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Alva & Aquarius

 

Prolog:

Eine anmutige Gegend, friedvoll und ruhig, in die der alte, weise Göttervater Zeus getreten kommt - würdevoll, doch auch alt und müde - mit Blitzbündel in der Hand und Strahlenkranz auf dem Kopf. Man spürt seine ehemalige Größe, merkt aber zugleich, dass wohl eine neue Zeit angebrochen ist; ja, dass dies die Abenddämmerung des Götterzeitalters des Zeus und seiner Olympier ist.

Zeus [spricht das Publikum direkt an]:
Das Alter kommt und mit ihm die Gebrechen;
Man sucht die Ruhe, meidet Lärm und Streit,
Und gibt sich selbst im stillen das Versprechen:
Am Ort der ruhigen Heiterkeit
Den Lebensabend zu verbringen.
Der wilden Jugend Zeit ist um;
Das ferne Ziel, jetzt muss es mir gelingen:
Dort staune ich in Andacht, werde stumm!

Der Jugend, guter Freund, bedarfst du allenfalls,
Wenn dich in Schlachten Feinde drängen,
Wenn mit Gewalt an deinen Hals
Sich allerliebste Mädchen hängen,
Wenn fern des schnellen Laufes Kranz
Vom schwer erreichten Ziele windet,
Wenn nach dem heft’gen Wirbeltanz
Die Nächte schmausend man vertrinket.

Doch ins bekannte Saitenspiel
Mit Mut und Anmut einzugreifen,
Nach einem selbst gesteckten Ziel
Mit holdem Irren hinzuschweifen,
Das, alte Herrn, ist unsre Pflicht,
Und man verehrt uns drum nicht minder.
Das Alter macht nicht kindisch, wie man spricht,
Es findet uns nur noch als wahre Kinder.

Und wie ein Kind nach oben strebt,
Unschuldig rein das Schöne sucht;
So streb’ ich Alter nun, als hätt’ ich vorher nie gelebt
An einen schönern Ort, die Reise ist gebucht.
Ich seh ihn vor mir, diesen Lindenbaum,
Und ich mit ihr in seinem Schatten, welch ein Traum:

"Welch eine Göttin gießt Entzücken
Ins Herz des Fühlenden?
Lässt mitleidsvoll vor seinen Blicken
Oft Szenen sanfter Freud’ entstehn,
Und bildet ihre Haine schön
Sanfttrauernder Melancholie?
Sie ist’s, des Himmels Phantasie -
Oft wandelt sie auf Blumenwegen
Mit ihm ins stille Tal hinab,
Zeigt ihm die Unschuld da in Hütten
Und Freuden, welche Gott ihr gab..."

So hoff auch ich, der Gott des eignen Traumes,
Anteil zu haben an des Traumes tief’rem Sinn,
In der Unendlichkeit des Raumes
den Ort zu finden, wo ich wahrhaft bin.

Es ist die Zeit der Ernte, der Acker ist bestellt:
Ich lass der Jugend ihren Tanz ums goldne Kalb
Und mach mich mit den Meinen auf zum schönsten Ort der Welt:
Bad Herrenalb!

Zeus verschwindet in einer Wolke, die langsam durch das Tal zieht. Er ist im Folgenden nur mehr stimmlich anwesend (außer eventuell in Szene III.1, die aus dem Off oder auch direkt anwesend gestaltet werden kann); erst im Epilog wird er mit seiner Hera in Herrenalb – dem Ruhesitz der Götter – wirklich angekommen sein.

Hinter der durchziehenden Wolke öffnet sich eine anmutige, wasser-, wiesen- und waldreiche Gegend, die von besonderer Schönheit und Harmonie gezeichnet ist und von allerlei Naturwesen bevölkert wird.

 

Erde: Reich der Demeter

I. Akt – in dem die Olympier ins Albtal kommen und sich mit den heimischen Faunen und Nymphen bekannt machen.

Szene I.1. Ankunft der Olympier im Albtal

Von einer buschigen Anhöhe kommen einige modisch gekleidete Damen, wohl Urlauberinnen, geschritten, die sich im Laufe ihres Gesprächs als griechische/römische Gottheiten und mythologische Gestalten offenbaren. Sie sind auf Urlaub im wald- und wasserreichen Bad Herrenalb. Wald- und Wasserwesen, Faune, Feen, Nöcke und Nymphen gesellen sich zu den antiken Gestalten und umschwirren diese ständig. Thema der diversen Gespräche zwischen den Antiken sind die Verwandtschaftsprobleme um sie und den Göttervater Zeus, genauer die Liebesprobleme des Zeus in seinen diversen amourösen Abenteuern. Die Szene schwingt in einem ernsten Gespräch zwischen Undine und der schönen Helena über den Untergang Trojas und das Leid der Helena aus, über die Liebe, die stets nur Leid gebiert.

Helena [kommt mit ihrer Mutter Leda, Europa und - ein wenig dahinter - Diana und Demeter anstolziert, bleibt stehen]: Was für ein Tag, mir angemessen, Helena, der schönsten Frau de Welt. [schaut sich interessiert um, sie streckt die Arme in die Luft und atmet tief durch] Ahhh! Welch wundervoll-behaglicher Ort. [Sie atmet tief durch] Und was für eine Luft, es riecht förmlich nach Wald, Wiese und Wasser. [sie räkelt ihren Körper] Ein Glück, dass uns der alte Zeus den Ausflug hierher vorgeschlagen hat. Nicht wahr, Tante Europa?

Europa [wie Leda mit ihrem Schwan, kuschelt sie ständig mit einem Stoff-Stier]: Ja, und es war ein guter Gedanke von Demeter, gerade dies Tal hier vorzuschlagen.

Leda [hat in den Armen einen Stoff-Schwan, den sie ständig streichelt; etwa gleichzeitig zu Helena]: Stimmt, mein Kind! [schaut sich begeistert um] Wirklich angenehme Gegend hier, so urwüchsig. Hier müssten sich doch Schwäne finden lassen?!... Denkt man gar nicht, was Europa noch für stille Winkel hat.

Europa [schaut verständnislos]: Wie meinst du das, Leda? Wo hab ich stille Winkel?

Leda [schüttelt den Kopf, redet auf sie ein - von oben herab]: Nicht dich mein ich, Freundin und Rivalin, die du auch Europa heißt. Ich mein den Kontinent, den man benannt nach dir: Europa, deinen Kontinent!

Europa [schaut blond-wissend]: Ach so, das mit der Union oder Gemeinschaft oder so, der europäischen... [Leda schüttelt den Kopf] - du meinst dies geografisch und politisch...? [Leda nickt lachend, Europa schaut sich begeistert um] Ja, echt super...

Leda [ergänzt]: Superb!

Helena [holt zu einer großen Geste aus]: Ich fühle mich so erhaben, so... Lasst es mich mal mit klassischen Worten sagen, die einer einst auf mich gedichtet hat: [stellt sich in Positur]
Ich fühle mich so fern und doch so nah,
Und sage nur zu gern: Da bin ich! da!
[sie atmet wiederum tief durch] Jetzt versteh ich auch, was mit den Worten "gegenwärtig, ganz präsent sein" gemeint ist. So wie jetzt, das muss es sein.

Diana [ist den anderen gefolgt, in Jagdkleidung, stimmt Helena zu]: Ja, ein wunderbarer Platz. Genau das Richtige, um auszuspannen. Das ist in Athen in diesem Sommer wirklich extrem. Und der Olymp ist auch nicht mehr das, was er einmal war. Kein Ort für Götter mehr!

Leda [zu Diana]: Für dich als Jägerin, Diana, Patronin der Jagd, muss es hier doch traumhaft sein. Wälder, Wiesen und Wasser und jede Menge Wild. Wildschweine und Rehe, ja sogar Hasen im Wald, und selbst in den Flüssen die Fische...

Demeter [stand die ganze Zeit ein wenig abseits und tritt nun hinzu]: Lasst der Natur ihren Frieden. Seid doch froh, dem griechischen Glutofen entronnen zu sein, und den olympischen Touristenmassen. [seufzt] Das ist schon schmerzlich, die schöne Stadt Athen so leiden und schwitzen zu sehen. - Jahrein, jahraus... Die geschundene Natur, alles verdorrt und verbrennt! Gegen die verderblichen Einflüsse der Sterblichen bin selbst ich, Demeter, Mutter der Erde und ihrer Früchte, machtlos.

Diana/Leda/Europa [stimmen ihr bedauernd zu]:
- Demeter, genau so ist es. Das ganze Wild verdurstet und verbrannt!
- Ja, wirklich extrem - du sagst es! Glut von oben - Glut von unten.
- In Athen ist es selbst für Unsterbliche schwer geworden; ich sag’s schon lange, Demeter!

Helena [ironisch deklamierend]:
Ihr müsst nicht jammern und flennen;
Troja war eine bessere Stadt,
Und musste doch verbrennen.

Demeter [sehr nachdenklich]: Troja war das Schlachthaus der Götter. Aber hier ist es anders. Ich bitte euch: Denkt nicht wieder gleich ans Töten! Persephone ist aus dem Reich ihres Gatten Hades beurlaubt, und Hades grollt deshalb. [sie streicht sich über die Stirn] Fort mit den Gedanken an den Tod. Denkt an die üppig wuchernde Natur; an die paradiesische Zeit, die wir hier verbringen werden.

Leda [eifrig zustimmend]: Ja, das ist eigentlich ein wunderbarer Platz. Genau das Richtige, um auszuspannen.

Helena [schüttelt den Kopf]: Mama, das sagte Diana gerade, [weist sie von oben herab zurecht] sei kein Papagei!

Leda [arrogant]: Kind, Kind... Etwas mehr Achtung vor deiner Mutter! Seit Zeus ein wenig altersschwach geworden ist, begehrt die Jugend auf...

Zeus [vorwurfsvoll nur stimmlich aus der Ferne]: Leda, meine Liebe, ich bitte dich! - Der Zahn der Zeit nagt an uns allen...

Leda [gleich in die Defensive gehend]: Oh, Zeus, entschuldige! Ich wusste nicht, dass du schon hier bist.

Zeus [matt und gelangweilt]: Ich ruhe mich mit Hera von der Reise aus.

Helena [zischt ihrer Mutter Leda zu]: Mutter - pscht - und Hera hat er auch dabei...

Zeus [freudig erstaunt]: Welche Stimme höre ich? Wen habt ihr mitgebracht? Hallo, Helena! [begeistert] Du hier? Du riechst nach dem trojanischen Brande, ich habe dich wieder, schöne Helena! Wunderbar, dass du mitgekommen bist.

Europa [eifersüchtig]: Reicht dir Europa nicht, mein Stier?

Zeus [spöttisch]: Dich hatt’ ich schon, sie fehlt in meiner Sammlung noch! [lacht dröhnend, dann matt und verbraucht] Doch lasst mich noch ein wenig ruhen.

Leda [wieder mutiger, als Zeus sich (stimmlich) entfernt hat, zu den Übrigen]: Die eigne Tochter?! [droht lachend mit dem Finger ins Ungewisse] Mein lieber Schwan... [zu den Anderen gewandt] Da hat der alte Göttervater in seiner Geilheit wohl bei all den Frauen, Schwestern, Töchtern, Menschen und so fort den Überblick verloren.

Europa [kichert glucksend]: Was seine Hera wohl dazu meint? Die Hüterin des Herdes und des Ehestandes führt doch sicher Buch über alle Seitensprünge.

Helena [anklagend und ärgerlich]: Er hätte mir lieber helfen sollen, als Páris mich raubte... - mir meine Liebe schützen. Er, Zeus - wer sonst, hätte doch die Macht gehabt, Mutter! [zornig-ironisch] Und seine Hera war doch schuld an meinem und an Trojas Unheil, weil sie beleidigt war, als Páris ihr den Schönheitspreis nicht zuerkannte.

Europa [spitz]: Das ist doch grade das Problem des Zeus. Er steht in der Schuld aller Weiber des Olymp - und muss sich zudem stets vor seiner Hera und ihrer Eifersucht hüten.

Leda [stimmt zu]: Drum sind ihm seine Flügel gestutzt, mein Kind, er steht den Intrigantinnen machtlos gegenüber...

Europa [lachend]: Da ist der kräftige Bulle seiner Kraft beraubt, und wird ganz unkastriert zum Ochsen.

Helena [sarkastisch]: Und ihr meint, was dem Ochsen nicht erlaubt ist, davon sollte Zeus die Finger lieber lassen... [lacht aufreizend] Alle Finger!

Demeter [sehr ruhig und sehr bestimmt]: Sprecht nicht so von meinem Bruder Zeus. Er hält den Götterkreis zusammen; ohne ihn sind wir nichts! Ihr wart [sie senkt den Blick und die Stimme] - wir waren - willig und haben uns freudig, mit großer Lust von ihm nehmen lassen.

Diana [ruhig und stolz]: Ich habe meine Jungfräulichkeit bewahrt. Viele begehrten, umschwärmten mich und machten mir den Hof. - Aber was ist es denn, das uns Frauen zum schwachen Geschlecht werden lässt? Doch nur die Männer, indem sie ihre Körperstärke ausnutzen und uns gefügig machen.

Demeter [widerspricht in großer Ruhe]: Und doch ist es das Schönste auf der Welt, wenn zwei Geschöpfe sich vereinen. Nur so kann neues Leben erwachsen und erwachen.

Geißen-Faun [der sich ständig an junge Nymphen und Feen heranmacht, hat dem letzten Teil des Gesprächs mit großer Heiterkeit gelauscht]: Oh ja, [macht eine obszöne Bewegung] das ist das Schönste auf der Welt. [greift sich die neben ihm stehende Heide] Komm her... und in die Büsche.

Heide [kreischt lustvoll, indem sie sich widerstrebend-willig von ihm abschleppen lässt]: Du Sexprotz, immer nur das Eine im Kopf.

Geißen-Faun [aus der Ferne, lachend]: Nicht im Kopf, Heide, im Schritt... [lacht aufreizend und fasst sich zwischen die Beine] - zwischen den Beinen...

Demeter [lächelt und deutet hinter den beiden her]: Da nimmt sich die Natur ihr Recht! Saat und Ernte, Geburt und Tod, der ew'ge, vorbestimmte Kreislauf. Doch ist es uns - anders als diesen Naturwesen - gegeben, zu wählen, zu entscheiden...

Europa [vehement]: Zu wählen? - Zu entscheiden? - Von wegen...! Wenn so ein Stier über dich kommt, gibt’s nicht mehr viel Entscheidungsfreiheit. [besinnlich] Obwohl - eigentlich war’s wunderschön, genau so, wie ich’s immer wünschte...

Demeter [legt der Europa den Arm um die Schulter und zieht sie beiseite, die Anderen folgen den beiden; ruhig]: Dies meine ich: Es ist die Freiheit tief in uns; in unsern Wünschen, unsern Träumen. Meist kommt es, wie wir’s wünschen... - und ist dann wunderschön.

Helena [tritt von den Anderen weg und sinniert]: Ich weiß nicht, ob wir wirklich frei in der Entscheidung sind, wen wir und wann wir lieben. Ich weiß es wirklich nicht!

Helena tritt ein wenig abseits, sie scheint traurig zu sein.
Die kleinen Nymphen, Nixen und Feen haben sich während des Vorangehenden im Halbkreis um die Antiken geschart, sie beobachten das Gespräch, sie sind bei der vorherigen Aktion des Geißen-Faun in Richtung auf die Zuschauer auseinandergestoben.

Undine [hat sich aus dem Kreis der Wasser-Nymphen gelöst und schwimmt/geht auf Helena zu, die sich zuvor ein wenig von den Anderen entfernt hatte und ein besinnlich-trauriges Gesicht macht]: Ich fühl mich schwesterlich zu dir hingezogen. Was grämt dich?

Helena [wehrt ab]: Ach lass! Mich grämt nichts, lass mich!

Undine [lässt sich nicht abweisen]: Entschuldige, dass ich dich anspreche; euer Gespräch ist doch zu interessant; - wir hier, wir wissen davon nichts. Da hab ich eben mitbekommen, welche Verwicklungen und Verwirrungen es unter euch Frauen am Olymp gibt. - Dieser Zeus ist wohl der Vater, Bruder, Gatte fast von jeder. [sie tritt nah an Helena heran] Und selbst du, du Schönste unter den Schönen, seine eigene Tochter, scheinst nicht sicher vor ihm zu sein.

Helena [fast ein wenig zornig]: Ach - der alte Spruchbeutel! Mit seinen großen Sprüchen ist er hinter jeder her, die halbwegs aussieht...

Undine [streichelt sie]: Doch du bist ja auch wunderschön...

Helena [anklagend]: In Hellas musst ich einst nur schön sein, nichts sonst; mit makellosem Körper, das reichte - und die Männer waren scharf auf mich.

Undine [stimmt mit einem Seufzer zu]: Ja das ist es, was die Männer an uns schätzen, die körperliche Schönheit. Bein, Po und Busen müssen stimmen, und ein geschminktes, lächelndes Gesicht... Die äußere Form ist ihnen wichtig, um ihre Körperlust befriedigen zu können.

Helena [niedergeschlagen]: Das reichte auch mir an Páris, war genug... Mehr wollt ich nicht, hatt’ ich nur ihn, den Strahlenden, den Mann der Männer... Doch wurde er gemordet, viel zu jung...

Undine [verständnisvoll]: Du hast wie ich zu früh den Liebsten verloren?

Helena [klagend weint sie]: Nicht nur einen, dreimal war ich verheiratet, drei Könige, zweimal wurde ich geraubt - um am Schluss wieder den zu heiraten, den Aphrodite, dieses Luder, mir entzog. [sie schluchzt laut auf] Mein Páris... [nach einer Pause nüchtern] Und hernach wieder Menelaos, der mich wie einen Besitz in furchtbar dauerndem Kampf zurückeroberte; - ein ganzes Volk musste drüber sterben. [sie weint hemmungslos]

Undine [nimmt sie in den Arm und streichelt sie tröstend]: Ganz anders und im Ende doch ganz gleich erging es mir. Mein Ritter Huldbrand, den das Menschenweib Bertalda mir genommen, hat uns beide früh, zu früh verlassen müssen. Ungeliebt blieben wir zurück... Doch dies ist Menschenschicksal, seit es Menschen gibt - seit es die Liebe gibt!

Helena [ruft laut und anklagend]: Wie konnte Zeus mir, seiner eignen Tochter, dies nur antun? Oh Paris, mein Páris! [sie hält inne, schaut auf Undine und besinnt sich an das eben von dieser Gesagte] Wie hieß deiner doch gleich wieder

Undine [spricht bedächtig-zärtlich, fast schüchtern]: Huldbrand... Doch die Zeit heilt Wunden...

Helena [sinnierend]: Huldbrand... [dann relativ hart] Die Zeit heilt keine Wunden; sie ist wie der Verband, in dessen Wärme der Wundbrand eiternd schwärt.

Undine [versucht sie weiterhin zu trösten]: Und grämt und schmerzt der Tod des Liebsten dich auch ewig, ein neuer Tag bringt neue Hoffnung, neues Glück; Fortuna lässt die ihren nie im Stich. [beiseite] Doch eigentlich: Wie recht sie hat...

Helena [bitter]: Was bringt Fortuna schon, und was der neue Tag: Nur neue Männer bringt der neue Tag, kein Glück und keine Hoffnung - auf Liebe. [nach einem kurzen Moment der Besinnung, während Undine sie streichelt] Ach ja, die Männer. [abfällig] Männer! [mit einer wegwerfenden Handbewegung] Lassen wir das. - Fort mit den trüben Gedanken; wir wollen uns an uns erfreuen. [sie küsst Undine] ...und außerdem: [sie räkelt sich wieder entspannt] Was für ein Tal; - die Luft, [sie atmet tief ein] - es riecht nach Wasser, Wiese, Wald... [und eilt mit Undine an der Hand davon]

Die antiken Göttinnen etc. haben sich während des Gesprächs der Helena mit Undine lachend mit den einheimischen Nymphen, Feen und Nöcken vereint und in den Hintergrund zurück gezogen. Man hört von ihnen noch Geplauder und Gelächter; die Olympier versuchen, den "Einheimischen" weiterhin zu imponieren, ihnen zu zeigen, wer und was die "feine Gesellschaft" ist. Helena und Undine sind zum Ende ihres Gesprächs in ihre Richtung gelaufen.

 

Szene I.2. Alva und "ihr" Tal

Die Wassernymphe Alva kommt auf ruheloser Suche nach dem unbestimmten Geliebten in "ihr" Tal, das Albtal geschwommen, und begegnet Fortuna, die ihr aus ihrem Füllhorn das Glück der erfüllten Liebe weissagt. Die selige Alva wird vom Geißen-Faun sexuell belästigt, der von Diana in die Schranken gewiesen wird und sich dann an die klare Pfütz heranmacht, die ihn zunächst neckisch hinhält, sich dann aber willig von ihm ent- und verführen lässt. Alva sehnt sich nach menschlicher Liebe, ahnt aber zugleich die Unmöglichkeit einer solchen Verbindung. Die Szene schwingt in einem ernsten Gespräch zwischen Alva und Undine über deren Liebesschicksal und -leid aus; das Leid liebender Wasserwesen.

Alva [kommt, ein wenig atemlos, wie auch atemlos schön, auf die Szenerie gelaufen/geschwommen und schaut sich freudig um]: Wo befinde ich mich? Welch ein angenehmes Tal! Gehör ich schon den Geistern an? Am Eingang des Waldes nahm mein freundlicher Führer von mir Abschied und sprach: Weiter darf ich dich nicht geleiten, doch folge deinem Herzen, und du wirst mich nicht vermissen. Ich ging und ging, und unwillkürlich hat es mich hierher gezogen. [sie beobachtet die herrliche Natur] Dieses schöne Tal, wie wird mir so sonderbar bei seinem Anblick! Warum wird es auf einmal so still, so ruhig in meiner Brust?

Fortuna [tritt ruhig auf Alva zu und ruft im Kommen]: Ich grüße dich, Alva, Enkelin des Poseidon, oder nennst du ihn Neptun?

Alva [erstaunt und zunächst ein wenig misstrauisch]: Guten Tag! Poseidon ist schon recht... - Sie kennen mich, sprechen mich bei meinem Namen an?!

Fortuna [ruhig und würdevoll]: Oh ja, du bist mir angekündigt worden, und daher hab ich dich erwartet. Eigentlich schon früher. Warst du nicht ewig schon in diesem Tal?

Alva [antwortet überrascht-verwirrt, weil sie wohl die Frage nicht richtig versteht]: Es war ein weiter, schöner Weg, das Tal hinauf. So viel zu schauen rechts und links des Flusses. So viel zu hören: Das Gezwitscher der Vögel und Murmeln der Quellen und Bäche. Und doch war alles mir nicht fremd - so heimisch, heimelig.

Fortuna [die ihr mit großem Interesse zugehört hat]: Es scheint ganz so, als gehörtest du hierher, in dieses liebliche Tal... [zu sich selbst] Sie ist dies Tal...

Alva [eifrig]: Ja, und mir ist, als wäre ich schon ewig hier. [hält inne und schaut Fortuna von der Seite an, drängend] Doch sagen Sie mir nun doch auch, wer Sie sind?!

Fortuna [sehr freundlich]: Es hat noch Zeit, mich dir zu erklären, Alva; du wirst früher oder später von selbst drauf kommen. Bis dahin reich mir deine Hand und nenn mich Schwester.

Alva [gibt ihr zögernd die Hand, fragend]: So, meinen Sie - ich kenn Sie auch?

Fortuna [mit Bedacht]: Natürlich kennst du mich... [sie schaut Alva lächelnd ins Gesicht] Doch sage "Du" zu mir, denn wenn ich deine Schwester bin, so ist das "Sie" hier gänzlich fehl am Platz.

Alva [die Vertrauen gewonnen hat]: Wenn ich denn wirklich darf. [schaut unsicher, aber Fortuna umarmt sie lachend] Du bist so herzlich zu mir. Du und die herrliche Natur... Ich könnt beinahe meinen Kummer ganz vergessen.

Fortuna [aufmunternd]: Dein Kummer, liebe Alva, wird getröstet werden, deine Sehnsucht erfüllt!

Alva [überrascht]: Wie das? Du kennst auch meinen Kummer, meine Sehsucht?

Fortuna [sehr weich und zurückhaltend]: Es ist ein Mann, dem all dein Sehnen gilt. Und er ist jung und schön, zugleich auch reif und weise. Ein solcher Mann ist schwer zu finden, zu gewinnen, - noch schwerer zu halten. Wo ist die Frau, die sich nicht einen solchen träumt?

Alva [schwärmerisch]: Oh ja, so denk ich, träum ich ihn.

Fortuna: Ich weiß, in sternenklaren Nächten...

Alva: Dann liege ich in meinem Bett und seh’ den Liebsten vor mir.

Fortuna: Er ist es...

Alva [drängend]: Wie meinst du das?

Fortuna [ruhig]: So, wie ich’s gesagt habe...

Alva: Du sprichst in Rätseln.

Fortuna: Bald wird das Rätsel für dich aufgelöst.

Alva [traurig und ungeduldig]: Bald, bald...

Fortuna [ganz zart]: Sehr bald

Alva [beinahe schluchzend]: Ich halte diese Sehsucht kaum noch aus...

Fortuna [sie legt Alva beschützend den Arm um die Schulter]: Tröste dich, ich werde dich mit ihm vereinen. Er verdient dich, ich kenne ihn genau.

Alva [ungläubig]: Du kennst auch ihn schon?

Fortuna [wie selbstverständlich]: Natürlich kenn ich ihn!

Alva [schaut sie verständnislos an]: Das ist mir unbegreiflich..

Fortuna [mütterlich]: Komm, Kind! Du wirst dem Liebsten heute noch begegnen. Er soll uns beide wiederfinden, dich und mich durch dich. Und hab ich euch vereint, geb’ ich auch meinem Herzen dann ein Fest, durchziehe froh die Welt, und wo ich einen Armen finde, der krank liegt am Verlust der Freude, will ich schnell die Hand ihm reichen und sie überströmen lassen aus meinem Herzen in das seinige!

Alva [freudig-ungläubig]: Du bist so gut und gibst mir wieder neuen Lebensmut. Es strömt dir eine solche Kraft und Ruhe aus. Doch sag mir bitte noch, wer bist du? [sie lacht schüchtern] Ich komme wirklich nicht von selbst darauf...

Fortuna [zart]: Nicht jedem zeig ich mich, nicht jeder darf mich kennen; und wen’ge nur beim Namen nennen. Denn wenn mein Name fällt, muss ich gleich geh’n... [sie schaut Alva fest an] Das Glück, Fortuna, heiße ich - [leiser] auf Wieder sehn! [sie streicht Alva übers Haar und entfernt sich in den Hintergrund; Alva bleibt nachdenklich in sich versunken stehen]

Während des Gesprächs zwischen Alva und Fortuna haben sich von einer Seite die ausgelassenen Nymphen, Feen, Nöcke und Waldschrate, und von der anderen die antiken Göttinnen etc. inklusive Undine genähert. Das Folgende spielt sich zwischen diesen beiden Gruppen ab, wobei die handelnden Personen sich spontan aus der jeweiligen Gruppe lösen. Die Handlung findet sozusagen im Spannungsfeld zwischen antik-fernem und heimisch-nahem Mythos statt. Aus der heimischen Gruppe löst sich der Geißen-Faun, während aus der antiken Diana der bedrängten Alva zu Hilfe eilt.

Geißen-Faun [zu sich, während er sich zögernd der Alva nähert]: Was für ein Weib, welche Gestalt und welche Anmut... [erregt] Mir steigt der Saft. Die muss ich haben, [er kann sich kaum noch beherrschen] wen sonst als die? [er eilt auf Alva zu]

Alva [erschrickt vor dem geilen Faun]: Halt, halt!

Geißen-Faun [reißt sie an sich]: Was soll das, zier dich nicht so... [hält die sich wild Wehrende an beiden Handgelenken fest] Sei nicht so zickig, Nymphe! [er zieht sie an sich und versucht sie zu küssen]

Undine [eilt Alva zur Hilfe, indem sie den Faun mit einem Eimer Wasser übergießt]: Fort du geiles Ungetüm! Immer wie ein Geißbock, der zu viel vom Sellerie genossen.

Geißen-Faun [lässt Alva los und schüttelt sich]: Brrrr... Wie erfrischend - so ‘ne kalte Dusche...

Undine [stellt sich vor Alva und geht, den Eimer schwingend, drohend auf ihn zu]: Du bekommst gleich noch mehr, wenn du dich nicht trollst, und meine Alva hier in Frieden lässt. [der Faun umkreist die beiden Frauen, die plaudernd ein wenig zur Seite gehen und lässt dann von ihnen ab]

Alva [umarmt Undine herzlich]: Bist du es wirklich, Undine. Ich habe dich so lange nicht geseh’n.

Undine [erwidert die Zärtlichkeiten]: Du hier, Alva? Was bist du groß und wunderschön geworden...

Alva [knufft sie]: Sei du ganz still. Bist immer noch die Schönheit, ganz wie früher. Doch was machst du hier...?

Undine [beinahe verbittert]: Rastlos bin ich, mal hier mal dort. Meine Ruh ist hin, seit langem... [fasst sich] Und jetzt bin ich schon geraume Zeit in diesem wunderschönen Tal. Es ist so friedvoll hier. Und all die Nixen, Feen und Nymphen sind noch ganz Natur, noch ohne Falschheit, ganz mit sich im Reinen.

Alva [wirft ein]: Aber ziemliche Rabauken, scheint mir...

Undine [wehrt ab]: Oh nein, Alva. Sie sind nur ganz bei sich; kein bisschen böse, nur ausgelassen, fröhlich, und ein klein wenig naiv. Und ihre Gastfreundschaft ist grenzenlos - wenn du mit ihnen warm geworden bist...

Alva [bohrend]: Du scheinst dich hier recht wohl zu fühlen? Und ich dachte, dass du mit deinem Huldbrand beieinander bist; in seliger Zweisamkeit...

Undine [traurig]: Das wäre schön! Doch streift ich einsam-ruhelos umher. Bis ich dies schöne Tal hier fand. [schaut Alva traurig an] Mein Huldbrand? Ja, wie gern wär’ ich bei ihm!

Alva [geht mit Undine zur Seite und unterhält sich mit ihr]: Warum, was ist passiert? Wie ist es dir die ganze Zeit ergangen, und wie geht’s deinem Huldbrand?

Die beiden unterhalten sich weiter, man sieht, dass sie sich sehr erregen. Während im Vordergrund der Geißen-Faun die klare Pfütz umgarnt, tauschen sich die beiden aus; und erst wenn sich Faun und Nymphe in die Büsche schlagen, hört man die beiden wieder.

Geißen-Faun [ruft einer der vorbei tänzelnden Nymphen zu]: He, Pfütz, Wo geht die Reise hin?

Die klare Pfütz [bleibt stehen, umtanzt den Faun, der sie zu fangen versucht und skandiert schnippisch]:
Über Täler und Höhn,
Durch Dornen und Steine,
Über Gräben und Zäune,
Durch Flammen und Seen
Wandl’ ich, schlüpf ich überall,
Schneller als des Mondes Ball.

Geißen-Faun [fängt sie und nimmt sie lachend in den Arm]: Du bist ja heute stark drauf, Pfütz, und wie geht’s sonst so?

Die klare Pfütz [entschlüpft ihm wieder und saust davon]:
Ich dien der Elfenkönigin
Und tau ihr Ring’ aufs Grüne hin.
Die Primeln sind ihr Hofgeleit;
Ihr seht die Fleck’ am goldnen Kleid,
Das sind Rubinen, Feengaben,
Wodurch sie süß mit Düften laben.
Nun such ich Tropfen Taus hervor
Und häng ‘ne Perl in jeder Primel Ohr.

Geißen-Faun [hält sich den Bauch vor Lachen]: Mann o Mann...

Die klare Pfütz [Sie kommt langsam und lauernd auf den lachenden Faun zu]:
Wenn du nicht ganz dich zu verstellen weißt,
So bist du jener schlaue Poltergeist,
Der auf dem Dorf die Dirnen zu erhaschen,
Zu necken pflegt; den Milchtopf zu benaschen;
Durch den der Brau missrät, und mit Verdruss
Die Hausfrau atemlos sich buttern muss;
Der oft bei Nacht den Wandrer irreleitet,
Dann schadenfroh mit Lachen ihn begleitet.

Geißen-Faun [lacht schallend, indem er die Pfütz an beiden Händen nimmt und im Kreis herumwirbelt]: ‚Die Hausfrau atemlos sich buttern muss!’ [lacht prustend] Das ist verdammt gut; ich glaub’, du weißt gar nicht, wie gut das ist. [er umarmt sie]

Die klare Pfütz [zieht ihn an ihre Brust]: Wenn du die Dirne schon erhaschst, dann nasch auch an dem Milchtopf...

Geißen-Faun [fasst sie um die Hüfte und legt eine Hand an ihre Brust, lüstern]: Das lass ich mir nicht zweimal sagen, bei diesen Milchtöpfen [lachend] - komm... [er nimmt sie an der Hand und beide laufen lachend, schmusend in die Büsche; von der anderen Seite treten Alva und Undine wieder in die Mitte der Szenerie, sie unterhalten sich erregt]

Alva [fassungslos]: Er hat die andere geheiratet? Dich und die Liebe, die er dir geschworen, konnte er mit Füßen treten?

Undine [erregt]: Nein, liebe Alva, auch er litt wohl daran. Und nach seiner Hochzeit mit der andern, mit Bertalda, durfte ich noch einmal zu dem liebsten Treuelosen. Als ich ihn sah, als er mich sah, da wussten wir, dass unsre Liebe doch für alle Ewigkeiten sein würde...

Alva [dringt in sie]: Und wie ging es weiter, dann konntest du ihn retten, den Untreuen?

Undine [wehrt ab]: Nein, Rettung ist in diesen Fällen nur von kurzer Dauer.
Und als er mich dann bat: "wenn ich sterben dürfte an einem Kusse von dir", küsste ich ihn mit einem himmlischen Kuss, und ließ ihn nicht mehr los. Ich drückte ihn inniger an mich und weinte, als wolle ich meine Seele fortweinen. Die Tränen drangen in seine Augen und wogten im lieblichen Wehe durch seine Brust, bis ihm endlich der Atem entging und er aus meinen schönen Armen als ein Leichnam sanft auf die Kissen des Ruhebettes zurücksank. Ja, meine liebe Alva, ich habe ihn tot geweint!

Alva [ist der Erzählung mit wachsender Erregung gefolgt, sie erschrickt]: Du hast ihn tot geweint!? Wie schrecklich!

Undine [sehr ruhig]: Ja, schrecklich und doch unser Schicksal.

Alva [erstaunt]: Unser Schicksal? Wie meinst du das?

Undine [sie legt den Arm um Alvas Schulter]: Wir Wasserwesen können, dürfen keinen Menschen lieben. So wie sich Wasser und Erde in einem ewigen Kampf befinden, und das Wasser der Erde wieder und wieder Stücke entreißt, so müssen wir die Liebe zu den Menschen, den Erdbewohnern immer wieder in Stücke reißen. Sie können uns nicht ewig lieben, und wir ertragen es nicht, verstoßen zu werden.

Alva [hat aufmerksam zugehört]: Dann werd’ ich Obacht geben, dass mir nicht solch ein unheilvolles Schicksal blüht. [lachend] Ich warte am besten... [nachdenklich] auf einen Wassermann... [sie gleitet ins nahe gelegene Wasser, an dem beide im Gespräch auf und ab gegangen sind und hört von dort die nächsten Worte Undines]

Undine [lächelt sie wissend an]: Ach Alva, was wissen wir, was die Zukunft bringen wird, was Fortuna in ihrem Füllhorn für dich bereit hält? Die Liebe zwischen Mann und Frau hat stets viel Leid parat - und doch: Ich will die schöne Zeit der ehelichen Liebe niemals missen! [mit einem Seufzer folgt sie Alva; die beiden entfernen sich]

 

Szene I.3. Die Eheprobleme der Hera mit Göttervater Zeus

Alva und Undine sind zur Seite abgegangen/geschwommen, da drängen johlend die jungen Nixen, Feen und Nymphen in den Vordergrund; sie werden von Geißen-Faun gejagt, der sich daraufhin - umlagert von den weiblichen Nixen, Nymphen und Feen, mit etwas Abstand Alva und Undine - mit Demeter und Diana, sowie der Nymphe Echo über Liebe und Fruchtbarkeit unterhält. In das Gespräch mischt sich dann und wann Zeus als alte Stimme ein. Hera tritt als eifersüchtiges und zänkisches Eheweib mit den anderen Olympierinnen im Gefolge auf den Plan und schimpft auf die Männer, Zeus meinend. Zeus verwickelt sie wütend (aus dem Off) in einen Disput über Treue und Eifersucht. Leda und Europa mischen sich auf Seiten des Zeus ein. Alva schaut in die Abgründe der (ehelichen) Liebe.

Geißen-Faun [hält völlig außer Atem vor Diana an, die mit Demeter und Echo im Gespräch vertieft ist]: Ach, ist das schön, in der Natur, im weichen Gras und Moos zu laufen; die Luft des Waldes atmen, frei und ungebunden... [er wendet sich direkt an die drei] Na ihr drei Grazien, es liegt Vergnügen in der Luft...

Diana [lächelnd]: Na, du Naturbursche. Du scheinst die Landschaft hier in diesem Tal wie wir zu lieben...

Demeter [begeistert]: Er ist ein Teil von ihr, er ist Natur! Hier ist Natur noch mit sich selbst versöhnt.

Geißen-Faun [neugierig die beiden vornehmen Damen beäugend]: Und wer seid ihr; so schön, so fremd, [rückt ihnen etwas näher] - und so begehrenswert...?

Echo [die ein wenig abseits steht]: Ehrenswert...

Geißen-Faun [schaut sie erstaunt an]: Was ist denn das gewesen?

Echo [im gleichen Ton]: Wesen...

Geißen-Faun [wendet sich irritiert an Diana]: Wer ist die denn, sie ähnelt uns - und ist doch anders...

Diana [lacht]: das ist Echo, die Berg-Nymphe aus Attika. Sie dient uns als Orakel, wenn wir fern von Delphi sind...

Geißen-Faun [guckt irritiert]: Als was? Orakel? Nie gehört...

Demeter [berührt ihn leicht am Arm]: Sie sagt die Wahrheit, ungeschminkt, wenn man sie fragt. Doch musst die Wahrheit du zu deuten wissen.

Geißen-Faun [immer noch verunsichert]: Die Wahrheit? - Sagt nicht jeder sie in der Natur, ganz unverstellt und ungeschminkt?

Echo: Geschminkt...

Geißen-Faun [beginnt das Prinzip zu verstehen]: Du bist die Nymphe, die am Felsenhang mir spielend Antwort gibt.

Echo: Wort gibt...

Geißen-Faun [lauernd]: Ich mach die Probe: Wie nennen Menschen diesen Zustand, wo es heißt:
Was der Mann will, das geschehe!

Echo: Ehe...

Zeus [aus dem Off, ironisch]: Man meint fast, Hera wäre die Befragte...

Echo: Betagte...

Geißen-Faun [schaut um sich, um den Sprecher zu sehen]: Und was war das? Die Stimme? - Wer?

Demeter [klärt auf]: Der Göttervater Zeus, schon lang in Ehe mit seiner Hera fest verbunden...

Geißen-Faun [lachend]: Ach so, der Bulle, von dem ihr vorhin gesprochen habt. Das muss ein scharfer Typ sein... Wie war das mit dem Stier?

Diana [zum Geißen-Faun]:
Als Zeus Europa lieb gewann,
Nahm er, die Schöne zu besiegen,
Verschiedene Gestalten an,
Verschieden ihr verschiedlich anzuliegen.
Als Gott zuerst erschien er ihr;
Dann als ein Mann, und endlich als ein Tier.
Umsonst legt er, als Gott, den Himmel ihr zu Füßen:
Stolz fliehet sie vor seinen Küssen.
Umsonst fleht er, als Mann, in schmeichelhaftem Ton:

Verachtung war der Liebe Lohn.
Zuletzt - mein schön Geschlecht, gesagt zu deinen Ehren! -
Ließ sie - von wem? - vom Bullen sich betören.

Geißen-Faun [kommt in Fahrt]: Ich sag’ es doch, ein toller Typ. Der scheint es zu versteh’n, mit Weibern umzugeh’n. Der passt zu uns, zu mir. Es wäre schön, wenn der mit euch hier länger bliebe...

Diana [fängt an, und stockt, als sie Echo hört]: Die...

Echo [fast gleichzeitig]: Liebe...

Geißen-Faun [beinahe schwärmerisch]: Ja, die freie, ungebundene Liebe. Die Entfaltung aller Triebe, ist das Höchste der Natur. Für mich und jede Kreatur. [er stutzt, und lacht dann aus vollem Hals] Ich reime mich... [Zeus lacht vergnügt aus dem Off]

Diana [schüttelt den Kopf, ironisch]: Wie poetisch! [wieder ernst] Und über allem regiert Aphrodite und du, [sie deutet ins imaginäre] listiger Eros:
Zwar rühmst du dich, dass alle Welt
Für ihren Sieger dich erkenne;
Dass selbst der Vater Zeus, so oft es dir gefällt,
Von unerlaubten Flammen brenne;
Dass, seiner Majestät beraubt,
So oft du willst, der Götter Haupt
Bald als ein Drache, bald als Stier
Bald als ein böckischer Satyr, [sie droht schelmisch in Richtung des Geißen-Faun]
Und bald mit Stab und Schäfer-Tasche
Der Nymphen Einfalt überrasche.
Doch trotze nicht zuviel auf deine Macht!

Geißen-Faun [klatscht sich auf die Schenkel]: So hat der Zeus sich Frauen, Nymphen, Göttinnen genommen, wann und wo er wollte?

Demeter [besonnen]: Ja, wann und wo es die Natur von ihm verlangte.

Diana [ist in Fahrt]: Er ging noch weiter, machte keinen Halt,
Nahm sich als Adler einen Jüngling in Gewalt.
Und Hera schäumt. Denn Zeus lässt, ohne Schrecken,
Sich nicht nur Nektar von der Hand des Jünglings schmecken.
Die Göttin staunt, bemerkt, vergleicht,
Sie untersucht und schließt, es reicht:
Denn was glaubt sie zuletzt zu sehen,
Dass Ganymed und ihr geliebter Mann
Einander mehr als nötig ist verstehen.
Und klar, dass eine Frau so was nicht leiden kann...

Geißen-Faun [vergnügt]: Der Typ ist toll, und so flexibel. [kichert] Kein Kostverächter, scheint mir. [er macht eine eindeutige, obszöne Bewegung] Der geile Göttergatte und sein Ganymed... [lacht] Zu gut...! Ein Bulle als Sexprotz auf dem Götterthron...! Und setzt der Ehe-Kuh die Hörner auf... [lacht lauthals]

Hera und die übrigen Damen haben sich – umgeben von den kleinen Nymphen, Nöcken und Feen – langsam der Gruppe genähert und die letzten Gesprächsfetzen mitbekommen.

Hera [kommt wütend auf den Geißen-Faun zu, die Fäuste schwingend]: Das ist die Höhe, was erlaubst du dir? Mir, Hera, solchen Dreck in meinen Ehestand zu schmieren...

Geißen-Faun [schreckt zurück]: Ich wollt doch bloß... [zieht sich von Hera und der olympischen Damengruppe bei Heras folgendem Einwurf zurück und beobachtet das Geschehen aus sicherer Entfernung]

Hera [giftig, äfft ihn nach]: Ich wollt doch bloß... ich wollt doch bloß... Und wenn man euch zur Rede stellt, den Schwanz einziehen. So seid ihr Männer. [Hera weiter, voll Gift und Galle] Doch was den werten Gatten anbelangt, so hat der Waldschrat recht: Einen geilern Bock gibt’s kaum... - er passt wohl eher hier zu Nöck und Faun und Nymphe...

Demeter [zu Hera]: Ist dir denn so das Schelten gänzlich einverleibt,
Dass ohne Tadeln du keine Lippe regen kannst?

Hera [geht drohend auf Demeter zu, die anderen Antiken nähern sich und gruppieren sich um die beiden]: Sei du ganz still! Woher stammt deine Tochter, die Persephone! [Demeter macht eine abwehrende Bewegung; Hera wendet sich zu Leda und Europa] Und ihr?! Als Tier habt ihr euch von ihm nehmen lassen. So sind die Männer: Tiere – nichts als Triebe und Brunftgefühle; - mit ihnen kam das Unglück auf die Welt und über uns Frauen.

Zeus [wütend, mit donnernder Stimme, vor der Hera zurück schreckt]: Wer hat zuerst vom Apfel der Sünde gegessen? Gänse haben das Kapitol gerettet, aber durch ein Weib ging Troja zugrunde. O Troja! Troja! des Priamos’ heilige Feste, du bist gefallen durch die Schuld eines Weibes! Wer hat den Marcus Antonius ins Verderben gestürzt? Wer verlangte den Kopf Johannis des Täufers? Wer war Ursache von Abälards Verstümmelung? Ein Weib! Die Geschichte ist voll Beispiele, wie wir durch euch zugrunde geh’n. All eu’r Tun ist Torheit, und all eu’r Denken ist Undank. Wir geben euch das Höchste, die heiligste Flamme des Herzens, unsere Liebe - was gebt ihr uns als Ersatz?

Hera [wehrt sich wütend und droht ihm mit der Faust in den Himmel]: Gerade du musst so auf uns Frauen schimpfen! Ich kann dir auch die Litanei der Männer vorbeten, die uns Frauen hintergangen haben: Und da stehst du gewiss zuoberst auf der Liste!

Leda [ergreift naiv für Zeus Partei]: Lass das doch, Hera; wir Frauen haben es und ihn doch genossen!

Zeus [gleichzeitig wütend grollend]: Du Furie, du dummes Weib!

Hera [kreischt]: Du nennst mich ‚dummes Weib‘!? [deutet auf Leda, die sich empört abwendet] Zu der da passt dies Wort... [wieder mit drohender Gebärde] Warte nur, das sollst du mir büßen...!

Zeus [lacht im Zorn]: Du willst mir drohen, Hera? - dass ich nicht lache. Überschätz dich nicht in deinem Zorn.

Demeter [schüttelt den Kopf]: In aller Öffentlichkeit... Ist das nötig, dass alle Welt sich mit dem Streit, der Eifersucht der Götter unterhält? Ist dies der neue, der moderne Stil: Das Aller-Privateste vor alle Welt zu zerren, dass es von Hinz und Kunz begafft und amüsiert betrachtet wird? [Nachdenklich] Mir war, als habe es eine Zeit gegeben, in der nicht so viel Hass und Zwietracht zwischen euch war. Als ihr noch in Kultur natürlich miteinander umgegangen seid. Und damals war Intimes noch privat und nicht herabgewürdigt zum Spektakel.

Hera [mit langsam abklingendem Zorn]: Er bringt mich eben immer wieder zur Weißglut mit seinem Gockel-Gehabe.

Zeus [versöhnlich, doch immer noch mit ironischem Unterton]: Demeter hat recht, jetzt ist’s genug! Du weißt, wie ich im Traum oft bittre Tränen um dich und dein hartes Schicksal weine. Und doch: Ich bin ein Gott zwar, aber doch zuerst ein Mann, und tu als Gott und Mann nur meine Pflicht... nicht nur als Ehemann.

Hera [immer noch erregt, aber deutlich weniger wütend]: Straf’ mich nun mit Worten, wie du willst, dass ich so dumm bin, aber der Eifersucht Brand tobt in mir, wenn du mir nicht am Boden bleibst, wo auch ich bin. Immer habe ich den Eindruck, dass du nur im Vorübergehen mit mir bist, ich aber wollte immer mit dir sein, jetzt und immer, und ungemischt mit andern; erst hast du geweint im Traum um mich, und nachher im Wachen vergisst du alles Dasein mit mir.

Zeus [lenkt besänftigend ein]: Ach meine gute Hera, du magst wohl durch meinen Zorn gekränkt sein, aber du wirst mir doch nicht zürnen. Sei zufrieden Hera, werde nur nicht eifersüchtig, sieh dich im Spiegel, du blühende Rose, so freudig sah ich dich nie wie eben mitten in der Kümmernis unsres Streits, dann sieh mich an und du wirst deine Eifersucht beruhigen, selbst wenn du meiner Liebe zu dir nicht glauben wolltest.

Hera [nun auch besänftigt]: Natürlich glaube ich dir deine Liebe, mein Zeus. Aber wenn ich dich nicht sehe, nicht bei mir weiß - kann ich mir deiner sicher sein? Wo treibst du dich rum? Nach wem schaust du? Mit wem bist du zusammen? Sind es wieder schöne Frauen, die deine Gedanken umnebeln? Fragen über Fragen strömen auf mich ein, wenn du nicht bei mir bist.

Europa [fragt hinterhältig]: Ob er bei mir, [deutet zu Leda] bei Leda ist? Oder welche der Sterblichen er unsterblich macht! [Hera winkt nur ab]

Diana [fast ein wenig spöttisch]: Tja, das sind die Schattenseiten der Liebe... Wie heißt es doch im Sprichwort?: [sie deklamiert]
Eifersucht ist eine Leidenschaft,
die mit Eifer sucht, was Leiden schafft.

Zeus [lacht]: Diana, du hast gut reden! Unter den Frauen des Olymp bist du die einzige, die von der Schlange Eifersucht verschont ist. Sie kriecht in euch und wird groß und übermächtig... [lacht wieder] - bis ihr förmlich platzt!

Hera [ganz versonnen]: Doch ohne diese Schlange wüsste ich kaum mehr, wie sehr ich liebe, mich nach dir verzehre, mein Zeus.

Zeus [ganz ähnlich]: So lang das Gift der Schlange dich nicht auf Dauer schädigt, so lange mag sie in dich kriechen, wann immer sie will. Denn sie zeigt dich, wie du bist:
Wenn deine hohe Stirn sich kräuselt
mit den Linien der Sorge;
um deinen Mund
- sonst lächelnd -
zucken Blitze der Erregung;
und deine Nasenflügel beben:
Dann, meine Liebste,
bist du ganz bei dir;
stolz, unnahbar:
Ganz DU.

Hera [verliebt schwärmerisch - und fast ein wenig lächerlich]: Oh Zeus! Wie schön... Du mein Poet. Jetzt fühl ich’s wieder, dass und wie du mich liebst.

Zeus [matt]: Schon gut... Nach all den Jahren, [leiser] - all den Stürmen...

Demeter [ganz ruhig und abgeklärt]: Es ist alles in der Liebe: Freundschaft, schöner Umgang, Sinnlichkeit und auch Leidenschaft; und es muss alles darin sein, und eins das andre verstärken und lindern, beleben und erhöhen.

Zeus [ruhig]: So ist es, Demeter: Auch Leidenschaft und Feuer muss in der Liebe sein. [ermattet] Doch ich bin müde, ausgebrannt, die Tausende von Jahren und die Liebschaften schwächen den Geist, den Körper, die Glieder und [lacht matt] die Lenden. Ich ziehe mich zurück, vergnügt ihr euch nur weiter... [im Hintergrund hört man noch den Widerhall des Zeus’schen Donnergrollens]

Interludium

Alva [hat dem Geißen-Nöck und der Hera’schen Eifersuchtsszene gemeinsam mit Undine von der einen Seite/vom Rand des Wassers - innerhalb des eigentlichen Geschehens - zugeschaut]: Oh! Ich beginne zu verstehen. Du hast gesagt, dass Liebe ohne Leid nicht möglich ist.

Echo [steht abseits, fällt im Folgenden dieser Szene etwas aus der Rolle, indem sie, wie bei ‚Befragte : Betagte‘ etwas weiter oben, nun auch reine Reimwörter echot]: List...

Undine [umarmt sie]: Ach Alva, wenn es nur die kleinen Eifersüchteleien sind; was machen die schon... Vergiss sie: - nur Alltäglichkeit der Ehe. Das ist kein wirkliches Leid, kein tiefer Schmerz.

Echo [dito]: Herz...

Alva [fragend]: Du meinst, dies ist ein Ritual der Ehe?...

Undine [fällt ein]: Ein Zug im Ehe-Spiel. Mit Liebe hat dies nur am Rand zu tun: [mit großem Nachdruck] Die wahre Liebe, wie sie Aphrodite schenkt, ist ein Himmelsglück!

Alva [versonnen leise]: Die Liebe, die Liebe - ist eine Himmelsmacht... Die Liebe, - ja die Liebe...

Echo [dito]: Hiebe, ja die Triebe...

 

Feuer: Reich des Vulkanus

II. Akt – in dem Alva den Ganymed und Ganymed die Alva kennen und lieben lernt.

Szene II.1. Ganymed/Aquarius beobachtet Vulkanus und die tanzenden Nymphen

Der hinkende Schmied Vulkanus tritt zornig auf - er setzt das Donnergrollen des Zeus aus der vorherigen Szene fort - und wird von den Elementarwesen, vor allem dem unbekümmerten Geißen-Faun, verspottet. Nur der Reigen der singenden Wasser-Nymphen kann ihn in seiner Wut besänftigen. Alva führt den Reigen und Gesang. Ein schöner junger Mann, Ganymed, beobachtet die Szene, bei ihm steht ein Alter im Sternenmantel, der sich im Gespräch über Frauenschönheit als dessen Alter Ego Aquarius herausstellt. Ganymed/Aquarius sind verliebt, jedoch noch unbestimmt, wie Alva zuvor.

Vulkanus [mit dröhnend lauter Stimme von der Seite der Szene in das Zeus’sche Donnern hinein, er qualmt und riecht nach Pech und Schwefel]: Es ist des Eros doppelte Gestalt, die Mann und Frau zusammentreibt: die geile Sinnenlust und dann doch auch die Sehnsucht, eins zu sein mit einem andern. Und Eros zündelt gern, drum habe ich ihm Pfeil und Bogen schön geschmiedet... Wo sein Pfeil trifft, da brennt verzehrend das lodernde Liebesfeuer... [er hinkt auf die Gesellschaft zu]

Diana [gleichzeitig besänftigend und erklärend zu den vom Donnern und der lauten Stimme verängstigten Nymphen, Faunen, Nixen etc.]: Wir fürchten das Feuer und doch brauchen wir es. Und immer wieder geschieht es, ja muss es geschehen, dass in den Paradiesen der Welt sich in der Anmut und Schönheit zugleich die vulkanische Hölle so gewaltsam auftut und seit Jahrtausenden die Wohnenden und Genießenden aufschreckt und irremacht. Es ist unser alter Freund Vulkanus, der seine Macht demonstrieren muss; hören wir ihn an!

Vulkanus [immer noch mit gewaltiger Stimme]: Ja es ist Vulkanus, der mit euch Göttern noch eine Rechnung offen hat.

Geißen-Faun [löst sich mutig aus der verängstigten Menge]: Er ist ein rechtes Hinkebein, stinkend wie der Mächtige aus der Unterwelt... [lacht den Vulkanus aus, muss sich aber dann schnell vor dessen Wut in Sicherheit bringen]

Vulkanus [wütend hinter dem Geißen-Faun her wetternd und hinkend]: Wart nur, ich werde dir den Pelz verbrennen, dass du froh wärst, hinken zu können.

Die jungen Nymphen, Nöcke etc. [rufen hinter den beiden her]: Hinkebein, Hinkebein, bist ein rechtes Stinkeschwein... [sie wiederholen den Ruf, bis sie von Helena unterbrochen werden]

Helena [tritt von der Seite hinzu]: Ruhig, Kinder! Spottet dieses Vulkans nicht, wenn er hinkt, denn ihn haben zweimal die Götter vom Himmel auf die Erde geworfen.

Diana [versucht alle zu beschwichtigen]: Helena hat recht! Spottet nicht, sondern tanzt einen Reigen für den großen Donnerer, ihr Wasserwesen. Das wird ihn beruhigen.

Eine junge Nymphe [ängstlich]: Aber er ist gar zu furchtbar!

Eine andere [beinahe gleichzeitig]: Er wird uns doch nichts antun!?

Diana [vorwurfsvoll]: Ihr habt ihn gereizt, jetzt tanzt, um ihn zu besänftigen. [deutet zur Seite] Da kommt er schon... [sie beginnt rhythmisch zu klatschen]

Alva [klatscht mit und stimmt ein slowakisches Zigeunerlied an, in das die Anderen nach und nach einstimmen, die jungen Nymphen tanzen darauf einen Rundtanz]
Fließe, Wasser fließe - hei! -
In das Bächlein schnelle!
Liebe mich, nur liebe - hei! -
meine süße Seele!

Fließe, Wasser fließe - hei! -
Über Steine lärmend!
Wer noch nicht kann seufzen, - hei -
Lernt’s in Lieb sich härmend.

Fließe, Wasser fließe, - hei! -
Musst ums Häuschen jagen.
Aber wen ich liebe, - hei -
Werd ich keinem sagen.

Während des Liedes kommt Vulkanus - noch immer wütend gestikulierend - zurück gehinkt, die Nymphen und Nöcke tanzen um ihn herum, und er beruhigt sich, ja wiegt sich im Rhythmus hin und her.Ebenfalls während der Tanzes sind am Rand der Szene Aquarius und Ganymed aufgetaucht, die das Treiben interessiert - aber aus der Ferne und ohne irgendwie einzugreifen - beobachten. Sie unterhalten sich leise (für die Zuschauer unhörbar), und an ihren Gesten und ihrer Mimik erkennt man, dass sie sich für die einzelnen agierenden Personen interessieren und am Geschehen lebhaft Anteil nehmen..

Vulkanus [im Kreis der Nymphen und Nöcke, begeistert]: Sehr schön - ihr feuchten Wesen! Auch mein jugendlicher Freund Eros hätte seine Freude an eurem Tanz und Gesang. Er liebt das warme feuchte Element. [lacht hintergründig]

Undine [erstaunt]: So fürchtest du das Wasser nicht...?

Vulkanus [leutselig]: Oh nein, im Gegenteil, ich wärme es, so dass es heiß dem Tier und auch dem Menschen nutzbar ist. Der Mensch fasst es in großen Becken und lindert seine körperlichen Gebrechen mit der Heilkraft meiner Therme.

Demeter [stimmt Vulkanus zu]: Denn nur gemeinsam sind wir stark. Wo Neptun nicht sein Wasser spendet, das durch Erde, Sand, Gestein gefiltert wird, dort ist kein Leben. Und wenn Vulkanus es tief drunten in der Erde wärmt, so sprudelt’s heiß als Arznei, wie hier in diesem Tal.

Helena [atmet tief ein und breitet die Arme aus]: Dazu die gute Luft... So rein und würzig...

Diana [euphorisch]: Ja, dieses Tal mit seinem Wasserlauf durch saftig grüne Wiesen, den schönen, wald- und wildreichen Hügeln, ist ein Ort zum Wohlfühlen, Entspannen, ein Ort der Musen und der Muße.

Alva [tritt auf Vulkanus zu und reicht ihm die Hand]: Es ist meine Bestimmung, hier zu sein mit euch. Und du, Vulkanus, sei mein Freund, und wärme mir das Herz, wie du mein Element, das Wasser wärmst.

Vulkanus [nimmt die angebotene Hand]: Du bist noch jung. Du kennst die Kraft des Vulkanus noch nicht, die auch Vernichtung, Unglück bringen kann. Wenn Wut mich packt, wenn mich die Götter oder Menschen zum Äußersten reizen. Auch weißt du nicht, wie verzehrend es sein kann, wenn ich das Herz dir wärme.

Alva [erstaunt]: Wie meinst du das?

Vulkanus [schaut sie fest an]: Kein loderndes Feuer, keine glühenden Kohlen brennen so heiß, wie die Flammen des Herzens, die Liebesglut, die ich entfachen kann...

Alva [ebenso fest]: Zündle du nur; [erregt] das Feuer lodert doch schon längst, ich fühl es tief in mir. Wie es mich verzehren will, wie ich mich verzehre... [sie eilt aufgewühlt davon, die Anderen blicken, laufen ihr nach]

Vulkanus [humpelt lachend hinterdrein]: Hier bin ich ganz in meinem Element, und kann subtil die Glut entfachen, das Feuer schüren.

Ganymed [löst sich von Aquarius, mit dem er die Szenerie aus einiger Entfernung aufmerksam beobachtet hat, und taumelt fast]: Aquarius, mein altes, andres Ich! Wie ist mir so schwindelig. [bleibt ganz benommen stehen]

Aquarius [lächelnd]: Sorge dich nicht, mein Ganymed, durch den mein Schicksal sich erfüllte; du schönster Jüngling Griechenlands [leiser] so nannte man mich einst. Du spürst etwas, was nie bisher in dir Gestalt gewann. Weil Zeus dir seine Liebe schenkte. Da warst du machtlos. Doch auch jetzt wirst du wieder machtlos sein... - und wirst zum zweiten Mal das Schicksal wenden.

Ganymed [immer noch wie im Traum]: Du sprichst in Rätseln...

Aquarius [zu seinem Alter Ego Ganymed, der eng bei ihm steht]:
Denk dir ein Weib im reinsten Jugendlicht,
Nach einem Urbild von dort oben
Aus Rosenglut und Lilienschnee gewoben;
Gib ihrem Bau das feinste Gleichgewicht;
Ein stilles Lächeln schweb auf ihrem Angesicht,
Und jeder Reiz, von Majestät erhoben,
Erweck und schreck’ zugleich die lüsterne Begier:
Denk alles, und du hast den Schatten kaum von ihr!

Und nun, sanft angelockt von ihren süßen Blicken,
Dies holde Weib, das nur die Luftgestalt
Von einem Engel schien, an meine Brust zu drücken,
Zu fühlen, wie ihr Herz in meines überwallt,
Ist’s möglich, dass ich vor Entzücken
Nicht gar verging? - Nun komm, und sprich mir kalt,
Es war ein Traum! Wie schal, wie leer und tot ist neben
So einem Traum mein vorig’s ganzes Leben!

Ganymed [hat begeistert zugehört und stimmt ein]: Ja, mein Aquarius, und ich schaute ein Wesen in solch göttlichem Liebreiz, in solch hoher Anmut, dass der sengende Schirokko inbrünstiger Liebe mir durch alle Adern und Nerven fuhr und der Glutstrom erstarrte zur Lava, die dem Vulkan des aufflammenden Herzens entquollen.

Aquarius [Ganymed nimmt sein Alter Ego in den Arm]: Sie macht rechte Dichter aus uns, die Liebe. Ganymed! Selbst wenn sie noch unbestimmt ist, nur ein leises Ahnen.

Ganymed [ganz verträumt]: Und sie macht trunken... [er sinniert] - trunken von kommendem Glück.

Aquarius [löst sich sanft von ihm]: Und doch braucht es dazu auch den Verstand. Ein heißes Herz und ein kühler Verstand machen den Dichter und machen den Liebenden. Liebender zu sein ist das höchste Glück - nicht Verliebter oder Geliebter.

Ganymed [steht Aquarius gegenüber]: Ich glaube fast, es braucht gar keines Gegenüber, um Liebender zu sein.

Aquarius [schaut diesen fest an]: Ja! Denn es ist ein innerer Zustand, dem das ‚Du‘ von ganz alleine zuwächst.

Ganymed [seufzend]: Aber dieses leise Ahnen, das stille Sehnen, das in mir größer und größer wird, gilt doch - wenn auch noch unbestimmt - einem geliebten Gegenüber, einem ‚Du‘.

Aquarius [tritt einen Schritt zurück, aufmunternd]: So ist es! Aber nun auf, zur Suche nach dem ‚Du‘: dem Ewig-Weiblichen! [schmunzelnd] Denn hier bei mir wirst du’s nicht finden. [ruft dem sich langsam zu den anderen begebenden Ganymed nach]:
Die Nacht schafft tausend Ungeheuer;
Doch frisch und fröhlich ist mein Mut: [er reckt und streckt sich wie ein Rad schlagender Pfau]
In meinen Adern welches Feuer!
In meinem Herzen welche Glut!

 

Szene II.2. Die Schönheitskonkurrenz - oder: Das Urteil des Ganymed

Auf Veranlassung von Vulkanus und auf Bitten der Antiken findet nach klassischem Vorbild (Urteils des Páris) ein Schönheitswettbewerb zwischen den ältlich-überheblichen Zeus-Geliebten Europa und Leda sowie der natürlichen, jungfräulichen Alva statt. Ganymed wird als Schönheitsrichter bestellt; sein Lohn soll ein Kuss der von ihm erwählten Schönsten sein. Alva werden Apfel und symbolischer Preis zuerkannt, und Ganymed bekommt als Lohn einen zarten Kuss der Alva auf beide Wangen.

Ganymed [tritt auf Vulkanus zu]: Ich grüße dich, du Erwärmer von Erde, Luft und Wasser [lachend] - und der Herzen.

Vulkanus [distanziert]: Sei mir gegrüßt, du schöner Jüngling. [er schaut neugierig] Du kennst mich, weißt, dass ich Vulkanus bin?

Ganymed [lächelt]: Natürlich. Denn wir begegneten uns vor langen Jahren, Vulkanus...

Vulkanus [erstaunt]: Wir kennen uns. [fasst sich an die Stirn] Oh ja, mir dämmerts - ist es möglich? Du bist verbannt ins Meer der Sterne... [tritt auf Ganymed zu] Ja, Ganymed, du bists!

Ganymed [legt den Arm um ihn]: Ganz recht, ich bin es!

Leda [ist zu den beiden getreten, schaut erstaunt]: Ganymed? Oh ja! [sie dreht sich zu den Anderen um] Kommt alle, schnell, und schaut, wer hier ist...

Hera [tritt mit den Anderen näher, staunend und ein wenig unwirsch]: Du hier? Was machst du hier?

Ganymed [versucht sie zu beruhigen]: Ja, Hera! Warum sollte ich - nach so vielen Jahren - nicht wieder einmal Erdenluft atmen?

Hera [wütend]: Das weißt du ganz genau! Zeus hat es so bestimmt, auf meinen Wunsch, der ihm Befehl ist... Ganz unerträglich ist es mir, dir hier im wohlverdienten Urlaub zu begegnen...

Vulkanus [mischt sich ein]: Ach Hera, sei nicht so. Was ist denn schon dabei, wenn Ganymed...

Hera [unterbricht ihn schroff]: Was dabei ist, fragst du mich? [ihre Stimme überschlägt sich fast] Es ist unsäglich, dieser Lotterknabe hier. Das soll mein Zeus erfahren [sie dampft wutschnaubend davon] - der wird dem Lümmel Beine machen, dafür sorge ich...!

Vulkanus [beruhigt die Umstehenden]: Die regt sich wieder ab, so ist die gute Hera: [lacht] Immer schnell ein Vulkanausbruch der Gefühle... [alle lachen und umringen Ganymed, den schönen Jüngling]

Alva [hat Ganymed sehr aufmerksam und mit großem Wohlwollen beobachtet; fragt Helena etwas abseits der Anderen]: Wer ist der schöne, junge Mann, den alle Olympier zu kennen scheinen?

Helena [zieht sie ins Vertrauen]: Das ist der schönste Jüngling Griechenlands, den Zeus sich einst zum Lustknaben erkor und raubte. Die eifersüchtige Hera - du hast sie ja schon kennen gelernt - ließ ihn als Aquarius auf ewig an den Sternenhimmel verbannen.

Alva [erbleicht]: Welch grausames Schicksal...

Helena [deutet auf Ganymed und die ihn umringenden und bewundernden Damen]: ... das jetzt anscheinend beendet ist. Nur wenn er einstmals wahrhaft lieben sollte - so hieß es stets - dann wird der Fluch für eine Weile aufgehoben.

Alva [wiederholt die letzten Worte der Helena zu sich selbst]: Für eine Weile aufgehoben. [plötzlich aufmerksam] Mir ist, als hätte ich ihn schon einmal geseh’n... [greift sich an den Kopf] In meinen langen Träumen... aber da... da war er älter, - jetzt so jung, so schön.

Helena [die sie erstaunt angeschaut hat]: Was ist mit dir?

Alva [winkt ab]: Nichts, liebe Helena...

Vulkanus [kommt gleichzeitig mit großer Geste mit Ganymed an der Hand, den er hinter sich her zieht, auf die beiden zu]: Die Idee ist toll, die mir gerade kommt! Wir haben jetzt die schönsten all versammelt, Olympier, Halbgötter, Nymphen und Faune. Der Frauen Liebreiz und der Männer Schönheit erfüllen dieses Tal. Da sollten wir doch wirklich...

Helena [schaut interessiert]: Was hast du mit dem Ganymed vor?

Vulkanus [laut]: Nicht nur mit Ganymed; mit euch allen. Wir machen eine Schönheitskonkurrenz zum Thema: Antike gegen Nymphenwelt. Das wird ein großer Spaß. [schaut sich um, betrachtet etwas abfällig die Faune und dann sein Hinkebein]. Aber ich denke, wir sollten sie vielleicht doch nur unter der holden Weiblichkeit veranstalten.

Helena [nun ganz wach]: Das ist ja wirklich super... Ich bin natürlich mit dabei!

Leda [drängelt sich vor]: Nein, nein, mein Kind! Was du mit deiner Schönheit in Troja angerichtet hast, das reicht. Jetzt bin ich dran...

Europa [fällt ein]: Sind wir dran! Denn wer durch seine Schönheit selbst den edlen Zeus betörte, dem wird hier sicherlich der Lorbeer winken.

Helena [lacht]: Na, wenn ihr beide es noch mal versuchen wollt...?

Vulkanus [unter dem Hallo der Umstehenden]: Halt, Halt; wir wollen Ordnung wahren. [denkt kurz nach] Aber - wenn keiner widerspricht, so sollen Leda und Europa Griechenland und den Olymp vertreten. Und für die Nymphenwelt schlag ich die beiden Wasserwesen Alva und Undine vor.

Alva [wehrt ab]: Was ich? Wie könnte ich bei diesen schönen Damen denn bestehn...?

Undine [lacht]: Ach Alva; das ist doch nur Spiel, ein großer Spaß.

Alva [unsicher]: Ich weiß doch gar nicht, wie das geht.

Vulkanus [eilt zu ihr]: Na, wenn du es bisher noch nie gesehen hast, dann wird es Zeit. Gib deinem Herzen einen Ruck und willige ein. Du brauchst nur alles so zu machen, wie die andern. [die Umstehenden klatschen in Richtung Alva]

Alva [ziert sich noch ein wenig]: Na, wenn ihr meint, dann mach ich’s halt.

Vulkanus [erfreut]: Dann kann es losgeh’n. Ganymed! Komm her; du als schönster aller Männer sollst der Richter sein, den Schönheitspreis, den einst die Aphrodite erhielt, vergeben.

Ganymed [tritt näher und stimmt zu]: Das wird mir eine Ehre sein; - aber einfach ist das bei den vier Grazien nicht. Naja; [lacht] ebenso gut könnte man die Göttin Diana unter die Haube bringen - oder der Thetis den Verlobungsring an den rosigen Finger stecken oder die Phantasie heiraten - und alle neun Musen dazu.

Diana [stellt sich in Positur]: So ist es! Sollte nur einer wagen, sich an meiner Weiblichkeit zu vergreifen...

Vulkanus [schmunzelnd]: Keine Angst, Diana, das hat keiner vor. [klatscht in die Hände] Dann alle her, jetzt bildet einen großen Kreis, und die Kinder sollen den Korb bringen. [winkt den Kleinen] Hallo - ihr! Ja auf, auf, bringt den Apfelkorb... [die kleinen Nymphen und Nöcke schleppen einen Korb voller rotbackiger Äpfel herbei]

Ganymed: Páris hatte einst die Auswahl unter dreien. [beiseite] Vulkans künstliches Netz zieht sich unzerreißbar um uns her, und schließt uns eng und enger an Venus, die vollendete Schönheit an.

Geißen-Faun [singt, indem er um Ganymed tanzt]: In París, in París... sind die Mädchen so süß...

Helena [schüttelt den Kopf]: Páris, mein geliebter Mann, der mit Troja unterging! Und nicht París! Wie ungebildet dieser Typ ist.

Geißen-Faun [singt weiter und lässt sich von Helena nicht stören]: In París, in París... sind die Mädchen so süß...

Ganymed [schaut den Korb voll Äpfel - den die Kinder vor ihm und Vulkanus niedergestellt haben - genau an, nimmt einen Apfel, besieht ihn sich und beißt kräftig hinein; mit vollem Mund]: Schmeckt wunderbar... hmmm...

Klare Pfütz [singt, während Ganymed beißt und spricht, indem sie neckisch mit dem Finger droht]: Beiß nicht gleich in jeden Apfel, denn er könnte sauer sein.

Buckel-Nöck [grölt und klatscht sich auf die Schenkel]: Ja, auf rote Apfelbäckchen, fällt man leicht herein.

Alle Nymphen etc. [singen und wiegen sich im Takt]:
Schaaa - la la la,
Es ist nicht alles Gold, was glänzt;
Nein - nein nein nein
Es trügt auch oft der Schein. [alle lachen prustend los und nehmen sich aus dem Korb einen Apfel, den sie lustvoll essen]

Vulkanus [schüttelt den Kopf und klatscht wieder kräftig - Ruhe heischend - in die Hände]: Nein, nein, nein! So geht das nicht. Die Äpfel können hinterher gegessen werden. [er nimmt ein besonders schönes und großes Exemplar aus dem Korb] Hier, Ganymed, den Apfel überreichst du dann der Siegerin. - Und du wirst von ihr einen Kuss als Lohn für deine Mühe und als Dank für deine Wahl erhalten.

Ganymed [nimmt den Apfel und dreht ihn in der Hand]: Und wie soll das Ganze nun vonstatten gehen?

Vulkanus [erklärt mit weit ausholenden Gesten]: Nun, einzeln werden sich die Vier vor uns in ihrer Schönheit präsentieren. Du Ganymed wirst neben eigner Vorliebe auch auf den Applaus zu achten haben, den jede erhält. [wendet sich zu den vier Wartenden] Ich schlage vor, wir machen eine bunte Reihe: Leda beginnt, hernach Undine, welcher die Europa folgt. Zu guter Letzt dann unsre scheue Alva. [zu den anderen Umstehenden] Bildet einen großen Halbkreis, damit ein jeder die weibliche Schönheit sehen kann. [man folgt seinen Anweisungen] Du Ganymed, an meine Seite, Aug und Ohren auf, kühler Verstand und heißes Herz. - Und Leda, jetzt beginne. [eine leise Musik setzt ein, zu der sich Leda mit dem Plüsch-Schwan etwa eine Minute lang träumerisch graziös bewegt; am Ende kommt herzlicher Applaus auf, der bei Leda, Undine und Europa etwa gleich stark ist]

Vulkanus [in die Musik hinein, worauf herzlich applaudiert wird]: Sehr schön, du mit dem Schwan. - Nun du, Undine. [Undine tanzt eng umschlungen mit einem imaginären Geliebten]

Vulkanus [wie zuvor]: Ein wunderbarer Sinnentanz der Nymphe. - Und jetzt Europa mit dem Stier. [wie zuvor Leda mit ihrem Schwan bewegt sich Europa - ein wenig affektiert mit ihrem Stier - zur Musik]

Vulkanus [wiederum wie zuvor]: Wenn Zeus dich so gesehen hätte, Europa! - Und nun noch Alva, unsre Wassernymphe.

Alva [ganz scheu]: Es reichen doch die drei, bei Páris waren es doch auch drei Grazien. Im Wasser wär es mir viel angenehmer...

Vulkanus [sehr milde, beinahe zärtlich]: Nur keine Angst! Es ist ein Spiel, du hast nichts zu verlieren.

Alva [tritt mit fließenden Bewegungen vor]: Nun gut... [und tanzt wie in Trance einen fließenden Nymphentanz; als die Musik endet, bleibt sie träumerisch stehen, und nach einem Moment der vollkommenen Ruhe bricht frenetischer Beifall los; Ganymed hat ihr wie im Traum zugeschaut und bleibt nach dem Tanz wie versteinert stehen und schaut nur noch]

Helena [ruft begeistert]: Mann o Mann, war das toll...

Diana [geht auch erstmals aus sich heraus]: Ja, alle Viere warn wunderbar...

Demeter [lacht]: Aber die Alva war einfach große Klasse...

Vulkanus [bittet mit kräftiger, fröhlicher Stimme um Ruhe]: Das war wirklich eine super - na, wie sagt man heute - eine...

Helena [lacht]: Sagt man nicht Performance? oder so...?

Vulkanus: Genau! Eine super Performance. Ich muss euch allen sagen: Ich bin begeistert, das Feuer, das ihr in euch habt, wie es loderte. [lacht dröhnend] Mir wurde ganz warm ums Herz. Doch jetzt ist es an Ganymed, die Siegerin zu nennen. [Ganymed steht immer noch träumerisch da, und merkt nicht, was um ihn herum passiert; Vulkanus tippt ihm auf die Schulter und sagt lachend] Hey, Ganymed! Was ist mit dir...?

Ganymed [wie aus einem tiefen Traum erwachend]: Was, wer...? [schaut sich um und lächelt] Dann war es doch kein Traum...? [er schaut auf den Apfel in seiner Hand]

Vulkanus [klopft ihm auf den Rücken]: Traumhaft war es schon, doch jetzt: Deine Entscheidung!

Ganymed [fasst sich, als er sieht, dass ihn alle erwartungsvoll anschauen, vor allem Leda und Europa, die neben Undine und der auch ganz versunkenen Alva stehen; zögernd]: Meine Entscheidung...? Ja... Ich denke, da gibt es nicht viel nachzudenken. [er tritt auf Alva zu] Du bist die Schönste [reicht ihr den Apfel, sie schaut ihn strahlend an] - die Schönste, die ich je gesehen habe. [sie nimmt den Apfel, wiederum Applaus und Hurra-Rufe; Leda und Europa sind beleidigt und zeigen dies durch ihre Haltung und Gesten]

Alle rufen durcheinander: - Wo bleibt das Dankeschön...- Alva, Alva, Alva...
- Der Kuss...
- Die Alva muss den Ganymed küssen...

Vulkanus [ruft in das Getümmel]: Die Alva ist Siegerin, ihr gebührt der Schönheitspreis. [schmunzelnd zu Alva] Der Preisrichter erwartet seinen Lohn...

Alva [schüchtern]: Meine Lippen haben noch nie einen Mann geküsst!

Helena [wirft ein, aber Vulkanus gebietet ihr durch eine Geste, zu schweigen]: Dann wird es langsam Zeit...!

Ganymed [ganz zart]: Wenn du nicht kannst, nicht willst... Ich kann verzichten...

Alva [wie zuvor]: Nein... doch...; die vielen [schaut sich schüchtern um] um uns her...

Vulkanus [nimmt sie väterlich in den Arm]: Es muss sein, denn das ist die Regel. Doch niemand kann bestimmen, dass es mit Publikum geschehen muss. [er winkt den Anderen, die ganz ruhig geworden sind und der Szene bewegt gelauscht haben, zu, sich zu entfernen] Wir werden euch für eine Weile alleine lassen. Dann könnt ihr schauen [lacht] ob es nicht doch klappt. [alle entfernen sich langsam, indem sie sich mehrfach umdrehen, um doch noch einen Blick auf die Kuss-Szene zu erhaschen]

Alva [schaut Ganymed ganz offen an]: Beug dich ein wenig zu mir nieder, du bist so stark und groß...

Ganymed beugt sich nieder zu Alva, die zart und scheu seinen Kopf zwischen ihre Hände nimmt und ihn innig auf die rechte und - nach einem langen Blick in seine Augen - auf die linke Wanke küsst; nach dem Kuss umarmen sich beide sanft und bleiben in der Umarmung eine ganze Weile verträumt stehen, ehe sie sich langsam voneinander lösen.

Interludium

Aquarius [tritt einige Schritte von der Seite herein und schaut auf Alva und Ganymed, er hebt - beinahe segnend - die Hände]:
Jetzt komm und hülle, freundlicher Feuergeist,
Den zarten Sinn der Frauen in Wolken ein,
In goldne Träume und schütze sie, die
Blühende Ruhe der Immerguten.

Vulkanus [tritt beiseite zu Aquarius]: Nicht umsonst habe ich dem Eros Pfeil und Bogen geschmiedet, nun soll er sie gebrauchen. Oder hat er gar schon...? [lacht] Auch wenn die Ruhe der Alva dahin sein wird: [direkt zu Aquarius] Ich habe Ganymed und Alva im Netz. Das Feuer der Liebe wird bald lodern. [er zieht sich in den Hintergrund zurück].

 

Szene II.3. Die Liebe der Alva und des Ganymed

Stimmungswechsel. Die Anderen haben sich zurückgezogen und das Paar ist alleine. Nur Aquarius ist am Anfang noch dabei; später beobachtet er stumm sein Alter Ego. Intime Liebesszene zwischen Alva und Ganymed, Fortsetzung des vorangegangenen Szenenschlusses. Die beiden bekennen sich nun gegenseitig ihre immerwährende Liebe. Das Bekenntnis wird durch einen lang andauernden Kuss besiegelt.

Alva [ganz verklärt]: Der Kuss auf deine Wangen brennt mir auf meinen Lippen. Ich weiß nicht, wie mir ist!

Ganymed [steht ganz verdattert vor ihr]: Mir geht es ebenso. Die Wangen glühn von deinen Küssen. Was für ein Wettbewerb: Du hast gewonnen, - ich bekomm den Preis...

Alva [presst die Hände ans Herz]: Nein, ich. Bist du der Preis?

Ganymed [schaut unsicher]: Was für ein Preis könnt ich dir sein?

Alva [zart lächelnd]: Nun wird mir klar, was mir Fortuna weissagte. [strahlt] Wie recht sie hatte als sie sagte, er verdiene mich.

Ganymed [scheint immer noch nicht recht zu begreifen]: Wie ist mir, was geht hier vor...?

Alva [sieht ihn strahlend an]: Ach Ganymed, - mein Ganymed!

Aquarius [tritt vor Ganymed, der dadurch nicht mehr sichtbar ist, und versucht sich ihr zu nähern]: Süß Liebchen!

Alva [wehrt ihn, beinahe kokett, ab]: Lasst einmal! [sie pflückt eine Sternblume und zupft die Blätter ab, eins nach dem andern]

Aquarius [er fragt staunend]: Was soll das? Keinen Strauß?

Alva [schnippisch]: Nein, es soll nur ein Spiel.

Aquarius [unsicher] :Wie?

Alva [sie lacht]: Geht, Ihr lacht mich aus. [sie rupft und murmelt]

Aquarius [geht näher an sie und fragt]: Was murmelst du?

Alva [halblaut]: Er liebt mich - liebt mich nicht -

Aquarius [höchst erfreut, da er nun merkt, um was es ihr geht]: Du holdes Himmelsangesicht!

Alva [fährt fort]: Liebt mich - nicht - liebt mich - nicht - [das letzte Blatt ausrupfend mit holder Freude] Er liebt mich!

Aquarius [steht lächelnd vor ihr]: Ja, mein Kind! Lass dieses Blumenwort
Dir Götterausspruch sein: Er liebt dich!
Verstehst du, was das heißt: Er liebt dich! [er fasst ihr beide Hände]

Alva [sie fühlt wohlige Schauer über den Körper fließen]: Mich überläuft’s!

Aquarius [er legt fest den Arm um sie]:
O schaudre nicht! Lass diesen Blick,
Lass diesen Händedruck dir sagen,
Was unaussprechlich ist:
Sich hinzugeben ganz und eine Wonne
Zu fühlen, die ewig sein muss!
Ewig! - Ihr Ende würde Verzweiflung sein.
Nein, kein Ende! Kein Ende!

Alva [fällt ihm um den Hals]: Kein Ende, nie Geliebtester! [sie hält inne und merkt nun, dass sie es gar nicht mit Ganymed zu tun hat] Doch wer bist Du? [sie schaut ihn forschend an] So fremd und doch vertraut? Nicht Ganymed... und doch...?

Aquarius [schaut sie zart an]: Ich bin der, den du des Nachts im Bett stets angeschaut...

Ganymed [tritt hinter Aquarius hervor und neben diesen und vollendet seinen Satz]: ...und ich der, den du liebst.

Aquarius/Ganymed [zugleich]: Wir sind die beiden Seiten eines Wesens: Das weise Alter und die schöne Jugend. Wir sind das Göttliche und Menschliche im Mann. Wir sind die ewige Sehnsucht und der leidenschaftliche Moment.

Alva [schaut beide fest an]: Ihr seid, du bist ein Zwei in Eins - und doch entzweit. So lieb ich euch - so lieb ich dich!

Aquarius [indem er einen Schritt zur Seite tritt und Ganymed näher an Alva herangehen lässt]: Du Alva, sei gewiss, ich liebe dich, und du liebst mich in Ganymed. Dies musst ich dir noch sagen, und nun überlass ich euch dem weiteren Schicksal. Die Eumeniden mögen euch gnädig sein. [mit leiser Stimme] Sie waren es nicht immer - die Erinnyen. [er zieht sich mit sanften Schritten ein wenig zurück, bleibt aber in einiger Entfernung stehen und beobachtet den Fortgang]

Alva [fragend]: Sie waren es nicht immer? Was war euer Schicksal, wie kam es zu der Entzweiung?

Ganymed [klärt sie in knappen Worten auf]: Zeus hat sich einst in mich verliebt, und mich als Adler hoch auf den Olymp entführt. Dort macht’ er mich an Hebes statt zum Mundschenk an der Götter-Tafel. Doch Hera war erzürnt, dass er mich liebte und ihrer Lieblingstochter Hebe als Mundschenk vorzog. Sie forderte meine Verbannung auf ewig an den Sternenhimmel. Und Zeus tat um des lieben Ehefriedens willen, was sie verlangte.

Alva [verständnisvoll]: So wurdest du Aquarius, der Wassermann, der hold die ganze Zeit mich angeschaut und mir im Frühling und im Herbst fruchtbare Regenschauer schickte?

Ganymed [liebevoll]: So ist es. Und so war Zeus der Stifter der Begegnung zwischen dir und mir, ganz ungewollt. Der gute Gott!

Alva [verständnisvoll]: So liebst du auch ein wenig noch den Zeus. Ein wenig ihn, den Gott und Mann, ein wenig mich, das Nymphenweib?

Ganymed [turtelt zärtlich]: Nein, nein, so ist das nicht!
Beim Zeus, du denkst dir gar zu viel in mir,
An deiner Seite denk ich nur an dich.

Zeus [zornig aus dem Off]: Lass mich da raus!

Ganymed [erschrocken]: Du Zeus, du hier...?!

Zeus [verärgert, aber ironisch]: Oh ja!

Ganymed [stottert]: Das war doch nur so eine Redensart: Beim Zeus, Oh Gott, Bei allen guten Geistern... Was man so sagt...

Zeus [etwas versöhnlicher]: Mich anzurufen - auch als Redensart - indem du einem Weib den Hof machst, ist unerhört, [nach einer kurzen Pause, mit vorwurfsvollem Unterton] - nach allem, was gewesen war... Doch jetzt lass gut sein, wir reden noch!

Ganymed [hat sich wieder gefasst]: Der gute, alte Zeus. [schmunzelt] Er scheint eifersüchtig, wenn er sieht, dass und wie bedingungslos ich dich liebe.

Alva [lächelnd]: Man kann es ihm nicht verdenken, nach allem, was du mir berichtet hast; - und ich erahne... [sie macht eine wegschiebende Handbewegung] Doch die Vergangenheit, sie soll nun ruh’n; und nur die Gegenwart mit dir ist wichtig.

Ganymed [setzt sich]: Komm her zu mir und setz dich neben mich und lass uns diese Gegenwart genießen.

Alva [kniet sich neben ihn]: Ja, Ganymed, lass uns den Moment genießen; wer weiß, was kommen wird. Doch ich bin müde, darf ich mich hier ins Gras legen, und meinen Kopf geborgen dir anvertraun? [sie legt sich während der letzten Worte neben Ganymed ins Gras]

Ganymed [sitzt und hat den Kopf der liegenden Alva zart in seinen Schoß gebettet]: Oh meine Alva, ich kenne ein wunderschönes Gedicht, es scheint nur für dich ganz alleine geschrieben zu sein. Höre: [er deklamiert voller Hingabe und Inbrunst]

Ich liebe, Nymphe, deine keusche Flut,
Die kühl im allertiefsten Walde ruht.
Du spiegelst weder Stadt noch Firneschnee,
Den Himmel schimmerst du, mein kleiner See!
Dein Antlitz sagt mir alles, rasch erregt,
Was dir das kindliche Gemüt bewegt,
Und leicht erhellt, verdunkelt ohne Grund,
Macht es mir alle deine Launen kund.

Der Kahn geborgen tief im Schilfe dort,
Gefesselt ist er durch ein Zauberwort.
Nie hat gelöst ihn eine trunkne Schar,
Nie hat sich eine Dirn im Flatterhaar,
Von rohen Buhlen durch den Wald gehetzt,
Vor deinen Spiegel keuchend hingesetzt.
Nie hat ein unstet zuckend Fackelrot
Dir über deine kühle Stirn geloht!

Horch! Stimmen durch den Wald! Ein Lustgeschrei!
Gekreisch! Gewieher! Freches Volk, vorbei!
Den Gassenhauer, liederlich gejohlt -
Schäme dich, Echo! - hast du wiederholt!
Verhülle, Nymphe, deiner Augen Schein,
Verbirg dich tiefer in den Wald hinein!
Und zürnend gegen den Tumult gewandt: "Hinweg!"
gebot ich mit erhobner Hand.

"Nicht näher!" Und im Walde ward es Ruh.
Der Jubel zog sich einer Schenke zu.
Du bliebst in deinem blauen Kleide rein
In deinem grünen Waldesdämmerschein -
Indessen hat die Sonne sich geneigt.
Wie süß in jedem Blatt die Stille schweigt!
In Tannenduft und unter Himmelsruh
Bewacht von meinem Blick, entschlummerst du!

Alva [ganz zärtlich]: Oh ja, das ist wirklich wunderschön, mein geliebter Ganymed. So zart und innig.

Ganymed [ebenso]: Ja, zart und innig, wie meine Liebe zu dir.

Alva [nimmt sein Hände und zieht ihre Linien nach]: Mein Ganymed... Ich lese in deinen Händen ein ewig langes Liebesglück [sie zögert] und Liebesleid zugleich...

Ganymed [zieht seine Hand zurück, greift Alvas Hand und drückt sie an sein Herz]: Oh Alva, Alva! Es ist Liebesglück, dir begegnet zu sein. Nichts und niemand mehr wird uns wahrhaft trennen, unsere Liebe stören können.

Alva [schaut ihn voll an]: Und was ist mit Aquarius?

Ganymed [erstaunt]: Wie meinst du das?

Alva [dringt in ihn]: Ich liebe ihn auch, liebe euch beide mit der gleichen Intensität, mit identischen Gefühlen...

Ganymed [begreift, was sie meint]: Ja Alva! Du liebst uns beide und doch liebst du einen nur.

Alva [greift sich an den Kopf]: Ich bin verwirrt... und auch so glücklich...

Ganymed [nimmt wiederum ihre Hand]: Du liebst den Mann in Jugend und im Alter. Und darum bist du glücklich. Denn du bist einzigartig und hast das Glück, einzigartig zu lieben, und einzigartig geliebt zu werden!

Alva [sehr zurückgenommen]: Und doch ist auch ein banges Sehnen in mir; ich hab’ in deiner Hand auch Leid und Sehnsuchtsqual gesehen...

Ganymed [küsst ihre Hand]: Es ist die Sehnsucht deiner langen Nächte, als du Aquarius am Sternenhimmel angeschaut und dich nach diesem Augenblick gesehnt hast.

Alva [sehr zart]: Oh nein, es war nicht Sehnsucht der Vergangenheit; es war die wonnevolle Liebesqual der langen Zukunftsnacht...

Ganymed: Doch weißt du jetzt, was früher du nur ahntest: Du wirst geliebt, so wie du liebst. - Du wirst geliebt von dem, den du auch liebst.

Alva [glücklich]: Ja Ganymed, ich liebe Dich und bin von dir geliebt. Das ist das einzige, was jetzt, in diesem Augenblick nur zählt.

Ganymed: Und keiner kann uns diesen Augenblick verderben oder rauben...

Alva [nachdenklich]: Nur die Gedanken...

Ganymed [sofort]: Die Gedanken?

Alva: Ja, die Gedanken über das, was war. Du hast geliebt - und wurdest für die Liebe schwer bestraft.

Ganymed [wischt die Gedanken weg]: Nein, nein! So war das nicht.

Alva [nachdrücklich]: Doch Ganymed! Du hast es mir gesagt. Zeus und du, ihr wart ein Paar, er hat als Adler dich geraubt. Und Hera, ewig eifersüchtig, hat verlangt, dass du fortan am Himmel ewig prangen sollst...

Ganymed [ganz versonnen]: Er hat als Adler mich geraubt... - du sagst es! - [fest] Aber gegen meinen Willen. Doch ich war jung, naiv und unbekümmert - und geschmeichelt, weil der Göttervater mich erwählte. Und mich auch noch zum Mundschenk an der Tafel des Olymp erhob. Doch hab ich nicht geliebt, nicht wirklich...

Alva [zart fragend]: Keinen vor mir?

Ganymed [ganz zärtlich ihren Kopf zwischen seinen Händen haltend]: Ich habe keinen Menschen auf der Welt geliebt als dich. Alva, verlang, was du willst. Ich bin noch jung. Ich will dir treu sein mein Leben lang. Ich will nur dir allein gehören. Sieh mich an, Alva. - Sieh mich an! [mit Nachdruck] Sieh mich an! [er streichelt sie zärtlich]

Alva [ist völlig in seinen Bann gezogen und bittet]: Komm, gib mir einen Kuss!

Ganymed [er zögert den Moment des Kusses noch hinaus]: In deinen Augen schimmert es, wie der Wasserspiegel in einem tiefen Brunnen, in den man einen Stein geworfen hat.

Alva [hält es nicht mehr aus]: Komm! [legt ihre Arme um ihn und drückt ihn an sich; sie küssen sich lang und innig].

Ganymed [seufzt, trunken vor Glück]: Deine Lippen...

Alva [ebenso]: Deine, [Kuss] meine, [Kuss] unsere Lippen. [sie küsst ihn wieder und wieder, leidenschaftlich]

Ganymed [trunken vor Glück]: Alva, meine Alva. [er schaut hinüber zu Aquarius, der ihm eine zustimmende Geste macht] Nie hätt’ ich in den langen Nächten gewagt, mir solch ein Glück zu erhoffen. Ich sah dich, weiß und rein, hoch von dort oben; wissend, diese oder keine...

Alva [sie erhebt sich etwas und legt ihre Arme um seinen Hals]: Du strahltest über mir, und ich war mir gewiss...

Ganymed [schwärmerisch]: Meine Alva - ewig dein...

Alva [gleichzeitig]: Mein Ganymed [verträumt] und mein Aquarius...

Die beiden umarmen sich innig unfern des Wassers, dem Alva entstiegen war. Sie drehen sich wie in einem stummen Tanz im Kreis, der sich träumerisch auf das Wasser zu bewegt, bis Alva ins Wasser fällt. Sie schwimmt träumerisch davon. Ganymed tanz ebenso träumerisch weiter auf Aquarius zu. Dieser kommt ihm leise lachend entgegen und sie fallen sich in die Arme.

 

Luft: Reich des Aquarius

III. Akt – in dem Aquarius k Ganymed den allerhöchsten Segen zur Hochzeit mit seiner Alva erhält.

Szene III.1. Die Eifersucht der Hera und des Zeus

Aquarius und Ganymed stehen sich auf grüner Wiese gegenüber. Sie werden in der Folge von Zeus und Hera zwar einzeln angesprochen aber immer beide zugleich gemeint. Das Zeus’sche Göttertribunal fällt ins Wasser, denn Ganymed/Aquarius ist in seiner Liebe dem Götterpaar Zeus/Hera überlegen. Statt dessen setzt sich Aquarius mit seinem Vorschlag durch, freie Hand zu haben, wenn er sich nach der Hochzeit wieder an den Sternenhimmel zurückzieht und bis in alle Ewigkeit schweigend dort verharren wird. Zeus kann hier aus dem Off sprechen, oder - als einzige Szene im Stück - direkt auftreten.

Zeus [mit sehr ärgerlicher Stimme]: Nun, Aquarius, was ist los mir dir. Wir sind nur aus dem Glutofen in Griechenland und von den Touristen, die den Olymp belagern, hier in die Sommerfrische geflohen. Und gleich musst du uns als verliebter Ganymed in die Quere kommen.

Hera [tritt mit nur mühsam beherrschtem Zorn auf Aquarius und Ganymed zu]: Und ich dachte, das wäre ein für allemal vorbei, seitdem du da oben als Sternbild prangst. Nicht mal im Urlaub hat man seine Ruhe. Und jetzt scharwenzelt ihr gar zu zweit hier umher.

Aquarius [spöttisch, aber auch ein wenig ärgerlich]: Ach Zeus, vorhin schon deine Stimme... [nachdenklich] Du wirklich hier; ich dachte nicht, dich hier im Norden nach ach so langen Jahren wieder zu sehen! Und wenn du dich auch nicht zeigen willst, so spür ich doch:
In deinem Antlitz liegt Unglück und Gram,
Und doch noch immer der alte Stolz.
Das waren bessere Zeiten, o Zeus,
Als du dich himmlisch ergötztest
An Knaben und Nymphen und Hekatomben;
Doch auch die Götter regieren nicht ewig,
Die jungen verdrängen die alten,
Wie du einst selber den greisen Vater...

Ganymed [gleichzeitig mit seinem Alter Ego Aquarius; träumerisch]: Ich weiß nicht, ob täuschende Geister um diese Gegend schweben, oder ob die warme, himmlische Phantasie in meinem Herzen ist, die mir alles rings umher so paradiesisch macht. Da ist gleich ein Brunnen, an den ich gebannt bin wie Melusine mit ihren Schwestern, wo unten das klarste Wasser aus Marmorfelsen quillt. Die hohen Bäume, die den Platz rings umher bedecken, die Kühle des Orts; das hat alles so was Anzügliches, was Schauerliches.

Zeus [nun beinahe wütend]: Was soll die Rede, dieses Durcheinander. Es ist Skandal genug, dass du dich hier verführerisch herumtreibst. Nun aber mir zu drohen...

Hera [sehr erregt, fällt Zeus ins Wort]: Wir hatten eine Abmachung, dass du am Himmel still deine Bahnen ziehst. Was du bist, bist du nur durch Verträge, Aquarius! Gehst du so mit Verträgen um?

Aquarius [ironisch]: Ich sagte schon, die alten Zeiten sind vorbei; und ob sie wirklich besser waren? Doch schau dich heute um, wer hält sich an Verträge, an Gesetze? Wer achtet euch noch und eure Macht?

Hera [geifert]: Du gehörst zu unserer Ordnung und hast dich zu fügen. Wäre ja noch schöner, wenn dieser geile Ganymed sich wieder aufspielte, um meinem alten Zeus zu gefallen.

Zeus [versucht sie zu beruhigen]: Ach Hera, musst du wieder an die alten Zeiten erinnern!? Das ist doch längst vorbei - ich dachte, auch vergeben und vergessen...

Hera [von oben herab]: Vergeben hab’ ich dir, dass du dich in den schönen Jüngling verguckt und ihn verführt hast. [spöttisch] Die Variante mit Adler und jungem Mann hatten wir ja zuvor noch nicht. [wieder wütend] Aber vergessen werde ich es nie...

Zeus: Meine Gute; ich kann doch gar nicht mehr; [leiser] selbst wenn ich wollte...

Hera [zu Aquarius]: Du warst als Wassermann am Himmel doch so prächtig anzuschau’n, warum jetzt dies hier. Noch dazu mit deinem Alter Ego, dem Verführer alter Männer... [wendet sich an Ganymed]

Ganymed [braust auf]: Lass doch das dumme Geschwätz. [deutet ins Ungewisse] Der Verführer ist ein anderer, mein Fehler war es nur, seiner Begehrlichkeit nicht zu trotzen. Was ist denn Übles daran, sich zu verlieben...

Aquarius [unterbricht ihn ruhig]: Ganz ruhig, Ganymed! Genieße du die anmutige Landschaft, lass mich verhandeln. [zu Hera und Zeus] Du Hera und du Zeus, ihr müsst keinen Argwohn hegen. Ich führe nichts Übles im Sinn. Lasst uns den Vertrag nur für kurze Zeit aussetzen. Bis ich mich ganz mit der, die sich seit undenklicher Zeit nach mir verzehrt, vereinigt habe.

Ganymed/Aquarius [gleichzeitig]: Oh meine Alva...!

Hera [besänftigt]: Na, wenn das so ist! Dies Wasserwesen mag wohl angeh’n. Da hat der Alte wenigstens eine weniger, der er sich nähern könnte; diesmal hätt’ er es wahrscheinlich als Forelle versucht.

Zeus [ärgerlich]: Aber meine Liebe, ich bitte dich...; lass ab von Streit und Krieg - nimm dir an Troja ein Beispiel, das auf diese Art in Flammen unterging.

Hera [ganz sanft, mit ironischem Unterton]: Schon gut, mein liebster Zeus. Wir wollen doch den Streit von vorhin nicht wieder aufwärmen...

Zeus [ruhiger]: Ich bitte drum... Lass uns den Urlaub hier genießen und den hellenischen Alltag ganz vergessen! [still in sich hinein schmunzelnd] Ich hatte doch recht, als ich der Venus einst ans Herz legte:
Töchterchen, dein Geschäft sind nicht die Werke des Krieges;
Gehe du heim und besing Werke der Liebe und Lust.

Aquarius [nun aufgewühlt]: Und lasst uns gemeinsam eine himmlische Hochzeit feiern, in der sich Alva und Aquarius vereinen, um in ew’ger Liebe eins zu sein.

Hera [nun ganz die weise Mutter]: Glaub mir, Aquarius, das kann nicht gut gehen. Ich spreche aus Erfahrung als Ehefrau und Mutter. Und: Wie ist es dem Pygmalion ergangen? Er hat sich in sein eigenes Kunstwerk, die schöne Galathea, verliebt - und was ist ihm geblieben, nur ein Spuk-Gebilde. Und diese Alva, sie lebt doch nur von dir und durch dich. Deine Regenschauer sind ihr Leben. Du weißt, doch höre noch einmal, wie sich Pygmalion verzehrte:
Oh, wie brenn ich vor Verlangen,
Galathea, schönes Kind,
Dir zu küssen deine Wangen,
Weil sie so verlockend sind.

Dass ich auch die Gnade fände,
Galathea, schönes Kind,
Dir zu küssen deine Hände,
Weil sie so verlockend sind.

Und was tät ich nicht du süße
Galathea, schönes Kind,
Dir zu küssen deine Füße,
Weil sie so verlockend sind.

Und mich treibt der Pulse Stocken,
Galathea, schönes Kind,
Dir zu küssen deine Locken,
Weil sie so verlockend sind.

Aber deinen Mund enthülle,
Mädchen, meinen Küssen nie,
Denn in seiner Reize Fülle
Küsst ihn nur die Phantasie.

Für Pygmalion konnte sein Kunstwerk Galathea nur eine Gedankenliebe sein: So wird es dir auch ergehen. Deine Alva kann doch für dich nichts weiter sein als ein Phantasiegebilde, ein schöner Traum!

Ganymed [mischt sich wieder ein, schwärmerisch]: Oh nein! Sie ist kein Traum, sie ist aus Fleisch und Blut: [er fährt ihren Körper in Gedanken nach] Aus Haaren, Händen und Hüften; [schließt die Augen] - aus Lippen, Lust und Leidenschaft...

Aquarius [mit großem Ernst]: Und - was das Wichtigste ist -: Sie ist einer tiefen Liebe fähig, sie liebt mit jeder Faser ihres Leibes und jedem Funken des Verstandes. Ihre Seele ist übervoll von Liebe.

Ganymed [begeistert]: Ja, voll von Liebe zu mir...

Aquarius [sehr fest]: Voller Liebe zu uns!

Zeus [ungeduldig]: Ach Hera! Ich versteh dich nicht. Mal so, mal so - erst bist du wütend, dass Ganymed wieder in meinem Blickfeld erscheint; dann freust du dich über sein Techtelmechtel mit dieser Nixe; und jetzt rätst du dem guten Aquarius wieder ab - [lacht] dabei will er doch bloß ein wenig Spaß haben. Im Übrigen weißt du genau, dass Pygmalion nur durch seine ausschließliche Liebe sein Kunstwerk zum Leben erweckte. Eigentlich lebt ihr doch nur durch unsere Liebe. Doch ihr Weiber wisst nie, was ihr wollt - das ist euer Problem! - und wir Männer leiden lebenslänglich darunter. Hör zu, Hera: Verliebte kann und soll man nicht stören. Er soll seinen Willen haben! Und wir unser Fest...

Hera [ironisch]: Wir Frauen sind eben nicht so elsternhaft schwarz-weiß wie ihr, [abfällig] die Krone der Schöpfung [lacht]; wir kennen Zwischentöne, wägen ab. Und ihr, die Liebe macht euch - und einiges an euch - quicklebendig, und vernebelt euren Verstand. Auch Pygmalion hatte den Frauen und der Ehe abgeschworen, bis er sich in ein Stück seiner selbst verliebte. [fast verächtlich] Ihr liebt in uns doch nur euer Spiegelbild - oder was ihr dafür haltet. [Zeus lacht] Ach lach du nur, doch pass auch auf, dass dich Aquarius nicht reinlegt. [zu Aquarius] Wie ist das mit dem Aussetzen des Vertrags? Was hast du vor?

Aquarius [geschäftsmäßig]: Es ist ganz einfach! Bis zur Eheschließung und dem Hochzeitsfest zwischen mir und Alva soll Friede herrschen zwischen den Göttern, den Menschen und allen Wesen. Kein Zwang soll irgendwen einengen, keine unnötigen Ver- und Gebote, kein Streit...

Zeus [unterbricht launig]: Ob Hera das schaffen wird....

Hera [milde]: Ach geh...

Aquarius [wie zuvor]: Und wenn das Fest den Höhepunkt erreicht, werde ich mich in stiller Liebe in mein Sternenreich zurückziehen, und auf meine Zeit warten.

Ganymed [schwärmerisch]: Unsere Liebe überdauert jede Trennung. Sie wird mit jedem Tag der Trennung stärker werden, größer.

Zeus [süffisant]: Denn Trennung lässt matte Leidenschaften verkümmern, aber die starken wachsen! Hera, wir sollten dies vielleicht auch einmal ausprobieren.

Hera [beinahe zärtlich]: Ach du, mein Zeus! Wie oft war ich von dir getrennt, hab mich nach dir verzehrt...

Zeus [gerührt]: Na, na, jetzt werd mir nicht sentimental...

Aquarius [verträumt]: Die Liebesmacht lässt nicht nur Herzen höher schlagen; sie macht den Toren törichter, den Weisen weiser...

Zeus [spontan]: Was du nicht sagst. Ich denke doch, mit Weisheit gut gesegnet zu sein, und bin, einmal verliebt, doch dumm wie ein Stier und blöde wie ein Schwan den Weibern nachgerannt, geschwommen und geflogen...

Hera [lachend]: Du sagst es, Liebster: Zu Land, zu Wasser und in der Luft...

Aquarius: Verliebtsein ist der Unvernunft oft nahe! Doch ich sprech’ von der ewigen Macht der Liebe. Nicht Eros, sondern seine Herrin Aphrodite...

Zeus [winkt müde ab]: Ich weiß, ich weiß, Aquarius! Doch sprich: Wie stellst du dir das Weitere vor?

Aquarius [fest]: Der frühere Vertrag kann dann erfüllt werden und ist - weil für dich, Hera, nie mehr Schaden drohen kann - doch letzthin überflüssig.

Hera [sehr ernst]: Ich meinte es nur gut mit dir, Aquarius, als ich dich warnte - doch: Euch beiden scheint es wirklich ernst zu sein... Ich bin die Letzte, die einer wahren Liebe im Wege stehen wird. Schon gar nicht, wenn sie im Ehehafen mündet.

Zeus [leutselig]: Und Heras Wort sei meines. Ihr Wunsch ist mir Befehl. Es sei, so wie du willst, Aquarius!

Ganymed [freudig erregt zu einem kleinen Nöck, der sich ihm mit den spielenden Nymphen genähert hat]: Hey, Kleiner! Laufe hin zu der Schönsten und verkünde ihr, dass der treueste, der schmuckste aller Bräutigame hier vor lauter Sehnsucht, vor inbrünstigem Verlangen hinlänglich wüte, und dass in den Flammen seines Liebesgrimms ganz Rom, ein zweites Troja, aufgehen könnte, wenn sie nicht alsbald komme und mit den feuchten Mondesstrahlen ihrer holdseligen Augen die Glut lösche! [der kleine Nöck eilt davon]

Zeus [spöttisch]: Die Liebe lässt dich gar zum Dichter werden; pass nur auf, dass Pegasus nicht mit dir durchgeht. [lacht sein dröhnendes Lachen]

Aquarius [nimmt Ganymed an der Hand]: Komm nun, mein Ich, und lass uns ihr entgegen eilen!

Sie entfernen sich eilig und laufen hinter dem kleinen Nöck her. Hera geht in Richtung der im Hintergrund der Szene zuschauenden Götter und antiken Gestalten.

 

Szene III.2. Alva und Ganymed im Liebeslager
oder: Die vorzeitige Hochzeitsnacht

Gespräch der einheimischen Nöcke und Nymphen über die Liebe. Es zeigt, wie ernsthaft auch diese naturverbundenen Wesen die Liebe, bei all ihrer sonst an den Tag gelegten - auch sexuellen - Ausgelassenheit nehmen.Ganymed verführt (nach allen Regeln der Kunst) an einem lauschigen Platz nahe des Wassers seine Alva. Während des Liebeslagers, um das allerlei Nöcke, Faune und Elementargeister schweben, steht Aquarius ganz in der Nähe und beobachtet das Geschehen wohlwollend. Er ist am Ziel seiner Wünsche angelangt, ist endgültig mit Alva vereint, - wenn er auch weiß, dass diese Vereinigung nur von kurzer Dauer sein wird.

Chor der Nymphen und Nöcke [im weiten Rund im Hintergrund singen und wiegen sich die Nymphen, Feen und Nöcke; wer nicht singt, summt mit]:
Schöne Nacht, du Liebesnacht, oh stille das Verlangen.
Süßer als am Tage lacht uns Liebeslust zur Nacht.
Zeit entflieht. Eh du’s gedacht, lässt dich zurück in Bangen,
huldige der Liebe Macht, sie flieht, eh du’s gedacht.
Der Südwind verführt, will uns zärtlich umfangen,
und wen er berührt, hat die Lockung verspürt.
Hast auch du sie verspürt? Ah!
Schöne Nacht, du Liebesnacht, oh stille das Verlangen.
Süßer als am Tage lacht uns Liebeslust zur Nacht.
Oh du herrliche Nacht, stille du das Verlangen,
du schöne Liebesnacht. Ah! Ah! Ah! Ah! Ah! Ah!

Aus dem Kreis der Nöcke, Nymphen, Feen etc. lösen sich während des Gesangs langsam Buckel-Nöck und Geißen-Faun auf der einen und Heide mit klarer Pfütz auf der anderen Seite, die folgenden beiden Dialoge finden simultan statt, während sich in der Mitte Ganymed und Alva - während des Simultan-Dialogs stumm, davor und danach im Gespräch - dem Liebespiel hingeben; im Hintergrund summt während der gesamten Szene der Chor der Nymphen und Nöcke, er wird zum Schluss der Szene hin wieder lauter und vernehmlich.

Ganymed [steht mit Alva in einer Haltung wie auf Klimts Gemälde "Der Kuss"]:
Oh Alva, du bist so bezaubernd schön,
- wie nie mein Auge je gesehn...

Alva [legt sanft ihre Hände um seinen Nacken]: Sag solches nicht, mein Herz...

Ganymed [in stiller Emphase]: Ich fühl es...! Ich fühl es...!

Alva [taumelnd]: Mit ist so schwindelig, als ob du wunderwirkend auf einer Zauberflöte blasen würdest.

Ganymed [er hält sie zart]: Du bist das Wunder, bist der Zauber... Lass mich den Nektar der Liebe von deinen Lippen trinken... [er küsst sie leidenschaftlich]

Alva [hält sich an ihm fest, er lässt sie sanft in Gras unter einen Fliederbaum sinken]: Wie ist mir? - In welches Zauberreich entführst du mich, geliebter Ganymed...? [die beiden liegen zärtlich schmusend im Gras, während sich von der einen Seite Geißen-Faun und Buckel-Nöck nähern]

Buckel-Nöck [zu Geißen Faun]: Das sind turbulente Zeiten! So lang ich denken kann, ging’s hier, in unserm Tal, noch nie so zu....

Geißen-Faun [zustimmend]: Genau! Ich leb zur Zeit, erleb die Zeit, fast wie im Rausch.

Buckel-Nöck [nachdenklich]: Du drehst auch ganz schön auf und bringst die vornehme Gesellschaft durcheinander.

Geißen-Faun [breit grinsend]: Das macht doch einfach Spaß, der Vornehmheit die Maske vom Gesicht zu reißen. Da kommen die gleichen Wünsche, Begehrlichkeiten und Ängste zum Vorschein, wie bei uns.

Buckel-Nöck: Da hast du recht...

Geißen-Faun: Klar hab ich recht! Die können doch vor lauter Konventionen gar nicht mehr sie selbst sein. Sie ersticken noch an ihren hinten herum ausgetragenen Eifersüchteleien und Intrigen.

Buckel-Nöck [kopfschüttelnd]: Ja, kaum ein echtes Gefühl, nur so Getue und Geziere - [nach kurzer Überlegung] außer bei dem Ganymed vielleicht...

Geißen-Faun [sehr sachlich]: Oder bei mir!

Buckel-Nöck [überrascht]: Bei dir, wie das?

Geißen-Faun [ungewohnt ernst]: Oh ja, bei mir. Ich weiß, es klingt verrückt, mein Freund: Ich habe mich verliebt!

Buckel-Nöck [lacht]: Du dich verliebt? Wohl in die schöne Helena...?

Geißen-Faun [wie zuvor]: Lass nur die Späße, es ist wirklich ernst. [platzt heraus] Die Heide ist’s, doch sag ihr nichts. Sie soll es bald von mir erfahren.

Buckel-Nöck [erstaunt]: Der Geiß, wer hätte das gedacht; - verliebt, der alte Bock.

Geißen-Faun [winkt ab und zieht ihn zur Seite weg]: Ruhig, ruhig...! [deutet im Verschwinden zu Heide und klarer Pfütz auf der anderen Seite] Dort drüben sind die beiden, lass uns schnell verschwinden...

Heide [ganz aufgeregt]: Ich mag den Geiß, auch wenn er manchmal etwas spinnig ist.

Klare Pfütz [stimmt ihr zu]: Ich auch, Heide. Und ich glaub, ihm liegt viel an mir...

Heide [erstaunt]: Du auch? [lacht hell auf] Da wird er sich aber mal entscheiden müssen. [schaut ihre Freundin offen an] Mir macht er nämlich schon ne Weile nicht nur schöne Augen...

Klare Pfütz [schnippisch]: Warum soll er sich entscheiden? [lacht ebenso wie zuvor Heide] Hat er nicht genug für uns beide?

Heide [nachdenklich]: Stimmt eigentlich - doch warum nicht?!

Klare Pfütz: Die Männer huldigen doch sowieso zumeist dem Spruch: "Drum prüfe, was sich ewig bindet, ob sich nicht noch ne Bessre findet!" - Machen wir’s doch einfach ebenso.

Heide [wiederspricht]: So habe ich das nicht gemeint!

Klare Pfütz [fragend]: Wie dann?

Heide [schaut ganz ernst]: Warum soll er sich nicht entscheiden?

Klare Pfütz [perplex]: Gar für dich?

Heide [fest]: Für wen denn sonst?

Klare Pfütz [lacht erstaunt]: Heide, Du! Du bist verliebt? Ich glaub es kaum...

Heide [winkt ab]: Ach lass. [sie deutet zu Geißen-Faun und Buckel-Nöck hinüber] Doch schau, da drüben sind die beiden..

Klare Pfütz [will sie zu den beiden ziehen]: Dann laufen wir doch rüber... [will rufen] He... [doch Heide hält ihr den Mund zu]

Heide [erregt]: Pssst, Pfütz! Ich bitt’ dich, schweig! Und lass uns schnell verschwinden in der Nacht. [zieht die Freundin ins Dunkle]

Ganymed [stammelt orgiastisch stöhnend, mit lustvollen Pausen zwischen den Versen]:
Mit tausendfacher Liebeswonne
Sich an mein Herz drängt
Deiner ewigen Wärme
Heilig Gefühl,
Unendliche Schöne!
Dass ich dich fassen möchte
In diesen Arm! [er stöhnt laut und glückselig auf]

Alva [stammelt wie ertrinkend]: Ganymed, mein Ganymed!

Chor der Nymphen und Nöcke [leise summend]:
Schöne Nacht, du Liebesnacht, oh stille das Verlangen.
Süßer als am Tage lacht uns Liebeslust zur Nacht....

Ganymed [völlig außer Atem]:
Ach, an deinem Busen
Lieg ich, schmachte,
In deinem Schoße
Aufwärts!
Umfangend umfangen!
Aufwärts an deinen Busen... [wie weggetreten]

Echo [aus der Ferne schallend]: schmusen...

Alva [atmet schwer und singt beinahe]: Schmusen! Ganymed! Schmusen!

Chor der Nymphen und Nöcke [etwas lauter singend, an- und abschwellend]:
Zeit entflieht. Eh du’s gedacht, lässt dich zurück in Bangen,
huldige der Liebe Macht, sie flieht, eh du’s gedacht.

Ganymed [jauchzt]:
Lieblicher Morgenwind!
Ruft drein die Nachtigall
Liebend nach mir aus dem Nebeltal.

Echo [dito]: Liebesqual...

Alva [schreit lustvoll]: Ganymed!

Ganymed [schreit ebenfalls in höchster Lust]:
Ich komm, ich komme!

Chor der Nymphen und Nöcke [noch lauter werdend]:
Hast auch du sie verspürt? Ah!
Schöne Nacht, du Liebesnacht, oh stille das Verlangen.
Süßer als am Tage lacht uns Liebeslust zur Nacht.
Oh du herrliche Nacht, stille du das Verlangen,
du schöne Liebesnacht. Ah! Ah! Ah! Ah! Ah! Ah!

 

Szene III.3. Verkündigung der himmlischen Hochzeit

Durch Ariel, den Luftgeist, und Hermes, den Götterboten, wird die himmlische Hochzeit zwischen Alva und Aquarius als Versöhnung der Elemente und der Götter mit der Natur angekündigt. In weiter Ferne verharren die Nixen, Nöcke und Elementargeister und schauen gebannt auf die beiden Boten. Die Luft ist voller himmlischer Sphärenklänge und es duftet nach herrlichen Blumen. Am Himmel zeichnen sich bunte Farbenspiele ab.

Heide [abseits zwischen den Nymphen und Nöcken und der Szenerie]: Schaut, da kommen zwei seltsame Gestalten.

Klare Pfütz [lacht fragend]: Das ist doch Ariel der Luftgeist und Bote der Natur; der andre wird wohl sein olympischer Kollege sein, wie heißt er gleich...?

Heide [knufft sie in die Seite]: ...ach ja, Hermes der Götterbote...

Ariel [kommt von der Seite der Fabelwesen hereingeschwebt und singt, in Richtung des Publikums deutend]:
Ariel bewegt den Sang
In himmlisch reinen Tönen;
Viele Fratzen lockt sein Klang,
Doch lockt er auch die Schönen.

Hermes [kommt von der anderen Seite schuhbeflügelt und leichten Schritts mit seinem goldenen Stab]: Was liegt an?

Ariel [tritt auf Hermes zu]: Es gilt, eine himmlische Hochzeit zu verkünden.

Hermes [sehr beflissen]: Ja, Ariel! Ich weiß es wohl, du Luftikus; doch gilt es damit auch, so wollen es die Götter, den Himmel mit der Erde zu versöhnen. Drum bin ich hier, Zeus und Demeter schicken mich, dass ich die Rechte der Natur wahre.

Ariel [fast ein bisschen spöttisch]: Der Götterbote Hermes höchst persönlich, welche Ehre. Traut man mir dies nicht zu, die Welt zu informieren über das bevorstehende Freudenfest. Braucht man deine Bürgschaft, und genügt mein Wort nicht mehr.

Hermes [belehrt]: Oh nein, doch hier in diesem ganz besonderen Fall ist es vielleicht hilfreich, dass mein Vater Zeus ist und meine Mutter Maia eine Nymphe war... [ebenfalls ironisch] Im Übrigen: Wir wissen, dass du reiner bist als rein. Ariel, unser Bester! Kein Grauschleier trübt das Weiße deines Inneren.

Ariel [würdevoll]: Die reine Luft und ihre Winde sind mein Element. Die Geisterwelt ist meine Welt. Und spotte du nur, ich bin nicht - wie du - den Händlern, Wucherern und Dieben auskunftspflichtig.

Hermes [stolz]: Die Nachrichten sind leider selten gut. Und ich berichte, was mir aufgetragen, auch wenn’s um Börsenkurse oder andre Schelmenstreiche geht. Doch heute endlich eine gute Meldung, nicht aus der Unterwelt, von oben, von Aquarius...

Ariel [unterbricht ihn]: Mich hat Aquarius gebeten, seine Vermählung mit der Wasser-Nymphe Alva im ganzen Lande anzukündigen.

Hermes [fragt etwas überrascht]: Kennst du denn auch den Bräutigam Aquarius?

Ariel [erklärt mit lebhaften Gesten deklamierend]:
Er schürzet sich, blickt in den festen Spiegel,
Der aller Flüsse wandelnd Leben decket,
Und unter seinem heißen Blicke springet
Der zarten Nymphen und Sirenen Fessel;
Sie fassen dankbar seiner Jugend Schöne
Und eilen, sie in alle Welt zu tragen...

Hermes [zustimmend]: Ja so ist er, der Magier Aquarius. Ihn kenne ich schon lange [er schaut Ariel neugierig an] - die Braut hab ich übrigens nie gesehn.

Ariel [spontan]: Und die ist sehr schön. Sie ist blond... Und sie hat die schönsten Augen, die ich je gesehen habe.

Hermes [wehrt ab]: Ich bitte dich, wie sehn schöne Augen aus? Ist es der Blick? Ich habe Augen niemals schön gefunden...

Ariel [schüttelt den Kopf]: Gut, ich habe vielleicht ein wenig übertrieben. Sie ist aber eine hübsche Frau.

Hermes [versöhnlich]: Nun, sie soll ja nicht uns gefallen; und Aquarius spricht nur in höchsten Tönen über sie.

Ariel [ebenso]: So ist es. Und er will die Hochzeit ihr zuliebe hier, in diesem Tal ausrichten lassen.

Hermes [fast ein wenig enttäuscht]: Wir werden also eine Hochzeit auf dem Lande ausrichten... [mit Verve] Aber eine, wie sie hier noch nie gesehen wurde.

Ariel [emphatisch]: Ja, denn hier ist der Ort, an welchem alle Wesen glücklich sind; an welchem Götter, Menschen, Tier und Pflanze sich vereinen zu einem Kosmos, einer Einheit.

Hermes [bedächtig, fasst sich an die Stirn]: Oh ja, jetzt dämmert’s mir, warum mir aufgetragen wurde, hierher zur Hochzeit einzuladen. Und ich war unsicher, ob nicht doch der Olymp der rechte Ort für diese Freudenfeier sei. Doch wenn du sagst, dass hier ein Ort der Ruhe und des Friedens, der Versöhnung aller Elemente...[...ist]

Ariel [unterbricht ihn sanft]: Ja, der Versöhnung aller Elemente, Hermes! Dies trifft die Sache, trifft den Ort.

Hermes [zu sich]: Die Götter haben solch ein Fest der Einigkeit ganz dringend nötig. [zu Ariel] Dann lass uns eilen, allen diese Hochzeit anzuzeigen...!

Ariel [wehrt ab]: Zunächst muss ich noch alle Wesen der Natur, die Elfen in der Luft, im Wald und auf den Wiesen, um ihren Beistand zu dem Fest bitten.

Hermes [flehend]: Doch eile dich...

Ariel [hebt - beinahe segnend - die Hände und spricht in verkündendem Ton in die Luft]:
Wenn der Blüten Frühlingsregen
Über alle schwebend sinkt,
Wenn der Felder grüner Segen
Allen Erdgebornen blinkt,
Kleiner Elfen Geistergröße
Eilet, wo sie helfen kann,
Immer heilig, niemals böse,
Hilft dem edlen Wassermann.

Die ihr sein Haupt umschwebt im luft’gen Kreise,
Erzeigt euch hier nach edler Elfen Weise,
Beglückt die Braut mit duft’gem Hochzeits-Strauß,
Getroffen von des Eros glühend süßem Pfeile,
Und schmückt die Tafel festlich für den Hochzeitsschmaus.
Und auf dem Hochzeitsfest soll keine Langeweile
Die Gäste stören, nein, es gehe freundlich aus.
Und senkt die Braut zur Nacht ihr Haupt ins kühle Polster nieder,
Dann badet sie im Tau aus Lethes Flut;
Löst sanft die vor Verlangen zitternd-steifen Glieder,
Macht, dass sie wundervoll gestärkt dem Tag entgegenruht!
Vollbringt an ihm, dem Bräutigam, der Elfen schönste Pflicht,
Führt ihn hinauf zum ewig heil’gen Licht!

Hermes [nimmt ihn an der Hand und eilt mit großen Schritten davon]: Jetzt schnell, und keine Zeit vergeudet!

Interludium

Alva [sanft zu Aquarius, der sie zärtlich am Arm an der Szenerie vorbei führt]: All die fremden Frauen aus Hellas und die Nymphen und Feen, die jetzt den ganzen Raum um mich besetzt haben, werden ganz allmählich durch den gütigen Ablauf dieser Tage zurückgedrängt, ohne dass ich ihnen auch nur im Geringsten helfen müsste. Und ich kann, wie es sich als natürlich ergeben wird, schwach und still sein und alles mit mir ausführen lassen und doch muss alles gut werden, nur durch die verfließenden Tage.

Aquarius [spricht mit verkündender Stimme]: Ja, Liebste...! Harre nur eine kleine Weile, bis dann morgen unsere hohe Zeit heranreift. Ich sehe es vor mir: Musik liegt in der reinen Luft, und gelüftet ist der altgebaute, seliggewohnte Saal; um grüne Teppiche duftet die Freudenwolk und weithinglänzend stehn, gereiftester Früchte voll und goldbekränzter Kelche, wohlangeordnet, eine prächtige Reihe, zur Seite da und dort aufsteigend über dem geebneten Boden die Tische. Denn ferne kommend haben hierher, zur Abendstunde, sich liebende Gäste beschieden. [die beiden verschwinden wieder.]

 

Wasser: Reich des Poseidon

IV. Akt – in dem das verliebte Paar schließlich getraut wird.

Szene IV.1. Die Hochzeitsvorbereitungen - oder: Frauen unter sich

Die Frauen - d.h. von den Göttinnen nur Hera, die mütterlich für die Hochzeitsvorbereitungen sorgt, von den antiken Gestalten nur Echo, sowie alle einheimischen Nymphen, Feen etc. - sammeln sich, um mit Alva gemeinsam unter der Leitung von Hera die Hochzeitsvorbereitungen durchzuführen. Zwischen den Nymphen-Freundinnen der Alva, die bepackt mit Koffern und Taschen von auswärts zu Besuch kommen - Undine hat sie informiert - und die so zu Beginn zu den Anderen stoßen und das Schmücken der Braut übernehmen, und Hera entspannt sich eine intensive Diskussion über Ehe, Treue, Hochzeitsnacht...Auf der gegenüberliegenden Seite/im Hintergrund spielt der glückliche Ganymed ausgelassen mit den kleinen Nymphen, Nöcken, Feen und Faunen.

Chor der Sirenen [singen und summen, murmeln und tuscheln, zischeln und seufzen unsichtbar und verführerisch im Hintergrund des Wassers]:
Auf der Erde ist es schwül,
In den Wassern ist es kühl,
Sonne, Mond und alle Sterne
Stürzen sich hinein so gerne,
Denn im Wasser wird’s so klar,
Wie’s auf Erden traurig war.

Hera [zu den Frauen, die sich um die in der Mitte sitzende Alva versammeln]: Hört nur die Sirenen - ihren verführerischen Gesang.

Chor der Sirenen:
Ruhig schlaft ihr bei uns ein
In der Wasser grünem Schein,
Höret keine Kinder schrein,
Fühlet keine Liebespein,
Liebet ohne Eifersucht,
Findet alles, was ihr sucht.

Undine [lauscht andächtig und sagt verträumt]: Ja, die Sirenen; sie künden vom Stammvater Poseidon, in dessen Reich wir uns befinden.

Chor der Sirenen:
Was verloren in dem Meer,
Stehet da im Haus umher,
Alter Zeiten Schätz und Kunst
Brauchet ihr durch unsre Gunst,
Jeder Sturm bringt neue Gäst
Zu dem ew’gen Freudenfest.

Hera [nun sehr aufmerksam]: Sie künden die erwarteten Gäste der Braut an. [alle schauen erwartungsvoll]

Chor der Sirenen:
Wenn wir tanzen in dem Kreis,
Wirbelt sich die Welle weiß,
Wenn wir unten lustig sind,
Stürmet über uns der Wind,
Stürmt in unsrer Haare Glanz,
Und das kühlet in dem Tanz.

Schöne Melusine/Schöne Lau/Loreley [kommen während der letzten Strophe, die sie mitsingen; sie halten sich an den Händen und tanzen im Kreis; sie schauen sich um und sind erstaunt über die vielen Nixen, Nöcke, Feen etc., gleichzeitig]:
-
Da sind wir endlich, wurde auch Zeit...
- Doch wo ist Alva, unsere liebe Schwester?
- So viele Gäste, wie schön für sie!

Hera [klatscht in die Hände]: Wir haben Besuch und Hilfe bekommen. Alvas Freundinnen werden bei den Vorbereitungen zur Hochzeit helfen.

Echo [deutet auf die drei Nymphen, die sich zu Undine gesellt haben]: Elfen!

Schöne Melusine [fröhlich]: Wir kommen, um die Braut zu schmücken, doch hoffentlich sind wir noch früh genug...

Schöne Lau [ebenso fröhlich]: Grüß Gott, ihr Lieben. [sie umarmt Alva und küsst sie auf die Wange] Wir kommen spät, weil Melusine und Loreley [sie deutet bei den Namensnennungen auf die jeweilige Freundin] im Rhein auf mich warten mussten.

Schöne Melusine [lacht]: Bei unsrer schönen Lau weiß man nie, ob sie im Blautopf oder Schwarzen Meer erreichbar ist.

Schöne Lau [erklärt]: Diesmal lag die Verspätung nicht an der Erreichbarkeit oder gar Abkömmlichkeit; es war der neue Weg durchs Altmühltal. Ich hab den neuen Kanal das erste Mal durchschwommen und die geschundene Natur beweinen müssen...

Hera [deutet ins weite Rund]: Dann wird hier dieses paradiesische Tal dich wieder aufheitern.

Schöne Lau [legt den Arm zärtlich um Alvas Schultern]: Ach, die schöne Landschaft ist hier nur Beiwerk. Die Alva ist es und ihr Glück. [sie umarmt Alva wieder] Hoffentlich ist es, ist er dein Glück!? Wo ist und wer der Glückliche?

Alva [strahlend]: Mein Ganymed und mein Aquarius zugleich. Du wirst ihn sehen und du wirst begeistert sein.

Loreley [dreht sich tanzend und singend - auf die bekannte Loreley-Melodie - im Kreis]: Ich weiß schon, das muss was bedeuten...

Echo [mit einer Zeigegeste]: ...deuten....

Loreley [wie zuvor]: ...Dass ich so fröhlich bin...

Echo [zeigt auf sich selbst]: ...ich bin....

Loreley [freut sich wie ein Kind, und nimmt Alva im Tanz bei beiden Händen]: Alva, Alva. Ich kenn dich noch als kleines Mädchen... [Bleibt stehen und schaut Alva bewundernd lächelnd von Kopf bis Fuß an] Und jetzt, so groß, so schön... Und wie das Feuer der Liebe in dir lodert!

Hera [hausfraulich]: Nicht jede Frau, die ein Feuer anbläst, kocht auch.

Alva [schlägt die Augen nieder]: Ich habe geblasen und es brannte lichterloh.

Loreley [gibt zu bedenken]: Und du meinst, auch das ungewohnte Kochen des Alltags geht dann gut vonstatten? Ist es nicht besser, ungebunden, frei zu leben und zu lieben. Nur muss der rechte Mann für so ein Leben her...

Melusine [stimmt zu]: Und das sind die eigentlich Berufenen. Eine Frau nehmen ist alltäglich...

Hera [entgegnet sehr bestimmt]: Und keine Frau nehmen ist ein Wagnis. Und die Nachrede der Leute hat man noch obendrein.

Melusine [lächelt]: Diese Nachrede hat man immer. Es ist das erste, wogegen man gleichgültig werden muss. Nicht in Stolz, aber in Liebe.

Hera [nickt bedächtig mit dem Kopf]: Das will ich gelten lassen. Aber die Liebe des natürlichen Menschen bezeigt sich am besten in der Familie.

Melusine [hintergründig]: Ja, die des natürlichen Menschen...

Hera [schüttelt den Kopf]: Was ja so klingt, liebe Melusine, als ob du dem Unnatürlichen das Wort reden wolltest.

Melusine [sehr ernsthaft]: In gewissem Sinne, ja! Hera. Was entscheidet, ist, ob man dabei nach oben oder nach unten rechnet.

Hera [hart]: Das Leben rechnet nach unten.

Melusine [wieder lächelnd]: Oder nach oben; je nachdem.

Loreley [vehement dazwischen]: Doch was interessieren uns das Leben und die Liebe der Menschen. Es bringt doch nur Unglück...

Alva [bohrend]: Nur Unglück? Sag, wie meinst du das.

Loreley [wehrt ab]: Ach nichts, nur ist es manches Mal gewiss viel besser, sich im Rausch dem wilden Liebessturm der Leidenschaft hinzugeben - ohne das Band der Ehe. Wie es Melusine angedeutet hat.

Alva [fragend - fast ein wenig naiv]: Doch ist das Modell der Ehe, wie sie unter den Menschen üblich ist, nicht ein Vorbild für alle Wesen? Ja, auch bei den Göttern vorgelebt, [sie spricht Hera an] wenn ich den Zeus mit dir, du gute Hera, anschaue.

Hera [lachend]: Das meinte ich ja vorhin. Zeus und ich, wir sind das Vorbild für die Ehe der Menschen; wobei sich viele Männer leider den Zeus gar zu sehr als Vorbild nehmen... [alle Umstehenden lachen]

Schöne Lau [versonnen]: Auch ich wollte lange gern die Wohnungen der Menschen sehn; was alles sie darin gewerben, spinnen, weben, angleichen... auch wie ihre Töchter Hochzeit machen und ihre kleinen Kinder in der Wiege schwenken...

Die Umstehenden [neugierig drängend]: Und? - Hat es geklappt? - Wie war’s? - Komm, erzähl!

Schöne Lau [ganz gelöst in der schönen Erinnerung an die Tage in Blaubeuren]: Es war witzig und interessant, ein ganz anderes Leben als ich es üblicherweise lebte... Ich habe damals viel dazu gelernt; vor allem das Lachen. [sie entfernt sich mit dem Großteil der beteiligten Frauen im Folgenden ein wenig von der jetzt sitzenden Alva, der von Loreley mit einem großen goldenen Kamm das Haar gekämmt wird und die von Undine mit einer Nagelpfeile und Nagellack manikürt wird] Schaut, wie sie ihre Kinder wickeln. Gebt mir einmal ein Tuch, ein großes Kopftuch oder etwas Ähnliches... [sie bekommt eine Schürze oder ein Kopftuch gereicht und kniet sich zwischen die Umstehenden, die ihrer für das Publikum nun nicht mehr hörbaren Erläuterung mit gespannter Aufmerksamkeit folgen]

Alva [ganz versonnen zu sich, während Loreley ihr das Haar kämmt]: ...diese feierlichen Vorbereitungen, die Wichtigkeit, mit der jeder sein Geschäft betreibt, ein wahres Fest.

Loreley [fragend]: Was sagst du, liebe Alva? Kämm ich zu kräftig, ziept es?

Alva [sehr zart]: Nein, Lore, es ist alles nur so überwältigend.

Undine [die ihr die Finger manikürt]: Ja, so ist das vor der Hochzeit, vor dem folgenden Alltag, mit den Sorgen um des Liebsten Leben.

Alva [besorgt]: Wie meinst du das, Undine?

Loreley [schnell dazwischen]: Ach lass... [zu Undine] Freu’ du dich auch ein wenig und vertreibe deine dunklen Gedanken!

Undine [ruhig und fest]: Das ist leichter gesagt, als getan. Ich weiß, was ich weiß... [sie fasst sich] Fort mit den trüben Gedanken. Ich werde dir die Finger silber-blau lackieren, wie das Wasser, das wir alle so lieben. [sie kramt einen Nagellack aus einem Koffer und beginnt mit dem Lackieren der Fingernägel]

Alva [versonnen]: Ja das Wasser, das aus kalten Quellen und heißer Tiefe in diesem Tal so üppig sprudelt: Unser Element und Element des Lebens. Es war die Verbindung zwischen Aquarius und mir... [ganz ruhig] und wird unsere Verbindung auf ewig bleiben. Oh wie ich meinen Ganymed liebe, wie ich mich nach meinem Aquarius sehne...

Buckel-Nöck/Geißen-Faun [kommen, wohl leicht angesäuselt, durch die Szene geschlendert und grölen nach der Melodie des "Liedes der Deutschen" - oder, falls man’s nicht so politisch anspielend mag, auf eine speziell rhythmisierte Melodiefassung von "Au clair de la lune..."]:
Wen das Band der Liebe bindet ewig scheint er uns vereint;
wo sich Herz zum Herzen findet Hass und Zwietracht sind verneint.
Wen das Band der Liebe bindet, ist besoffen nur vor Lust,
Fühlt sich wie im siebten Himmel, denkt noch nicht an Alltagsfrust!

Wenn das Band der Liebe bindet, ohne Ausweg lebenslang,
und die Liebe langsam schwindet: gib ihm nach, dem wilden Drang,
nur das Leb(e)n währt lebenslänglich; wer nicht liebt Wein, Weib, (und) Gesang,
greift das Leben überschwänglich, bleibt ein Narr sein Leben lang!

Hera [schaut lachend hinter den beiden her]: Die Männer! Die sind in euren Kreisen auch nicht anders als auf dem Olymp oder unter den Menschen. [zur etwas entfernt sitzenden Alva] Nimm du dich nur in Acht vor ihren Lastern, ihrer Triebhaftigkeit...

Alva [scheint sie nicht zu verstehen]: Wie meinst du das?

Hera [macht eine Bewegung mit dem Kopf hinter den Davongrölenden her]: Schau dir die beiden an. Immer Frauen im Kopf und Alkohol im Blut...

Alva [widerspricht vehement]: Das glaube ich nicht! Und - haben die beiden nicht irgendwie recht? Wenn ich über dich nachdenke, und mir die Szenen zwischen dir und Zeus vergegenwärtige, die ich gesehen und mitgefühlt habe, scheint es doch so zu sein, wie die beiden singen...

Hera [versteht nicht]: Was haben die beiden denn gesungen, dass es an mich und Zeus erinnert?

Loreley lacht]: Ja, dass Liebende am Anfang im siebten Himmel schweben und später im alltäglichen Frust landen...

Undine [zu sich]: Wenn es nur das wäre, es kann auch in Tod und Vernichtung enden.

Hera [wischt die Bedenken beiseite]: Ach weg mit all dem trüben Zeug. Was gibt es Schöneres, als eine Ehe: Jetzt steht erst einmal der siebte Himmel an... [verschmitzt] Und die Hochzeitsnacht...

Alva: Die Hochzeitsnacht??

Hera [ungläubig]: Ja weißt du denn nicht, dass es darum etwas ganz Besonderes ist?

Schöne Lau [versucht Alva aufzuklären]: In dieser Nacht musst du dich besonders vorsehen. Sie kann entscheidend sein für deine Zukunft, für dein weiteres Glück.

Alva [schmunzelt]: Jetzt verstehe ich. Oh ja, Aquarius hat mir erzählt, was er vorhat in der Hochzeitsnacht. Es wird wunderschön und doch auch traurig werden.

Hera [schwärmerisch]: Ach was, der Schmerz beim ersten Mal vergeht sehr schnell; und dann ist nur noch Glückseligkeit...

Undine [bitter]: Auch die vergeht meist viel zu schnell...

Alva [sagt mit leuchtenden Augen]: Bei uns wird beides ewig dauern: Schmerz und Glückseligkeit! [alle schauen sie an] Und es wird traurig und wunderschön zugleich sein.

Hera [verständnislos]: Das versteh ich nicht. [schüttelt den Kopf] Traurig-wunderschön?

Alva [mit einer wegwischenden Handbewegung]: Aber lassen wir die ernsten Gedanken. Lasst uns fröhlich sein. [wendet sich an die schöne Lau] Du wolltest doch von den Menschen erzählen...?

Hera [wirft ein]: Sie hat schon...

Alva: Vielleicht den größten Spaß, den du bei deinen Menschen miterlebt hast...?

Schöne Lau [schmunzelt]: Da wär‘ schon etwas, ein Zungenbrecher, ja ein Sprachspiel, über das wir alle herzlich lachten und das den auf mir lastenden Fluch endgültig löste.

Alva [interessiert]: Au ja, wie geht der Zungenbrecher?

Schöne Lau [spricht in ziemlicher Geschwindigkeit den Zungenbrecher]:
’s leit a Klötzle Blei glei bei Blaubeura,
glei bei Blaubeura leit a Klötzle Blei.
Jetzt probiere du’s, Hera!

Hera [sagt ganz langsam und prononciert unschwäbisch]: ‘s leit a Klötzle Blei glei bei Blaubeura... [die Umstehenden beginnen zu kichern]

Schöne Lau [sagt vorwurfsvoll]: Nein Hera, so ist’s keine Kunst, es muss gehen wie geschmiert!

Hera [probiert es nun mit Geschwindigkeit und verhaspelt sich total]: ‘s leit a Klötzle Blei blei glei Blaubleura
blei brei Graubleura breit a Plötzle Klei...

Die Umstehenden prusten los und lachen lauthals, Hera lacht herzhaft mit, in den entstehenden Trubel hinein - alle tanzen um Hera herum und gemeinsam langsam aus der Szene - geht Alva murmelnd mit strahlendem Gesicht ein Wenig in Richtung Zuschauer, Melusine und Undine folgen ihr erstaunt.

Interludium

Alva [flüstert im Weggehen leise, kaum hörbar]: Ich will küssen! Küssen!

Melusine [bedrängt sie zart]: Alva sag, was heißt das Flüstern?

Undine [fragend]: Was bewegt dir leis die Lippen?

Alva [laut und sehnsuchtsvoll]: Ich will küssen! Küssen! sag ich. [sie läuft hastig davon, Melusine und Undine hinterdrein]

Aquarius [der abseits stehend die Szene der Hochzeitsvorbereitungen und die Liebessehnsucht der Alva beobachtet hat; emotional, sehr erregt zu sich]:
Sie liebt mich -
Und allen Weibern Hellas’ ich zum Trotz,
Beim Styx! beim ganzen Hades! - ich sie auch.

 

Szene IV.2. Der Einspruch des Hades

In die Hochzeitsvorbereitungen hinein platzt ein Diskurs zwischen den Brüdern Hades und Zeus. Die Hochzeitsgesellschaft bereitet das Fest weiterhin vor, dazu sphärische Klänge. Zunächst das Gespräch zwischen Hades und Demeter, in das sich später Ganymed und auch Undine einmischen und das im Disput zwischen den göttlichen Brüdern endet, in welchem Hades den Ganymed für sich beansprucht, wenn dieser es wagen sollte, die Wassernymphe Alva tatsächlich zu heiraten.

Hades [aus dem Off]: Persephone, meine geliebte Gattin, weilt schon geraume Zeit auf der Erde, und ihre Mutter Demeter schmückt sich und alle Welt vor Freuden darüber in den buntesten Farben, mit den reichsten Früchten. Und sie lässt Eros seinen Spaß am tollen Treiben des Lebens und der Liebe. Alles drängt zum Werden. Doch nichts kann werden, wenn nichts vergeht. Und alles Leben ist im Moment der Zeugung schon dem Tod anheim gegeben.

Demeter [abweisend]: Was willst du hier, Herrscher der Unterwelt. Hier ist die Freude zu Hause - und du bist völlig fehl am Platz.

Hades [ironisch]: Da irrst du, liebe Schwiegermutter! Denn bei der Freude wohnt das Leid, du weißt es, spürst es jedes Jahr im Jahreslauf aufs neue. Und ich bin hier, nur um zu holen, was mir zusteht.

Demeter [wehrt ab]: Was dir zusteht, Hades? Persephone ist nicht hier, und überdies: Was sollen solche Reden?

Hades [lacht satt und zufrieden]: Es geht mir nicht um deine Tochter, liebe Demeter. [nach einer Pause, lauernd] Du weißt, warum einst Troja unterging?...

Demeter [fällt ein]: Du langweilst, das weiß jeder: Weil Hera ihre Eifersucht und ihren Zorn nicht im Zaum halten konnte.

Hades [ironisch lauernd]: Mag sein, jedoch ich meine: Der Beginn war wohl ein anderer. Peleus heiratete die Meeresnymphe Thetis. Doch die Göttin Eris rächte sich, weil sie nicht eingeladen war. Sie säte aus, was Menschen wie Götter ins Verderben stößt: Ihr Gift der Zwietracht. So nahm das Unheil seinen Lauf. Der Liebe und der Ehe wohnt die Zwietracht nahe. Und hier besonders, denn: Stets gibt es Unglück, wo sich ein Sterblicher mit einer Wassernymphe liebend verbindet.

Demeter [nachdenklich]: Da hast du recht, ich erinnere... Und es begann dort alles auch mit einem Schönheitspreis, den Páris der Liebesgöttin Aphrodite zusprach... Und es endete in Tod, Verwüstung, Chaos... [wieder fester] Doch was hat das mit unserem Hochzeit-Fest der Alva mit Aquarius zu tun? Du, Hades, hast doch damit nichts zu schaffen!

Hades [widerspricht]: Oh doch, du irrst schon wieder, Demeter. Dies Fest wird mir den Ganymed und auch Aquarius in meine Herrschaft überführen.

Demeter [wehrt ab, mit ironischem Unterton]: Wie könnte dies ein Hochzeitsfest. Das ist der Augenblick im Leben, wo nichts dem Menschen ferner ist als du und dein Reich, mein lieber Bruder Hades.

Hades [sicher]: Du wirst schon sehen, denn es gibt Gesetze, die mir die beiden überantworten.

Demeter [unsicher]: Es gibt Gesetze, wo, von wem erlassen?

Hades [würdevoll]: Gesetze der Natur, die schon von Anbeginn des Kosmos wirken und deren Geltung ewig währt.

Ganymed [hat Demeter schon eine Weile von der den Hochzeitsvorbereitungen gegenüberliegenden Seite beobachtet, wo er mit den kleinen Nöcken und Nymphen gespielt hat; er ist, mit einem kleinen Nöck an der einen und einer kleinen Fee an der anderen Hand, langsam näher getreten; er mischt sich ins Gespräch ein]: Was sollen diese Spitzfindigkeiten; Demeter, mit wem verhandelst du?

Hades [tritt nun aus dem Hintergrund schwarz und streng auf]: Mit mir, mit Hades, dem ein jeder Mensch bei Zeiten dienen muss.

kleiner Nöck [sich ängstlich an Ganymed klammernd]: Wer ist der schwarze, unheimliche Mann. Ich fürchte mich...

Ganymed [legt den Arm schützend um ihn]: Hades, der Herrscher in der Unterwelt...

kleine Nymphe [erschrickt]: Der Tod, der Sensenmann...?

Ganymed [beruhigt die beiden]: Mehr als der Tod: Der Gott des Todes. Doch ihr habt ihn noch nicht zu fürchten.

Hades [zu den beiden Kleinen sehr freundlich]: Noch nicht, ihr Kinder, ihr habt noch einen weiten Weg. [zu Ganymed] Doch du läufst schnurstracks mir in meine Arme.

Ganymed [schüttelt den Kopf]: Ich habe nichts mit dir zu schaffen, und fürchte dich auch nicht. Denn deiner Macht sind Grenzen auferlegt, wo Aphrodite herrscht...

Hades [noch sanft, aber schon grimmig lauernd]: Wo heilige Gesetze gebrochen werden, hilft auch die Liebesgöttin nicht; denn: [holt unter seinem Mantel eine rote Rose hervor, die er vor sich hält] Die Liebe ist nicht schön - es ist nur der Traum der Liebe, der entzückt. Höre, Jüngling! Siehst du an meiner Brust die Geliebte, o so brich sie schnell, die Rose, [er wirft Ganymed die rote Rose zu und holt eine weiße aus seinem Mantel] und wirf den weißen Schleier über das blühende Gesicht. Die weiße Rose des Todes ist schöner als ihre Schwester, denn sie erinnert an das Leben und macht es wünschenswert und teuer. Über dem Grabhügel der Geliebten schwebt ihre Gestalt ewig jugendlich und bekränzt und nimmer entstellt die Wirklichkeit ihre Züge... [er lacht hämisch]

Ganymed [schüttelt den Kopf und entreißt ihm die weiße Rose]: Du machst mir keine Angst. Die Rosen nehm ich gern und lass mir einen Brautstrauß winden für Alva, aus Liebe und aus Unschuld. Und will dein lasterhaftes Reden gar nicht hören.

Hades [ernst]: Höre, Ganymed. Noch wäre es nicht zu spät. Ich bin nicht wild auf Herrschaft über dich, noch über einen andern Menschen. Doch keiner kann das Schicksal wenden, das jedem Erdenwurm am Lebensende blüht; schon gar nicht der, der gegen heiliges Gesetz verstößt. Sag diese Hochzeit ab. Du kannst dich nicht mit einer Wassernymphe, einem Fischweib trauen lassen.

Ganymed [stolz und feurig]: Ich kann nicht? - Und ob ich kann! Alva entsagen? Nie! Und mit dir möchte ich nichts weiter zu schaffen haben. [nimmt die beiden Kleinen fest an der Hand und eilt davon] Kommt! Dies ist kein Ort und kein Gespräch für Kinder und Verliebte...

Hades [ruft ihm nach]: So wird dein Schicksal sich erfüllen. Nach eurer Hochzeit bist du mein!

Undine [tritt hinzu und stimmt ihm traurig zu]: Ja, Hades, leider hast du recht und bist im Recht. Hier haben die Kraft der Menschen und die Macht der Götter ein Ende. Wir Wasserwesen wollen den Menschen-Mann umgarnen, und es gelingt uns auch. Doch was danach geschieht... Ich hab es bitter erfahren, und nur im traurig-trüben Gedicht lebt die Begegnung zwischen unsereins und Menschen ewig fort:

Am grünen Teich
Der Knabe so bleich
Sang einsam seine Lieder.
Im Grunde so tief
Die Nixe schlief.
Da weckten die Klänge sie wieder.

Hinab, hinauf!
Im Strudellauf
Zerteilen sich die Wogen;
Bei Mondeslicht
Ein bleich Gesicht
Kommt still heraufgezogen.

"Lieb Knabe traut,
Es ruft die Braut!"
Leis hat die Nixe gesungen.
Ein Arm so weiß,
So kalt wie Eis,
Hat bald den Knaben umschlugen.

"Wie wohl, wie warm
In deinem Arm!
Lieb Knabe, lass uns scherzen!"
Die Nixe sang,
Dem Knaben drang
Der kalte Tod zum Herzen.

Aber dies Schicksal muss nicht sein. Du kannst es aufhalten, du hast die Macht, wie einst bei Orpheus eine Ausnahme zu machen

Hades [lacht]: Ha! Und wie ging meine Milde damals aus? Es hat sich nicht für ihn und nicht für Eurydike gelohnt. Denn was er mit mir ausgemacht, das konnte er nicht halten. Er hat sich umgeschaut nach der Geliebten: Und sie war ewig mein.

Demeter [versucht ihn milde zu stimmen]: Sei doch noch dieses Mal versöhnlich und kein solches Ungeheuer...

Hades [unwirsch fragend]: Du nennst mich Ungeheuer? Mich? Der ich das Schicksal nur erfüllen muss, an denen, die am Ende allenfalls die Überfahrt zu mir verdienen, denn nichts ist ungeheuerlicher als der Mensch.

Demeter [versucht weiterhin zu vermitteln]: Er ist der Schöpfung Krone, manches Mal Spielzeug der Götter, der Natur-Gewalten im Jahreszeiten-Wechsel. Doch ist er auch zugleich das Ebenbild der Götter.

Zeus [mischt sich aus dem Off ein]: Recht hast du, Demeter, nimm ihn in Schutz, den Menschen. Denn was wären wir, gäb‘ es ihn nicht?

Hades [poltert wütend]: Oha, mein Bruder Zeus höchst persönlich mischt sich ein. Ich will dir kurz und knapp den Menschen definieren, so wie ich ihn seh’: Der Mensch entsteht aus Morast, und watet eine Weile im Morast, und macht Morast, und gärt wieder zusammen in Morast, bis er zuletzt an den Schuhsohlen seines Urenkels unflätig anklebt. Das ist das Ende vom Lied - der morastige Zirkel der menschlichen Bestimmung, und somit glückliche Reise, Herr Bruder! Der milzsüchtige, podagrische Moralist von einem Gewissen mag runzligte Weiber aus Bordellen jagen, und alte Wucherer auf dem Todesbett foltern - bei mir wird er nimmermehr Audienz bekommen!

Zeus [lachend]: Hab ich, hat dein Gewissen dich um Audienz gebeten? Hast du so etwas überhaupt, kannst du dir’s leisten?

Hades [würdevoll]: Ich halte mich nur an die Regeln und Gesetze, die für jeden Gültigkeit besitzen. Und wer ein Fischweib ehelicht, ist mein. Das weißt du ganz genau, und auch dein Einspruch ändert nichts daran.

Zeus [sehr vergnügt]: Nun hab ich richtig Spaß an dem, was folgen wird. Und bin gespannt - obwohl ich’s weiß -, wer recht behalten wird.

Hades [sehr bestimmt]: Auf meiner Seite ist das Recht! Das kannst auch du nicht beugen, Zeus.

Zeus [wie zuvor]: Zwischen Recht haben und Rechthaberei da liegen Welten, lieber Bruder!

Hades [unwirsch]: Lass das, sie werden mein, und damit basta!

Zeus [schmunzelnd]: Da hat Aquarius längst vorgesorgt. Ein schlauer Fuchs, in vielen Jahren weise geworden...

Hades [hämisch lachend]: Da hat Aquarius vorgesorgt?! Da gibt’s nicht vorzusorgen, nur zu sorgen.

Zeus [voller Begeisterung]: Oh nein, das Arrangement ist wundervoll, das sich Aquarius ausgedacht hat. Es schützt ihn vor dir, lieber Bruder. [lachend] Und lässt zudem jedem seinen Spaß!

Hades [hinterhältig, aber unsicher]: Wie meinst du das, oh Zeus? Vor mir geschützt, wenn er als Mensch sich traut und mit dem Fischweib trauen lässt.

Zeus [ironisch]: Du wirst es sehen, lass dich überraschen!

Hades [geht auf Zeus’ Ton ein]: Ich fass mich in Geduld und warte eine Weile. Doch wenn die Hochzeit um ist, hol ich mir das Menschlein, und keine Macht der Welt kann mich dran hindern...

Zeus [lacht lauthals]: Es ist zum Lachen.

Hades [siegessicher]: Ich habe Zeit und: Wer zuletzt lacht, lacht am besten! [er verschwindet laut lachend in einer Rauchwolke in einem Spalt der sich öffnenden Erde]

Zeus [kichernd]: Ganz recht, wer zuletzt lacht... [lacht donnernd]

Interludium

Aquarius [hat von der Seite die Szene beobachtet, tritt ein wenig vor und ruft mit empor gestreckten Händen]:
Poseidon, mächt’ger Gott!
Der du die Wasser legtest an die Zügel,
Den Tod mir scheuchtest von dem feuchten Mund.
Zeus, mächtig über allen, hehr und groß!
Und Liebesgöttin, du, die mich berief,
Den kundlos Neuen, lernend zu belehren
Die Unberichteten, was dein Gebot.
Steht ihr mir bei und leitet wie bisher!

 

Szene IV.3. Die Hochzeitsfeier der Alva mit Aquarius/Ganymed

Die himmlische Hochzeit zwischen Alva und Aquarius/Ganymed als rauschendes Wasser-Fest. Zunächst die göttliche Zeremonie, apollinisch streng, bei der ein kleiner Nöck mit einer kleiner Blumenfee aus kleinen Körben vor Alva Blüten ausstreut; darauf folgend die dionysisch-ausschweifende Party, mit Musik und Tanz am und im Wasser. Das Ganze schwingt im versöhnlichen Abschied des Aquarius von seiner Alva und der mythischen Begründung Herrenalbs aus. Es bleibt der Regie überlassen, inwieweit das Element Wasser hier aktiv mit einbezogen wird. Zu Beginn kommen die unterschiedlichen Gruppen aus den verschiedensten Richtungen auf die Szenerie gelaufen / geschlendert / geschwommen / getanzt... Als erster Ganymed, der einen Strauß blauer (Wasser)-Blumen mit der weißen und roten Rose in der Mitte in Händen hält, mit dem kleinen Nöck und der kleinen Blumenfee, um die der Geißen-Faun mit anderen im Tanz ausgelassen herumhüpft.

Ganymed [zu den beiden Kleinen]: Und vergesst nicht, die Blumen schön gleichmäßig zu verteilen, vor Alvas Füßen.

kleiner Nöck [gleichzeitig mit der kleinen Blumenfee]: Das ist doch klar...

kleine Fee: Und wo sie steht, besonders viele...

Ganymed [legt die Arme um beide]: Ich bin so durcheinander, all das Glück. Kann kaum mehr richtig denken, weil alles voller Liebe ist...

Geißen-Faun [tänzelt bei ihm vorbei und hat die letzten Worte aufgeschnappt]: So eine Liebe nur im Kopf, ist doch ein Hirngespinst, nur Phantasie...

Ganymed [unterbricht ihn]: Was? Nur Phantasie wär‘ meine Liebe?

Geißen-Faun [lachend]: So sagt Euer Vetter! [deutet nach hinten ins Unbestimmte in Richtung Aquarius, der sich langsam und würdevoll nähert]

Ganymed [sehr bestimmt]: So ist Phantasie tausendmal besser als die Wirklichkeit! [nach einer kurzen Pause, kurz angebunden] - Jetzt geh fort! [der Faun trollt sich zu den anderen feiernden Nymphen etc.; zu sich] Aquarius liebt Alva nur im Kopf, wie’s seine Art ist, und ich lieb sie mit jeder Faser meines Körpers. Sind Phantasie und Wirklichkeit in ihm und mir, in uns nicht eins? [Aquarius ist unterdessen zu ihm getreten und hat die beiden Kleinen an die Hand genommen, die beim Näherkommend von Alva sofort zu dieser laufen und Blumen auf den Weg streuen; wenn Alva stehen bleibt, streuen sie einen Kreis um sie und kehren dann an die Hand von Aquarius zurück]

Poseidon [taucht mit Dreizack und großem Muschelhorn aus den Fluten auf, und bläst in sein Horn]: Wo ist meine Urenkelin - die Braut? Alva, komm zu mir!

Ganymed [deutet zur Gruppe der sich nähernden Frauen, in deren Mitte Alva strahlt]: Dort kommt sie schon, die Schönste der Schönen, [schwärmerisch] die Liebste der Lieben...

Poseidon [leutselig, wie der reiche Onkel aus Amerika]: Dann musst du Ganymed sein, der Bräutigam!?

Ganymed [freudig]: Ja, der bin ich. Und ich freue mich, dass du, Poseidon, uns die Ehre machst, zu kommen.

Poseidon [wie zuvor]: Ich komm nicht nur als Gast, ich komm als Herrscher hier im Wasserreich. Als solcher werd ich auch den Akt der Trauung zelebrieren. [zu Alva, die inzwischen bei ihm angelang ist - der kleine Nöck und die Blumenfee streuen eifrig ihre Blumen] Da bist du ja! Lass dich an meinen Busen drücken... [umarmt sie überschwänglich und nass]

Alva [sie schiebt ihn vorsichtig von sich]: Brrrr... du nasser Wasser-Opa; sei mir gegrüßt! [sie gibt ihm einen Kuss auf die Nase]

Poseidon [breitet nochmals seine Arme aus, um sie wieder an sich zu drücken]: Jetzt aber, - Alva! Du wirst doch nicht dein Element verleugnen... [sie drückt ihn sanft aber bestimmt auf Abstand]

Alva [lachend]: Lieber Poseidon, du zerstörst mir ja Kleid und Frisur in deiner Wiedersehens-Freude.

Poseidon [generös lachend]: Schon gut, Liebes. [tätschelt ihr feucht die Wange] Und das ist also dein Bräutigam. [er nimmt Aquarius und Ganymed je in einen Arm und strahlt Alva an] Da hast du gut gewählt, sehr gut, mein Kind!

Aquarius [mit Ernst und Rührung in der Stimme]: So kommt nun der geheiligte Moment...

Ganymed [fröhlich]: Die Stunde, die ich lange mir ersehnt...

Alva [strahlt alle drei an]: Die Erfüllung aller Sehnsuchtsträume...

Poseidon [ruft alle zusammen, indem er mit einem Dreizack wild in der Luft herumschlägt]: Dann lasst uns nun die Hochzeitszeremonie beginnen. Kommt und versammelt euch alle hier vor dem Brautpaar.

Geißen-Faun [lustig dazwischen]: Das ist ein Brauttrio...

Buckel-Nöck [fällt lachend ein]: Ja, ‘n ziemlich flotter Dreier...

Poseidon [generös-leutselig]: Ach ihr! Es ist doch jedem klar, wer Ganymed und wer Aquarius ist: Die beiden Seelen, ruhend in der Männerbrust...

Buckel-Nöck [grinsend]: Doch eher passen in die Brüste Alvas zwei Seelen. [die Nöcke und Faune lachen und machen entsprechende Bewegungen]

Poseidon [ernst]: Jetzt ist’s genug der Scherze, die Sache ist zu ernst. [alle beruhigen sich und erwarten das Folgende mit gespannter Aufmerksamkeit] Wir wollen die Zeremonie nun in alt-gewohnter Form beginnen!

Hera [fragend]: Das gleiche Procedere wie letztes Mal?

Poseidon [fast ein wenig vorwurfsvoll, so als verstünde er die Frage nicht]: Die gleiche Prozedur wie jedes Mal!

Demeter [fragt nach]: Mit Freudenhymnus, [sie schaut fragend in die Runde] obwohl Apoll und Aphrodite nicht bei uns sind, ihn anzustimmen?

Poseidon [drängend]: Natürlich mit! [er deutet auf Hera] Hera wird ihn anstimmen, sie war von Anfang an bei allen Eheschließungen dabei, und hat die meiste Erfahrung damit. [er winkt die Nymphen herbei] Doch füllt zuvor die Gläser, die Pokale. [die Nymphen beginnen sofort damit und schenken zunächst den Olympiern ein; während diese zu singen beginnen, folgen die Anderen] Auf Hera, stimm an - und lasst uns die Freudenhymne beginnen!

Hera [ganz wichtig]: Nun denn, wenn du mir dies Amt zutraust.

Hera fängt zu singen an, die Götter und Antiken fallen nach und nach, zunächst summend, dann mit voller Stimme, in den Gesang ein; bis - etwa ab "Wem der große..." - ein machtvoller Chor durchs Tal braust.

Die Götter [singen auf die Melodie der "Ode an die Freude", aus dem Finalsatz von Beethovens neunter Sinfonie, (d-Moll, op.125)]:
Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium,
Wir betreten feuertrunken
Himmlische, dein Heiligtum.
Deine Zauber binden wieder,
Was der Mode Schwert geteilt;
Bettler werden Fürstenbrüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.

Wem der große Wurf gelungen,
Eines Freundes Freund zu sein;
Wer ein holdes Weib errungen,
Mische seinen Jubel ein!
Ja - wer auch nur eine Seele
Sein nennt auf dem Erdenrund!
Und wers nie gekonnt, der stehle
Weinend sich aus diesem Bund!

Alle gemeinsam [mit großer Emphase]:
Was den großen Ring bewohnet,
Huldige der Sympathie!
Zu den Sternen leitet sie,
Wo der Unbekannte thronet.

Alle Frauen [die Wald-, Wiesen- und Wasserwesen mit schunkelnden, tänzerischen Bewegungen, die anderen eher statisch]:
Freude trinken alle Wesen
An den Brüsten der Natur,
Alle Guten, alle Bösen
Folgen ihrer Rosenspur.
Küsse gab sie uns und Reben
Einen Freund, geprüft im Tod.
Wollust ward dem Wurm gegeben,
Und der Cherub steht vor Gott.

Freude heißt die starke Feder
In der ewigen Natur.
Freude, Freude treibt die Räder
In der großen Weltenuhr.
Blumen lockt sie aus den Keimen,
Sonnen aus dem Firmament,
Sphären rollt sie in den Räumen,
Die des Sehers Rohr nicht kennt.

Alle gemeinsam [Mit schmetternden Stimmen]:
Froh, wie seine Sonnen fliegen,
Durch des Himmels prächtgen Plan,
Laufet, Brüder, eure Bahn,
Freudig wie ein Held zum Siegen.

Alle Erd-/Wasserwesen [singen in Richtung der Götter]:
Göttern kann man nicht vergelten,
Schön ists, ihnen gleich zu sein.
Gram und Armut soll sich melden,
Mit den Frohen sich erfreun.
Groll und Rache sei vergessen,
Unserm Todfeind sei verziehn,
Keine Träne soll ihn pressen,
Keine Reue nage ihn.

Freude sprudelt in Pokalen,
In der Traube goldnem Blut
Trinken Sanftmut Kannibalen,
Die Verzweiflung Heldenmut.
Brüder, fliegt von euren Sitzen,
Wenn der volle Römer kreist,
Lasst den Schaum zum Himmel spritzen:
Dieses Glas dem guten Geist.
[beim letzten Vers schütten die Erd- und Wasserwesen das zuvor in die Höhe gehaltene Glas in hohem Bogen in die Natur]

Alle gemeinsam [heben die Gläser in die Höhe, und wer noch etwas im Glas hat, gießt es beim entsprechenden Vers in die Natur]:
Den der Sterne Wirbel loben,
Den des Seraphs Hymne preist,
Dieses Glas dem guten Geist
Überm Sternenzelt dort oben!

Zeus [mit generöser Stimme]: Danke, danke! Ich bin hier unten - bei euch - selbst Aquarius ist vom Sternenzelt herabgestiegen... Aber ich bitte euch, verschüttet nicht so viel von dem guten Nass! Erhebt das Glas auf Alva und Aquarius, [er setzt nach kurzer Pause hinzu] und - natürlich - auf Ganymed, den Liebling der Götter und Nymphen. [er lacht, die Nymphen füllen nebenher wieder allen die Gläser]

Poseidon [sehr förmlich, wie ein Standsbeamter]: Dann lasst uns die Zeremonie fortführen. [Ganymed und Alva stehen gesenkten Hauptes vor ihm, während sich Aquarius etwas hinter Ganymed aufhält] Wer zeugt für Braut und Bräutigam? [blickt in die Runde]

Aquarius [tritt neben Ganymed]: Für Ganymed will ich der Zeuge sein, [lächelnd] denn niemand kennt ihn so wie ich...

Hera [hinterhältig]: Geht das denn...?

Zeus [belehrend dazwischen]: Mein liebes Weib, das haben wir doch vorher schon diskutiert, lass das doch... [beiseite] - diese Frau macht mich wahnsinnig - [wieder laut] und störe nicht den Fortgang der Feier!

Hera [spöttisch]: Na... wenn du meinst; so lang er nur für ihn und nicht mit ihm zeugt [sie lacht] - ich will nicht wieder Streit mit dir...

Zeus [ermattet]: Das ist wohl auch besser so! [mehr zu sich] Dies ewige Rumgenörgele hab ich langsam satt...

Poseidon [ein wenig unwirsch]: Habt ihrs endlich? Könnt ihr eure Eheprobleme nicht ein anderes Mal diskutieren? [zu den Anderen, wiederum sehr förmlich] Und wer zeugt für die Braut, die Alva?

Fortuna [tritt aus dem Hintergrund hinzu]: Ich denke, dies ist mein Part; denn was ich begonnen habe, will ich auch vollenden.

Poseidon [mit Würde]: Dann bitte ich die Zeugen hier zu meiner Rechten und Linken und das Brautpaar vor mir Aufstellung zu nehmen. [er deutet mit seinem Dreizack in die jeweilige Richtung]

Es entsteht ein Durcheinander, weil sich die Nymphen, Faune und Nöcke durch die Olympier drängeln, um alles genau beobachten zu können. Zudem wird weiterhin ausgeschenkt und die Jüngeren wuseln in der Gegend umher und spielen Fangen. Als Aquarius, Fortuna, Alva und Ganymed Aufstellung genommen haben, bleiben auf den lauten Ordnungsruf des Poseidon hin alle an dem Ort in der Bewegung stehen, so dass sich ein eingefrorenes Bild ergibt, das sich mit dem Ja-Wort und Kuss des Paares auf einen Schlag wieder belebt.

Poseidon [macht mit seinem blitzenden Dreizack eine Bewegung durch die Luft und ruft mit dröhnender Stimme]: Quallengift und Haifisch-Zahn! Ruuuhe! [alles steht gebannt, Poseidon lacht breit und stellt sich in Positur] Ganymed, willst du die holde Alva in alle Ewigkeit lieben, dann antworte mit: Ja.

Ganymed [strahlt Alva an, freudig]: Ja, für immer und ewig.

Aquarius [schaut beide an, gleichzeitig sehr ernst]: Unendlich wie der Sternenhimmel...

Poseidon [schüttelt in Richtung Poseidon verständnislos den Kopf und fährt fort]: Und du meine liebe Ur-Ur-Enkelin Alva; willst auch du den Ganymed als treusorgendes Weib...

Alva [unterbricht ihn, indem sie Ganymed und Aquarius gleichzeitig umarmt und ausruft]: Oh ihr Zwei! Meine Liebe wird währen, solange noch ein Tropfen Wasser durch dies Albtal fließt. Ich liebe euch. [sie küsst beide abwechselnd, während ein lautes Gejohle und Glückwünsche, Hochlebe-Rufe und Gläserklirren anhebt, Poseidon wird von der Menge weggespült]

Der berühmte Song aus Hair wird - schon während der Trau- und Trinkzeremonie - gespielt: "This is the dawning of the Age of Aquarius..." Einige beginnen mitzusingen/-summen. Nachdem der Pokal geleert ist, tanzen die Erwachsenen eng umschlungen. Bei den Antiken tanzen auch die Frauen miteinander. In der Mitte Ganymed, Aquarius und Alva als Tanztrio. Die älteren Jugendlichen tanzen ebenfalls oder lungern mit den kleineren im großen Halbkreis um die Tanzenden herum und begaffen diese, tanzen zum Teil auch mit. Schon während und vor allem am Schluss des Songs sinken manche ermattet ins Liebeslager, andere schlagen sich in die Büsche.

Geißen-Faun [völlig außer Atem und begeistert]: Das ist ne Party... Wow! So was hab ich noch nicht erlebt.

Heide [schmiegt sich eng an ihn]: Ja, echt göttlich.

Geißen-Faun [versucht sie zu küssen, doch sie entwindet sich ihm, obwohl man merkt, wie sehr sie seine Annäherung genießt]: Du sagst es, Heide: göttlich! Und die Götter - richtig menschlich.

Heide [lacht]: So wie du und ich.

Geißen-Faun [lacht auch]: Na ja, wir sind ja nicht grad menschlich, ich fühl mich eher tierisch gut - sauwohl.

Heide [gurrt ihn verführerisch an]: Und ich könnt turteln wie die Vögel, die Täubchen, die ich sonst so gerne füttere und ihrem Gurren lausche...

Geißen-Faun [bedrängt sie]: Dann lass mich dein Tauberich sein...

Heide [breitet die Arme aus und dreht sich träumerisch im Kreis]: Ich bin frei wie ein Vogel - ich hebe ab, ich glaub ich flieg gleich los.

Geißen-Faun [umarmt sie leidenschaftlich]: ...lass uns gurren und schnäbeln und vöge...

Heide [hält ihn zurück und sagt ernst, fast vorwurfsvoll]: Halt, mein Faun, bevor dir wieder nur eine neue Obszönität entschlüpft.

Geißen Faun [schaut sie verwundert an]: Was hast du, Heide! Ist doch nur Spaß, ein kleiner Scherz. - Du magst das doch, wenn ich mal eine deftigeren Spruch klopfe, oder?

Heide [sehr ruhig]: Natürlich mag ich’s, doch nicht immer. Manchmal wär‘ ein bisschen Ernst und auch Kultur wohl angebracht. [sie schaut ihn voll an] Wenn es um uns geht...?

Geißen-Faun [freudig erstaunt]: Um uns? Heide, wie meinst du das?

Heide [zärtlichstrahlend]: Wie wäre es, wenn ich dir sage, dass ich dich wirklich liebe.

Geißen-Faun [schaut erstaunt, ungewohnt sanft]: Das ist schön, Heide. [er umarmt sie zärtlich] Denn ich lieb dich auch; schon lange, und du glaubst gar nicht, wie sehr. [er zieht sie hinter sich her] Doch komm jetzt... [lachend] wichtige Geschäfte warten auf uns...

Heide [lässt sich gerne von ihm mitziehen, lachend]: Ach, du! Du denkst doch immer nur... [lacht hell glucksend] Typisch Mann...

Helena [zeigt hinter den beiden her]: Gleich und gleich gesellt sich gern. Die zwei sind glücklich - und naiv. Mir ist die Unbekümmertheit der Liebe in Troja abgefackelt worden...

Buckel-Nöck [lacht]: Wie meinst du: die Liebe abgefuckt?

Helena [unwirsch]: Könnt ihr Grünen nicht einen Augenblick ernst sein, das Leben nicht nur als großes Happening begreifen?

Buckel-Nöck [schüttelt sich vor Lachen und macht obszöne Gesten, die sie auffordern sollen, mit ihm zu kommen]: Ja ein Happening, wie wär’s denn mit uns beiden?...

Helena [sie fällt aus der Rolle und herrscht ihn an]: Verpiss dich! [er trollt sich lachend zu seinesgleichen; sie sagt mehr zu sich:] Das scheint die einzige Sprache zu sein, die der versteht!

Demeter [schaut sie ein wenig vorwurfsvoll von der Seite an, ironisch]: Na, na, na... So kenne ich dich ja gar nicht!

Diana [fast unfreundlich tadelnd]: Lass doch die Nöcke und die Nymphen in ihrer Unbekümmertheit in Ruhe. Alva gehört zu ihnen und gehört doch auch zu uns...!

Helena [laut und arrogant]: Der Ton macht die Musik, und wer mich reizt, dem weiß ich reizvoll zu begegnen; [wendet sich belustigt an die unter den Festgästen anwesende Echo] Echo kann es bestätigen: Der Wald wundert sich manchmal, wie es aus ihm schallt - nicht immer ist es die Antwort auf das, was man hineinruft.

Echo [antwortet laut]: Nein ruft!

Diana [mischt sich fragend ein]: Wer soll hier "nein" rufen? Alva hat doch zugestimmt!

Helena [lacht]: Klar... Nein gesagt hat Keiner...

Echo [laut]: Einer...

Diana [verwirrt]: Wer jetzt?

Echo [sofort]: Er jetzt.

Diana [zu Helena]: Was? Hat Ganymed etwa...

Helena [lacht mit den Umstehenden]: Ach was, Diana! Du kennst doch Echos Auslegung der Welt...

Echo [unmittelbar]: Erwählt!... [alle lachen]

Demeter [deutet zu Alva und Ganymed, die ganz versunken voreinander knien]: Da schaut nur, dies Glück, diese Seligkeit...

Echo [geht einige Schritte beiseite]: Ehelichkeit... [alle anderen treten in einen Halbkreis um die Hochzeitsgruppe]

Ganymed [emphatisch]: Oh meine geliebte Alva. Nun ist vollzogen, was doch schon vollzogen war. [nimmt ihr Gesicht in beide Hände und küsst sie zärtlich]

Alva [schwärmerisch]: Es war wunderbar, es ist phantastisch und wird auf ewig traumhaft sein.

Ganymed [zurück genommen]: Ja es wird ein Traum, nur ein langer Traum sein.

Echo [etwas entfernt]: Schaum sein...

Alva [wie zuvor]: Ein niemals endender...

Ganymed [leise]: Von Ewigkeit zu Ewigkeit... [fasst sich] Doch habe ich für dich, du meine Liebste, auch ein Geschenk zu diesem Freudentag.

Alva [ganz zart]: Ein Geschenk bist du für mich, was brauch ich mehr?

Ganymed [fest]: Ein Pfand der Liebe in deine zarte Hand, unter deinen zierlichen Fuß, um deinen göttlichen Leib...

Echo [die nun entfernt steht]: Göttliches Weib...

Alva [fragt unsicher]: Ein Pfand?

Aquarius [beugt sich über Ganymed hinweg zu Alva, und nimmt zart ihre Hand]: Dies schöne Fleckchen Erde - Wiesen, Wald und Wasser - an dem selbst Götter Urlaub machen, wohin sie flüchten aus dem Stress der neuen Zeit, sei meine Morgengabe für dich, geliebte Alva.

Zeus [mit machtvoller Stimme aus dem Off]: So sei es!

Aquarius [Ganymed verschwimmt mit Aquarius, wird eins mit ihm]: Soweit das Auge hier blicken kann, soll dieses Land in seiner Schönheit ein Zeugnis unserer Liebe sein. Und als Erinnerung an seine Herren Ganymed und Aquarius und ihre Ehe mit Alva, der Schönsten der Schönen, soll es auf ewig Herrenalb genannt sein.

Zeus [wiederum mit machtvoller Stimme]: So sei es!

Aquarius/Ganymed [traurig aber fest]: Und nun heißt es für mich Abschied-Nehmen. Zweifach Abschied: Als Ganymed und Mensch von den Menschen, als Liebender und Mann von dir, meine geliebte Alva [er beugt sich zärtlich zu der strahlend-traurigen Alva und küsst sie ein letztes Mal]
Alles Vergängliche
Ist nur ein Gleichnis;
Das Unzulängliche,
Hier wird’s Ereignis;
Das Unbeschreibliche,
Hier ist’s getan;
Das Ewig-Weibliche
Zieht uns hinan. [verschwindet mit Ganymed in den Lüften]

Zeus [nochmals donnernd mit machtvoller Stimme]: Zum dritten Mal: So sei es! [er lacht laut und herzlich]

Aquarius [im Verschwinden]: Oh Alva...

Alva [gleichzeitig]: Mein Aquarium! [springt freudig jauchzend in die Alb]

In die letzten Worte und das Lachen des Zeus hinein verwandelt sich mit Blitz und Donner die Szenerie. Die märchenhaften Götter, Feen, Nöcke etc. verschwinden hinter einer vom Fluss aufsteigenden Nebeldecke. Aquarius verschwindet beim Zeus’schen "So sei es!" als Sternbild an den Himmel; Alva legt sich in ihr Flussbett zur Jahrtausende dauernden Hochzeitsnacht. Der Nebel lichtet sich.

 

Epilog:

Offene Gegend. Zeus und Hera sitzen wie eine Pieta-Figur auf einer Bank unter einem Lindenbaum. Zeus ruht in Heras Armen/Schoß. Das Blitzbündel liegt vor ihm im Gras, den Strahlenkranz hält er in der herabhängenden linken Hand.

Hera [zum Publikum, indem sie zart den Finger vor die Lippen hält]:
Liebe Leute! Leise! Leise!
Ruhig! lasst den Gatten ruhn!
Langer Schlaf verleiht dem Greise
Kurzen Wachens rasches Tun.

Zeus [erwacht langsam und hebt den Kopf ein wenig]:
Schaue grünend Wies’ an Wiese,
Anger, Garten, Dorf und Wald. -
Komm, oh Nacht, die ich genieße,
Denn die Sonne scheidet bald. -
Schlafen legt sich Kind und Kegel,
In den ruhigen Häusern dort;
Kennen doch ihr Nest die Vögel,
Findet jedes seinen Hort.
So erblickst du in der Weite
Erst des Waldes grünen Saum,
Rechts und links, in aller Breite,
Wiesenblütenreicher Raum.

Hera [ganz verträumt-selig]:
Nimmer möcht den Ort ich missen
Nie den Augenblick, die Stund...

Zeus [zum Publikum]: Möchtet ihr vom Wunder wissen;
[zu Hera] Sagst’s so gern, tu’s ihnen kund.

Hera [schaut, als wäre sie noch immer erstaunt-verwundert]:
Wohl! ein Wunder ist's gewesen!
Und es lässt mich nicht in Ruh;
Denn es ging das ganze Wesen
Nicht mit rechten Dingen zu.

Zeus [er plappert los, weil ihm das Herz voll ist]:
...
Alva und Aquarius,
Eröffneten uns ihre Liebe;
Nach dem inniglichsten Kuss,
Dem Keimen ungeahnter Triebe,
Wurde hier, gleich wie auf Bühnen,
Schnellstens der Beschluss gefasst,
Und sie feierten im Grünen
Die Hochzeit wie im Traum-Palast.

Hera [schließt ihm zart die Lippen mit der Hand und schaut ihn zärtlich an]:
Als die Hochzeitsgäste lärmten
Fiel plötzlich von mir alle Plag;
Als die Nymphen nächtig schwärmten,
Wurd mir mit dir ein neuer Tag.
Wo wir sonst im Streit nicht ruhten,
Endigte die Ehe-Qual;
Mich durchflossen Feuergluten,
Tief ins Herz traf mich dein Strahl.
Du, mein Zeus, hast rasch gehandelt,
Und die Sehnsucht mir gestillt,
Bist so anders, wie verwandelt:
Mir ein paradiesisch Bild.
In mir glimmt des Herzens-Feuers
Glockenheller Silberlaut,
Für den Rest des Abenteuers
Bin ich neu dir anvertraut.
[sie hält inne und wird ganz ruhig; beinahe verklärt]
Ruhe ist’s, die mich gelüstet,
Unsre Hütte, unser Hain;
Hab zum Abend mich gerüstet,
Hier soll unsre Heimat sein.

Zeus [steht auf und tritt einen langsamen Schritt auf das Publikum zu]:
Lasst uns in die Nacht nun treten,
Klares Sternenlicht zu schaun!
Lasst uns träumen, schlafend beten,
[er schaut das Publikum milde lächelnd an und nimmt Hera an der Hand]
Könnt dem alten Gott vertraun!

 

fine

 

 

© Dr. Rüdiger Krüger, Rheda-Wiedenbrück 2006
Kontakt: mailto:siegfriedcarl@hotmail.com
letzte Änderung: 03.05.00

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