Kein Reim

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Kein Reim

 

Kein Reim

- Eine Liebeselegie -

Ich kann mir
keinen Reim drauf machen.

***

Was wäre, wenn die Nacht
den neuen Tag zurückhielte? –
Wenn wir vom Sonnenaufgang nur noch träumten?
Stets Mitternacht und stets aufs Neue
des Morgens wirre Träume – nie erlöst.
Stets Sehnsucht, Leben, Tod und Liebe –
und auch der Traum vom Sonnenuntergang.

***

Warum trägt das Eis nicht mehr;
war ich zu hitzig?
Warum scheint die Brücke geborsten;
bin ich zu explosiv?
Warum löst sich das tragende Seil;
ist meine Schärfe unerträglich?
Alles zerbröselt wie Zucker im Wasser,
ja, wie Fleisch in der Säure. –
Doch was wäre der Wein
ohne die Säure,
ohne den Zucker?
Und: Wie schal schmeckt verwässerter Wein...

***

Dornröschen schläft nicht mehr.
Sie lächelt ihn an:
Nicht den Prinzen,
der sie wachküsst – nein,
den Mann, der ihr gefällt, dem sie gefallen mag.
Doch auf den Kuss wartet sie:
Sie möchte wachgeküsst sein,
immer wieder. – Und sie lächelt.
Und dann muss der Mann den Prinzen spielen:
- gegen Drachen kämpfen,
- Burgen befreien,
- Land befrieden.
Und kehrt er heim, wund und zerschlagen,
möchte sie wachgeküsst sein.
Ja, ja,
der deutsche Märchenschatz...

***

Wie weit trägt Sprache,
die vertraut ist, die vertraut?
Und muss Verletzung in der Sprache sein,
gewollt, bewusst:
Das Wort als Waffe?
Und ist, wie Hölderlin gesagt,
nicht Frieden im Gespräch
und im Gesang die Harmonie?

***

Es wird Verletzungen gegeben haben,
von beiden Seiten, all die langen Jahre.
Wer mag beschreiben,
wessen Leiden größer sind?
Wer mag das Urteil fällen,
wo kein Richter ist?
Wer mag ein Urteil wollen, denn:
Wo ist die Klägerin, der Kläger in dem Streit?
Was ist der Kern des Streites?
Und liegt im offnen Streit nicht jede Möglichkeit:
den Streit zu schlichten,
oder ihn – mit offenem Visier –
ganz einfach auszutragen!

***

Das Fleisch, die Säure und das Grobe hasst es,
und auch, es braucht die Zärtlichkeit.
Die Fleischeslust gehört doch auch zur Liebe.
Und wer die Zunge je gespürt beim Kuss,
und auch gespürt
wie Hand und Haut des anderen sich sehnend
den Körper ausgeforscht,
und auch in letzter Lust bewusst
geschöpft hat aus Vereinigung,
der weiß –
wie schön das ist...
Ganz lapidar bemerkt!

***

Es wird Verletzungen gegeben haben!
Wie weit trägt Sprache, die vertraut ist?
Dornröschen schläft nicht – nein!
Und warum trägt das Eis nicht mehr?

***

Ist denn das Leben
nur ein Traum,
den mir ein Alp geschickt
in wirrem Schlaf?

***

Ich kann mir
keinen Reim auf all dies machen.
Und doch:
Ich liebe Dich.

 

 

 

© Dr. Rüdiger Krüger, Rheda-Wiedenbrück 2006
Kontakt: mailto:siegfriedcarl@hotmail.com
letzte Änderung: 02.09.00

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