [zu den Anderen,
wiederum sehr förmlich] Und wer zeugt für die Braut, die Alva?
Fortuna [tritt aus dem Hintergrund hinzu]: Ich denke,
dies ist mein Part; denn was ich begonnen habe, will ich auch vollenden.
Poseidon [mit Würde]: Dann bitte ich die Zeugen hier zu
meiner Rechten und Linken und das Brautpaar vor mir Aufstellung zu nehmen.
[er deutet mit seinem Dreizack in die jeweilige Richtung]
Es entsteht ein Durcheinander, weil sich die Nymphen, Faune und Nöcke
durch die Olympier drängeln, um alles genau beobachten zu können. Zudem wird
weiterhin ausgeschenkt und die Jüngeren wuseln in der Gegend umher und
spielen Fangen. Als Aquarius, Fortuna, Alva und Ganymed Aufstellung genommen
haben, bleiben auf den lauten Ordnungsruf des Poseidon hin alle an dem Ort in
der Bewegung stehen, so dass sich ein eingefrorenes Bild ergibt, das sich mit
dem Ja-Wort und Kuss des Paares auf einen Schlag wieder belebt.
Poseidon [macht mit seinem blitzenden Dreizack eine Bewegung
durch die Luft und ruft mit dröhnender Stimme]: Quallengift und
Haifisch-Zahn! Ruuuhe! [alles steht gebannt, Poseidon lacht breit und
stellt sich in Positur] Ganymed, willst du die holde Alva in alle Ewigkeit
lieben, dann antworte mit: Ja.
Ganymed [strahlt Alva an, freudig]: Ja, für immer und
ewig.
Aquarius [schaut beide an, gleichzeitig sehr ernst]: Unendlich
wie der Sternenhimmel...
Poseidon [schüttelt in Richtung Poseidon verständnislos den
Kopf und fährt fort]: Und du meine liebe Ur-Ur-Enkelin Alva; willst auch
du den Ganymed als treusorgendes Weib...
Alva [unterbricht ihn, indem sie Ganymed und Aquarius
gleichzeitig umarmt und ausruft]: Oh ihr Zwei! Meine Liebe wird währen,
solange noch ein Tropfen Wasser durch dies Albtal fließt. Ich liebe euch. [sie
küsst beide abwechselnd, während ein lautes Gejohle und Glückwünsche,
Hochlebe-Rufe und Gläserklirren anhebt, Poseidon wird von der Menge
weggespült]
Der berühmte Song aus Hair wird - schon während der Trau- und
Trinkzeremonie - gespielt: "This is the dawning of the Age of Aquarius..."
Einige beginnen mitzusingen/-summen. Nachdem der Pokal geleert ist, tanzen die
Erwachsenen eng umschlungen. Bei den Antiken tanzen auch die Frauen
miteinander. In der Mitte Ganymed, Aquarius und Alva als Tanztrio. Die
älteren Jugendlichen tanzen ebenfalls oder lungern mit den kleineren im
großen Halbkreis um die Tanzenden herum und begaffen diese, tanzen zum Teil
auch mit. Schon während und vor allem am Schluss des Songs sinken manche
ermattet ins Liebeslager, andere schlagen sich in die Büsche.
Geißen-Faun [völlig außer Atem und begeistert]: Das
ist ne Party... Wow! So was hab ich noch nicht erlebt.
Heide [schmiegt sich eng an ihn]: Ja, echt göttlich.
Geißen-Faun [versucht sie zu küssen, doch sie entwindet
sich ihm, obwohl man merkt, wie sehr sie seine Annäherung genießt]: Du
sagst es, Heide: göttlich! Und die Götter - richtig menschlich.
Heide [lacht]: So wie du und ich.
Geißen-Faun [lacht auch]: Na ja, wir sind ja nicht grad
menschlich, ich fühl mich eher tierisch gut - sauwohl.
Heide [gurrt ihn verführerisch an]: Und ich könnt
turteln wie die Vögel, die Täubchen, die ich sonst so gerne füttere und
ihrem Gurren lausche...
Geißen-Faun [bedrängt sie]: Dann lass mich dein
Tauberich sein...
Heide [breitet die Arme aus und dreht sich träumerisch im
Kreis]: Ich bin frei wie ein Vogel - ich hebe ab, ich glaub ich flieg
gleich los.
Geißen-Faun [umarmt sie leidenschaftlich]: ...lass uns
gurren und schnäbeln und vöge...
Heide [hält ihn zurück und sagt ernst, fast vorwurfsvoll]: Halt,
mein Faun, bevor dir wieder nur eine neue Obszönität entschlüpft.
Geißen Faun [schaut sie verwundert an]: Was hast du, Heide! Ist
doch nur Spaß, ein kleiner Scherz. - Du magst das doch, wenn ich mal eine
deftigeren Spruch klopfe, oder?
Heide [sehr ruhig]: Natürlich mag ich’s, doch nicht immer.
Manchmal wär‘ ein bisschen Ernst und auch Kultur wohl angebracht. [sie
schaut ihn voll an] Wenn es um uns geht...?
Geißen-Faun [freudig erstaunt]: Um uns? Heide, wie meinst du
das?
Heide [zärtlichstrahlend]: Wie wäre es, wenn ich dir sage,
dass ich dich wirklich liebe.
Geißen-Faun [schaut erstaunt, ungewohnt sanft]: Das ist schön,
Heide. [er umarmt sie zärtlich] Denn ich lieb dich auch; schon lange,
und du glaubst gar nicht, wie sehr. [er zieht sie hinter sich her] Doch
komm jetzt... [lachend] wichtige Geschäfte warten auf uns...
Heide [lässt sich gerne von ihm mitziehen, lachend]: Ach,
du! Du denkst doch immer nur... [lacht hell glucksend] Typisch Mann...
Helena [zeigt hinter den beiden her]: Gleich und gleich
gesellt sich gern. Die zwei sind glücklich - und naiv. Mir ist die
Unbekümmertheit der Liebe in Troja abgefackelt worden...
Buckel-Nöck [lacht]: Wie meinst du: die Liebe abgefuckt?
Helena [unwirsch]: Könnt ihr Grünen nicht einen
Augenblick ernst sein, das Leben nicht nur als großes Happening begreifen?
Buckel-Nöck [schüttelt sich vor Lachen und macht obszöne
Gesten, die sie auffordern sollen, mit ihm zu kommen]: Ja ein Happening,
wie wär’s denn mit uns beiden?...
Helena [sie fällt aus der Rolle und herrscht ihn an]:
Verpiss dich! [er trollt sich lachend zu seinesgleichen; sie sagt mehr zu
sich:] Das scheint die einzige Sprache zu sein, die der versteht!
Demeter [schaut sie ein wenig vorwurfsvoll von der Seite an,
ironisch]: Na, na, na... So kenne ich dich ja gar nicht!
Diana [fast unfreundlich tadelnd]: Lass doch die Nöcke
und die Nymphen in ihrer Unbekümmertheit in Ruhe. Alva gehört zu ihnen und
gehört doch auch zu uns...!
Helena [laut und arrogant]: Der Ton macht die Musik, und
wer mich reizt, dem weiß ich reizvoll zu begegnen; [wendet sich belustigt
an die unter den Festgästen anwesende Echo] Echo kann es bestätigen: Der
Wald wundert sich manchmal, wie es aus ihm schallt - nicht immer ist es die
Antwort auf das, was man hineinruft.
Echo [antwortet laut]: Nein ruft!
Diana [mischt sich fragend ein]: Wer soll hier
"nein" rufen? Alva hat doch zugestimmt!
Helena [lacht]: Klar... Nein gesagt hat Keiner...
Echo [laut]: Einer...
Diana [verwirrt]: Wer jetzt?
Echo [sofort]: Er jetzt.
Diana [zu Helena]: Was? Hat Ganymed etwa...
Helena [lacht mit den Umstehenden]: Ach was, Diana! Du
kennst doch Echos Auslegung der Welt...
Echo [unmittelbar]: Erwählt!... [alle lachen]
Demeter [deutet zu Alva und Ganymed, die ganz versunken
voreinander knien]: Da schaut nur, dies Glück, diese Seligkeit...
Echo [geht einige Schritte beiseite]: Ehelichkeit...
[alle anderen treten in einen Halbkreis um die Hochzeitsgruppe]
Ganymed [emphatisch]: Oh meine geliebte Alva. Nun ist
vollzogen, was doch schon vollzogen war. [nimmt ihr Gesicht in beide Hände
und küsst sie zärtlich]
Alva [schwärmerisch]: Es war wunderbar, es ist
phantastisch und wird auf ewig traumhaft sein.
Ganymed [zurück genommen]: Ja es wird ein Traum, nur ein
langer Traum sein.
Echo [etwas entfernt]: Schaum sein...
Alva [wie zuvor]: Ein niemals endender...
Ganymed [leise]: Von Ewigkeit zu Ewigkeit... [fasst
sich] Doch habe ich für dich, du meine Liebste, auch ein Geschenk zu
diesem Freudentag.
Alva [ganz zart]: Ein Geschenk bist du für mich, was
brauch ich mehr?
Ganymed [fest]: Ein Pfand der Liebe in deine zarte Hand,
unter deinen zierlichen Fuß, um deinen göttlichen Leib...
Echo [die nun entfernt steht]: Göttliches Weib...
Alva [fragt unsicher]: Ein Pfand?
Aquarius [beugt sich über Ganymed hinweg zu Alva, und nimmt
zart ihre Hand]: Dies schöne Fleckchen Erde - Wiesen, Wald und Wasser -
an dem selbst Götter Urlaub machen, wohin sie flüchten aus dem Stress der
neuen Zeit, sei meine Morgengabe für dich, geliebte Alva.
Zeus [mit machtvoller Stimme aus dem Off]: So sei es!
Aquarius [Ganymed verschwimmt mit Aquarius, wird eins mit ihm]:
Soweit das Auge hier blicken kann, soll dieses Land in seiner Schönheit ein
Zeugnis unserer Liebe sein. Und als Erinnerung an seine Herren Ganymed und
Aquarius und ihre Ehe mit Alva, der Schönsten der Schönen, soll es auf ewig
Herrenalb genannt sein.
Zeus [wiederum mit machtvoller Stimme]: So sei es!
Aquarius/Ganymed [traurig aber fest]: Und nun heißt es
für mich Abschied-Nehmen. Zweifach Abschied: Als Ganymed und Mensch von den
Menschen, als Liebender und Mann von dir, meine geliebte Alva [er beugt
sich zärtlich zu der strahlend-traurigen Alva und küsst sie ein letztes Mal]
Alles Vergängliche
Ist nur ein Gleichnis;
Das Unzulängliche,
Hier wird’s Ereignis;
Das Unbeschreibliche,
Hier ist’s getan;
Das Ewig-Weibliche
Zieht uns hinan. [verschwindet mit Ganymed in den Lüften]
Zeus [nochmals donnernd mit machtvoller Stimme]: Zum
dritten Mal: So sei es! [er lacht laut und herzlich]
Aquarius [im Verschwinden]: Oh Alva...
Alva [gleichzeitig]: Mein Aquarium! [springt freudig
jauchzend in die Alb]
In die letzten Worte und das Lachen des Zeus hinein verwandelt sich mit
Blitz und Donner die Szenerie. Die märchenhaften Götter, Feen, Nöcke etc.
verschwinden hinter einer vom Fluss aufsteigenden Nebeldecke. Aquarius
verschwindet beim Zeus’schen "So sei es!" als Sternbild an den
Himmel; Alva legt sich in ihr Flussbett zur Jahrtausende dauernden
Hochzeitsnacht. Der Nebel lichtet sich.
Epilog:
Offene Gegend. Zeus und Hera sitzen wie eine Pieta-Figur auf einer Bank
unter einem Lindenbaum. Zeus ruht in Heras Armen/Schoß. Das Blitzbündel liegt
vor ihm im Gras, den Strahlenkranz hält er in der herabhängenden linken Hand.
Hera [zum Publikum, indem sie zart den Finger vor die Lippen
hält]:
Liebe Leute! Leise! Leise!
Ruhig! lasst den Gatten ruhn!
Langer Schlaf verleiht dem Greise
Kurzen Wachens rasches Tun.
Zeus [erwacht langsam und hebt den Kopf ein wenig]:
Schaue grünend Wies’ an Wiese,
Anger, Garten, Dorf und Wald. -
Komm, oh Nacht, die ich genieße,
Denn die Sonne scheidet bald. -
Schlafen legt sich Kind und Kegel,
In den ruhigen Häusern dort;
Kennen doch ihr Nest die Vögel,
Findet jedes seinen Hort.
So erblickst du in der Weite
Erst des Waldes grünen Saum,
Rechts und links, in aller Breite,
Wiesenblütenreicher Raum.
Hera [ganz verträumt-selig]:
Nimmer möcht den Ort ich missen
Nie den Augenblick, die Stund...
Zeus [zum Publikum]: Möchtet ihr vom Wunder wissen;
[zu Hera] Sagst’s so gern, tu’s ihnen kund.
Hera [schaut, als wäre sie noch immer erstaunt-verwundert]:
Wohl! ein Wunder ist's gewesen!
Und es lässt mich nicht in Ruh;
Denn es ging das ganze Wesen
Nicht mit rechten Dingen zu.
Zeus [er plappert los, weil ihm das Herz voll ist]:
...Alva und Aquarius,
Eröffneten uns ihre Liebe;
Nach dem inniglichsten Kuss,
Dem Keimen ungeahnter Triebe,
Wurde hier, gleich wie auf Bühnen,
Schnellstens der Beschluss gefasst,
Und sie feierten im Grünen
Die Hochzeit wie im Traum-Palast.
Hera [schließt ihm zart die Lippen mit der Hand und schaut
ihn zärtlich an]:
Als die Hochzeitsgäste lärmten
Fiel plötzlich von mir alle Plag;
Als die Nymphen nächtig schwärmten,
Wurd mir mit dir ein neuer Tag.
Wo wir sonst im Streit nicht ruhten,
Endigte die Ehe-Qual;
Mich durchflossen Feuergluten,
Tief ins Herz traf mich dein Strahl.
Du, mein Zeus, hast rasch gehandelt,
Und die Sehnsucht mir gestillt,
Bist so anders, wie verwandelt:
Mir ein paradiesisch Bild.
In mir glimmt des Herzens-Feuers
Glockenheller Silberlaut,
Für den Rest des Abenteuers
Bin ich neu dir anvertraut.
[sie hält inne und wird ganz ruhig; beinahe verklärt]
Ruhe ist’s, die mich gelüstet,
Unsre Hütte, unser Hain;
Hab zum Abend mich gerüstet,
Hier soll unsre Heimat sein.
Zeus [steht auf und tritt einen langsamen Schritt auf das
Publikum zu]:
Lasst uns in die Nacht nun treten,
Klares Sternenlicht zu schaun!
Lasst uns träumen, schlafend beten,
[er schaut das Publikum milde lächelnd an und nimmt Hera an der Hand]
Könnt dem alten Gott vertraun!
fine