Hölderlin & Diotima

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Louise Nast
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Susette Gontard

 

 

Friedrich Hölderlin 
& Diotima 
= Liebe

 

Es sei im Folgenden eine tabellarische Biografie Hölderlins geboten, die einen Schwerpunkt auf die wichtigsten Frauen in seinem Leben, dabei vor allem seinen Umgang mit Susette Gontard (sowie sein Hauslehrer-Dasein) legt.
Auch einige historische oder kulturgeschichtliche Daten sind zum Zeitverständnis (kursiv) eingestreut.

1770

20. März: Johann Christian Friedrich Hölderlin wird in Lauffen am Neckar als Sohn des Klosterhofmeisters Heinrich Friedrich Hölderlin geboren.

1772

5. Juli: Tod des Vaters nach einem Schlaganfall. Die Schwester Maria Eleonora Heinrike wird geboren.

1774

10. Oktober: Hölderlins Mutter, Johanna Christina, geborene Heyn, geht eine neue Ehe mit Johann Christoph Gock ein. Die Familie zieht nach Nürtingen um, wo Gok Bürgermeister ist.

Goethe "Die Leiden des jungen Werther" erscheint.

1776

Hölderlins Halbbruder, Karl Gok, kommt zur Welt. Beginn des Besuchs der Nürtinger Lateinschule.

Amerikanische Unabhängigkeitserklärung. Erklärung der Menschenrechte.

1779

8. März: Tod des Stiefvaters nach einer Lungenentzündung.

1781

Tod Lessings.

Kant "Kritik der reinen Vernunft".

Achim von Armin geboren.

1782

Uraufführung der "Räuber" von Schiller.

1783

Bekanntschaft mit Schelling in Nürtingen.

1784

20. Oktober: Eintritt in die niedere Klosterschule Denkendorf.

1786

18. Oktober: Einzug von Hölderlins Schuljahrgang in die höhere Klosterschule Maulbronn ("Promotion").

Beginn der Liebe zu Luise Nast, der Tochter des Maulbronner Klosterverwalters. -> Nast

18. Dezember: Erster erhaltener Stammbucheintrag.

Justinus Kerner geboren.

1787

Uhland geboren.

Heinse, "Ardinghello".

Schubart aus der Haft auf dem Hohenasperg entlassen.

1788

Juni: Reise nach Speyer in die Pfalz, an den Rhein.

Verlobung mit Luise Nast.

Sammlung der Maulbronner Gedichte.

21. Oktober: Einzug ins Tübinger Stift, gleichzeitig mit Hegel. Beginn des Theologiestudiums.

Beginn der Freundschaft mit Neuffer und Magenau.

1789

April: Lösung des Verlöbnisses mit Luise Nast.

Ostern: Besuch bei Neuffer in Stuttgart.

Bekanntschaft mit Gotthold Friedrich Stäudlin und Schubart.

Beginn der Französischen Revolution.

1790

Erste Beschäftigung mit der Philosophie Kants. In Anknüpfung an Schillers Lyrik entstehen bis 1793 die "Tübinger Hymnen".

März: Gründung des Aldermann-Bundes mit Neuffer und Magenau.

Sommer: Bekanntschaft mit Elise Lebret, der Tochter des Kanzlers der Universität, die er in seinen Gedichten Lyda nennt. -> Lebret

Magisterarbeiten: Geschichte der schönen Künste unter den Griechen bis zu Ende des Perikleischen Zeitalters und Parallele zwischen Salomons Sprüchwörtern und Hesiods Werken und Tagen.

17. September: Magisterexamen.

20. Oktober: Eintritt Schellings (geb.1775) ins Tübinger Stift.

1791

Frühjahr: Beginn der Freundschaft zu Hegel.

April: Hölderlin reist mit Hiller und Memminger in die Schweiz; Besuch Lavaters in Zürich.

September: Veröffentlichung von vier Gedichten Hölderlins in Stäudlins "Musenalmanach fürs Jahr 1792". (Erste Publikation), darunter die Hymne "An die Freiheit" und "An die Göttin der Harmonie".

Studienabschluß der Freunde Magenau und Neuffer.

Schubart gestorben.

1792

Erste Pläne zum Roman "Hyperion".

Verkehr in republikanisch gesinnten Studentenkreisen.

Gustav Schwab geboren.

Weitere Gedichte in Stäudlins "Poetische Blumenlese für das Jahr 1793".

Frankreich wird Republik. "La Marseillaise".

1793

Juni: Abschlußexamen; Bekanntschaft mit Friedrich Matthisson.

September: Bekanntschaft mit Isaac von Sinclair, Jura-Student in Tübingen..

1. Oktober: Hölderlin besucht Schiller in Ludwigsburg.

November: Auf Empfehlung Schillers wird Hölderlin zum Hofmeister der Familie Charlottes von Kalb bestellt.

6. Dezember: Konsistorialexamen und Probepredigt in Stuttgart.

"Auch muß ich fürchten, das Konsistorium möchte mich beim Kopf kriegen,und mich auf irgendeine Vikariatstelle zu einem Pfarrer hinzwingen, der keinen freiwilligen Vikar bekommen kann. Ich will aber mit allen Kräften mich um eine Hofmeisterstelle bewerben." (Ende 1793 StA 6,1 S.91)

28. Dezember: Ankunft auf dem Landsitz der Familie von Kalb in Waltershausen (Franken).

Schreckensherrschaft in Paris.

Tod Herzog Carl Eugens in Hohenheim.

1794

Intensive Arbeit am "Hyperion"-Roman.

September: Hölderlin sendet das "Fragment von Hyperion" an Schiller, der es in seiner Zeitschrift "Neue Thalia" nebst den Gedichten "Griechenland", "Das Schiksaal" u.a. veröffentlicht.

November: Reise mit seinem Zögling Fritz von Kalb (Masturbation!) nach Jena. Mehrere Besuche bei Schiller, bei dem Hölderlin das erste Mal Goethe begegnet. Bekanntschaft mit Sophie Mereau. Täglicher Besuch der Vorlesungen Fichtes ("Wissenschaftslehre").

Wilhelmine Kirms, Gesellschafterin der Frau von Kalb (22-jährige Wittwe). Sie verlässt im Dezember 1794 das Gut und bringt im Juli 1795 ein uneheliches Kind zur Welt. Als potentielle Väter kämen außer dem jungen Hauslehrer noch der alte Major, der Pfarrer und der Gärtner in Frage.

"...eine Dame von seltenem Geist und Herzen, spricht französisch und englisch und hat soeben die neuste Schrift von Kant bei mir gehohlt. Überdiss hat sie eine ser interessante Figur." (An die Schwester, StA 6,1 S.105)

Dezember: Umzug mit Charlotte von Kalb und ihrem Sohn nach Weimar. Besuch bei Herder.

Beginn der Revolutionskriege. Hinrichtung Dantons und Robespierres. Ende des Terrors.

Jean Jaques Rousseau: Die Natur will, "dass Kinder Kinder seien, ehe sie erwachsen werden. Wenn wir diese Ordnung umkehren wollen, so werden wir ... junge Doktoren und alte Kinder haben." (Nouvelle Heloise, 5.Teil, Dritter Brief)

"Aber darinn hat Rousseau Unrecht, dass er es ruhig abwarten will, bis die Menschheit im Kinde erwacht, und indeß sich gröstentheils mit einer negativen Erziehung begnügt, nur die bösen Eindrücke abhält, ohne auf gute zu sinnen." (Brief an Ebel v. 2.9.95, StA 6,1 S.194) ... "Mit dieser andern bessern Welt muß ich das Kind umgeben, sie ihm nicht aufdringen (...) wie die Natur ihm entgegenkömt, muß ich ihm die Gegenstände zuführen, die groß und schön genug sind, sein höheres Bedürfnis, das Streben nach etwas Besserem oder wenn man so will seine Vernunft in ihm zu erweken." (a.a.O.) ... "Das Kind eine Sprache systematisch zu lehren, möchte sehr schwer halten, wenn es geschehen sollte, noch ehe das Kind fähig ist, auf einen freigewählten Zweck hin sich anzustrengen, wo also Zwang und ungerechte Forderungen nicht leicht zu vermeiden wären. Doch kann man sich ja gesprächsweise mit einer Sprache so ziemlich familialisieren."(a.a.O.)

"Mein lieber Zögling hängt an mir, wie an einem Vater oder Bruder." (An die Großmutter, Februar 1794, StA 6,1 S.107)

Charlotte von Kalb, selbst Rousseau-Anhängerin, ist begeistert: "Er sucht das Nachdenken seines Zöglings in wachsamer Tätigkeit zu erhalten, und sicher wird er alles aus seinem Unterricht entfernen was totes Eitles oder Wortwissen bedeutet."(An Karoline Herder im Juni '94, StA 7,1 S.7).

"..ich wagte meine Gesundheit durch fortgesetztes Nachtwachen, denn das machte sein Übel nötig, (...) und ich fing auch an, auf eine gefährliche Art an meinem Kopfe zu leiden, durch das öftere Wachen, wohl auch durch den Verdruß."(An Neuffer 19.1.1795 StA 6,1 S.150)

1795

Januar: Nach Lösung des Arbeitsverhältnisses im Hause von Kalb (Frau von Kalb zahlt noch den Lohn für ein Viertel Jahr) Rückkehr nach Jena.

Teilnahme am Kolleg Fichtes. Umgang mit Schiller.

März: Beginn der intensiven Freundschaft zu Isaac von Sinclair.

Juni: Überstürzte Rückkehr in die Heimat. Hölderlin bricht seinen Aufenthalt in Jena unvermittelt ab und reist nach Nürtingen.

Freundschaft mit Christian Landauer in Stuttgart.

Sommer (Juli) : Besuch bei Schelling in Tübingen.

"dass in unserer jetzigen Welt die Privaterziehung noch beinahe das einzige Asyl (sei), wohin man sich flüchten könnte mit seinen Wünschen und Bemühungen für die Bildung des Menschen." (2.9.95 StA 6,1 S.177)

April: Hölderlin trifft in Heidelberg mit Johann Gottfried Ebel zusammen, durch Sinclair vermittelt. Ebel ist Arzt, Reiseschriftsteller und Lebensgefährte von Margarete Gontard, der Schwester des Frankfurter Bankiers Jakob Friedrich Gontard, welcher seinerseits mit Susette Gontard geb. Borkenstein vermählt ist und vier Kinder hat. Für das älteste Kind, den achtjährigen Sohn Henry, wird ein Erzieher gesucht.

Im Dezember ist Schelling bei Hölderlin in Nürtingen. Er nimmt öfters Reißaus vor seiner Mutter, die ihn unbedingt in einem schwäbischen Pfarrhaus sehen will. Er besucht Freunde in Stuttgart, Vaihingen, Markgröningen, die Schwester Rike in Blaubeuren. Er arbeitet an seinen pädagogischen Überzeugungen:

"Ich glaube, daß die Ungeduld, womit man seinem Zwecke zueilt, die Klippe ist, woran gerade oft die besten Menschen scheitern. So auch in der Erziehung. Man möchte so gerne in sechs Tagen mit seinem Schöpfungswerke zu Ende sein; das Kind soll oft Bedürfnisse befriedigen, die es noch nicht hat, und vernünftige Dinge anhören und fassen, ohne Vernunft! und das macht dann die Er-zieher, weil sie auf dem rechten Wege ihre Absicht nicht erreichen, tyrannisch und ungerecht, das macht den Erzieher und den Zögling gleich elend." (an Ebel 2. Sept. 1795, STA 6.1 S. )

"Weil ich nun nicht gerade in einer öffentlichen Beschäfftigung begriffen bin, so muß ich erwarten, mit nächstem, besonders, da die Weihnachtsfeiertage heranrüken, zu einem Pfarrer geschickt zu werden, um ihn zu unterstützen, wenn ich nicht indeß oder doch unmittelbar nach diesem Termin irgend ein ander legitimes Verhältniß eingehe."(Nov.1795 StA 6,1 S.183)

30. Dezember Ankunft in Frankfurt, erste Begegnung mit Henry Gontard.

1796

Mit der von Klopstocks Dichtung beeinflußten Wendung zu antiken Versmaßen und Strophenformen findet Hölderlin zu einem Neuansatz in seiner lyrischen Produktion.

10. Januar: Antritt der Hofmeisterstelle im Hause Gontard in Frankfurt - für 400 Gulden jährlich bei freier Kost und Logis und zur Frankfurter Messe - also im Frühjahr und im Herbst - " ein sehr beträchtlich Geschenk"(6,1 S.219). Der Leitspruch des Frankfurter Bankiers Gontard lautete ‚Les affaires avant tout‘, zuerst die Geschäfte!

"...den Börsenkurs verstehe ich aufs Haar, aber wie die Kinder geleitet werden sollen oder was sie lernen müssen, das ist nicht meine Sache; dafür muß die Mutter sorgen."(StA 7,2 S.65)

Hölderlin ist zuständig für den achtjährigen Henry (für die drei jüngeren Schwestern eine Erzieherin, die junge Marie Rätzer aus Bern). Nur Vormittags-Unterricht in Geschichte, römischer Geschichte, Deutsch und Geographie. Für Französisch wird eigens ein" französischer Meister" bemüht, ebenso für Schönschreiben, Zeichnen, Rechnen, Tanzen und Fechten. Weitere Pflichten des Hauslehrers, bei den zahlreichen Gesellschaften, die der Bankier in seinem Hause unterhält, anwesend zu sein.

Besuche bei Sinclair im nahegelegenen Homburg.

Im April Zusammentreffen mit Schelling, der sich einige Tage in Frankfurt aufhält.

Mai: Beginn der Liebe zu Susette Gontard ("Diotima"), der Frau des Hauses. -> Diotima

Susette Gontard, ein Jahr älter als Hölderlin, ist belesen, kunstsinnig und an Fragen moderner Pädagogik sehr interessiert. Augenzeugen rühmen ihre Schönheit:" reiner schöner Tizianischer Teint" (Wilhelm Heinse) und ihr Wesen:" Sanftmuth, Güte, richtiger Verstand, und die über ihre ganze Person verbreitete Grazie bezaubern" (Ludwig Zeerleder).

"Lieber Freund! Es gibt ein Wesen auf der Welt, woran mein Geist Jahrtausende verweilen kann (...) Lieblichkeit und Hoheit, und Ruh und Leben, u. Geist und Gemüth und Gestalt ist Ein seeliges Eins in diesem Wesen." (an Neuffer StA 6,1 S.213)

Susette Gontard, ihr Sohn, der Hauslehrer, ihre drei Töchter und deren Gouvernante bilden eine innige pädagogisch-musische Einheit, in der gebildet geplaudert, angeregt musiziert - Besetzung Flöte (Hölderlin), Klavier (S. Gontard), Gitarre (M. Rätzer) - und natürlich auch viel gelernt wird.

Im Sommer dringen Truppen der französischen Republik bis Frankfurt vor.

Ein Augenzeuge berichtet:

" ...man flüchtete, man packte alles, was man konnte. Das Gedränge der Wagen, Kutschen usw. hatte kein Ende und alles sah mit Furcht den Augenblick immer näher kommen, der uns der Gewalt unserer Feinde überlieferte." (Hölderlin-Jahrbuch 1969/70, S.255)

10. Juli: Ohne den Hausherrn fliehen die Gontards mit Hölderlin vor den anrückenden Franzosen nach Kassel; Bekanntschaft mit Wilhelm Heinse, der ihm die Welt der (auch antiken) Bildenden Kunst in den Kasseler Galerien eröffnet.

Freitod des Freundes Stäudlins in der Ill bei Kehl, wegen der württembergischen Zensur, die ihm ein Überleben als freier Schriftsteller unmöglich machte. Hölderlin erfährt hiervon erst nach seiner Rückkehr nach Frankfurt.

9. August: Weiterreise mit Heinse nach Bad Driburg bei Paderborn.

Die Gespräche über Kunst werden dann im ruhigen Badeort (14 Badegäste) fortgesetzt; ein größerer zwischen den Frankfurter Kriegswirren und der Beschaulichkeit dieses Ortes ist schwer vorstellbar.

"wir ... machten weiters keine Bekanntschaften, brauchten auch keine, denn wir wohnten unter herrlichen Bergen und Wäldern und machten unter uns selbst den besten Cirkel aus."(an den Bruder StA 6,1 S.217)

Der Frieden des Ortes, die Schönheit der Natur, die Nähe der geliebten Frau, die unmittelbare Erfahrung antiker Kunst und das gepflegte Gespräch - und noch ein neues Thema tritt hinzu: das" Vaterländische". Man wohnt

"nur eine halbe Stunde von dem Thale (...), wo Hermann die Legionen des Varus schlug."(a.a.O.).

September: Hölderlin kehrt nach Frankfurt zurück.

Endlich schreibt der Übervater Schiller wieder! Seit mehr als einem Jahr hat er auf Hölderlins unterthänigste Briefe ("Verehrungswürdigster!") nicht reagiert. Das war bitter, da Hölderlin sich die Veröffentlichung einiger Gedichte erhoffte. Im November kommt endlich ein Brief:

"Ich habe Sie keineswegs vergessen, lieber Freund". Schiller stellt in Aussicht " in dem nächsten Almanach einige reife und bleibende Früchte Ihres Talentes" abzudrucken, aber:" Fliehen Sie wo möglich die philosophischen Stoffe ... bleiben Sie der Sinnenwelt näher..." (StA 7,1 S.46)

Gedichte in Schillers "Musenalmanach".

Die Mutter will, dass er eine Stelle an der Nürtinger Lateinschule annimmt.

"Schulmeistern könnt' ich unmöglich, und 40 Knaben nach reinen Grundsätzen und mit anhaltendem belebendem Eifer zu erziehen, ist wahrhaft eine Riesenarbeit, besonders wo häusliche Erziehung und anderweitige Anstalten so sehr entgegenwirken." (20.11.1796 StA 6,1 S.225)

"Er gefiel allen und erfüllte selbst die gespanntesten Anforderungen. Sein Äußeres war höchst einnehmend ... Auch die Kinder des Hauses, obgleich noch sehr jung, hingen bald mit großer Liebe an ihm." (Carl Jügel StA 7,2 S.65)

"Wie oft lag er mit uns auf der Erde und lehrte uns spielend mancherlei." (Maria Belli Gontard. Lebens-Erinnerungen 1873)

"dass der Hauslehrer vorzüglich viel Delicatesse im Umgang mit der Hausfrau nöthig hat, liegt in der Natur der Sache. Mit jedem zu sehr annähernden Schritt, jedem Suchen des Geheimnisses von ihrer Seite, wird der weise Mann einen Schritt zurücktreten. Er wird sogar je eher je lieber das Haus verlassen, worin die Ruhe - vielleicht endlich gar die Tugend - zweyer Personen in Gefahr kommt. ... Die Flucht allein macht hier den braven Mann." (A.H. Niemeyer, Grundsätze der Erziehung und des Unterrichts für Eltern, Hauslehrer und Erzieher, Halle 1796 S.313)

1797

Januar: Hegel trifft in Frankfurt ein und tritt auf Hölderlins Vermittlung eine Hofmeisterstelle im Haus des Weinhändlers Gogel an. In der Folge reger Gedankenaustausch der Freunde.

Der Mutter schreibt er: "Das Lehramt ist ... überhaupt, so viel ich sehe, bei den jetzigen Zeiten wirksamer als das Predigtamt."(30.1.97 StA 6,1 S.233)

April: Auf Vermittlung Schillers erscheint der erste Band des "Hyperion" ("Hyperion oder Der Eremit in Griechenland") bei Cotta. (100 Gulden Honorar für beide Bände)

August: Die Elegie der "Wanderer" und "Die Eichbäume" erscheinen in Schillers Zeitschrift "Die Horen".

Besuch bei Goethe in Frankfurt.

Schelling, "Ideen zu einer Philosophie der Natur".

Schluss "Die Eichbäume":

"Könnt ich die Knechtschaft nur erdulden, ich neidete nimmer
Diesen Wald und schmiegte mich gern ans gesellige Leben.
Fesselte nur nicht mehr ans gesellige Leben das Herz mich,
Das von Liebe nicht läßt, wie gern würd ich unter euch wohnen!"

1798

"..dieses ganze Jahr haben wir fast beständig Besuche, Feste und Gott weiß! was alles gehabt, wo dann freilich meine Wenigkeit immer am schlimmsten wegkommt, weil der Hofmeister besonders in Frankfurt überall das fünfte Rad am Wagen ist, und doch der Schicklichkeit wegen muß dabei seyn." (An die Mutter Anfang 1798, StA 6,1 S.259)

"Dein Glük ist ächt; Du lebst in einer Sphäre, wo nicht viele Reichen, und nicht viele Edelleute überhaupt nicht viel Aristokraten sind: und nur in der Gesellschaft, wo die goldene Mittelmäßigkeit zu Hause ist, ist noch Glück und Friede und Herz und reiner Sinn zu finden (...). Hier z.B. siehst Du, wenig ächte Menschen ausgenommen, lauter ungeheure Karikaturen." (An die Schwester, April '98 StA 6,1 S.270)

September: Nach einer Auseinandersetzung mit dem Hausherrn gibt Hölderlin seine Hofmeisterstelle bei den Gontards auf. Auf Vermittlung Sinclairs wohnt er in Homburg und hält durch heimliche Treffen und Briefe bis Mai 1800 Kontakt zu Susette Gontard.

Nach Hölderlins Rauswurf schreibt der kleine Henry Gontard: "Komm‘ bald wieder bei uns, mein Holder; bei wem sollen wir denn sonst lernen". (27.9.1798 StA 7,1 S. 59)

"Aber der unhöfliche Stolz, die geflissentliche tägliche Herabwürdigung aller Wissenschaft und aller Bildung, die Äußerungen, dass die Hofmeister auch Bedienten wären, dass sie nichts besonders für sich fordern könnten, weil man sie für das bezahle, was sie thäten, (...) - das kränkte mich, so sehr ich suchte, mich darüber weg zu setzen, doch immer mehr und gab mir manchmal einen stillen Ärger, der für Leib und Seele niemals gut ist." (An die Mutter 10.10.1798 StA 6,1 S.283)

Projekt des Trauerspiels "Empedokles". Arbeit an den philosophischen Aufsätzen.

Freundschaft mit Isaak von Sinclair und Casimir Ulrich Böhlendorff.

November: auf Einladung Sinclairs Reise zum Rastatter Kongreß. Bekanntschaft mit republikanisch gesinnten Freunden Sinclairs. Starker Eindruck durch revolutionäre Republikaner wie Baz und Muhrbeck.

Gedichte in Schillers "Musenalmanach".

1799

Plan einer Zeitschrift "Iduna" Zeitschrift mit poetischen und theoretischen Texten. Arbeit am "Empedokles".

Im Oktober erscheint der zweite Band des "Hyperion". Seiner Susette schreibt er ins Widmungsexemplar: "Wem sonst als Dir!" -> Hyperion

In den folgenden Jahren erscheinen Gedichte verstreut in Taschenbüchern und Almanachen.

Napoleon Bonaparte wird Erster Konsul.

1800

8. Mai: Letztes Wiedersehen mit Susette Gontard.

Im Juni Ende des ersten Homburger Aufenthalts.

20. Juni: Nach einem zehntägigen Aufenthalt in Nürtingen Übersiedlung nach Stuttgart, wo ihn sein Freund, der Kaufmann Landauer, als Erzieher aufnimmt.

Intensive lyrische Produktion (Oden und Elegien). Die Oden "Der Nekar", "Lebenslauf", "Rückkehr in die Heimat" und die Elegien "Stutgard" und "Brod und Wein" entstehen.

Novalis, "Hymnen an die Nacht".

1801

15. Januar: Antritt der Hofmeisterstelle im Hause Gonzenbach in Hauptwil (Schweiz).

13. April: Trennung vom Hause Gonzenbach und Abreise nach Nürtingen.

Hölderlin bemüht sich um eine Vorlesungstätigkeit an der Universität Jena. Bis 1803 entstehen die großen Hymnen des Spätwerks ("Vaterländische Gesänge").

"Die Thätigkeit des Erziehers (...) erschien mir nur darum als erstrebenswerth, weil das tägliche Leben mit den Kindern, die meiner Obhuth anvertraut waren, es möglich machte, ihre geistige Entwicklung von innen her zu befördern und (...) in ihnen das Bewußtsein zu erwecken, dass sie eines Tages auf dem Wege der Bildung allein fortschreiten müssen. Aber die wechselnden Verhältnisse, in denen sich das Leben eines Hofmeisters abspilt, waren weder meiner Natur noch meinem Lebensplan adäquat, und so war es immer mein Bestreben, danach eine Zeit der Independenz folgen zu lassen..." (Brief an Niethammer 23.6.1801 StA 7,2 S.579)

Jakob Friedrich Ströhling vermittelt Hölderlin eine Hofmeisterstelle in Bordeaux beim Hamburger Konsul Meyer.

Dezember: Aufbruch nach Bordeaux über Straßburg und Lyon.

Friede von Lunéville zwischen Österreich und Frankreich.
Direkter Reflex hierauf die "Friedensfeier" 

1802

28. Januar: Antritt der Hofmeisterstelle in Bordeaux.

Mai: Aufgabe der Hofmeisterstelle bei Konsul Meyer, Rückkehr nach Deutschland über Paris.

Ende Juni: Ankunft in Nürtingen in zerrüttetem Geisteszustand. Nervliche Erschöpfungs- und Erregungszustände, die allmählich abklingen.

Juli: In Stuttgart erfährt Hölderlin vom Tod Susette Gontards (gest. 22.6.1802).

Oktober: Auf Einladung Sinclairs Reise zum Reichstag in Regensburg.

"Patmos", "Der Einzige", "Andenken", "Mnemosyne" entstehen.

1803

Hölderlin wohnt in Nürtingen im Haus seiner Mutter.

Im Juni Zusammentreffen mit Schelling im Kloster Murrhardt.

Tod von Herder, Klopstock und Heinse.

1804

April: Hölderlins Übersetzung der "Trauerspiele des Sophokles" erscheinen im Frankfurter Verlag Friedrich Wilmans.

22. Juni: Reise mit Sinclair nach Homburg. Übersiedlung nach Homburg. Ernennung zum "Hofbibliothekar" des Landgrafen von Homburg, von Sinclair vermittelt und finanziert.

Der letzte von Hölderlin selbst in Druck gegebene Zyklus von Gedichten (später nach einem Wort des Autors als "Nachtgesänge" bezeichnet) erscheint in Wilmans "Taschenbuch auf das Jahr 1805", darunter "Hälfte des Lebens" und "Der Winkel von Hahrdt".

Kant gestorben. Mörike und Waiblinger geboren.

Napoleon I., Kaiser von Frankreich.

1805

Februar: Verhaftung Sinclairs wegen angeblichen Hochverrats (unter dem Vorwurf, einen Anschlag auf den Kurfürsten von Württemberg geplant zu haben), von württembergischem Militär festgenommen. Beginn des Hochverratsprozesses gegen ihn und andere in Ludwigsburg.. Die Untersuchung, die sich auch auf die Person Hölderlins erstreckt, verläuft ergebnislos.

Ein medizinisches Gutachten, das Hölderlin Wahnsinn attestiert, verhindert seine Auslieferung. Sinclair wird im Juli aus der Haft entlassen.

Tod Schillers.

1806

11.-15. September: Einlieferung Hölderlins, dessen "Wahnsinn" laut Sinclair "eine sehr hohe Stufe" erreicht hat, gegen seinen heftigen Widerstand in das Autenriethsche Klinikum in Tübingen.

Erfolglose Therapieversuche.

Ende des "Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation". Durch die Rheinbundakte geht die Landgrafschaft Hessen-Homburg im neuen Großherzogtum Hessen-Darmstadt auf.

Gedichte in Seckendorfs "Musenalmanach 1807": "Die Herbstfeier" ("Stutgard"), "Die Wanderung" und "Die Nacht" (1. Strophe von "Brod und Wein").

1807

3. Mai: Hölderlin wird als unheilbar aus dem Klinikum entlassen. Seine Pflege übernimmt der Tischler-/Schreinermeister Ernst Zimmer, in dessen Haus, im umgebauten Stadtturm (heute Hölderlinturm), Hölderlin bis zu seinem Tode das "Turmzimmer" bewohnt (die zweite ‚Hälfte des Lebens‘).

Besucher in den folgenden Jahren:

Justinus Kerner, August Varnhagen von Ense, Ludwig Uhland, Wilhelm Waiblinger, Eduard Mörike, Friedrich T. Vischer, Johann G. Fischer, Christoph Theodor Schwab, u.a.

Weitere Gedichte in Seckendorfs "Musenalmanach 1808": "Patmos", "Der Rhein" und "Andenken".

Fichte, "Reden an die deutsche Nation".

Hegel, "Phänomenologie des Geistes".

1811

Kerner, "Reiseschatten".

1814

Wiener Kongreß.

1815

Sinclair in Wien gestorben.

1821

Freiheitskrieg der Griechen.

Tod Napoleons auf St. Helena.

1822

Hölderlins Roman "Hyperion" wird von Cotta erneut aufgelegt.

3. Juli: Erster Besuch Wilhelm Waiblingers bei Hölderlin (häufige Besuche bis 1826).

1826

Die von Ludwig Uhland und Gustav Schwab herausgegebene erste Sammlung der "Gedichte von Friedrich Hölderlin" (69 Gedichte und Teile des Empedokles) erscheint in Stuttgart bei Cotta.

1828

17. Februar: Tod der Mutter.

1831

"Friedrich Hölderlins Leben, Dichtung und Wahnsinn" von Wilhelm Waiblinger (gest. 1830 in Rom) erscheint postum.

Hegel und Arnim gestorben.

1832

Tod Goethes.

Mörike, "Maler Nolten".

1838

18. November: Tod Ernst Zimmers. Seine Tochter Charlotte Zimmer setzt Hölderlins Betreuung fort.

1840

Bettina von Arnim, "Die Günderode".

1841

16. Januar: Hölderlin beginnt seine Gedichte mit "Scardanelli" zu unterzeichnen. 

Der Winter

Wenn ungesehn und nun vorüber sind die Bilder
Der Jahreszeit, so kommt des Winters Dauer,
Das Feld ist leer, die Ansicht scheinet milder,
Und Stürme wehn umher und Reegenschauer.

Als wie ein Ruhetag, so ist des Jahres Ende,
Wie einer Frage Ton, daß dieser sich vollende,
Alsdann erscheint des Frühlings neues Werden,
So glänzet die Natur mit ihrer Pracht auf Erden.

Mit Unterthänigkeit
d. 24 April Scardanelli.
1849

1842

Schelling, "Philosophie der Mythologie und Offenbarung".

1843

24. Januar: Besuch Ludwig Uhlands, Adelbert Kellers und Christoph Theodor Schwabs (Herausgeber der ersten Werkausgabe Hölderlins)

7. Juni: Tod Hölderlins.

10. Juni: Beerdigung auf dem Stadtfriedhof in Tübingen

Zweite Auflage der "Gedichte".

1846

"Friedrich Hölderlin's sämmtliche Werke" in zwei Bänden bei Cotta, hrsg. von Christoph Theodor Schwab.

 

 

 

© Dr. Rüdiger Krüger, Rheda-Wiedenbrück 2006
Kontakt: mailto:siegfriedcarl@hotmail.com
letzte Änderung: 17.04.00

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