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Der Teufel von Herrenalb

 

PROLOG

Hanswurst [von der Seite in die Szene springend, er nestelt noch an seinem Gewand herum, verbeugt sich vor dem Publikum und zu den – noch nicht sichtbaren? – Schauspielern hin]: Ein Spektaculum gibt’s heut für Euch, Ihr Leut, aus der Historia eines Klosters. Nehmen wir hier das Kloster Herrenalb, das vor 850 Jahren gegründet und dessen Untergang vor 500 Jahren begann. Das ist die Zeit unseres Spiels. Es werden auftreten. Äbte und Mönche, Bauern und Mägde, Junge und Alte, Gute und Böse, Verliebte und Grausame... Eine alte Zeit vergeht, eine neue kommt – eine bessere, eine glücklichere? Was weiß ich?, der Hanswurst, der immer da ist, auch dann, wenn man mich nicht sieht. Was auch immer die hochwohlmögenden Herren meinen und was die kleinen Laute so greinen, mich ficht es nicht an, ich steh im Hintergrund, schau, wie jeder spielt und ob auch jeder spielen kann.

[Die Mönche treten singend auf, Hanswurst deutet auf sie]: Ah, die Herren Mönche, immer singend, immer betend, wenn ihnen sonst nichts einfällt – das Spiel beginnt! [er setzt sich auf einen in der ersten Reihe der Zuschauer reservierten Platz, von dem aus er die ganze Szenerie überblickt und jederzeit eingreifen kann.]

1. Szene: Kloster

Die Mönche ziehen mit Gesang ins Kloster (Paradies) ein. Vor dem Kloster treffen sich Abt, Kantor und der Scriptor Aurelius, um über das bevorstehende, geplante Klosterjubiläum und das von Aurelius verfasste Weltgerichtsspiel zu sprechen. Hierbei wird, stets nur in Andeutungen, auf das Herrenalber Gebetbuch, die Tradition des Scriptorums und des Klosters insgesamt – auch auf die historische Situation, die immer durchschimmern wird – eingegangen.

 

Mönche [in Reihen ins Kloster laufend, singen]: laudate domine

Abt [bleibt stehen und hält Johannes Zürn sowie den jungen Scriptor Aurelius zurück, während die Mönche singend ins Paradies schreiten]: Oh ja, es wäre schon wunderbar, wenn wir mit einem großen Jubelfest an den Samen erinnern könnten, den Berthold von Eberstein vor dreihundertfünfzig Jahren hier an der Alb in fruchtbaren Boden gelegt hat.

Johannes Zürn [unterwürfig]: Dies hatte ich bezweckt mit meinem Hinweis auf das Gründungsdatum unserer Abtei, ehrwürdiger Abt. Die alten Schriften sagen dies Datum eindeutig. Wir werden uns für das Gedenken anstrengen: Ich werde gleich dem Scriptorium Anweisung geben, ein weiteres festlich illuminiertes Gebetbuch zu verfassen. Die Merklinger werden ihr Exemplar sicher bald abholen. Und so lange haben wir ja nun noch eine schöne Vorlage im Haus.

Abt: Nein Bruder Johannes, ich denke mehr an ein richtiges Fest. Ein Fest, das uns Mönche mit den Menschen der Dorfes und all unserer Besitztümer vereint.

Johannes [wehrt ab]: Was für moderne Gedanken, Abt Bartholomäus! Was sollen wir uns gemein machen mit dem einfachen Volk. Es ist gut, dass diese für uns arbeiten und uns in schweren Zeiten auch mit Waffen zu verteidigen wissen. Sind nicht wir diejenigen, die stetig für sie beten, die um ihr Seelenheil bemüht sind. – Während sie nur danach trachten, es schnellstmöglich in die Gosse zu werfen?

Abt [sanft]: Ach Bruder Johannes. Alle Geschöpfe unter dem weiten Himmel sind Gottes. Und alle haben ihren eigenen Wert in sich. Was ist es an uns, herab zu schauen auf den Nächsten. Ihn zu lieben, wie uns selbst, ist uns aufgetragen.

Johannes [erregt]: Sind die Huren und Säufer im Wirtshaus auch meine Nächsten, die Mörder, Diebe und gar auch die Ketzer? Meine Mitbrüder sind meine Nächsten, [er schaut auf den neben ihm stehenden Aurelius] und da fällt mir die Liebe schon manches Mal schwer genug.

Abt [immer noch relativ ruhig, aber innerlich erregt]: Darf ich dich erinnern, mit wem unser Herr sich umgab auf seinem kurzen Erdengang. Hast du die Worte der Schrift vergessen? Wer gibt dir das Recht, über diese manchmal armen Kreaturen zu richten, die nicht in den Umständen leben können, die du in unserem Kloster genießen darfst.

Johannes Zürn [laut]: Die Zeiten hier waren auch schon einmal besser; aber Sie mussten ja unbedingt den badischen Markgrafen zu unserem Schirmer bestimmen. Jetzt leidet das ganze Kloster unter Ihrer Unbedachtsamkeit. Die Württemberger haben es uns heimgezahlt und sich bei uns herzlich bedankt. [lacht höhnisch]

Abt [mit scharfer Stimme]: Jetzt reicht es, Bruder Johannes. Hüte deine Zunge und lass‘ diese frechen Reden auf unsre Landesherrschaft. Ich möchte dich nicht noch einmal ermahnen müssen!

Johannes [lenkt ironisch ein]: Wenn Sie mir in solchem Ton meine Verdienste um das Kloster im Skriptorium und Kantor lohnen, strecke ich die Waffen.

Abt [ruhiger]: Du brauchst nicht beleidigt zu sein. Ein jeder weiß es zu schätzen, dass unsere Gönner Wert auf Psalterien und Gebetsbücher aus unserer Schreibstube legen. Und dein Anteil an diesem Erfolg soll keineswegs geschmälert werden. Aber zum Jubelfest wollen wir auf diesen Glanz verzichten. Ein richtiges Fest soll mit allen uns von Gott Anvertrauten gefeiert werden. Der Küchenmeister wird das Nötige veranlassen.

Johannes [gibt noch nicht nach]: Und zum Lobe Gottes, der unser Kloster durch die Fährnisse der Jahrhunderte geleitet hat, soll nichts geschehen. Denn Saufen und Tanzen ist wohl kaum ein Gotteslob. Gebet und Arbeit sind nach des heiligen Benedikt Weisung die gottgefälligen Taten; und was wir in Gebet und Arbeit zum Lobe des Herrn verrichten können, sollten wir auch zum Jubelfest tun.

Abt [pflichtet ihm bei]: Ja, Bruder Johannes, "ora et labora" das war und ist und wird stets unsere Devise sein. Wir sind keinem andern Leitsatz so verpflichtet, wie dieser Gründungsformel unseres allseits geliebten und hochverehrten heiligen Benedikt. Und weil du schon deinen Teil im Übermaß abgeleistet hast, soll nun dein Stellvertreter Aurelius einmal sein Können ganz zum Lobe des Allmächtigen einsetzen.

Johannes [ungläubig, enttäuscht]: Wie das, ehrwürdiger Abt. Er hat noch keine einzige Handschrift eigenständig geschrieben, noch nichts illuminiert. Wie soll er nun – ohne mein Dazutun – ein ganzes Werk vollbringen.

Abt [lächelt ihn an]: Da hast du recht, Bruder Johannes. Aber er soll gar keine Handschrift erstellen. Jedem hat der Herr andere Gaben in die Wiege gelegt. Und Bruder Aurelius ist nun einmal ein begabter Erfinder von geistlichen Spielen. Manches, was ich gelesen habe, hat mir überaus gefallen. Und wir wollen ein solches, ganz neues, aufführen.

Johannes [schüttelt den Kopf]: Ein Spiel von uns Mönchen aufgeführt? Das ist doch nicht möglich ...

Aurelius [der die ganze Zeit dabei gestanden und nur durch Körpersprache gezeigt hat, wie sehr er emotional beteiligt ist, sprudelt hervor]: Warum nicht. Allenthalben führt man solche Spiele auf. Das Künzelsauer Spiel um den Leichnam des Herrn vor zwanzig Jahren hat die Menschen aufgerüttelt, hat sie zur Umkehr zu Gott bewogen. Und auch ich will die Menschen aufrütteln und ans Jenseits erinnern.

Abt [pflichtet bei]: Ja ein Weltgerichtsspiel soll es werden. Ein Memento Mori, das die Menschen gemahnen soll an den Tod, der keinen verschont.

Hanswurst [springt auf]: Das ist ja richtig schaurig und trübe. Mönche, die uns das Jüngste Gericht auftischen wollen. Kennt ihr das jüngste Gerücht: Das Weltende soll kurz bevorstehen. Der heilige Silvester wird es einläuten. Da wollen wir doch lieber fröhlich sein und uns die paar Monde noch am Leben freuen ... Obwohl sich schon morgen die Sonne verfinstern kann.

Abt [zu Hanswurst gewandt]: Ruhe jetzt, bitte! Lass uns weiter machen! [drohend] Das gilt auch für den Rest des Abends. [Hanswurst setzt sich wieder, vor sich hin plappernd, welche Feste er noch zu feiern gedenke, bis zum Weltuntergang].

Aurelius [nimmt den Faden des Hanswurst auf]: Ja gerade um das Ende dieser sündigen Welt soll es in meinem Spiel gehen, ums Jüngste Gericht und die Auseinandersetzung zwischen den teuflischen Mächten und den himmlischen, zwischen dem Teufel und Michael, dem Seelenwäger.

Abt [froh gelaunt dazwischen]: Das ist zu unserem Jubelfest einmal ein "ora et labora" ganz besonderer Art. Nun, da staunst du, Bruder Johannes.

Aurelius [redet sich in Fahrt]: Und natürlich sind die klugen und törichten Jungfrauen zur himmlischen Hochzeit geladen ... und alle die dem Herrn begegneten, als er als Mensch hier auf Erden wandelte, ... und die Reichen und Armen, die Mächtigen und die Unterdrückten, Päpste, Kaiser, Bischöfe, Fürsten, Bürger, Bauern, Bettelleute .... bis hinab zum ungetauften Säugling - - alle, alle müssen sie vor dem letzten Richter erscheinen. Und die Engel werden ... (Hosianna singen und den Herrn loben für seine Güte ...)

Johannes [der mit besorgter Mine, kopfschüttelnd zugehört hat, unterbricht nach "Engel werden..."]: Ehrwürdiger Abt, ist das Ihr Ernst?

Abt [ruhig und gelassen]: Oh ja, Bruder Johannes, es ist mein Ernst. Und auch du solltest dich damit abfinden, dass wir diesmal unseren Herrn ein wenig anders loben werden als bisher.

Aurelius [immer noch in Fahrt]: Und wo doch das Schreiben von Büchern nicht mehr lange von Hand weitergehen wird. Die Erfindung von Mainz, von diesem Gutenberg, nutzt man jetzt schon an vielen Orten. Auch in unserer Bibliothek sind schon einige wichtige Bücher in der neuen Technik des Büchermachens gelandet.

Johannes [unwirsch]: Technischer Tand. All diese Neuerungen, nichts als sündige Gedanken, gar biblische Texte auf Deutsch ... Steht doch in einem dieser Bücher, die Erde sei rund und man könne einmal herumsegeln. Da wird bald noch ein Spinner kommen und behaupten, die Erde drehe sich um die Sonne, ha ha ha [lacht hämisch].

Aurelius [in Rage]: Aber es ist doch nicht zu leugnen, dass mit dem neuen Buchdruck Bücher viel schneller und billiger gemacht werden können als wie wir es bisher machten. Das wird, das muss sich durchsetzen.

Johannes [böse]: Man wird sehen, was die Welt davon hat, wenn sie heilige Schriften durch Maschinen drucken lässt. Sie sind entweiht und Unheil wird dadurch über uns kommen. Die Sonne wird still stehen und sich verdunkeln und der Antichrist die Herrschaft übernehmen.

Abt [versucht zu vermitteln und Johannes Zürn zu besänftigen]: Rede dich nicht in einen unbegründeten Zorn, Bruder Johannes. Wir wollen gemeinsam zum Lob des Herrn das Weltgerichtsspiel des guten Aurelius aufführen und darin Teufel und Antichrist überwinden. Und du wirst weiterhin den Ruhm unseres Klosters mit wunderbaren Handschriften mehren. Haben nicht die Württemberger das Gebetbuch für den Bruchsaler bewundert und selbst nach einem verlangt? Geh hin und sorge, dass es noch prächtiger ausfällt.

Johannes [etwas besänftigt]: Wenn Sie meinen! Dann werde ich gleich das Nötige veranlassen und meine besten Schreiber und Illuminatoren ans Werk setzen. Ehrwürdiger Abt, darf ich mich zurückziehen. [Auf eine Handbewegung des Abtes hin zieht er sich ins Kloster zurück, indem er noch murmelt]: Die Ordnung geht dahin; ich bin der Leiter des Scriptoriums; ich sollte so ein Spiel schreiben, nicht dieser grüne, unerfahrene Jüngling...

Abt [legt den Arm um Aurelius]: Sei nicht immer so hitzköpfig. Auch bei den Vorbereitungen zum Weltgerichtsspiel. Stoße nicht die Alten vor den Kopf. Wir leben in einer schnellebigen Zeit; und viele können der Entwicklung nicht folgen – viele wollen es auch gar nicht. Es ist an uns, die wir weiter sehen, Rücksicht zu nehmen.

Aurelius: Ich weiß, ehrwürdiger Abt, aber bei soviel Ignoranz... Man kann doch nicht immer die Augen verschließen vor dem Neuen...

Abt [ganz ruhig]: Ja, aber das Neue birgt auch Gefahren. Kein Mensch weiß zu sagen, ob die zukünftigen Zeitläufte nicht doch schon in Kürze in die Endzeit übergehen werden. Wir müssen immer das eigene Ende und das Ende der Welt vor Augen haben; bei all unserem Tun.

Aurelius [zustimmend]: Ja aber gerade das ist doch der Grund für mein Spiel, ich meine, für unser Spiel, das wir zur Aufführung bringen wollen.

Abt [jetzt sehr ernst]: Dann ist es gut, wenn du das auch so siehst, und wenn dein Spiel – denn zuerst ist es ja doch deines – den Weg zum Seelenheil nicht verlässt.
[er fährt sich über die Stirn, wie um böse Gedanken wegzuscheuchen; plötzlich aufgeräumt heiter]: Nun, dann wollen wir die Dinge mal in die rechten Bahnen führen. Zunächst müssen wir wohl die geeigneten Spieler finden. Lass uns ins Dorf gehen und unsere Gedanken unter die Menschen bringen.

2. Szene: Dorfplatz

Abt und Aurelius unterhalten sich auf dem Dorfplatz – Lene und ihre Freundin Marthe beobachten aufmerksam die Szene und v.a. den jungen schönen Mönch. Man bespricht mit den Bauern das Kloster-Jubiläum und fordert zum Mitspielen auf. Aurelius erklärt, wen man aus der Bauernschaft benötigt (Engel, Magdalena, Martha, Volk etc.) und er fügt hinzu, dass ein Teufel von auswärts gesucht werde. Lene und Marthe erklären sich bereit, mitzuspielen, desgleichen einige Bauern; während die Bäuerinnen zustimmen, dass ihre Kinder als Engel zur Verfügung stehen.

 

Aurelius [zum Abt, ein wenig unbeholfen stotternd]: Mir .. äähem .. hm [druckst herum] ... mir liegt – ehrwürdiger Abt – eines besonders am Herzen. Wird es mir gestattet sein, das notwendige Personal des Spieles alleine auszuwählen, selbst zu entscheiden, wer welche Rolle verkörpert. Denn alles steht und fällt bei einem solchen Vorhaben im Freien mit den Spielern, den schauspielerischen Leistungen, den Stimmen ...

Abt [Aurelius beipflichtend]: Unbedingt müssen wir die besten der Bauern und Handwerker gewinnen. Und du hast mein Vertrauen. Such aus, wer dir in dein Stück passt.

Aurelius [lebhaft]: Ja! Wir brauchen gute Spieler. Aber mein Stück wird weniger die Handwerker und Bauern erfordern als vielmehr auch Frauen und Kinder; v.a. für die Rolle der schönen Maria aus Magdala, und die Martha muss eine ganz Feurige sein ...

Abt [beschwichtigend, vorwurfsvoll]: Aber Aurelius, was sprichst du so von den Weibern, ereifere dich nicht, wenn du ans schwache Geschlecht denkst; erinnere stets dein Gelübde. Satan wird sich doch nicht in deine Gedanken einnisten in Gestalt einer schönen Frau?

Aurelius [mit gesenktem Haupt]: Aber nein, ehrwürdiger Abt! Ich dachte nur an den Teufel, dem Martha Paroli bieten soll – sie muss schon das rechte Auftreten haben, damit dem höllischen Hallodri Hören und Sehen vergeht – und schön muss sie sein, damit er sich verguckt.

Abt [nachdenklich]: Wer aber soll den Teufel spielen. Ich denke stets darüber nach, wem man dies schwierige, ja vielleicht sogar gefährliche Amt aufbürden kann.

Aurelius [wirft ein]: Wir könnten Bruder Sebaldus bitten, den Part zu übernehmen, mit seinen spitzen Ohren, seiner spindeldürren Gestalt und seiner scharfen Stimme würde er mir gut in die Rolle passen.

Abt [wehrt ab]: Nein Aurelius, keiner von uns kann in die Rolle des Bösen schlüpfen; der wahre Böse könnte Macht über ihn gewinnen wollen, seine Seele wäre in Gefahr.

Aurelius [fast ein wenig frech]: Aber er würde doch auch von seiner Art her gut in diese Rolle passen

Abt [unwirsch]: Du solltest gegenüber deinen Mitbrüdern, auch wenn sie Konversen sind, dein loses Mundwerk im Zaum halten. Du kennst Sebaldus und weißt, welchen Einfluss er auf unsere Gönner hat. [er macht eine wegwischende Handbewegung] Lassen wir das, überlegen wir lieber eine Lösung unseres Problems.

Aurelius [geknickt]: Verzeihung! Ich bitte um Vergebung wegen der losen Worte über Bruder Sebaldus. [macht einen erneuten Anlauf] Aber wenn keiner von uns in Frage kommt, dann sollten wir einen Burschen finden, der zu sonst nicht taugt, als derbe Späße zu machen und den Jungfrauen nachzulaufen. Was hat er zu verlieren?

Abt [hebt mahnend die Hand]: Aber Aurelius, dein jugendlicher Überschwang geht mit dir durch. Du weißt doch selbst, dass einer aus dem Dorf verloren wäre. Ein jeder würde in ihm den Leibhaftigen sehen und sein Leben wäre in Gefahr. Es muss eine andere Lösung geben. Vertrauen wir nur auf Gott, er wird es richten, wenn er unser ernsthaftes Bemühen sieht, ihm ein wohlgefälliges Spiel zu bereiten.

Aurelius [meint bedenklich]: Es mag kein gar so wildes Getöse geben um den Teufel. Nicht der grausame, Menschen kochende und verschlingende Satanas schwebt mir vor. Ich stelle ihn mir eher als den an sich selbst verzweifelten und darum bitteren und sarkastischen Luzifer vor.

Abt [auch ganz ruhig]: Trotzdem ist es wohl besser, wenn es kein Hiesiger ist, der ihn darstellt. ... Ach im Übrigen, Bruder Aurelius, worüber ich dich dringlich ermahnen muss: Du begibst dich doch in deinem Weltgerichtsstück nicht auf den Boden der Häresie? [in drängendem Ton] Bleib im gedanklichen Schoß der Mutter Kirche.

Aurelius [abwehrend]: Aber natürlich, ehrwürdiger Abt! Ich werde allerdings die Grenzen weit setzen. So wie Sie es mir in Disputen gelehrt haben. Denn ein Schauspiel muss den Menschen einen Zerrspiegel vorhalten, damit sie ihre Sünden erkennen und Buße tun. So werde ich die Maria und die Martha, die dem Herrn auf so verschied‘ne Weisen dienten, dem Teufel entgegensetzen und die beiden durch Michael, unseren Seelenwäger, beschützen lassen.

Abt [hebt mahnend die Hand]: Nun denn, ich wünsche dir den Segen unseres Herrn. Und ich verlasse mich auf seine lenkende Hand, dass dir die rechten Worte in den Sinn kommen. [er bemerkt Lene und Marthe, die sich ihnen ehrerbietig nähern] Gott grüße dich, Lene und dich, Marthe! Was wollt ihr, liegt etwas an?

Marthe [zögernd]: Grüß Gott, ehrwürdiger Vater. [Lene macht einen linkischen Knicks in Richtung der beiden] Stimmt das, was man sich zuraunt.

Aurelius [vorlaut]: Was raunt man denn im Dorf.

Marthe [mutiger]: Das Kloster plant ein großes Fest zum Gedenken an die Grundsteinlegung vor vielen hundert Jahren, und wir alle sollen beim Tanz eingeladen sein.

Abt: Ja mein Kind, es stimmt, dass wir der Gründung unseres Herrenalber Klosters vor nunmehr 350 Jahren gedenken wollen Und auch das mit dem Fest und Tanz ist richtig. Das ganze Dorf soll an einem lauen Sommerabend nach der gemeinsamen Vesper vor dem Dorfkrug unser Gast sein.

Aurelius [unterbricht den Abt eifrig und gar nicht ehrerbietig]: Und ein großes Spiel wird es geben, ein Spiel vom Ende der Zeiten, vom Weltgericht.

Lene [erschrocken]: Das Weltgericht als Spiel, mit dem leibhaftigen Seelenverschlinger.

Abt [mahnend zu Aurelius]: Schau, was du mit deinem Übereifer anrichtest: Du hast das Kind verschreckt. Nein Lene, es wird nichts Böses um das Spiel sein. Aurelius selbst schreibt es uns und wird es mit euch allen gemeinsam zur Aufführung bringen.

Marthe [gemeinsam mit Lene]: Mit uns allen? Ein richtiges Spektakel – toll!

Lene [erschrocken aber auch freudig]: Wir sollen mitspielen, ob ich das kann?

Marthe [nimmt Lene an der Hand]: Natürlich kannst du, und ich will unbedingt mitmachen! Wir zwei in einem Weltgerichtsspiel als Engel. Das wär‘ doch super.

Lene [kommt in Fahrt]: Ich als ein Engel – oh ja, das wäre wunderbar.

Abt [lachend über die Begeisterung der Mädchen]: Ihr seid wohl etwas alte Engel. Gemach, gemach, es gibt sicher für eine jede von euch eine schöne Rolle; nicht wahr Aurelius! [dieser nickt eifrig] Lasst uns alle zusammenrufen. [er klatscht in die Hände und langsam kommt der Großbauer Maier auf die Gruppe zu.] Dann kann Aurelius erklären, was es mit dem Spiel auf sich hat, welche Rollen es zu besetzen gibt und wie viele Personen er dafür braucht.

Grossbauer Maier [tritt auf den Abt und Aurelius zu]: Seltene Gäste im Ort. Ich grüße euch. Was liegt an?

Abt [zu ihm gewandt]: Grüß Gott mein Bester. Würdest du bitte alle Bürger des Ortes zusammenrufen, denn wir haben etwas Wichtiges zu verkünden, das so viele wie möglich wissen sollten.

Maier [erschrocken]: Gibt es wieder Streit mit den Württembergern und Badenern, ich dachte, das wäre nun endgültig geklärt.
[nach und nach sammelt sich immer mehr Volk um die Gruppe]

Abt [besänftigend]: Nein, nein, das ist alles in seiner Ordnung, so wie es vor zwei Jahren mit den Württembergern vereinbart worden ist. Es geht nun ...

Maier [scheint noch nicht beruhigt]: Mir fährt noch jedesmal der Schreck in die Glieder, wenn Sie etwas Wichtiges verkünden wollen. Dass unser Herzog Eberhard, unser Landes-Herr, uns alle wegen der unvorsichtigen Aktionen des Klosterkonvents beinahe mit Krieg überzogen hätte, vergessen wir so schnell nicht.

Abt [ein wenig unwirsch]: Ach lass das. Das war hohe Politik, und ich hätte mir auch einen günstigeren Ausgang der Verhandlungen gewünscht. Doch nichts mehr davon. [wieder freudiger] Nein, heute gibt es wirklich ein für alle höchst erfreuliches Ereignis zu verkünden. Wir wollen ein gemeinsames Fest feiern.

Maier [der sich wieder abgeregt hat]: Nichts für ungut, aber was soll es in diesen schweren Zeiten Anlass zum Feiern geben? Ich hab‘ mich schon gewundert, als ich von dem Gerücht hörte, ein Fest stünde an.

Abt [fröhlich]: Unser Kloster Herrenalb hat genug Grund zum Feiern, trotz der schweren Zeitläufte; denn wir haben Geburtstag. Und einen runden noch dazu. Vor dreihundertfünfzig Jahren hat der gute Berthold von Eberstein – Gott sei ihm gnädig – den Grundstein für unser Kloster legen lassen. Was daraus geworden ist, darauf können wir mit Recht stolz sein. Jetzt ruft die Leute, damit wir unser Vorhaben erklären können.

Maier [mit lauter Stimme rufend]: Kommt her, kommt alle her, und hört, was der ehrwürdige Abt uns anzukündigen hat. [die Leute kommen zögernd näher] Ja jetzt macht schon, bisschen Beeilung! [zum Abt gewandt] Alle werden wir sowieso nicht erreichen.

Abt [zustimmend]: Das ist mir klar. Aber auch Christus hat einst nicht die ganze Menschheit mit seiner frohen Botschaft erreicht, sondern die Jünger, die Apostel zur Verkündigung ausgesandt. So müssen halt die jetzt hier Anwesenden jedem, dem sie begegnen, berichten.

Maier [zur Menge gewandt]: Jetzt bitte Ruhe, damit ein Jeder hören kann, was uns das Kloster mitteilen will. Und vergesst nicht, es jedem weiter zu sagen, dem ihr begegnet!

Abt [in Reihen ins Kloster laufend, singen]: Ja, ihr Lieben. Zunächst darf ich euch allen ein herzliches Grüß Gott! zurufen. [es antwortet ihm ein vielstimmig gemurmeltes "Grüß Gott"] Zum Andenken an unsere Klostergründung vor nunmehr drei und einem halben Jahrhundert werden wir ein großes Fest veranstalten, zu welchem das Kloster Köstlichkeiten aus Küche und Keller beisteuern wird. Das Fest soll hier auf dem Klosterplatz vor dem Wirtshaus von euch ausgerichtet werden. Spielleute sollen zum Tanz aufspielen. Wir wollen uns gemeinsam mit euch freuen!

Bauer Hinz [haut sich auf die Schenkel und nimmt eine Dorfschöne in den Arm]: Au ja! Da bin ich dabei, wenn ein Fass aufgemacht wird. Ich hab schon wieder mächtig Durst. [er zieht mit der Dorfschönen ins nahe gelegene Wirtshaus]

Abt [schaut kopfschüttelnd hinter ihm her]: Nun der Herr schaut auch auf die Schwächsten gnädig herab. Bruder Aurelius wird euch nun erklären, was wir sonst noch vor haben. Denn das gemeinsame Fest soll nur der weltliche Teil der Feier sei. Bruder Aurelius schreibt ein Weltgerichtsspiel, das er mit euch gemeinsam zum Lobe Gottes aufführen wird. [macht eine aufmunternde Bewegung zu Aurelius] Nun Aurelius, erklär ihnen, was du vorhast!

Aurelius [eingerahmt von Lene und Marthe sowie dem Abt und Großbauer Maier, zunächst ein wenig schüchtern, mehr und mehr in Fahrt kommend]: Der Herr wird unserem Vorhaben sicherlich gnädig sein, denn alles was wir vorhaben, geschieht nur zu seiner Ehre.
Vielleicht hat mancher von euch schon vom Weltgerichtsspiel gehört, das vor ein paar Jahren in Künzelsau gespielt wurde. Wir haben Ähnliches und doch ganz Anderes vor. Ein Spiel vom Ende der Welt und vom Jüngsten Gericht soll es werden. Ein Spiel, das dem Menschen seine Nichtigkeit als Erdenwurm begreiflich macht. Ein Spiel, das den Menschen an sein Ende gemahnt,

Abt [leise aber bestimmt]: Nun erzähl schon, wofür du die Menschen aus dem Dorf brauchst.

Aurelius [fährt fort, während die Umstehenden mitgehen, z.B. bei "ewige Glückseligkeit" jauchzen und bei "grässlichem Höllenfeuer" massiv erschrecken etc.]: Früher haben nur wir Mönche die geistlichen Spiele aufgeführt. Aber auch die Künzelsauer haben alle mitgemacht bei ihrem Spiel. Und so wollen wir es auch: Alle von euch sind aufgefordert, beim Weltgerichtsspiel mitzuspielen, beim Kampf Michaels mit dem Drachen. Das Spiel wird als Exempla die Versuchung vieler durch den Teufel zeigen; und wie sich die Meisten eben nicht in Versuchung führen lassen. Es wird auch zeigen, dass Arm und Reich, Jung und Alt, Groß und Klein, dass ein Jeder und eine Jede die ewige Glückseligkeit erlangen kann oder der ewigen Verdammnis, dem grässlichen Höllenfeuer übergeben wird.. Und so brauche ich eben auch möglichst viele für das Spiel. Tanzende Kinder für die Seelen der Verstorbenen, Adelige, Bauern, Mönche, Bettler, Huren, Spieler und so weiter.

Alle durcheinander [alle geraten in helle Aufregung und jeder überlegt, was er wohl spielen kann]:
– Ich könnte einen Ritter spielen.
– Du ein Ritter, dass ich nicht lache; vielleicht ein Jäger?
– Eine Hure will ich nicht sein, nein, das soll die Anne machen.
– Oh, ich wär gern ne reiche, schöne Frau aus der Stadt!
– Ich bleibe, was ich bin: Bauer, das kann ich am besten, da komm ich auch in den Himmel.
– Nicht alle, der Bauer Hinz, der kommt sicher nicht in den Himmel.
– Eine schöne Jungfrau, das wär toll für mich.
– Wie willst du denn wieder Jungfrau werden?
– Meine Kinder dürfen gerne mitmachen.
– Ich bin arm und will auch einen Armen spielen, denn die Armen verstößt der Herr nie!
– Ja, die Kinder sollen ruhig die Engel spielen.
...

Grossbauer Maier [klatscht in die Hände]: Nur keine Aufregung; ich denke, Bruder Aurelius wird für jeden eine Rolle haben.

Aurelius [pflichtet ihm bei]: Aber gewiss...

Maier [fährt fort]: Aber es ist wohl klar, dass nur wenige das Lesen beherrschen und genauso wenige das Hirn dazu haben, einen Text zu lernen?!

Aurelius [sofort wieder in seinem Element]: Nein, nein! Es sind nur ganz wenige Rollen, die einen längeren Text memorieren müssen. Spielen müssen alle können und Spielwitz mitbringen. Und für die Maria aus Magdala und ihre Schwester Martha brauche ich zwei schöne Mädchen, [er wird ganz verlegen und schaut den Abt an].

Abt [lacht]: Nur zu Aurelius...

Aurelius [etwas linkisch zu Marthe und Lene]: Du Marthe könntest wohl als Martha dem Teufel Paroli bieten und du [er strahlt Lene an] ja, du, Lene, wärst eine wunderschöne Maria Magdalena.

Lene [schüchtern]: Ich weiß nicht, ob ich das kann, so vor allen; und war die Maria Magdalena auch wirklich tugendhaft und rein?

Marthe [fröhlich]: Ach Lene, wir sind doch fast wie Schwestern. Und im Spiel könnten wir es wirklich sein. [stellt sich in Positur] Ich bin bereit, dem Teufel zu zeigen, was eine Heilige ist. [alle lachen].

Aurelius [zu Lene und Marthe]: Es wäre wunderbar, wenn ihr beide das spielen könntet. Und die Maria aus Magdala liebte den Herrn, wie wir alle den Herrn lieben sollten; und der Herr ist ihr als Erste nach seiner Auferstehung erschienen, daran siehst du, Lene, dass sie etwas ganz Besonderes ist! Du kannst das bestimmt.

Alle [rufen]: Ja Marthe, ihr könnt das!
– Die Lene als Maria Magdalena, ja, die soll das machen.
– Die Marthe wird dem Teufel ganz schön einheizen [lacht].
– Ja, dem wird Hören und Sehen vergehen.

Marthe [ruft fragend]: Ja, und wer soll der Teufel sein?

Abt [bekreuzigt sich]: Marthe! Mit dem Teufel und Satanas ist nicht zu spaßen. Das ist die schwerste Rolle im Weltgerichtsspiel, nicht wahr, Bruder Aurelius?

Aurelius [stimmt sofort ein]: Ja, ehrwürdiger Abt. Es wird schwer werden, hierfür einen Spieler zu finden; einen, der stark genug ist, der Rolle zu widerstehen.

Abt: Ich werde eine Nachricht nach Künzelsau schicken, wer dort den Teufel gespielt hat, vielleicht kann man uns helfen. Wenn einer von euch weiter weiß, so soll er es sagen.

Aurelius: Wer beim Weltgericht mitspielen will, soll sich in einer Woche morgens früh zum Hahnenschrei an der Klosterpforte einfinden.

Abt [wendet sich zum Gehen]: Es ist wohl gesagt, was gesagt werden muss. Ich wünsche euch allen eine gesegnete Woche. [er schlägt über alle in drei Richtungen das Kreuzeszeichen:] In nomine patri et filii et spiritus sancti. Amen. [geht mit Aurelius in Richtung Kloster].

Grossbauer Maier [klatscht wieder in die Hände, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken]: Ihr wisst alle, was ihr zu überlegen habt. Zum Lobe des Herren und unseres Kloster wird es uns eine Verpflichtung sein, das Jubiläum würdig zu gestalten, Und jetzt soll wieder jeder an seinem Platz seinem Tagwerk nachgehen. [Alle gehen ins Gespräch vertieft bzw. nachdenklich in die unterschiedlichsten Richtungen auseinander].

3. Szene: Kloster

Der Kantor – von Neid zerfressen – im Gespräch mit weiteren Mönchen. Sie schimpfen über das Vorhaben des Spiels zum Klosterjubiläum, das dem jungen Aurelius eine herausragende Stellung verschafft, die eigentlich dem Kantor zustünde. Dass Aurelius in dem selbst verfassten Weltgerichtsspektakel auch noch den Seelenwäger Michael persönlich verkörpern will, empfinden sie als Anmaßung. Sie sehen die hierarchisch gegliederte Kloster- und damit Kirchen- ja Weltordnung in Gefahr, wenn "so etwas" Schule machen würde. Zudem ist dem Kantor einiges über den Inhalt des Stückes bekannt geworden, das ihn (heuchlerisch) um die Seele des Aurelius bangen lässt – erste Vorboten des drohenden Unheils.

 

Johannes Zürn [mit den Mönchen Sebaldus, Peter und Paul vor dem Paradies]: Ich liebe es überhaupt nicht, was der junge Bruder Aurelius da anstellt, wie er sich gebärdet, in den Vordergrund spielt. Er sollte sich lieber auf die wirklichen Aufgaben eines Kantors und Scriptors vorbereiten, so wird aus ihm nie etwas Rechtes.

Sebaldus [fragend]: Warum, Bruder Johannes, was ist mit Bruder Aurelius.

Peter [fällt ein]: Meinst du das mit dem Weltgerichtsspiel? Das klappt doch sowieso nicht, ich glaube, da hat sich der gute Aurelius übernommen.

Sebaldus [neugierig]: Ach das mit dem Jubiläum! Irgendwas muss doch aber als Gedenken an die Gründung unseres Klosters passieren. Ich find die Idee unseres Abtes gar nicht so übel.

Johannes [zustimmend aber verärgert]: Natürlich ist die Idee in Ordnung. Aber zum Lobe des Herrn und seiner Werke muss nicht immer eine solches Spektakel gemacht werden. Ich hatte Großes vorgeschlagen, aber mein Wort zählt ja nichts mehr. Und wenn es denn schon eine geistlich Spiel sein soll, dann kann das kein so unerfahrener, grüner Bursche wie Bruder Aurelius machen.

Peter [pflichtet bei]: Genau das meine ich auch. Da braucht es Erfahrung im Leben und Erfahrung in der Schrift. Wo kämen wir hin, wenn jeder Anfänger an Großes gelassen würde.

Johannes [dazwischen]: Das wollte ich sagen... Es gibt eine Ordnung des Menschen und der Dinge, daran sollte sich auch unser ehrwürdiger Abt halten. Das Schreiben ist in unserem Kloster meine Aufgabe. Auch ich hätte da so meine Ideen gehabt, wenn ich die Aufgabe übernommen hätte.

Peter: Was weiß Bruder Aurelius schon von den wahren Anfechtungen des Teufels, und nun will er gar über diesen schreiben. Ich habe bis heute nur die Hälfte der Apokalypse verstanden. Das reicht, um Angst genug zu haben

Sebaldus [weiterhin neugierig]: Da habt ihr natürlich recht, Bruder Aurelius ist noch ziemlich grün und unerfahren. Aber weiß einer, was in dem Spiel abgeht. Ich habe nur gehört, dass es um den Teufel und das Ende der Welt gehen soll.

Johannes [lacht hämisch]: Ja, vielleicht hast du dann auch gehört, dass er meinte, du könntest den Teufel spielen.

Sebaldus [erschrocken]: Um Gottes Willen, nein... das ist unmöglich!

Paul [der bisher ruhig zugehört hat]: Ich verstehe eure Aufregung nicht.

Sebaldus [fällt ärgerlich ein]: Wenn ich der Teufel sein soll? Das ist ja schrecklich...

Johannes [beinahe gleichzeitig]: Kennst du denn den Inhalt des Spiels, Bruder Paul? Weißt du, welch gotteslästerliche Szenen Bruder Aurelius vor hat? Ja, dass er gar den Erzengel Michael, den Seelenwäger, selbst zu spielen gedenkt.

Peter [beinahe lüstern neugierig]: Ja, was hat er denn vor? Geht es tüchtig zur Sache? [lacht, bzw. kichert.]

Paul [zu Johannes Zürn]: Nein, ich weiß nicht, was Bruder Aurelius vor hat, aber ich sehe auch nicht, warum ein schöner Jüngling – und das ist unser Aurelius immerhin – nicht einen Erzengel spielen sollte. Der ehrwürdige Abt wird schon ein Auge auf das alles haben, und ihm vertraue ich.

Sebaldus [auch zu Johannes]: Weißt du mehr? Komm, erzähl!

Johannes [beflissen]: Ja denkt euch nur, der Teufel soll leibhaftig erscheinen, aber man will ihn von auswärts holen. Und dann soll er mit der Martha und der Maria aus Magdala Unzucht treiben.

Peter [mit gespielter Empörung, eigentlich geil neugierig]: Das ist ja gotteslästerlich! Was treibt der Teufel denn mit den Schwestern des Lazarus?

Johannes [hinterhältig]: Genaues weiß ich auch nicht, aber die Skizzen im Scriptorium lassen ahnen, was Bruder Aurelius vorhat. Es wird um Unzucht mit den Heiligen gehen, um allerlei Schweinereien, natürlich unter dem Vorwand, dass die armen Seelen gerettet werden. Sodom und Gomorrha! Unser ehrwürdiger Abt täte gut daran, sich um das Seelenheil des Aurelius, ja um unser aller Seelenheil zu kümmern, und diesem lasterhaften Treiben ein Ende zu bereiten, bevor es recht los geht.

Sebaldus [aufgeregt]: Ich ahne Schreckliches, wenn ihm nicht Einhalt geboten wird.

Peter [laut und derb]: Man sollte dazwischen hauen. Solche Sauereien können wir in unserem reinen Herrenalb nicht dulden. Für Hurerei ist hier kein Platz.

Paul [scharf aber sanftmütig]: Was ist es an dir, Bruder Peter, so über andere zu richten.

Peter [plötzlich leiser]: Wie meinst du das?

Paul [wie zuvor]: Ich glaube, das weist du genau. Und auch für euch beide gilt [er wendet sich zu Sebaldus und Johannes]: Nur wer in Gedanken, Worten und Werken ohne jeden Fehl ist, der zeige mit dem Finger auf Bruder Aurelius. Von diesem kann sich manch einer von uns ein großes Stück abschneiden, wenn es um die Ehrfurcht vor dem Göttlichen geht.

Johannes [unbeirrt]: Was ich gelesen und gehört habe, das reicht mir – und was ich weiß, das weiß ich. Ihr werdet alle noch sehen, wohin uns das führt. Vielleicht kommt das wirkliche Jüngste Gericht ja schneller, als manchem von uns lieb ist! [wendet sich zum Gehen.]

Paul [sehr mild zu dem abgewandten Johannes Zürn]: Nur keine so großen Worte Bruder Johannes. Ist es nicht auch dein großer Ehrgeiz, der dich so über die Pläne unseres ehrwürdigen Abtes richten lässt..., und auch ein wenig Neid auf Bruder Aurelius?

Johannes [der als getroffener Hund bellt, wütend]: Hüte deine Zunge. Mit mir hat das nichts zu tun. Mir ists nur um das Seelenheil meiner Mitbrüder Angst.

Paul [wendet sich zum Kloster, sehr sanft]: Die Zeit wird zeigen, wohin uns Gottes unausforschliche Güte führen wird. Lasst uns hinein gehen, die Vesper wartet.

Sebaldus [beipflichtend]: Ja, gehen wir zum Gebet!
[alle vier gehen in die Klosterpforte/ins Paradies].

4. Szene: Wirtshaus im Dorf, vor dem Kloster

Mehrere Bauern beim Zechen. Derbe Sprüche v.a. gegenüber der Magd Liesel, die bedient. Zwischen zotigen Reden spricht man auch über das Kloster und die bevorstehenden Proben zum Weltgerichtsspiel. Abseits am "Armsündertisch" sitzt die heilkundige Kräutertrude, ein zerlumptes Kind neben ihr, das den Kopf in ihren Schoß gelegt hat und schläft. Zu ihr setzt sich ein junger Student, der auf der Durchreise von Paris nach Heidelberg Arbeit sucht.

Der Student, er gibt seinen Namen mit Maximilian ("Wie unser deutscher Herrscher", sagt er lachend) an, wird in die Zechrunde aufgenommen und gibt eine schlüpfrige, ja ordinäre Minnerede zum Besten. Der Student ist von dem Gedanken, den Teufel zu spielen, gleich angetan.

 

Bauer Hinz [schlägt der Wirtsmagd auf ihren prallen Hintern, man merkt ihm und den andern Zechern an, dass sie schon ordentlich getankt haben]: Dich alleine ... ha ha ha ... dich mal ganz alleine in meinem Heuschober. Das würd‘ dir gut tun. Ich tät‘ dir die Fürz‘ aus dem Arsch pumpen. [Macht eine ordinäre Hüftbewegung. Alle lachen. Die Magd schlägt ihm auf die Finger, er fasst ihre Hand.]: Nun wie wär’s mit uns.

Wirtsmagd Liesel [lacht kokett]: Geh Hinz, je größer das Maul um so schlaffer der Schwanz. Wer mit mir buttern will, muss erst mal ins Butterfass passen. [Sie fasst sich ordinär zwischen die Beine. Alle johlen durcheinander.]

Hinz [fasst sie wieder am Arm und zieht sie sich auf den Schoß]: Bleib‘ nur ein wenig hier sitzen und rühr dich, dann wirst du spüren, ob das Butterfass für meinen Stecken nicht zu klein ist. [lacht]

Liesel [legt den Arm um ihn]: Hinz, Hinz ... du bleibst auch immer der Alte. Versäufst das bisschen Geld, das all halb Jahr da ist, und meinst dann, du könntest mich noch oben drauf kriegen. Aber dein Hof reicht doch nicht für zwei, und was wär‘ mit den Bälgern, die bald kommen würden. Die fressen dir die letzten Haare vom Kopf. Lass‘ gut sein, trink, und vergnüg‘ dich.

Hinz [trinkt weiter und umfasst Liesels Brüste]: Aber bleib noch bei mir sitzen, es tut gut, dich zu spüren.

Maximilian [kommt herein, bleibt an der Türe stehen, die Mütze in der Hand]: Grüß Gott ihr Leute. Gibts wohl für einen armen Studenten ein Stück Brot und Wasser.

Wirt Kunz [winkt ihm]: Grüß Gott. Komm nur rein und setzt dich hier zu Trude. [ruft zu Liesel, die gerade mit Hinz schmust] Liesel bring‘ dem jungen Herrn Brot und Wasser, und tu ihm einen Schluck Wein in den Krug, dann schmeckts nach was. [Liesel steht von Hinzens Schoß auf und tut, wie ihr geheißen.]

Maximilian: Guten Abend. Ich bin froh, ein Dach über dem Kopf zu haben. Die dunklen Wolken, die von Ettlingen herziehen, verheißen nichts Gutes. [setzt sich an den Armsündertisch zu Trude]

Kräuter-Trude [zu dem bei ihr Sitzenden]: Guten Abend, junger Mann!

Maximilian [neigt sich zu ihr]: Guten Abend. Ich hoffe, ich stör nicht, wenn ich mich hersetze.

Trude [sehr ruhig]: Nein, nein, du störst mich nicht. Es setzt sich selten genug einer nur zum Vergnügen zu mir und plaudert ein wenig mit mir.

Maximilian [nimmt einen Schluck des Wassers, und bricht ein Stück des bereitgestellten Brotes ab]: Das Kloster hier im Schwarzwald kannte ich bisher nur vom Hörensagen.

 

Trude [fragt ihn]: Woher kommst du denn so spät am Abend. Die Gegend ist nicht immer sicher in der Nacht. Es treibt sich allerlei Gesindel herum.

Maximilian [isst und spricht mit vollem Mund]: Auf dem Weg nach Heidelberg bin ich. Da hab ich vor zwei Jahren studiert und jetzt wollt ich einen ehemaligen Professor aufsuchen, um mit ihm ein schwieriges juristisches Problem zu diskutieren. Ich will den Doktor des Jurisprudenz machen, und dafür brauch ich das.

Hinz [zu Liesel]: Komm ruhig wieder her zu mir, in der Hose rührt sich wieder was.

Liesel [macht eine abweisende Handbewegung]: Was wird sich schon in deiner Hose regen, sie wird sich wegen nem verklemmten Furz blähen.

Hinz [lacht laut und dreckig]: Nein, mein Butterstempfel ists, der sucht dein Butterfass. Oder ist dir die Milch sauer geworden. Jetzt komm schon her.

Liesel [tritt an den Tisch des Studenten, kokett]: So einer wie der hier könnt mir gefallen. [reibt sich von hinten an Maximilians Schulter] Na Student, wie heißt unser Schöner denn.

Maximilan [etwas verlegen auf Trude schauend]: Ich heiß Maximilian.

Trude [zu Liesel, die sich ziemlich geil an Maximilian ranmacht]: Liesel, lass den jungen Mann. Es ist ungeziemlich, was du da machst. Außerdem unterhalten wir uns gerade.

Hinz [rückt mit seinem Schemel näher]: Und? darf man sich mit den hohen Herrschaften unterhalten? [streckt Maximilian die Hand hin] Hinz ist mein Name. Und du heißt Maximilian.

Maximilian [der die Hand fest geschüttelt hat]: Ja, wie unser ritterlicher König.

Hinz [lacht, und ist nun nahe genug gerückt, um Liesel wieder auf seinen Schoß zu ziehen]: Da Liesel, spürst du den Stecken.

Liesel [greift unter sich und spielt die Erschrockene]: Ei Hinz, wer hätte das gedacht, dass du noch einen hoch kriegst. Nicht schlecht, ich glaub, es gibt doch noch etwas Butter auf die Nacht. [lacht schmutzig, der Wirt und Hinz lachen mit].

Trude [weist sie in die Schranken]: Jetzt ists aber genug, man muss sich schämen für euch vor dem jungen Mann.

Wirt [besänftigend]: Ach Trude, lass uns doch ein wenig Spaß haben. Und den jungen Herrn wird’s schon nicht stören. Ich hab gehört, Studenten sind so manches gewohnt.

Maximilian [abwehrend, verlegen]: Ja, was man so erzählt über uns Studenten.

Wirt [will es genau wissen]: Wo kommst du denn her, ich habe nur vorhin mitgekriegt, dass du noch nach Heidelberg willst, da hast du noch ne ganz schöne Strecke vor dir. Eine Woche brauchst du mindestens bei dem Wetter.

Maximilian [gibt Auskunft und erzählt]: Ich habe es nicht eilig. Erst in einem Monat muss ich in Heidelberg sein. Von Paris bin ich los gezogen, dort habe ich grade meinen Magister fürs Jurastudium gemacht.

Trude [fragend]: In Paris hast du studiert, da geht der Weg aber nicht hier durch nach Heidelberg.

Maximilian [stimmt zu]: Ja, da hast du recht. Aber ich hatte ein paar Unannehmlichkeiten, weil ich völlig abgebrannt bin. Da musste ich mich etwas abseits der normalen Strecke halten.

Wirt [schlägt ihm auf die Schulter]: Jetzt bist du erst mal hier, mach dir mal keine Sorgen. Hier wird sich schon was für dich finden, dass du dir dein Brot verdienst.

Hinz [der sich die ganze Zeit sehr intensiv und intim mit Liesel beschäftigt, zu Maximilian]: Ein Student bist du also. Und hast in Paris studiert. Ich hab gehört, die Pariser Studenten sind ganz besonders geile Burschen.

Maximilian [abwehrend]: Geschichten, nichts als Geschichten; das ist alles halb so schlimm. Natürlich gehts nicht immer zu wie im Nonnenkloster.

Hinz [neugierig lauernd]: Was weißt du, wies im Nonnenkloster zugeht?

Maximilian [lacht]: Na, nicht was du meintst. Na ja, man hört da ja so manches; die Beichtiger werdens besser wissen.

Hinz [lacht mit]: Ich denk auch, mancher Pater wird ein himmlisches Lied zu singen wissen, wenn er die Nonnen bedient hat. [haut sich lachend auf die Schenkel] Und du weißt gar kein deftiges Studentenstück?

Maximilian [immer noch abwehrend]: Ja schon, aber das ist nichts für feine Ohren, eher eine Sauerei, die man nicht in der Öffentlichkeit rausposaunt. Es sind ja auch Frauen hier.

Wirt [ist neugierig geworden und mischt sich ein]: Na Student, so feine Ohren haben wir nun auch wieder nicht. Wir sind manches gewöhnt, wir haben ja unseren Hinz. [deutet lachend auf diesen.]

Hinz [lacht mit]: Ja und wir haben die Liesel [fasst diese, die an seinem Tisch steht, unverschämt an, sie lacht nur], die mich immer auf die gleichen geilen Gedanken bringt. Wenn du die mit den Frauen meinst? Du hast ja selbst gespürt, wie die rangeht.

Maximilian [gibt langsam nach]: Na ja, ich hab schon mitgekriegt, wies bei euch zugeht...

Hinz [lauernd]: ja und, was ist jetzt mit der Sauerei?

Maximilian [immer noch zögernd]: ... wenn ihr unbedingt wollt, könnt ich vielleicht ....

Hinz [unterbricht ihn, äfft ihn nach]: ‚Könnt ich vielleicht...‘ – jetzt zier dich nicht so. Liesel bring dem jungen Mann ein Glas Wein, vielleicht fällt ihm dann die gescheite Sauerei wieder ein.

Wirt: [stimmt zu]: Ja auf!, das Glas geht aufs Haus; und wenn es uns gefällt, was du zum Besten gibst, soll gleich noch eines folgen.

Maximilian [zögert zunächst noch, nimmt dann von Liesel das Weinglas und hebt sein Glas]: Ich weiß wirklich nicht so recht... Also gut – wenns unbedingt muss –, ich will euch ein derbes Stück zum Besten geben, das ich vor Jahren bei einem Umtrunk in Heidelberg gehört habe, hoffentlich bekomm ich noch alles zusammen. Die Weiber möchte ich warnen, es ist eigentlich nicht für ihre Ohren gemacht. [Er nimmt einen kräftigen Schluck und beginnt mit seinem Vortrag, den er mit obszönen Handbewegungen ausmalt. Die Bauern, die solch starken Tobak noch nicht gehört haben, johlen an den entsprechenden Stellen, so dass Maximilian häufig Mühe hat, fortzufahren; als Einzige wehrt sich Trude mit entsprechender Mimik gegen die "Schweinereien"]:
Ich will euch ein Kabinettstückchen über das [er schmunzelt] "Summum bonum der Weiber", das höchste Gut für viele Männer, vortragen:

"Es ist schon immer der Lauf der Welt
Die Liebe ist käuflich für gutes Geld.
Manchen erfreut der wonnige Mai,
Manchen freut die Falknerei,
Mancher freut sich beim Turnier,
Und mancher säuft aus Kannen Bier.
Manchen freuen jagende Hunde,
Und mancher freut sich auf die Stunde,
Wenn er zum Tanzen kommen soll,
Mancher fühlt sich bei Frauen wohl,
Manchen freut üppiger Tand,
Manchen freut sein schickes Gewand,
Mancher kann nur Freude finden,
Die ihm dicke Bücher künden.
Die Landstreicher freuen sich, wie bekannt,,
Wenn sie ziehn von Land zu Land.
Jedermann ist wohlgemut,
Wenn er hat, was gut ihm tut.
Mehr als all das erfreuet mich
Eine gute Fot... [der Hanswurst springt im Zuschauerraum auf und macht mit beiden Armen verhindernde Bewegungen; daraufhin räuspert sich Maximilian im Folgenden immer 2-mal; Maximilian setzt nochmals neu an]:
Mehr als all das erfreuet mich
Eine gute F.. .[räuspert sich 2mal] sicherlich,
[Bauer grient und lacht, es ist ihm aber anzumerken, dass er nicht alles versteht. Die Männer schauen zuerst ungläubig, dann gehen sie aber immer hitziger mit entsprechender Mimik und Gestik mit.]
Denn was auch immer man sieht und hört,
Eine gute F... ist weit mehr wert.
Eine gute F... lässt Esel rattern,
Eine gute F... lässt Vögel flattern,
Eine gute F... macht Pfauen rund,
Eine gute F... reibt Kater wund,
Eine gute F... verjüngt die Häute,
Eine gute F... reizt Viecher und Leute,
Eine gute F... rundet den Ranzen,
Eine gute F... lässt Mönche tanzen.
Einer guten F... von Natur
Erfreut sich alle Kreatur.
Nun hört, was ne gute F... sei,
Die mich der Sorgen macht ledig und frei:
[Hanswurst steht auf und geht aufmerksam lauschend ein, zwei Schritte auf die Szene zu; man merkt seinen Gesichtszügen und seiner Haltung an, wie unangenehm ihm der Vortrag ist.]
Ein Weibsbild, von schöner Gestalt,
Weder zu jung noch zu alt,
Mit einem lieblichen Angesicht,
Die Augen, die Brauen schön zugericht,
Dazu eine Nase gerade und klein.
Und der Mund wir brennender Feuerschein,
Tief im wärmenden Ofen drin.
Sind dann noch die Wangen und das Kinn
Von heller Farbe, genau wie der Hals
Von feiner Farbe wie Gänseschmalz.
Und davor, wie auf Gerüste
Gestützt, des Herzens herrliche Brüste,
Die sich nach vorne drängen,
ja beinah aus dem Ausschnitt hängen,
Wie ein Vogel aus dem Nest.
Ist dann der Leib, und der ganze Rest,
Weder zu kurz noch zu lang,
Und dabei ein hübscher Gang
Weder zu kleine noch große Schritte,
Und dann zwischen der Beine Mitte
Darin eine braune F... gefunden
An einen knackigen Arsch gebunden,
Der trocken ist und heiß;
Mit Fell besetzt der kleine Kreis,
Schön gewölbt nach vorne offen.
Und hat das Glück sie noch getroffen,
So dass sie braunes Haar besitzt,
Und ist sie unten gut geritzt,
Und oben besetzt mit weichem Kragen,
Und innen rötlich ausgeschlagen,
Wie eine rote Narrenkapp‘,
Weder zu lang noch zu knapp,
Weder zu weit und noch zu eng,
Dass man ohne zu großes Gedräng‘
Angenehm reinkommen mag,
So gab’s für mich keinen schöneren Tag.
Ich nähme sie lieber als Maien-Tänze,
Ich nähme sie lieber als Frühlingskränze,
Ich nähme sie lieber als Silber und Gold,
Ich nähme sie lieber als Königs-Sold,
Ich nähme sie lieber als jagende Hund,
Lieber als jeglichen roten Mund,
Ich nähme sie lieber als allerlei
Der teuersten Greifen der Falknerei.
Man kann sich nichts ausdenken,
Das sich tiefer mag versenken
In mein Herz; in meinem Sinn
Liegt stets ne gute ...

Ein paar Bauern [laut und erhitzt]: ... Fotze ...

Maximilian [ergänzt den Vers im exakten Metrum]: ... drin."

Hanswurst: Mäßigt euch. Da ist Publikum anwesend: Nehmt ein wenig Rücksicht auf die Jugendlichen, [vorwurfsvoll] man kann sich doch etwas beherrschen.

Kräuter-Trude: Du willst ein Studierter sein. Hätt‘st vorher vielleicht den Anstand studieren sollen: Wie man sich benimmt... nicht nur wenn Frauen im Haus sind. Wenn dich nicht der Teufel selbst geschickt hat, so kannst du doch gut den Teufel spielen.

Maximilian [betreten]: Ich wollt doch nur den Männern einen Gefallen tun. Ich weiß doch, wie gern sie's deftig und derb mögen.

Grossbauer Maier [mit gespielter Empörung]: Aber ich muss auch wirklich bitten. Solche sind wir hier nicht; was sollten da die grauen Herren von uns denken.

Hinz [prustet los]: Wir sind feine Herren. Aber die Natur kommt einem halt so manchmal. [Zur Wirtsmagd hin mit entsprechender Bewegung des Unterleibs] Na Liesel, ich brauchs mal wieder!

Bauern: Nu Hinz, hast auch alles verstanden!

Trude [ermahnend]: Hinz, Hinz! Du weißt, was ich dir zu deinem Vieh geweissagt habe, und wie sie eins ums andere krepiert sind. Es ist dein lasterhafter, gottloser Wandel, der solches bewirkt.

Hinz [droht ihr]: Du alte Vettel, du Hexe, lass‘ mich leben, wie mirs passt. Halts Maul, sonst kriegst du eins drauf.

Maximilian [verbeugt sich vor dem Publikum]: Verzeiht! Ich bin neu hier und kenne die Gepflogenheiten noch nicht so recht. Es soll nicht wieder vorkommen.

Grossbauer Maier [in Spendierlaune]: Bringt dem Studenten erst einmal ein neues Glas Wein,.... auf Liesel, nun mach schon, ... das geht auf meine Rechnung.

Maximilian [immer noch etwas verlegen]: Das hab ich doch eigentlich gar nicht verdient...

Maier [großzügig]: Doch, doch,... du hast mir großen Spaß gemacht. Weniger mit den Schweinereien, als mit der Art, wie du sie gespielt hast. An dir ist ein rechter Schauspieler verloren gegangen. Und so einen suchen die grauen Herren im Kloster grad.

Trude [bekreuzigt sich]: Sie suchen einen, der den Leibhaftigen spielt. Ich würds mir gut überlegen; der Teufel giert danach, so junge Männer wie Dich in die Gewalt zu kriegen.

Maximilian [begreift nun]: Ach, man hat ein geistliches Spiel vor, und dafür braucht man einen Teufel.

Wirt [unterbricht]: Genau! Das wär doch was für dich. Da könntest du hier im Wirtshaus nächtigen und hättest Kost und Logis frei.

Liesel [von Hinzens Schoß aus]: Und du wärst ein toller Teufel. Da kann ruhig einer zu mir sagen: Der Teufel soll dich holen. [lacht Maximilian aufreizend an.]

Hinz [ist schon ziemlich besoffen]: Die da [deutet ordinär auf Liesel] die Hexe reitet dir auf deinem Stecken wie ne Furie.

Maximilian [ist scheinbar von dem Gedanken, den Teufel zu spielen, begeistert]: Das wäre eigentlich gar keine schlechte Idee. Mir gefällts bei euch. Und vor dem Gehörnten mit seinem Pferdefuß fürcht ich mich nicht. Da kann ich ihn auch spielen.

Maier [reicht Maximilian die Hand]: Abgemacht. Ich werde morgen gleich alles mit dem Abt des Klosters festmachen und für dich auch nochn kleines Salär aushandeln, wenn du mir versprichst, dass du dich dort zu benehmen weißt. Du meldest dich am besten bei Bruder Aurelius.

Trude [bekreuzigt sich nochmals nachdrücklich]: Den Teufel will der Student spielen, wenn das nur gut geht. Der Pferdefuß hat schon so manchen Furchtlosen, eh der sichs versah, in den Schmutz getreten.

[alle im Wirtshaus, außer Trude, prosten sich zu und sind begeistert, so schnell den Teufel gefunden zu haben.]

5. Szene: Dorfstraße zum Kloster

Ein Herold der Inquisitoren reitet – angekündigt durch Fanfaren – durch den Torbogen ins Geschehen und verliest im Dorf (vor dem Wirtshaus) und ein zweites Mal vor der Klosterpforte die Ankündigung der Inquisitoren mit Verweis auf ein Dekret Maximilian I., in welchem der heiligen Inquisition das Recht eingeräumt wird, auch in deutschen Landen nach Häretikern zu forschen, diese zu verfolgen und hart zu bestrafen. Er wird jeweils von den aus dem Dorf und dem Wirtshaus zusammenlaufenden Bauern bzw. den aus dem Kloster (Paradies) kommenden Mönchen umringt, unter welchen eine heftige Diskussion beginnt.

 

vor dem Wirtshaus

Herold [auf dem Pferd sitzend vor der Dorfkrug]: Mein Herz ist voll des Lobes für unseren Herrn und für alle, die ihm wohlgefällig sind. Es soll jeder kommen und hören, was die heilige Iquisition von Gottes Gnaden verkünden lässt [aus den Gassen und aus dem Wirtshaus kommen einige Bauern, Bäuerinnen, Mägde, dazwischen Kinder, und umringen den Herold; unter ihnen auch Marthe, Lene, Bäuerin Ilse, Bauer Hinz, der Wirt, Wirtsmagd Liesel, Kräuter-Trude]:
"Nachdem die allergnädigste Majestät, König Maximilian, der heiligen Inquisiton das Recht eingeräumt hat, auch im deutschen Reich das Recht Gottes zu schützen und die Missetäter, die wider göttliches Recht verstoßen, zu verfolgen, kündigen wir an:
In den kommenden Tagen werden die Vertreter der heiligen Inquisition Batholomé de Tarascon und Ignatius d’Auvergne von der Gemeinschaft der Dominikaner hierher kommen, um Gericht zu halten über die Ungläubigen, Ketzer und Hexen. Ein jeder ist aufgerufen, sein Gewissen zu befragen, ob er selbst gefrevelt hat in Gedanken, Worten oder Werken, oder ob er von jemandem weiß, der gegen die göttliche Ordnung in Gedanken, Worten oder Werken gefrevelt hat oder zum Frevel aufruft. Er hat sich den hohen Herren unmittelbar nach ihrer Ankunft zu offenbaren. Wer dies befolgt und beiträgt zur Reinigung des christlichen Hauses, bekommt seine Sünden und die seiner Kinder erlassen. Wer sich trotz Wissens um begangenen Frevel nicht offenbart, soll selbst der gerechten Strafe zugeführt werden." [er reitet weiter zum Kloster.]

Bauer Hinz [grölt los, indem er sich Liesel zuwendet]: Du hast mich verhext mit deinen runden Formen, jetzt hab ich’s. [droht ihr scherzend mit dem Finger] Aber du brauchst dich nicht zu fürchten, ich verrat dich nicht.

Liesel [gereizt]: Lass das, du Tölpel. Mit so etwas macht man keine Scherze.

Wirt Kunz [zieht Liesel zurück in das Wirtshaus]: Komm Liesel, lass den! Wir haben genug Arbeit im Haus.

Kräuter-Trude [sehr ernst]: Ja Hinz, du solltest diese dummen Späße lieber lassen. Weißt vermutlich überhaupt nicht, welches Unheil du damit anrichten kannst.

Lene [zu ihrer Mutter]: Was hat das zu bedeuten, Mutter?

Bäuerin Ilse [nimmt Lene in den Arm]: Für uns hat das gar nichts zu bedeuten; nur die Gottlosen, die haben sich zu fürchten.

Marthe [zu Ilse]: Welche Gottlosen? Wie will das einer herausfinden, was eine Hexe ist, oder wer den Teufel im Leib hat.

Bäuerin Ilse [beruhigend]: Das ist nicht unsere Sache. Komm Lene, wir gehen heim. [zu Marthe] Begleit uns doch ein Stück des Wegs, du musst doch sowieso in die selbe Richtung. [sie gehen langsam ins Dorf.]

Bauer Hinz [mit Trude alleine]: Ich hab doch nur einen Scherz machen wollen mit der Liesel. Ich mag sie doch und wünsch ihr nichts Übles.

Kräuter-Trude [bedächtig]: Ich weiß, Hinz. Aber du solltest dir bei deinen Scherzen überlegen, wie die Wirkung ist. Ob ich die ganze Zeit im Dorf bleiben werd, während die Inquisitoren hier sind, weiß ich noch nicht.

Bauer Hinz: Trude, Trude; an dir wird sich schon keiner vergreifen.

Kräuter-Trude [sehr ruhig]: Aber vielleicht muss ein Bauernopfer gegeben werden. Die ziehen nie weiter, ohne wenigstens einen zum Exempel zu verurteilen.

Bauer Hinz: Ich brauch jetzt was zu trinken und meine Liesel. [zieht Trude ins Wirtshaus.]

 

vor dem Kloster

Abt [tritt mit einigen Mönchen, dabei Sebaldus, Peter und Paul, aus dem Kloster auf den Reiter zu]: Was bringst du für Nachricht, mein Sohn?

Herold [auf dem Pferd sitzend vor der Kloster]: Gott zum Gruße, ehrwürdiger Abt. Mich schickt die heilige Inquisition, um das Kommen zweier dominikanischer Richter anzukünden.

Abt [ein wenig erschrocken]: Hier zu uns? Sie werden in diesem frommen Tal kaum fündig werden.

Herold [wehrt ab]: Es ist nicht meine Aufgabe, dies zu entscheiden, ich habe nur das Dekret zu verlesen und dann schnellstens zurück zu reiten.

Abt: Dann lies nur vor, und wenn du hernach zurück kehrst, sage deinen Herren, dass wir ihr Kommen erwarten; sag ihnen auch, dass sie bei uns keinen langen Aufenthalt einplanen müssen.

Herold [setzt sich in Positur und liest mit lauter Stimme]:
"Nachdem die allergnädigste Majestät, König Maximilian, der heiligen Inquisiton das Recht eingeräumt hat, im deutschen Reich das Recht Gottes zu schützen und die Missetäter, die wider göttliches Recht verstoßen, zu verfolgen, kündigen wir an:
In den kommenden Tagen werden die Vertreter der heiligen Inquisition Batholomé de Tarascon und Ignatius d’Auvergne von der Gemeinschaft der Dominikaner hierher kommen, um Gericht zu halten über die Ungläubigen, Ketzer und Hexen. Ein jeder ist aufgerufen, sein Gewissen zu befragen, ob er selbst gefrevelt hat in Gedanken, Worten oder Werken, oder ob er von jemandem weiß, der gegen die göttliche Ordnung in Gedanken, Worten oder Werken gefrevelt hat oder zum Frevel aufruft. Er hat sich den hohen Herren unmittelbar nach ihrer Ankunft zu offenbaren. Wer dies befolgt und beiträgt zur Reinigung des christlichen Hauses bekommt seine Sünden und die seiner Kinder erlassen. Wer sich trotz Wissens um begangenen Frevel nicht offenbart, soll selbst der gerechten Strafe zugeführt werden."
[er richtet sich an den Abt.]: Die hohen Herren verlangen die volle Unterstützung der hiesigen Patres für ihre schwierige Wahrheitssuche sowie geeignete Unterkunft für sich und das Gefolge.

Abt [bedächtig]: Wie ich schon sagte, wir sind bereit, deine Herren hier zu empfangen. Und nun reite: Der Herr begleite dich.

Herold [setzt sich in Positur, um fort zu reiten]: Der Herr sei mit Euch, ehrwürdiger Abt. [reitet rasch davon.]

Abt [wendet sich an die um ihn stehenden Mönche]: Es ist mir gar nicht recht, dass die Inquisition hier zu uns kommt, aber mit Gottes Hilfe werden wir sie auch unbeschadet wieder los werden. Sie bekommen, was sie verlangen, aber kein Jota mehr.

Sebaldus [zum Abt gewandt]: Sollen wir dann unser Gewissen erforschen und nachgrübeln, wer sich eines Vergehens gegen das göttliche Recht schuldig gemacht hat.

Abt [abwehrend]: Nein, Bruder Sebaldus. Du weißt, dass ich von der Inquisition nichts halte. Zu viele Unschuldige müssen auf dem Scheiterhaufen dafür sterben, dass andere ihr Seelenheil retten wollen. Wir wollen nicht Misstrauen zwischen uns säen, das ist eine böse Saat, wenn sie später aufgeht.

Peter [wendet ein]: Ja aber, ehrwürdiger Abt, ist es nicht unsere heilige Pflicht, die Inquisitoren in ihrem schweren Tun zu unterstützen?

Paul [stimmt ein]: Machen wir uns nicht selbst schuldig, wenn wir es nicht tun.

Abt [merkt, dass seinen Mönchen unwohl ist]: Aber natürlich müssen wir und wollen wir helfen, soweit wir können. Es ist mir nun einmal ein Graus, Denunziantentum zu fördern. Wenn einer von euch einen Verdacht hat, dann komme er nur zu mir, dass wir gemeinsam überlegen, ob der Verdacht so gravierend ist, dass er gemeldet werden muss.

Johannes [zu sich]: Ich wüsste schon einen, mit dem sich die heilige Inquisition befassen müsste.

Sebaldus [drängelt sich vor, mit Engagement]: Ehrwürdiger Abt, müssen wir nicht die Hexe, die sie Kräuter-Trude nennen, melden?

Abt [scharf]: Bruder Sebaldus, was hat dir die harmlose Trude getan? Ich bin froh, dass sie sich im Dorf um die Kranken und die Schwangeren kümmert; sie hat auch mir schon manchen Rat gegeben, wenn ich mit meinem medizinischen Latein am Ende war. [macht eine wegwischende Handbewegung] Aber jetzt genug damit, wir wollen gemeinsam zum Gebet in die Kirche gehen und unsere Sorgen vor den Herrn bringen. [Abt Bartholomäus geht voran ins Kloster, die Mönche folgen ihm stumm.]

6. Szene: Dorfhügel

Erste Probe des Weltgerichtsspiels auf dem Dorfhügel. Aurelius mit Dirigierrolle verteilt Rollen, gibt Anweisungen, spielt erste Szenen mit Teufel (Maximilian) und den beiden Frauenrollen Maria Magdalena und Martha an. Bauern, Bäuerinnen und Bauernkinder umstehen die Szene. Aurelius gibt auch ihnen schon einige Anweisungen, wie sie im Stück zu agieren haben. Man spürt an den Blicken und Gesten ganz zart, dass sich zwischen Marthe und Maximilian etwas anbahnt. Sehr verhalten wird auch eine tiefe Zuneigung Lenes zu Aurelius bemerkbar, der jedoch als Mönch natürlich an den Zölibat gebunden ist.

Abseits steht Trude mit einem Kind an der Hand, dem sie leise die Aktionen des Weltgerichtsspiels erläutert; sie steht einerseits stellvertretend für das weise, über den Dingen stehende Publikum, und ist andererseits ganz präsent in der dargestellten Zeit.

 

Aurelius [etwas erhöht stehend]: Es ist eigentlich ein Leichtes, zur Ehre Gottes ein Weltgerichtsspiel zur Aufführung zu bringen. Ihr werdet schon sehen. Man muss nur Dreierlei bedenken. Primo: Der Text ist immer wieder zu repetieren, so dass er im Hirn haftet. Wer nicht selbst lesen kann, lässt es sich vor jemandem Lesekundigen immer wieder vorlesen. Secundo: Auf meine Anweisungen ist genauestens zu achten. Sie sind neben den Text ins Hirn zu heften. Tertio: Spielen, einfach nur spielen mit Lust am Spielen. Und natürlich immer: Auf Gott vertrauen! Denn wer sich auf ihn verlässt, ist nie verlassen.

Maximilian [wirft lachend ein]: Lieber Bruder Aurelius, lass doch die lateinischen Wörter, die versteht hier sowieso keiner. Ich verlass mich im Übrigen lieber auf meinen Kopf als auf Gott, wenn ich einen Text auswendig hersagen muss. Was nicht im Hirn ist, kriegt Gott auch nicht heraus.

Aurelius [ernst]: Bitte Maximilian. Wir spielen zum Lob Gottes, da passen solche Sprüche nicht. Natürlich muss jeder seinen Text können, sonst ist alles umsonst.

Maximilian [auch ernst]: Entschuldige, Bruder Aurelius. Es war wirklich nicht meine Absicht, zu stören oder dich zu beleidigen.

Aurelius [sanft]: Nicht mich hast du beleidigt, nein: Unseren Herrn. Und er wird dir vergeben. [laut zu allen] Während der Proben zum Weltgerichtsspiel dürft ihr mich gerne wie einen der euren nur mit meinem Namen anreden.

Lene [schüchtern strahlt sie ihn an]: Aber das geht doch nicht, Bruder Aurelius, dass wir einfachen Sünder nur den Namen sagen; das geht doch nicht!

Marthe [nimmt sie an der Hand]: Ach Lene, wenn ers doch will. [lacht Maximilian an] Der Herr Studiosus hat uns ja schon gesagt, dass er Maximilian heißt. [Maximilian lacht zurück.]

Aurelius [lächelt Lene an und sagt dann fest]: Ja, ich will es so. Wir sind alle Sünder, und vor Gott ist keiner besser als der Andere.
Aber jetzt lasst uns endlich beginnen. Die Kinder als die Seelen der Verstorbenen sollen während der ganzen Szene um den Teufel, Martha, Maria aus Magdala und den Erzengel Michael schweben. Alle Übrigen knien nieder, um dies Schauspiel zu betrachten und für die vom Teufel Versuchten zu beten. [alle nehmen die von Aurelius genannten Positionen ein; Maria und der Teufel im Vordergrund beieinander, Martha und der Erzengel rechts und links davon im Hintergrund] Und nun los:

[es muss in der Sprechweise ein klarer Unterschied zwischen dem ‚umgangssprachlichen‘ Normaltext und dem ‚deklamierenden‘ des fünfhebigen Blankverses im Weltgerichtsspiel hörbar sein, d.h. die ‚Rollen‘ müssen gespielt werden; wobei das Spielen sich im Gegensatz zur Normalaktion sehr viel verhaltener zeigen sollte, wie ein zart bewegtes Gemälde.]

Teufel [mit gezierten Bewegungen, galant zu Maria Magdalena]:
Ich sehe Euch schon lange, tolles Weib,
bei Eurem Treiben auf der Erde zu,
und denke manches Mal so vor mich hin, [abseits]
wie ist dies schöne Kind doch so naiv.

Maria Magdalena [weist ihn von sich]:
Was sollen diese Reden, junger Mann.
Wo seid Ihr her, wer seid Ihr und was wollt ihr?
Stellt Ihr mir nach?, so lasst dies dumme Tun;
mit Euch pfleg ich gesell’gen Umgang nicht!

Teufel [listig, verführerisch]:
Ihr seid so schön, des Mannes Augenweide;
Doch wehrt ihr Euch, wenn einer Euch begehrt.
Und doch hat Einer Euch den Kopf verdreht.

Maria [empört]
Noch nie hat irgendeiner dies gewagt!

Teufel [sehr bestimmt]:
Oh doch, dem Ihr die Füße einst gesalbt
und mit dem schönen langen Haar getrocknet,
weil Euren Bruder er dem Tod entriss.
Dem ihr zu Füßen immer liegen werdet;
von dessen Lippen niemand Euch vertreibt.

Maria [noch empörter]:
Ihr meint den Herrn, Ihr unverschämter Wicht,
Oh hütet Eure Zung vor seinem Zorn.

Teufel [belustigt über ihre Empörung]:
Vor seinem Zorn? Schon längst liegt er im Grab,
Ihr wart doch selbst dabei, als man ans Kreuz
ihn schlug und er zur dritten Stund verschied.
Als seine Mutter mit Euch weinend stand
da hat den Kopf er nur zu Euch geneigt.
Er liebte Euch, Ihr ihn, gebt es nur zu.

Maria [sehr bestimmt, fast mild]:
Er liebt die Menschen, jeden, wohl auch Euch! [der Teufel lacht]
Ich liebe ihn, wie jeder Mensch ihn liebt,
ihn lieben muss: Der die Erlösung ist,
Und niemand kommt zum Vater, denn durch ihn.

Teufel [gibt nicht nach, sie zu bedrängen]:
Wie war es denn, als Ihr zum Grabe kamt,
es offen, leer stand, und der Leichnam fort.
Da war ein Mann, der mit Euch sprach im Garten.

Maria [voll erinnerter Freude]:
Es war der Herr...

Teufel [macht eine – zu lange – Pause]:
...Oh nein! Der Gärtner wars.

Aurelius [unterbricht, aus der Rolle des Erzengels schlüpfend, und klatscht in die Hände]: Nein, nein, Maximilian. Das ist ein Vers der Maria, den der Teufel vollendet [macht es vor, indem er die Stimmen imitiert]:
Es war der Herr... ...Oh nein! Der Gärtner wars.

Maximilian [stimmt sofort zu]: Ja doch, ja, ist klar, Aurelius. Als ich es sagte, hab ichs gemerkt, dass da was nicht stimmt. Machen wirs einfach nochmal.

Aurelius [geht zurück an seinen Platz]: Ja bitte, nochmal genau die Stelle.

Maximilian [als Lene nicht gleich beginnt]: Komm Lene, du musst anfangen.

Lene [die sinnierend auf Aurelius geschaut hat, wie erwachend]: Ach ja, Entschuldigung... sofort. [sie stellt sich in Positur.]

Maria Magdalena [deklamiert]:
Es war der Herr...

Teufel [diesmal gekonnt den Vers vollendend]:
...Oh nein! Der Gärtner wars.

Maria [fast zornig]:
Was sprecht Ihr da, Ihr Gotteslästerer! [Teufel lacht hämisch]
Oh jetzt erkenn ichs, wer Ihr wirklich seid:
Der Teufel, der Leibhaftige...... [sie wendet sich ab voll Schreck und birgt ihr Gesicht in den Händen, der Teufel lacht laut und schallend.]

[hier taucht die Kutsche der Inquisitoren auf; ohne Worte sieht man im Folgenden – während der 7. Szene –, wie Maria/Lene den Teufel/Maximilian abwehrt, das Kreuzeszeichen über ihm schlägt, er zurückweicht, der Erzengel/Aurelius die Arme weit ausbreitet und langsam auf Maria/Lene zugeht und sie bergend in die Arme nimmt und in den Kreis der tanzenden Engel/Seelen/Kinder führt – die ‚bergende‘ Umarmung muss ein wenig inniger ausfallen als es sich für Erzengel und Maria Magdalena geziemen würde, allerdings nur ein wenig! –; wenn die Inquisitoren vor dem Kloster anlangen und aussteigen, wird die Szene unterbrochen und alle schauen der Begrüßung durch den Abt zu.]

7. Szene: Dorfstraße zum Kloster

Während die Probe noch im Gang ist (die Spieler agieren im Hintergrund ,ohne Ton‘ – quasi pantomimisch – weiter, die Kinder/Seelen tanzen einen Reigen etc.), kommen (in einer Kutsche) – angekündigt durch ein Fanfarensignal – mit prächtigem Gefolge die dominikanischen Inquisitoren durchs Dorf zum Kloster gefahren. Im Dorf großes Gejohle und derbe Sprüche, man merkt den Bauern an, dass sie die Dominikaner zwischen Ehrfurcht/Furcht und Aufsässigkeit/Ablehnung empfangen; nur wenige Stimmen hört man exakt.

Am Klostertor werden die Inquisitoren vom Abt und mehreren Mönchen ehrerbietig aber auch skeptisch begrüßt, während aus dem Kloster der Mönchschor zu hören ist.

 

vor dem Wirtshaus, im Dorf

Grossbauer Maier [vor dem Wirtshaus, deutet auf die Kutsche und die Bewaffneten]: Ganz neu die Ausrüstung, die Kutsche, die Pferde... alles ganz neu. So pressen sie es den Bauern ab, wo sie hinkommen. Da sucht man einen Reichen, macht ihn zum Ketzer und schickt seine Seele ins Fegefeuer. Und schon können sich die Inquisitoren wieder was leisten.

Liesel [derb]: Da sollt mir mal einer von zwischen die Beine geraten, ich würd ihnen zeigen, auf welchem Stecken die Hexen fliegen. Es würd ihnen Hören und Sehen vergehen. [Hinz haut ihr auf den Allerwertesten und lacht derb.]

Trude [bekreuzigt sich mehrfach und presst das kleine Kind an sich]: Wenn ich schon diesen schwarzen Kasten und die finsteren Gestalten seh. Das sticht mich ins Herz. Die suchen doch nur unschuldige Opfer, an denen sie ihre bösen Gedanken ausleben können.

Wirt [zu Trude]: Pass du nur auf Trude, dass sie dich nicht abholen. Da ist gar mancher, der dich für eine Hexe hält.

Grossbauer Maier [harsch]: Kunz, lass die Trude in Frieden. Also lass die dummen Sprüch.

Bäuerin Ilse [zum Wirt]: Damit macht man keine Scherze. Mein Gott, wo sind die Kinder nur?

Trude [beruhigend]: Die üben doch das Spiel mit Bruder Aurelius.

Bäuerin Ilse [fällt ein Stein vom Herzen]: Da bin ich ja beruhigt, wenn Lene in Gottes Hand ist. Die schwarzen Männer machen mir Angst.

Trude [ganz ruhig und aufrecht]: Ja, sie machen uns allen Angst, grässliche Angst... denn wir wissen ja, wie die Gottesrächer anderswo gewütet haben. – Und doch: Der Herr und seine Heerscharen werden wissen, warum sie uns diese Prüfungen auferlegen.

 

vor dem Kloster

Abt [zu Johannes Zürn, der nebst den Mönchen Peter und Paul sowie zwei weiteren Mönchen beim Fanfarensignal vor das Kloster getreten ist]: Da kommen sie schon. Bruder Johannes, ist alles bereit, damit den hohen Herren an nichts mangelt.

Johannes Zürn [ganz wichtig]: Ja, alle Brüder sind auf ihren Posten, und alles ist gerichtet.

Abt [mit Sorgen im Gesicht]: Wir wollen wenigstens die Umstände so gestalten, dass es genehm ist, und dass die Herren nicht aus Ärger an der Unterbringung gleich noch ein paar Ketzer [er sagt dies Wort stets mit einem Unterton, dem man anmerkt, dass er von diesem Vorwurf garnichts hält] mehr vor die Schranken des Tribunals zerren.

Peter [schaut den Abt überrascht an]: Aber ehrwürdiger Vater. Die heilige Inquisition ist vom heiligen Vater persönlich eingesetzt, um Gottes Haus in Ordnung zu bringen.

Abt [winkt ab]: Ich weiß, ich weiß, Bruder Peter. Aber ob der heilige Vater immer weiß, was seine schwarzen Herren treiben, scheint mir ungewiss. Wüsste ers, er müsste viel öfter einschreiten und dem bösen Treiben Einhalt gebieten.

Johannes [tut erstaunt]: Welchem bösen Treiben, ehrwürdiger Abt? Die Inquisitoren tun doch wie wir auch nur ihre Pflicht. Und ich bin ehrlich froh, dass es sie gibt, die das Unkraut aus Gottes schönem Garten reißen, dass es nicht die guten Kräuter überwuchert.

Paul [zu Johannes und Peter]: Ich verstehe unseren ehrwürdigen Abt. Wir haben Kunde, dass es auf der Spur der durchs Land reisenden Dominikaner nach verbranntem Fleisch riecht. Und die Säcke der Herren werden immer praller durch die eingezogenen und abgepressten Güter...

Johannes [unterbricht ihn scharf und brutal]: Ich würde an deiner Stelle meine Zunge hüten, Bruder Paul, sonst riecht es auch bei uns nach verbranntem Mönchsfleisch! [Peter erschrickt sichtlich.]

Abt [beschwichtigt schnell]: Kein Wort mehr, da sind sie schon. [er verbeugt sich, während seine Mönche niederknien, als die Kutsche der Dominikaner anhält und den beiden Inquisitoren von Bediensteten aus der Kutsche geholfen wird.]

Bartholomé de Tarascon [mit herrischer Geste aber milde lächeln]: Der Herr sei mit Euch! Welch schönes Fleckchen, quelle surprise! Und diese frische Luft.

Abt [während Bartholomé de Tarascon auf ihn zu tritt]: Der Herr sei auch mit Euch, hochverehrter Bruder in Christo. Ihr müsst Bartholomé de Tarascon sein.

Bartholomé [hält ihm die Hand zum Gruß hin]: Ganz richtig getroffen, très bien. Wir sind sozusagen – wie sagt man auf Deutsch – Namensgeschwister.

Abt [lächelt]: Namensvettern sagen wir.

Bartholomé [lacht gekünstelt]: Ah oui. Ich muss mich erst daran gewöhnen, Deutsch zu sprechen. Darf ich Euch meinen Mitbruder Ignatius d’Auvergne vorstellen. [Ignatius d’Auvergne – arrogant und hochnäsig – hält dem Abt seine Hand wie zum Kuss entgegen]

Abt [verbeugt sich tief, die Mönche verharren noch immer am Boden]: Der Herr sein auch mit Euch, Ignatius d’Auvergne. Seid willkommen.

Ignatius d‘Auvergne [wendet sich, ohne ein Wort zum Abt zu sagen, mit schneidender Stimme an alle Mönche]: Kriecht nicht auf dem Boden, dort werdet ihr die Ketzer und Hexen nicht finden. Wir erwarten von einem jeden, dass er sich prüfe, tief dans le coeur – ähm – tief im Herzen, ob er etwas oder jemanden anzuzeigen hat.

Abt [während sich seine Mönche langsam erheben]: Ehrwürdige Herren, hier in unserem abgeschiedenen Tal werdet Ihr kaum fündig. Wir bereiten den Geburtstag unseres Klosters vor und alle sind mit gottesfürchtigen Werken beschäftigt. Selbst das ganze Dorf ist beteiligt.

Ignatius [wendet sich ihm zu]: Ich hatte nicht den Eindruck, dass wir im Dorf willkommen sind. Und es beschleicht mich das Gefühl, auch bei Euch nicht von Herzen aufgenommen zu sein.

[Hanswurst]/Abt [Hanswurst tritt auf und sagt dem Abt die Worte vor, der sie widerstrebend nachspricht]: Ganz im Gegenteil. Wir freuen uns, das die heilige Inquisition sich der Reinigung des Hauses unseres Herrn annimmt.

Ignatius [lächelt von oben herab]: So ist es denn Recht, Bartholomé de Richtenberg! Ist alles vorbereitet?

Abt [schnell]: Ja, aber selbstverständlich. Ihr werden von der langen Reise müde sein und...

Ignatius [unterbricht ihn barsch]: Wir sind nie müde, wenn wir für unseren Herrn den Schweinestall ausmisten. Aber wir sind staubig und durstig. Alors, lasst uns hineingehen. [im Loslaufen zu den Mönchen gewandt] Sofort kann ein jeder, der etwas zu sagen hat, sich mir anvertrauen. [er verschwindet im Paradies, gefolgt von Johannes Zürn, der sich noch vor dem Betreten des Paradieses an ihn wendet und sich angeregt mit ihm unterhält.]

Bartholomé [zum Abt]: Bruder Ignatius ist etwas ungehalten, der Empfang im Dorf war terrible.

Abt [verständnisvoll]: Die Bauern sind eben nicht begeistert über Eure Ankunft.

Bartholomé [fragend]: Und Ihr, ehrwürdiger Abt, freut Ihr Euch, dass wir unserer schweren Arbeit auch hier bei Euch nachgehen.

[Hanswurst]/Abt [Hanswurst sagt wieder vor; Abt beflissen]: Aber natürlich! [Jetzt ohne Vorsagen des Hanswurstes] Nur werdet Ihr – ich sagte es schon – schwerlich bei uns fündig werden. In unserer Abgeschiedenheit hat der Teufel nichts zu schaffen.

Bartholomé [mit schiefem Lächeln]: Man wird sehen, man wird sehen! Jetzt lasst uns Bruder Ignatius folgen. Ich möchte mich auch ein wenig frisch machen.

Abt [weist den Weg ins Paradies und geht voran, alle Mönche, die bisher schweigend dabei standen folgen ihnen ebenso schweigend, ja betreten]: Tretet nur ein, ehrwürdiger Bartholomé de Tarascon. Ich hoffe, es ist alles zu Eurem Wunsch bereitet.

8. Szene: Dorfhügel

Das Spiel wurde zum Schluss der Ankunft der Inquisitoren unterbrochen, alle beobachteten die Szene vor dem Kloster. Es wird daraufhin, nachdem alle sich über die schnelle Ankunft der Inquisitoren wundern und v.a. Maximilian sich überaus ablehnend zu Sinn und Zweck der Inquisition äußert, eine sehr kritische Stelle des Weltgerichtsspiels geprobt, in welcher sich der Teufel an Martha heranmacht, um sie zu verführen. – Während der Probe, der Verführungsszene, treten Bartholomé de Tarascon und Johannes Zürn vor das Paradies und beobachten mit wenigen aber unmissverständlichen Gesten die Probe. [Hanswurst steht auf und beobachtet die beiden, indem er dem Publikum mimisch-gestisch klar macht, dass sie von dem, was sie sehen, überhaupt nicht begeistert sind.] Und auch Trude steht auf der anderen Seite des Geschehens mit dem Kind an der Hand und beobachtet die Probe und das Kloster; sie nimmt sich liebevoll der – für das Publikum nicht hörbaren – Erklärungen für das Kind an.

Marthe soll in ihrer Rolle als Martha den Zudringlichkeiten des Teufels widerstehen, sie erwidert jedoch die Zärtlichkeiten, so dass Aurelius die Probe abbrechen muss. Marthe und Maximilian verabreden, sich beim morgigen Dorffest zu treffen. Lene bangt um Aurelius, der ins Kloster zum Vespergebet zurück muss.

 

Maximilian [sehr ernst]: Dieses Gefühl, das mich gerade beschleicht, hatte ich schon einmal. Damals haben uns Räuber im Wald vor Paris überfallen und wollten uns ans Leben. [sinniert] Aber warum kommt das Gefühl gerade jetzt wieder?

Marthe [zärtlich zu ihm, sie bewundert ihn,]: Ach Maximilian, wisch es weg, das dumme Gefühl. Was soll schon sein? Lasst uns weiter proben, das macht mir solchen Spaß mit dir.

Aurelius [zu Maximilian gewandt]: Was ist mit dir. Machen dir die Inquisitoren Angst? Was können die uns anhaben, wir haben doch nichts getan und nichts zu verbergen?

Maximilian [immer noch ernst]: Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Es war so etwas wie eine schlechte Ahnung. Wenn ich diese Dominikaner mit ihrem kriegerischen Gefolge irgendwo einziehen sehe, brennen hernach die Scheiterhaufen. Gerade als Jurist sind mir ihre Methoden sehr suspekt. Sie foltern, und unter der grausamen Folter wird alles gestanden, was sie nur eben hören wollen.

Marthe [drängend zu Maximilian]: Aber was hat das mit uns zu tun, mit unserem Spiel und unserer Freude, dich bei uns zu haben? [Maximilian schaut sie zärtlich an].

Lene [ängstlich zu Aurelius]: Jetzt bekomme ich auch Angst!

Aurelius [besänftigend]: Ach was; weg mit den trüben Gedanken und wieder an die Arbeit!

Maximilian [stimmt, wieder lustiger, zu]: Ja, weg damit! Jetzt kommt die tolle Szene, wo der Teufel die Martha verführt. [er droht neckend zu Marthe] Pass nur auf, dass du dich nicht mit dem Teufel einlässt.

Marthe [zärtlich zurück]: Ich wart nur drauf, dass er sich endlich mal erklärt. Das müsste doch mit dem Teufel zugehn, wenn es mit uns beiden nicht klappen sollte.

Lene [immer noch ängstlich, zu Aurelius]: Und wir sollen jetzt so einfach weiterspielen? Ich weiß nicht, ob ich mich so von dir umarmen lassen darf, du bist doch ein Mönch!

Aurelius [ganz zart]: Oh Lene, Lene ... es ist der Erzengel Michael, der die Maria Magdalena beschützt und ihr in seinen Armen den Schutz vor dem Teufel bietet. Da ist nichts Böses bei.

Lene [mit roten Ohren]: Aber, es ist für mich doch komisch. So ein Gefühl hab ich noch nie gehabt. Wenn du deine Arme um mich legst, bekomm ich fast keine Luft mehr.

Maximilian [zu Marthe lachend]: Du solltest mehr auf deine Freundin Lene achten, dass sie sich nicht von Mönchen den Kopf verdrehen lässt.

Aurelius [sehr ernst, klatscht in die Hände]: Jetzt lasst uns weiter machen. Denkt alle – und vor allem auch du Lene – denkt stets daran, dass dies ein Spiel zur Ehre Gottes ist. Alles, was wir hier tun, ist nur zu seinem Lobpreis da. Es soll die sündigen Menschen auf den rechten Weg führen. [macht eine beinahe herrische Bewegung] Und jetzt bitte alle wieder auf die Plätze, dort wo wir unterbrochen wurden. [alle stellen sich in Position: Diesmal steht Maria Magdalena eng bei bzw. leicht versetzt hinter dem Erzengel Michael, während im Vordergrund Martha mit dem Teufel zu Gange ist.]

Teufel [in verführerischem Ton]:
Ihr seid, nicht wahr, die Schwester der Maria,
und des Lazarus – vom Tod erweckt?
Die Schwester lag zu Füßen Eurem Herrn,
hing an den Lippen ihm und salbte ihn;
wogegen Ihr im Haushalt schafft und werkt,
damit dem Herrn an Nahrung nicht gebricht.

Martha [geht nicht auf seinen Ton ein]:
Ich bin die, die Ihr nennt, und es ist gut,
dass eine sich dem Haushalt widmet ganz,
und wäscht, und putzt, und kocht, und Obacht hält!

Teufel [verbeugt sich galant]:
Dann seid Ihr Martha und ich grüße Euch!
Ihr seid ein Vorbild, seid das Weib der Weiber.

Martha [wendet sich leicht ab]:
Nein, sagt solches nicht, ich bins nicht wert!

Teufel [in gespielter Verwunderung und Empörung]:
Wer wagt es, dies zu sagen? Ihr: Nichts wert?
Die schönste Frau, begehrenswertes Weib?

Martha [winkt ab]:
Ach was, wie ich mich rackere und schaff,
ist alle Schönheit hin. Begehrenswert?
Was ihr nicht sagt; bin Hausfrau nur, und dumm.
Und wahr ist, was der Herr mir einst gesagt:
"Maria hat das gute Teil erwählt,
das nicht von ihr genommen werden soll."

Teufel [weiterhin den Verwunderten, Nichtswissenden spielend]:
Maria, die aus Magdala, die Dirne?
Die Euren Herrn umschwänzelt, ihn verführt,
sie hat ein bessern Teil erwählt als Ihr?
[so, als käme er gerade auf den Gedanken, der alles erklärt]
Oh ja, sie hat dem Herrn, wie Ihr ihn nennt,
sich ganz, mit Leib und Seele, ganz geschenkt.
Und das gefällt uns Männern, ja natürlich,
das ist des Pudels Kern: Der Herr als Mann!
[macht sich nun auch körperlich an Martha ran, die ihn zunächst mit Gesten zurückweist; das dreifache ‚Ihr seid ein/das/mein Weib ...‘ muss als Klimax übertrieben emphatisch kommen]
Ihr seid ein Weib, so schön wie Helena,
für die dereinst ganz Troja niedersank.
Ihr seid das Weib, von dem ich lang schon träum,
dem ich im Traum auch Leib und Seele schenk.
Ihr seid mein Weib, so wie ich Euch begehr,
wird nimmermehr ein Mann für Euch
[er fasst und umarmt Martha und will weiter sprechen, doch Marthe umarmt ihn auch und verschließt ihm mit einem langen, innigen Kuss den Mund]

Aurelius [springt vor und klatscht laut in die Hände, ruft]: So geht das nicht, Martha – nein, Marthe! Du musst als Martha dem Teufel widerstehen, ihn zurückweisen, ihm Paroli bieten. [Marthe löst sich langsam von Maximilian und schaut, in Maximilians Armen, Aurelius an, als erwache sie aus einem langen Traum] Ihr zwei [Aurelius schüttelt den Kopf, muss aber ein wenig Lächeln], ihr solltet eure junge Liebe aus unserem Weltgerichtsspiel lassen. Der Teufel will Martha verführen, aber sie jagt ihn davon. [zu Maximilian lachend] Das ist des Pudels Kern!

Marthe [ganz verträumt]: Ach Aurelius! Es war so schön, so wunderschön. Sei kein Spielverderber.

Maximilian [drückt Marthe an sich]: Ja, das hat dem Teufel gut getan, dass es mal nicht schlecht für ihn ausgeht. [zu Aurelius] Ich denk, es ist sowieso genug geprobt, du musst doch sicher zurück ins Kloster.

Aurelius [stimmt ihm zu]: Ja, hören wir für heute mit der Probe auf. [er wendet sich an alle Mitwirkenden] Ich danke euch allen. Morgen zur selben Uhrzeit treffen wir uns wieder hier. [die Mitspieler bis auf Lene, Marthe und Maximilian schlendern ins Dorf, Aurelius sagt zu den Dreien:] Obwohl, [er macht eine kurze Pause und schaut zu Sonne] ein wenig Zeit hätte ich noch.

Marthe [zu Lene]: Komm, wir müssen uns auch sputen. Sonst lässt uns Mutter Liesel heute Abend nicht aufs Fest. [zu Maximilian] Du kommst doch auch zum Tanzen?

Lene [nimmt Marthe an der Hand, während sie Aurelius anstrahlt]: Ja Marthe, lass uns gehen. [zu Aurelius] ich wünsche dir eine gesegnete Nacht.

Maximilian [zu den beiden]: Klar komme ich heute Abend; wo Tanz ist, bin ich dabei.

Aurelius [zu den beiden, schaut allerdings nur Lene an und meint mit dem Gesagten auch eigentlich nur sie]: Ich wünsche euch auch eine gesegnete Nacht. [leiser fügt er hinzu] Es war eine sehr schöne Probe.

Lene [in gleichem, zartem Tonfall]: Ja, es war wunderbar, mit dir zu proben, mein Erzengel. [Lene und Marthe eilen davon, sie haben sich – v.a. Marthe – Einiges zu erzählen.]

Maximilian [legt den Arm um den Mönch]: Das war wirklich ne gute Probe. Und es ist ein wundervolles Spiel. Es wird die Menschen aufrütteln. Und uns hats ja auch schon aufgerüttelt. Bist du nicht selbst beim Schreiben und jetzt beim Proben ein Anderer geworden.

Aurelius [erstaunt]: Wie meinst du das? Ich bin Mönch und werde mein Leben hinter Klostermauern zubringen, indem ich Gott diene. Das ist meine Bestimmung, das ist mein Leben.

Maximilian [stellt sich vor Aurelius]: Ach Aurelius, der Text deines Spiels zeigt es ganz eindrücklich, das Klosterleben ist nicht dein Ding. Dir fehlt in den kalten Mauern doch alles, was du brauchst: Geborgenheit, Wärme, Zärtlichkeit und Liebe. [nach einer bedeutungsvollen Pause, in der er Aurelius fest ins Gesicht schaut] Und hast du nicht bemerkt, wie Lene dich anschaut? Ich glaube fast, Lene wartet auf dich.

Aurelius [mit hochrotem Gesicht]: Nein Maximilian, ich hab im Kloster alles, was ich brauche. Und die Liebe zu Gott ersetzt mir die Liebe der Frauen. Ach was, sie ist mehr als ein Ersatz! Das was du meinst, erfahre ich aus Büchern, aus dem Buch der Bücher, zum Beispiel dem wunderbaren Text des Hohen Liedes. Ich kann dies alles in meinen Träumen nachleben – was brauch ich da deine Welt. Und noch eines: Lass Lene aus dem Spiel, sie ist so unschuldig, so rein. Beschmutze sie nicht mit deinen Gedanken.

Maximilian [emphatisch]: Aber aus deinen Worten merkt man ja, dass deine Berufung nicht das Mönchtum ist. Das mit Lene nehme ich dir nicht ab. Komm! Wie oft musst du denn sündige Träume beichten und als Buße das Martyrium des Geiselung erdulden? Aurelius! Du darfst nicht immer nur das Leben träumen. Beginne endlich, deine Träume zu leben.

Aurelius [wendet sich ab]: Lass mich Maximilian! Ich muss mich sputen, sonst komm ich zu spät. Ich habe vor der Vesper noch ein paar Arbeiten im Skriptorium zu verrichten, außerdem will ich mich noch ein wenig sammeln in Zwiesprache mit meinem Gott. Ich wünsch dir eine gesegnete Nacht, Maximilian. [eilt zum Hintereingang des Klosters]

Maximilian [ruft ihm nach]: Dir auch ne gute Nacht. Und schöne Träume... [er lacht].

Trude [die von weitem alles genauestens beobachtet hat, nimmt das Kind fest an der Hand]: Wenn das mal gut geht. Die Liebe ist eine so starke Macht, dass sie sogar den Tod überwinden kann. Aber sie kann vor dem Tod nicht schützen, nein das kann sie nicht. [geht ins Dorf]

9. Szene: Im Klosterbereich

Während der Zärtlichkeiten des Teufels mit Martha erscheint der um sich blickende Kantor Johannes Zürn mit einem der beiden Inquisitoren (Bartholomé de Tarascon), weist auf die Probenden, und beide schauen schweigend von fern der Probe zu. Der Inquisitor ist merklich erbost über das, was er sehen muss. Nachdem die Probe beendet ist, und Aurelius sich von Maximilian verabschiedet hat, wendet sich Zürn an den Inquisitor, erläutert seine eigenen Verdienste, macht Aurelius schlecht, schimpft bösartig über Maximilian und zeigt beide – mit Hinweis auf das soeben Gesehene – wegen Gotteslästerung und – mit Hinweis auf die als Engel tanzenden Kinder – der Verführung unschuldiger Kinder zur Gotteslästerung an.

Es treten der Abt und weitere Mönche sowie der zweite Dominikaner hinzu. Es wird Stillschweigen vereinbart, dass man am heutigen Abend Maximilian und Aurelius gefangen setzten und vor die Inquisition bringen wird. Der Abt widerspricht heftig, merkt aber, dass er sich hiermit nur der Gefahr aussetzt, selbst angeklagt zu werden. Er überlegt daraufhin, wie Aurelius zu retten sei.

 

Johannes Zürn [voll Wut die Hände zum Himmel gestreckt]: Für Dich, oh Herr, leben wir hier in der Gemeinschaft. Für dich arbeite und bete ich Tag und Nacht. Für dich schaffe ich die schönsten Bücher. Und nun schau, was einer der unseren mit deinem Wort anstellt. Wie er dich in den Schmutz zieht.

Bartholomé de Tarascon [vor Zorn bebend]: Es ist infam und verlangt nach Gerechtigkeit. Nur gut, dass mir Ignatius d’Auvergne geraten hat, ich möge mich deiner Sorgen annehmen. Wie wollüstig man unsere Heilige Martha von Tarascon zeigt. Ich kann nur ausspeien, es ist widerwärtig. Sie hat den Drachen bezwungen, die heilige Hausfrau. Und hat mit dem perversen Getändel nichts im Sinn. Wer sind die Urheber dieser Sünde?

Johannes [windet sich]: Ach, das Schlimmste ist, dass es mein unwürdiger Schüler ist, der meiner Aufsicht entglitten ist und dies Teufelszeug geschrieben hat. Er ist noch jung und dumm und weiß wohl nicht, was er tut...

Bartholomé [fällt ihm ins Wort]: Vielleicht weiß er selbst es nicht, was er tut – Satan weiß aber sehr gut, was er mit ihm macht. Er ist ein Werkzeug teuflischer Mächte. Wie heißt er.

Johannes [so, als wolle er es nicht offenbaren]: Ehrwürdiger Vater, er ist ein Nichtsnutz. Noch eine Weile unter meiner Obhut, dann wird sich dies legen. Wenn er merkt, wie ein Scriptor und Kantor zur Ehre des Herrn zu wirken hat. Ich bin ihm mit meinen Gebetbüchern und den Psaltern ein leuchtendes Beispiel, dem er sicher nacheifern wird.

Bartholomé [beharrend]: Ich will den Namen des Unwürdigen wissen.

Johannes [weicht nochmals aus, um Maximilian gleich mit in den Schmutz zu ziehen]: Ist es nicht so, ehrwürdiger Vater, dass Bruder Aurelius [er hält sich gespielt die Hand vor den Mund] – oh, jetzt ists heraus; ja, er heißt Aurelius. Aber ist es nicht so, dass Aurelius nur durch diesen Studenten verführt ist, ja dass dieser Student Maximilian der eigentliche Teufel ist. Er spielt nicht nur die Verführung der Martha, er begehrt sie wirklich; ja, er ist voller Geilheit.

Sebaldus [der bei dem letzten Wortwechsel hinzugetreten ist, fällt ein]: Er ist nicht nur voller Geilheit, der Teufelsbock soll die Jungfrau schon besprungen haben, so erzählt man jedenfalls.

Johannes [geifernd]: Es soll schon am ersten Tag – er war gerade angekommen – der Teufel aus ihm gesprochen haben: Da hat er das weibliche Geschlecht als summum bonum bezeichnet.

Bartholomé [hebt die Hände vors Gesicht]: Oh Allmächtiger! Hier in diesem frommen Tal stechen wir in ein Wespennest der Sünde, hier tritt der Widerwärtige uns voller Hochmut entgegen. Mon Dieu! Hier versucht Satanas sein Reich unter den heiligen Männern dieses Klosters zu begründen. [er bekreuzigt sich mehrmals].

Johannes [nun voller Stolz sich ereifernd]: Jetzt kann ich mich Euch offenbaren: Bewusst bin ich hier vor das Kloster mit Euch getreten, damit ihr das unwürdige, ja abscheuliche Schauspiel selbst beobachten könnt. Ich wusste nicht, wie der Teufel sich der Menschen bemächtigt, aber ich ahnte es. Und Eure Reaktion zeigt, dass ich Recht gehandelt habe: Ich zeige Euch, Bartholomé de Tarascon, als Vertreter der heiligen Inquisition an, dass ich den Verdacht hege, mein Mitbruder und Schüler Aurelius und der Student Maximilian sind dem Teufel verfallen.

[einige Mönche, darunter Peter und Paul, sind während des letzten Wortwechsels nach und nach hinzugetreten, später gesellen sich auch der Abt und Ingnatius d’Auvergne hinzu]

Paul [entrüstet]: Aber Bruder Johannes, wie kannst du so etwas sagen. Bruder Aurelius ist ein solch feiner junger Mann, so voller Reinheit. Ihm etwas Böses nachsagen zu wollen...

Johannes [fällt ihm ins Wort]: "So voller Reinheit!", dass ich nicht lache. Er war dagegen, ein weiteres Pracht-Gebetsbuch zum Klosterjubiläum zu verfassen und wollte statt dessen sein Teufelszeug aufführen lassen.

Paul [schüttelt den Kopf]: Johannes, Johannes, es ist die Todsünde Neid, die dich zerfrisst und dir diese Worte in den Mund legt.

Johannes [mit ungeheurer Schärfe]: Hast du gesehen, was wir gesehen haben? Er lässt den Teufel mit Martha huren und umarmt selbst die Maria von Magdala. Und dies soll kein Teufelszeug sein? Er steht mit dem Satan selbst im Bund.

Bartholomé [hat schweigend dabei gestanden]: Qu’est ce que c‘est? Bruder Paul scheint auch von der teuflischen Krankheit infiziert zu sein. Er verteidigt die Ketzer, die sich an der heiligen Kirche zu schaffen machen. Eh bien – wir werden sehen, wie weit der Teufel seine Finger bereits ausgebreitet hat!

Abt [der mit Ignatius d’Auvergne hinzu tritt]: Was geht hier vor, wohin soll der Teufel seine Finger ausgestreckt haben?

Johannes [immer noch aufgeregt eifernd]: Bruder Aurelius und dieser Student sind vom Teufel besessen, der Teufel spricht aus ihnen.

Abt [ruhig]: Gemach, gemach, Bruder Johannes. Schön der Reihe nach. Was bringt dich zu dieser abwegigen Annahme. Du kennst Aurelius gut genug, um zu wissen, dass nichts an deinem Verdacht sein kann.

Bartholomé [Stellt sich in Positur; in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet]: Wir haben uns die Probe angeschaut und was wir gesehen und gehört haben, musste uns entsetzen. Es ist nicht länger zu bezweifeln , dass Euer Bruder Johannes seinem göttlichen Auftrag gefolgt ist: Der Mönch Aurelius und der Student Maximilian sind dringend der Ketzerei verdächtig, weil sie einen Pakt mit dem Teufel eingegangen sind.

Johannes [triumphierend, dem Abt direkt ins Gesicht]: Sie haben Gotteslästerliches gesagt, die Heiligen zur Unzucht mit dem Teufel getrieben und unschuldige Kinder an der Gotteslästerung teilhaben lassen.

Abt [weist dies entschieden zurück]: Es ist ein Spiel, alles Theater! Es soll ein Exemplum gezeigt werden, wie Martha und Maria Magdalena dem Teufel widersagen, sich von ihm nicht einwickeln lassen. Da muss der Teufel unzüchtige Reden führen. Wie sollen die Menschen Angst vor dem Teufel haben, wenn er nicht in all seiner Brutalität und Lasterhaftigkeit gezeigt wird.

Bartholomé [scharf]: Wenn ich Euch nicht kennen würde als einen vorbildlichen Christen, ich käme beinahe auf den Gedanken, Ihr stecktet mit den beiden unter einer Decke. Der Teufel soll das unschuldige Bauernmädchen auch in der Gestalt des Studenten verführt und besudelt haben. Und was Euer braver Bruder Aurelius mit dem andern Mädchen getrieben haben kann, mag ich mir garnicht ausdenken. Quel scandale! Ein Mönch mit einer Bauerndirne.

Ignatius d‘Auvergne [zum Abt, in scharfem Ton]: Abt Bartholomäus, die Anschuldigungen, die Bartholomé de Tarascon und Euer Bruder Scriptor vorbringen, wiegen schwer, zu schwer. Wir müssen diesem Verdacht, der eigentlich schon eine Tatsache ist, nachgehen. Die beiden Beschuldigten müssen einer Befragung der Inquisition vorgeführt werden, es ist ihnen der Prozess zu machen. [beinahe zynisch] Sind sie unschuldig, so wird unser Herr ihnen beistehen.

Abt [verzweifelt]: Aber wie sollen sie der Verurteilung entgehen, wenn einmal der Verdacht der Ketzerei auf sie gefallen ist. ...

Bartholomé [scharf]: Bartholomé de Richtenberg! wenn der heilige Bartholomäus Euch hören könnte, er müsste sein Martyrium wiederholt durchleiden. Ja, die Inquisition ist erbarmungslos – merkt Euch das auch für Eure Person. Sie ist das Feuerschwert, das erbarmungslos dem Satan entgegentritt.. Das Schwert kann nur durch das Schwert besiegt werden. Aber wo Gott, unser allmächtiger Herr und Vater seinen Schutz gewährt, ist auch unser Schwert stumpf. Greift also nicht dem Prozess voraus, dort kann der Herr eingreifen, wenn er es für nötig erachtet.

Ignatius [beipflichtend, und hinterhältig-süffisant]: Ja, ehrwürdiger Abt, ich denke, Ihr werdet beim Prozess Gelegenheit haben, für Euren Bruder Aurelius zu streiten. Mit den Waffen des Rechts und mit Gottes Hilfe wird die Wahrheit ans Licht kommen. [brutal] Ein Ketzer entgeht unserer gerechten Strafe nicht.

Abt [völlig unsicher, was er nun machen soll]: Aber wollt Ihr unseren Bruder Aurelius noch vor der Nacht gefangen nehmen lassen? Er ist gerade beim Gebet und bringt seine Sorgen vor den Herrn.

Johannes [lacht hämisch]: Das wird er nötig haben...

Ignatius [bestimmt]: Wir werden ihn noch heute Abend gefangen setzen. Allen Anwesenden ist ein Schweigegebot auferlegt. Keiner darf über das hier Gesprochene ein Wort verlauten lassen. Wer dies übertritt, soll die gerechte Strafe empfangen. Alors, und nun wollen wir Vorbereitungen treffen, damit alles seine Ordnung hat. [er wendet sich zum Gehen].

Bartholomé [wendet sich auch zum Gehen]: Ich kann nur unterstreichen, was gesagt wurde: Wer das Schweigegebot übertritt, wird morgen mit den Ketzern vor Gericht stehen. Wer einem Ketzer hilft, ist selbst in den Fängen des Satan. Wir treffen uns im Kloster bei der Vesper; dann wird die Gerechtigkeit ihren Lauf nehmen.

[Bartholomé de Tarascon und Ignatius d’Auvergne schreiten würdevoll in Kloster, gefolgt von Johannes Zürn, dem Mönch Peter und den anderen Mönchen; nur der Abt und Bruder Paul bleiben zurück].

Abt [legt den Arm um Paul]: Oh, Bruder Paul, was kann getan werden, was ist zu tun. Wir können und dürfen Bruder Aurelius nicht warnen. Wenn wir ihn aber nicht warnen, ist er verloren. Weißt du, wo Bruder Aurelius ist, wenn er still für sich sein will.

Paul [entschlossen]: Ja, ich weiß es, und ich könnt es tun, ehrwürdiger Abt. Ich lauf sofort in die Klosterscheuer, da betet Aurelius alleine. Er soll schnell verschwinden, werd ich ihm sagen.

Abt [eindringlich]: Nein, Bruder Paul, das kannst du nicht tun. Im Klosterhof wimmelt es von Soldaten der Inquisitoren. Wenn sie dich erwischen, ist dein Leben auch verwirkt. Außerdem ist es eine schwere Sünde, den Bestimmungen der heiligen Inquisition zuwider zu handeln. [verzweifelt] Aber ich weiß gar nicht mehr, was hier Recht ist und was Unrecht. Warum schickt Gott mir und uns diese Prüfung?

Paul [heftig]: Ehrwürdiger Abt, ich will es wenigstens versuchen. Ich kann mich immer noch herausreden, wenn man mich fängt.

Abt [weist dies zurück]: Nein, nein, nein... so geht das nicht. Du kannst nicht auch noch Lüge auf dich laden. [beschwörend] Gott, der Allmächtige wird uns helfen. Lass uns die Sorgen im Gebet vor den Herrn bringen.

Paul [fügt sich]: Ja, bringen wir die schwere Not vor den Herrn, auf dass er es richte.

Abt [weist auf die Klosterpforte/Paradies]: Dann wollen wir uns beeilen, dass wir vor der Vesper noch Fürbitte halten können.

[sie eilen beide ins Kloster].

10. Szene: Dorfplatz

Im Dorf findet ein Sommer-Fest statt mit Musikanten und Tanz. Alle sind ausgelassen, singen und tanzen, trinken und tratschen. Mitten drin Maximilian und Marthe, die das Bein am eifrigsten schwingen und sich zärtliche Dinge sagen. Marthes Freundin Lene wird von Maximilian getröstet, auch er habe Aurelius von Herzen gerne, aber Mönch sei Mönch; nur gut, dass mit dem Mönch-Sein nicht das Mann-Sein vergeht. Die Drei lassen sich vom Kräuterweib die Zukunft weissagen, die von tiefster Todesangst und stürmischer Liebe bei allen geprägt ist. Die Quintessenz des Horoskops: Die beiden Frauen werden schlussendlich den bekommen, den sie begehren, auch wenn sie zuvor alle Hoffnung fahren lassen müssen.

In das Fest hinein platzen die Häscher der Inquisition, um Maximilian zu verhaften. Sie nennen den Verhaftungsgrund und erwähnen dabei (unvorsichtiger Weise), dass auch nach Aurelius gefahndet werde. Lene eilt mit einem Aufschrei davon, sie weiß, wo sich der geliebte Mönch zum stillen Gebet aufhält.

 

Maximilian [Die Musik bricht ab, alle setzen sich, um zu trinken. Maximilian tritt – vom wilden Tanz ermattet – mit Marthe zur Seite]: Ich hoffe nur, dass alles so läuft, wie sich der gute Aurelius das vorstellt. Es ist doch gigantisch, was er da vorhat. Alle unter einen Hut zu kriegen, in der kurzen Zeit.

Marthe [schmiegt sich an ihn]: Der schafft das schon. Und eines hat er ja schon erreicht: [sie lacht] Der Teufel liebt mich, und er liebt teuflisch gut.

Maximilian [lacht auch, umarmt und küsst sie leidenschaftlich]: Nein, nicht der Teufel, ich liebe dich! Und ich merk, dass es bei dir auch gefunkt hat – das ist das Wundervolle dabei. Hätt‘ ich mir nicht gedacht, als ich den Umweg durch den Schwarzwald gemacht hab‘. Hier in Herrenalb, weit ab vom Trubel des Lebens, die tollste Frau auf Erden zu finden.

Marthe [die ihn fest an sich drückt]: Ich hab‘ auf so einen wie dich schon länger gewartet. Gott-sei-Dank hab ich nicht auf Mutter gehört, die mich schon längst unter die Haube bringen wollt.

Maximilian [wiederholt ihr ‚Gott-sei-Dank‘ mit einem Seufzer der Erleichterung]: Ja, Gott-sei-Dank! Sonst hätt‘ dich mir ein andrer weggeschnappt.

Marthe [erleichtert]: Ja, an so einen reichen Geldsack aus Merklingen will man mich verschachern. Da profitierten alle außer mir davon. Sogar für die grauen Herren aus dem Kloster wär‘ das ein Geschäft. Im Doppelpack mit einem Gebetbuch aus der Schreiberei soll ich an den Merklinger Pfleghof gehen.

Maximilian [im Brustton der Überzeugung]: Das sollen sie nur wagen!

Marthe [lacht ihn an]: Wollen schon, aber ich werd‘ mich zu wehren wissen. Jetzt gehör‘ ich zu dir und du zu mir. [sie küssen sich wieder]

Maximilian [ruft]: Niemand wird dich kriegen, nur ich alleine. Nur über meine Leiche führt der Weg nach Merklingen.

Lene [die schon eine ganze Weile verträumt/traurig zuschaut]: Ihr beide dürft euch lieben, und ich – was bleibt mir? Worte, nichts als Worte.

Marthe [besorgt]: Aber liebe Lene, komm her, was ist mit dir?

Maximilian [beinahe gleichzeitig]: Irgend ein Kummer drückt dich, Lene. Erzähl‘ uns, was hast du, vielleicht können wir dir helfen.

Lene [fast weinend]: Nein, es ist so aussichtslos. Ich glaub, niemand kann mir helfen. Es ist alles so trüb, so ohne alle Hoffnung.

Marthe [legt den Arm um sie]: Nun mal schön der Reihe nach. Um was gehts denn genau.

Maximilian [fast ein wenig belustigt]: Ach Marthe, ich glaube, ich weiß, was die Lene hat. So wie sie dem lieben Aurelius Augen gemacht hat, wird sie einfach schrecklichen Liebeskummer haben. Das kann ja einen jeden umhauen.

Lene [sofort zustimmend]: Ja, und es geht doch gar nicht, darf doch gar nicht sein. Aurelius ist doch Mönch, und all das muss für ihn die schlimmste Sünde sein. Schon an mich zu denken ist großer Frevel – und er hat mir gestanden, dass ers dauernd muss.

Maximilian [lacht unbekümmert]: Oh Lene, Lene, wie schön für euch beide: Ihr liebt euch. Und ihr werdet schon noch zueinander finden. Da bin ich mir ganz sicher.

Marthe [wehrt ab]: Maximilian, lass Lene. So einfach kannst du‘s dir nicht machen.

Maximilian [ernst]: Doch! So einfach ist das. Wenn zwei sich von ganzem Herzen lieben, so sollen sie es sich sagen. Und keine Macht auf Erden wird sie hindern können. Selbst in der Bibel steht geschrieben, dass es nicht gut ist, wenn der Mann allein ist.

Lene [verzweifelt]: Aber Aurelius hat das Mönchsein erwählt. Er darf mich nicht lieben. [etwas ruhiger] Ach es reicht mir ja schon der Schatz, den er mir gebracht hat.

Marthe [neugierig]: Er hat dir was geschenkt?

Maximilian [gleichzeitig]: Du hast was von ihm bekommen?

Lene [redet nahtlos weiter]: Ja, extra für mich, hat er’s übersetzt, sagt er. Obwohl es verboten ist. [sie zieht ein Stück Papier aus der Tasche und entfaltet das Folio-Blatt; träumerisch:] So wunderschöne Worte – aus dem Buch der Liebe, hat er gesagt.

Maximilian [zupft ihr das Blatt aus den Händen, und hält es hoch in die Luft, so dass es die kleinere Lene ihm nicht entwenden kann, liest zuerst mit den Augen]: Oh ... das ist stark ... ja ... aus dem Hohen Lied Salomonis. Und wie wunderbar übersetzt, unser Aurelius ist ein richtiger Poet. Hört nur [er rezitiert mit Emphase]:
"Den Tanz des Lagers wollen wir sehn,
die Schönheit des Schritts im zierlichen Schuh.
Das Geschmeide der biegenden Hüften,
Werk eines Künstlers.
Und des Schoßes Trinkschale,
nie ermangelnd des Trankes.
Der von Lilien umwundene
Weizen des Leibs.
Und das Spielen
der Brüste, der kleinen,
Zwillinge einer Gazelle."
[endlich gelingt es der keuchenden Lene, ihm das Blatt zu entwinden. Maximilian ruft aus:]
Das ist herrlich, einfach toll. [er hält inne] Und ... Lene: Er meint dich, wen sonst, als dich!

Marthe [freudig erregt]: Oh ja Lene, Maximilian hat recht. Ist es möglich? Aurelius liebt dich. Er traut sich noch nicht, es dir und sich zu gestehen. Aber die Zeilen ... das ist eine wunderschöne Liebeserklärung. [droht Maximilian scherzhaft mit dem Finger] So schön hab‘ ich das von dir noch nicht gehört!

Maximilian [strahlend]: Ich bin halt kein Poet, wie unser Freund, aber ich liebe dich trotzdem über alles! [er umarmt seine Marthe]

Lene [die auf das Blatt gestarrt hat, wie aus Trance erwachend]: Ja, jetzt glaub‘ ich es auch, Aurelius liebt mich, er liebt nur mich.

Maximilian [löst sich von Marthe, scherzend]: Ja Lene, so ist das: Er liebt dich. Und glaube mir, mit dem Mönchsein ist das Mannsein nicht vergangen. Es schlummert schon nicht mehr allzu fest, wie wir sehen. Und du wirst es vollends erwecken.

Marthe [beide in den Arm nehmend]: Oh Lene, oh Maximilan! ... Ach ich bin so glücklich!

Lene [freudig]: Ich auch, -- er liebt mich, liebt mich ... mir ist so wohlig und heiß.

Maximilian [macht sich los, dann zu Marthe]: Ich hab eine Idee: Trude soll uns die Zukunft weissagen. Los! Dann wissen wir, woran die Lene ist; [scherzend zu Marthe] Und von dir will ichs auch wissen.

Lene [zögernd]: Ich weiß nicht. Ist das nicht Aberglaube, das mit der Sterndeutung und dem Handlesen. Vielleicht sogar Hexerei? Ob das dem Aurelius recht wäre?

Maximilian [wischt die Bedenken beiseite]: Nein, das ist nur halb so schlimm. Keine Zauberei, eher ein Spiel mit der Zukunft.

Marthe [ernst]: Aber ein ernstes Spiel. Vieles, was Trude gesagt hat, ist eingetroffen. Denkt nur an den Bauern Hinz und sein Vieh. Und die Trude ist keine Gottlose; vielleicht ist sie manchmal nicht mehr ganz richtig im Kopf. Aber die hat’s Gesicht.

Lene [immer noch zögernd]: Ja grad deshalb. Und wie sie immer nachts in die Sterne guckt und auf den Mond, wie er zu- und abnimmt.

Maximilian: Genau! Die Sterne, die haben doch schon den heiligen Königen aus dem Morgenland den Weg gewiesen. Und das war’n Sternkundige, und Gott hat den Stern geschickt. Außerdem hat der Herr die Sterne und alle Kreatur in seiner Macht. Warum soll er dann nicht so zu uns reden?

Lene [gibt langsam nach]: Na gut. Wenn ihr meint, dass nichts Schlimmes dran ist.

Maximilian [sorglos; zieht die beiden zu Trude, die ein wenig abseits des Trubels mit einer Katze auf dem Schoß sitzt; das Kind kauert neben ihr auf dem Boden]: Jetzt kommt schon, nimm’s doch einfach als Spaß.

Trude [schaut die drei erwartungsvoll an]: Nun ihr jungen Hübschen. [lacht Maximilian an] Da hast du dir ja eines der schönsten Vögelchen hier im Dorf ausgesucht. Die ist aber nichts für einen Hallodri!

Maximilian [ungewohnt ernst]: Das muss ich mir wohl von dir sagen lassen. Du hast mich in keiner schönen Situation kennen gelernt. [er nimmt Marthe in den Arm und presst sie an sich] Aber das hier ist was ganz Ernstes.

Trude [ganz bei der Sache]: Ja, ich beobachte euch schon ne Weile; und dacht so bei mir: Da schau, der Student und die Marthe, die scheints ja beide schwer erwischt zu haben. Doch was wollt ihr von mir?

Marthe [schüchtern drängend]: Kannst du uns die Zukunft weissagen, liebe Trude.

Trude [zögernd]: Genießt die Gegenwart, was wollt ihr die Zukunft kennen. Ist sie gut – dann soll es recht sein. Ist sie schlecht – wer will das jetzt wissen.

Marthe [bittend]: Bitte Trude! Wenn Du wüsstest, wie mir‘s ums Herz ist. Und auch Lene.

Trude [fast erschrocken, aber dann wissend lächelnd]: Lene auch. Was ist mit Dir Lene; oder soll ich Magdalena sagen?

Lene [sehr zurückhaltend]: Ich kanns nicht sagen; aber ich bin sehr glücklich – fast ohne Grund.

Trude [schaut sie verständnisvoll an]: Du bist glücklich? Und du auch Marthe! Das ist in unseren schweren Zeiten viel wert. [sie setzt sich in Positur] Also gut, kniet euch beide hier vor mir nieder und gebt mir eure linken Hände, die sind näher beim Herzen, und auf das kommt es uns ja an.
[im Folgenden reagieren Lene und Marthe sowie Maximilian heftig mimisch-gestisch auf das Handlese-Orakel der Trude, die zunächst beide Hände genau in Augenschein nimmt, mit dem Zeigefinger zart die Linien nachfährt]:
[erstaunt] Ach, das ist interessant. So was hab ich noch nie gehabt. Eure Zukunft ist beinahe gleich, bis auf ein paar kleine Einzelheiten.

Marthe und Lene [drängend, neugierig]: Ja. Was siehst du. Komm schon!

Trude [schaut abwechselnd den beiden in die Gesichter und auf die Hände]: Lasst es mich kurz machen, hier ist so viel Trubel, ein andermal sag ich euch Genaueres. Also, ich sehe viel Gleiches. Bis auf die Kinder, Marthe wird mehr haben als Lene [beide schauen sich an und klatschen in die Hände, geben dann schnell die Linke wieder Trude] sonst haben eure Leben ähnliche Hoch-Zeiten und schwere Zeiten. Eine der schwersten Zeiten steht wohl kurz bevor. Euer Liebstes soll euch genommen werden. [beide erschrecken], aber ob es ein Mann ist oder was anderes, ist ungewiss. Ihr werdet auch beide nicht mehr lang hier bei uns bleiben, sondern in die Fremde ziehen [beide erschrecken wieder], aber dort wird es euch wohl ergehen. Kein Reichtum, aber ein liebender Mann und Gesundheit wird euch beschieden sein. [nach einer kurzen Pause, in der sie die beiden forschend anschaut]: So, das reicht für heute! Jetzt vergnügt euch wieder, so lange ihr noch Zeit dazu habt.

Marthe [freudig besorgt zu Maximilian]: Wenn nur du der liebende Mann bist. [zu Trude] Ich dank dir Trude, besten Dank!

Lene [sinnierend auch zu Trude]: Ja, Trude: Vielen Dank!

Trude [beiseite]: Die Liebe wird euch schön in Unordnung bringen. [sinnierend und dem neben ihr sitzenden Kind durchs Haar streichend] Ja, ja die Liebe; wie schön war es – als ich noch jung war, noch nicht die alte Kräuter-Trude...

Maximilian [nimmt Marthe in den Arm]: Wem sonst als dir soll mein Herz und mein Leben gehören.

Marthe [zärtlich spöttisch]: Jetzt wirst du ja doch noch zum Poeten. [zu Lene, fasst sie fest um die Schulter] Komm, Lene, sei auch froh und vergnüg dich.

Maximilian [zu beiden]: Ja, lasst uns Spaß haben. Ist bloß schade, dass die Mönchlein nicht mit uns feiern können. Ich denke, einer würde heute besonders glückselig sein...

Lene [hat kaum zugehört, sondern lässt Trudes Worte in sich nachklingen, beinahe träumerisch, aber fest]: Jetzt möchte ich hier bei euch bleiben, auf dem Fest. Euch beim Tanzen zuschauen und träumen. [sie deutet auf ein abseits stehendes Bänkchen] Ich setz mich dort drüben hin, da seh ich euch – und das Kloster hab ich auch im Blick.

Marthe [lässt sie los]: Ja, Lene, tu das. [Lene geht und setzt sich, Marthe weiter] Komm, Maximilian. Ein weiterer Tanz, und eine weitere Gelegenheit, mir so schöne Worte zu machen, wie Aurelius für Lene, das eben war ja schon ein guter Anfang.

Maximilian [stürmisch]: Ach was, ich sags dir auf meine Art. [küsst sie leidenschaftlich und wirft sich mit ihr ins mit erneut einsetzender Musik wieder beginnende Tanzgetümmel].

[während dieser Tanz anhält, dringen Bewaffnete ins Dorf, umstellen den Dorfplatz, so dass niemand draus entweichen kann, und drei Bewaffnete treten vor das Wirtshaus]

1. Bewaffneter [brüllt in die aufgeheizte Menge]: Ruhe! – Ruhe, hab ich gesagt!

2. Bewaffneter [laut und derb]: Wo ist der Student Maximilian?

Maximilian [lässt Marthe los und tritt aus der wie erstarrt da stehenden Menge einige Schritte vor]: Hier bin ich, was liegt an?

2. Bewaffneter [tritt auf ihn zu]: Du bist verhaftet! Wir werden dich sofort mitnehmen.

Maximilian [fest, während Marthe sich mit einem Schrei vor ihm niederwirft und seine Beine umklammert]: Verhaftet? Wer gibt euch das Recht dazu?

1. Bewaffneter [grob, schlägt ihn brutal, dass er beinahe fällt]: Du Ketzer hast hier nichts zu fragen. Dir und dem Mönch werden wirs schon zeigen.

2. Bewaffneter [fasst Maximilian mit einem weiteren Bewaffneten rechts und links]: Der Befehl lautet, dich ins Kloster zu bringen. Den Grauen holen wir uns dort später, der entläuft uns schon nicht.

Marthe [schreit ängstlich, während die Bewaffneten Maximilian zum Kloster zerren]: Maximilian, Liebster! Nein! Das ist nicht möglich, das muss ein Versehen sein. Nein! Nein! [sie kniet nieder und reckt die Hände zum Himmel] Herr, hilf mir. Mutter Gottes, gebenedeit und voller Gnade, hilf uns, hilf meinem Maximilian. [sie weint hemmungslos.]

Lene [hat die Szene von ihrer Bank mit angesehen, ist ungläubig – wie in Trance – aufgestanden und läuft, während Marthe schreit, an den Zuschauern vorbei Richtung Klosterscheuer]: Aurelius, mein Aurelius! Nein, dich dürfen sie nicht kriegen, nein, dich nicht.

11. Szene: Kloster/Dorf (simultan)

Während zunächst vor, dann im Kloster das Verhör/die Folter des angeschuldigten Maximilian beginnen, suchen im Dorf die Häscher der Inquisition nach Aurelius, der sich als Mönch nun des zusätzlichen Vergehens der Entfernung aus dem Kloster und damit des Bruchs seines Gelübdes schuldig gemacht hat. In einem Heuschober versteckt Lene den Mönch, gibt ihm Kleidung ihres verstorbenen Vaters und schaut ihm voll Entzücken zu, als er sich umzieht. Die beiden lieben sich lang und ausgiebig, während drumherum die Welt aus den Fugen zu brechen droht.

Es kontrastieren aus dem Kloster/Paradies die Stimmen der Inquisitoren und die Schreie des Gefolterten und zugleich die gregorianischen Gesänge der Mönche hinter dem Paradies, aus dem Dorf die Rufe der Häscher und die Zärtlichkeiten der beiden Liebenden.

Die jeweiligen Texte müssen miteinander verfugt werden, so dass die Zuhörer/-schauer beide Texte jeweils gut verstehen können, aber keine Brüche entstehen. Die Folter- und die Liebesszene kann dies gut gestalten, indem während der Folter Liebesgeflüster/-laute zu hören sind und umgekehrt während der Liebesdialoge das Wimmern von Maximilian.

 

vor dem Kloster

Bartholomé de Tarascon [drohend]: Dass du mit dem Teufel im Bunde stehst, ist erwiesen. Mon Dieu! Gestehe endlich, [beiseite] denn was nun folgt, wird dir sowieso jedes Geständnis entlocken.

Maximilian [unsicher]: Ich weiß wirklich nicht, was Ihr von mir wollt. Eure Anschuldigungen sind absurd, völlig aus der Luft gegriffen.

Bartholomé: Das zu entscheiden überlasst getrost uns. Du bist also, wie wir erfahren haben, Magister aus Paris und hast die Rechte studiert.

Maximilian: Ja, das ist doch aber kein Geheimnis und auch kein Verbrechen. Ich bin auf dem Weg von Paris nach Heidelberg, um den Doktor der Rechte zu machen.

Ignatius d‘Auvergne [lauernd]: So wolltest du also die Rechte ganz intensiv studieren, [hart und bestimmt] um die Menschen ganz in deine Gewalt zu bekommen?

Maximilian [mit einer Mischung aus Angst und Wut]: Das ist doch ein ausgemachter Blödsinn. Ich habe die Rechte studiert und studiere sie weiterhin, um den Menschen in ihrer Not gegen die Willkür der Obrigkeit und die Brutalität der Zeitläufte beizustehen.

Bartholomé [zunächst ironisch, dann mit zunehmender Schärfe]: Oh ein wahrer Menschenfreund. Ein Helfer der Bedrückten und Bedrohten. So schleicht sich die Schlange ins Vertrauen der Menschen, nistet sich ein. Alors, und dann, gebiert sie das Böse und verspritzt ihr Gift. Gestehe endlich, dass du mit dem Bösen im Bunde bist, und nenne uns deine Helfershelfer!

Maximilian [wütend]: Jetzt reichts mir! Wenn die Inquisition nicht Besseres zu tun hat, als unschuldige Studenten zu verfolgen, so tut Ihr mir wirklich leid. Das ist doch wirklich ein Scheißspiel, das Ihr hier mit mir aufführt; es ist an der Zeit, dass wir es beenden.

Ignatius [streng und abfällig]: Es wird dir noch leid tun. Ja, wir wollen dieses Vorspiel beenden und dir Gelegenheit geben, deine Stärke zu beweisen. [zu Bartholomé gewandt] Ich denke, wir werden dieser Kreatur das Reden lehren müssen, auf unsere Weise.

Bartholomé [fragt in Richtung Maximilian]: Willst du uns nichts bekennen? Schütte uns dein Herz aus, wenn dich Satan verführt hat. Wir werden dir helfen, dass er wieder von dir lässt!

Maximilian [nun voller Wut; äfft ihn mit französischem Akzent nach]: Schütte uns dein Herz aus... Wenn der Teufel in irgendwem steckt, dann in euch allen hier.

Bartholomé [kalt, ruft laut]: Unglaublich! Bewaffnete, vite, vite! [zwei Bewaffnete nehmen Aufstellung] Führt diesen armseligen Menschen hinein zur Folter.

Maximilian [ängstlich und ungläubig protestierend]: Zur Folter? Was habt ihr mit mir vor?

1. Bewaffneter [fasst Maximilian grob an]: Halts Maul und komm mit. [zieht mit dem 2. Bewaffneten zusammen brutal den laut protestierenden und wild um sich schlagenden Maximilian ins Kloster]

Ignatius [indem er sich mit Bartholomé zum Gehen wendet]: Er will es nicht anders haben, der Herr wird uns beistehen bei unserer schweren Aufgabe.

Bartholomé [im Gehen, sich bekreuzigend, Ignatius tut ihm gleich]: Der Herr sei mit uns. Amen! [die Inquisitoren folgen den Bewaffneten ins Kloster]

 

im Dorf

Bewaffnete [durchstreifen mit Fackeln das Dorf, Geschrei, Gebrüll; immer wieder Rufe aus den verschiedensten Ecken des Dorfes]:
– Wo ist das Mönchlein?
– Wir werden Ihn schon kriegen! Dann: Gnade ihm Gott.
– Komm, leucht hier in den Winkel! Nichts, verdammte Scheiße, wo ist der Kerl.
– Mensch, vielleicht hockt der in der Kneipe?
– In der Wirtsstube hab ich schon gesucht. Da war kein Kuttenträger.
– Vielleicht hat er sich ganz aus dem Staub gemacht.
– Kann sein. [schreit] Kommt alle zusammen, hierher! [die Bewaffneten sammeln sich]
– Wir suchen im Wald Richtung Neusatz.
– Ja, und ein paar gehen zu den Nonnen Richtung Frauenalb.
– Genau, der wird sich sicher ins Badische davon gemacht haben.
...
[Die Bewaffneten entfernen sich in zwei Richtungen, lange sieht man ihre Fackeln]

im Kloster

[man sieht die Klosterszene nicht, sondern hört aus dem (mit flackerndem Feuer) beleuchteten Paradies nur das Verhör unter der Folter, jeweils verschränkt zu der aus dem Heuschober zunächst auch zu sehenden, später nur noch zu ahnenden und zu hörenden Liebesszene; ganz im Hintergrund ertönt der Gesang der Mönche im Kloster, d.h. hinter dem Paradies.]

Ignatius d‘Auvergne [laut und scharf]: Zieht die Schrauben an und legt die Eisen in die Glut. Wie war das mit der Martha?

Maximilian [entsetzt]: Es ist ein Spiel, ein Weltgerichtsspiel, und ich spiele den Teufel nur.

Ignatius d‘Auvergne [ironisch]: Du spielst den Teufel nur? Du kannst den Teufel nicht spielen, der Teufel spielt mit dir, aus dir.

Maximilian [schreit laut auf]: Nein, hört auf, nein!

Ignatius d‘Auvergne [fast milde]: Es schmerzt mich, dich leiden zu sehen. Noch einmal die Frage: Wie war das mit Martha?

Maximilian [schreit wieder vor Schmerzen, dann keuchend]: Da war nichts. [schreit wieder...]

Ignatius d‘Auvergne [in die nach dem letzten Schrei entstandene Stille]: Und jetzt die glühenden Eisen, von beiden Seiten, naturellement! Wie war das mit der Martha?

Maximilian [schreit und spricht in Todesangst]:
Maria, die aus Magdala, die Dirne?
Die Euren Herrn umschwänzelt, ihn verführt,
sie hat ein bessern Teil erwählt als Ihr?

Ignatius d‘Auvergne [kommt in Fahrt]: Ihr gesteht es! [ruft] Die Zangen und das Eisen! [fragt geifernd] Was war mit der Maria aus Magdala?

Maximilian [schreit, jammert und brüllt atemlos]:
Oh ja, sie hat dem Herrn, wie Ihr ihn nennt,
sich ganz, mit Leib und Seele, ganz geschenkt.
Und das gefällt uns Männern, ja natürlich,
das ist des Pudels Kern: Der Herr als Mann!

Ignatius d‘Auvergne [voller Abscheu]: Du sagst, der Herr habe mit Maria gehurt, das richtet dich. Es ist ein schrecklicher Tod, der auf dich wartet. Nun sag uns noch, was der Teufel mit Martha vorhat! [er brüllt nach einer kurzen Pause, in der nur das leise Wimmern Maximilians zu hören ist] Nochmal die Eisen! Sprich, du Satanas!

Maximilian [jault auf und deklamiert, von Stöhnen unterbrochen, laut wie in Trance]:
Ihr seid ein Weib, so schön wie Helena,
für die dereinst ganz Troja niedersank.
Ihr seid das Weib, von dem ich lang schon träum,
dem ich im Traum auch Leib und Seele schenk.
Ihr seid mein Weib, so wie ich Euch begehr,
wird nimmermehr ein Mann für Euch Begehr
empfinden, Geilheit gar. Ich brauch Euch,
nehm Euch, geb Euch alles, was Ihr braucht.
[man hört einen letzten Schmerzensschrei, dann Stille.]

Ignatius d‘Auvergne [bestimmt und hart]: Er hat gestanden und die Nacht der Ohnmacht umgibt ihn nun.

Bartholomé de Tarascon [ohne Milde]: Mon dieu, ich fass es kaum. Der Teufel will die heilige Martha sich zum Weib nehmen. ich fass es nicht.

Ignatius d‘Auvergne [abschließend]: Er hat gestanden, wird gerichtet.

 

im Heuschober

Aurelius [in der Kutte, schwer atmend]: Das war knapp. Es ging ums Leben. Danke Lene, tausend Dank.

Lene [hat ein Kleiderbündel im Arm, auch außer Atem, wehrt den Dank ab]: Lass nur, ich hab es gern getan. Ich hab es tun müssen.

Aurelius [horcht auf]: Du hast es tun müssen, wer hat es dir aufgetragen?

Lene [sehr zart]: Ach frag nicht so! [schaut ihn zärtlich an, dann hastig:] Gut, dass Mutter noch getragene Kleidung von Vater hat. Die hat sie mir gerade noch in die Hand drücken können. In Bauernkleidung wird keiner einen Mönch vermuten.

Aurelius [zögernd]: Ein Mönch darf seine Kleidung nicht ablegen! Dann kann er gleich seinem Gelübde widersagen.

Lene [drängend und voll Sorge]: Welche Wahl hast du. Willst du lieber das Leben ablegen als die Kutte.

Aurelius [zögert immer noch]: Aber die Kutte ist mein Leben. Das hab ich Gott geschenkt; ein Geschenk darf man nicht zurückfordern.

Lene [schaut ihn voll an]: Und beinahe hättest du es verloren, und ich meines dazu. Unsere Leben gehören jetzt zusammen.

Aurelius [schaut sie auch groß an]: Lene – Lene – was sagst du da?

Lene [stark, wie sie noch nie war]: Ich habe einmal in einem alten Kodex beim Leutpriester ein paar sehr schöne Verse gelesen, und hätte nie gedacht, sie einmal so fühlen zu können. Hör mir zu, mein Aurelius:
"Du bist mein und ich bin dein,
des sollst du gewiss sein.
Eingeschlossen bist du in meinem Herzen;
verloren ist das Schlüsselein,
du wirst auf ewig drinnen sein."

Aurelius [der völlig verwirrt ist]: Oh Lene, – wie ist mir! Gott, – was lässt du geschehen?

Lene [fest]: Ja, Aurelius, er lässt es geschehen. Unser Gott wird dich frei geben, er hat dich mir geschenkt.

Aurelius [sinkt ihr in die Arme, haucht]: Lene, meine geliebte Lene!

Lene [hält ihn fest, als wolle sie ihn nie mehr los lassen]: Geliebter Aurelius! [sie stehen wie angewurzelt in inniger Umarmung; dann fasst sich Lene zuerst:] Wir dürfen uns nicht vergessen. Mach schnell, Liebster, weg mit der Kutte.

Aurelius [glühend vor Glück, löst sich langsam von Lene]: Du hast Recht, meine Lene; oh ja, meine [er betont das Wort und wiederholt es] meine geliebte Lene.

Lene [schaut keusch beiseite, während sich Aurelius schnell entkleidet, zögernd]: Was machen wir mit Maximilian und Marthe? Was wird aus Ihnen, Aurelius? Ich hab gehört, dass fast ein jeder von der Inquisition Angeklagte auch verurteilt wird.

Aurelius [wird mit dem Auskleiden fertig]: Ja, so ist es. Wir müssen irgendetwas unternehmen. Aber was, das weiß ich auch noch nicht. [wendet sich nackt zu Lene] Jetzt gib mir das Bündel [sie dreht sich zu ihm, schaut ihn voll Entzücken und Zärtlichkeit an und geht langsam auf ihn zu.]

Lene [lässt das Kleiderbündel fallen und umarmt den nackten Aurelius]: Du bist so schön. Dass ein Mann so schön sein kann!

Aurelius [umarmt sie und küsst sie leidenschaftlich]: Lene! Liebste. [beiseite, mit einem Seufzer] Uns gehts hoffentlich nicht wie Abaelard und Héloise – den glücklich Unglückseligen!

[die beiden sinken ins Stroh, man sieht sie nicht mehr, aber Lenes Kleider fliegen durch die Luft und wieder und wieder hört man ihr Liebesgeflüster, ihre Küsse, ihr heftiges Atmen... Nach einiger Zeit hört man Lene leise zu Aurelius sagen:]

Lene [zart und verliebt]: Wie hast du mir so schön geschrieben aus dem Lied der Liebe [man merkt dem folgenden Dialog an, dass er deklamiertes Zitat aber zugleich innigst empfundene Liebesbekundung ist]:
"Meine Taube will turteln,
verborgen noch im steinernen Fels;
lass mich dich schauen,
lass mich dich hören,
süß ist dein Wort,
noch süßer dein Anblick."
So ist es. Und das Turteln meiner Taube war so wunderschön. [sie räkelt sich wohlig]
Sag, mein Liebster, sag mir, wie schön Sulamith ist.

Aurelius [ganz zart und verhalten]: Du bist meine Sulamithin, Lene.
Ja, und du bist schön wie diese. Höre:
"Die Schönheit des Schritts im zierlichen Schuh.
Das Geschmeide der biegenden Hüften,
Werk eines Künstlers.
Und des Schoßes Trinkschale,
nie ermangelnd des Trankes.
Der von Lilien umwundene
Weizen des Leibs.
Und das Spielen
der Brüste, der kleinen,
Zwillinge einer Gazelle.
Elfenbein-getürmt dein Hals,
darauf dein Haupt wie der Karmel strahlt,
und der Glanz deiner Augen,
das Tiefblau der Teiche von Hebron
am Tor von Beth-Rabbim.
Nach Damaskus blickt
deiner Nase Libanonturm.
Und das purpurne Leuchten
der Flechten des Haares,
darin sich ein König verstrickt
du Liebste, du Schöne in Lust?
Palmen gleich dein herrlicher Wuchs,
reife Trauben die Brüste.
Ich sinne – was tun?:
Ersteigen will ich die Palme,
ergreifen die Früchte.
Oh dass deine Brüste wie Trauben,
dein Atem wie duftende Äpfel,
dein Kuss wie trunken machender Wein ..."

Lene [genauso zart deklamierend]:
"Oh Geliebter, oh trink ihn ..."

Aurelius:
"Im Traum noch beben die Lippen."

Lene:
"Ich bin dem Geliebten,
auch er liebt nur mich.
Komm, mein Geliebter,
ziehn wir ins Freie,
die Frühe des Weinbergs erleben,
das Knospen der Reben,
das Blühn des Granatapfelbaums. ---
Dort will ich mich ganz dir schenken.
Die Früchte der Liebe:
Für dich, mein Geliebter,
hab ich sie lange verwahrt..."

 

Hanswurst [in einem Moment, wenn die Liebes-/Folterszene besonders intim/brutal wirkt, stehend zum Publikum]: Nur keine Aufregung, es ist alles nur Theater, [zeigt auf den Heuschober] da nur Theater [zeigt auf das Paradies] und da nur Theater, [zeigt auf das Publikum] echt seid nur ihr!

12. Szene: Öffentliche Gerichtsverhandlung/Autodafé im Kloster

Der Prozess gegen Maximilian, den "Teufel von Herrenalb", und in Abwesenheit auch gegen Aurelius findet vor dem Mönchskollegium statt. In und halb vor dem Paradies sitzen und stehen halblaut singend die Mönche im Halbkreis, Maximilian – von der Folter schwer gezeichnet – wird von Bewaffneten in den Halbkreis gezerrt, in welchem Ignatius d’Auvergne und Bartholomé de Tarascon – sie sitzen beide auf hochlehnigen Stühlen – den Prozess durchführen. Der Abt betritt die Szene.

Die Dominikaner haben unter der Folter kein echtes Geständnis herausbekommen, sondern Maximilian hat zum Selbstschutz immer seine Rolle aus dem Weltgerichtsspiel wiederholt. Den Anklägern bleibt nichts Anderes übrig, als sich auf diesen Text zu stützen, den sie als bare Münze nehmen. Obwohl der Abt darauf hinweist, dass die Indizien schwach seien, nimmt das Procedere des öffentlichen Prozesses seinen Lauf.

Als Maximilian eine Bemerkung über den Gottesstaat des Savonerola – selbst Dominikaner – macht, und sich bewusst provozierend, da er den Prozess sowieso als verloren glaubt, als Kritiker von Fürsten- und papistischer Willkür hinstellt, gibt es für den Ankläger keinen Zweifel mehr: Er verurteilt Maximilian und den abwesenden Aurelius gleich dazu zum Tod durch Verbrennen. Das Urteil ist sofort, d.h. nach den notwendigen Vorbereitungen, zu vollstrecken.

Auf dem Dorfhügel wird schon während des Prozesses begonnen mit den Hinrichtungsvorbereitungen, d.h. ein hoher Reisig- und Holzhaufen mit einem Holzpfeiler in der Mitte wird aufgeschichtet.

Im Dorf stehen die Bauern und blicken voller Sorge zum Kloster wie auch zum Dorfhügel. Trude nähert sich mit dem Kind an der Hand dem klösterlichen Bereich so weit, dass sie mithören kann, was dort verhandelt wird.

 

Abt [aus dem Paradies kommend]: ... Mich auch in diesen Prozess zu verwickeln. Nein, das erspart mir bitte, Ignatius d’Auvergne.

Ignatius d‘Auvergne [geschäftsmäßig]: Das kann ich nicht. Die Zeit drängt und nach den Vorschriften über das juristische Procedere ist dem Angeklagten ein Verteidiger an die Seite zu stellen. Hier ist es schon fast ein Advocatus Diaboli, ein Anwalt des Teufels, den wir brauchen. Wer sonst als Ihr, könnte dieses schwere Amt ausfüllen. Ihr kennt den Schreiber des [mit Abscheu] widerwärtig gotteslästerlichen Spiels, mon Dieu. Und Ihr habt die Autorität, dies Amt auszufüllen.

Abt [bittend]: Kann dieser bittere Kelch nicht an mir vorüber gehen?

Bartholomé de Tarascon [in scharfem Ton]: Ehrwürdiger Bartholomé de Richtenberg. Unser beider Namenspatron wusste das Leben zu genießen, der Herr hats ihm auf der Hochzeit zu Kanaa mit Wein gezeigt, dass er nichts gegen den Lebensgenuss hat. Aber der Apostel wusste auch für den Herrn einzustehen, ja für ihn zu sterben. Es ist Eure Pflicht, zu tun, was wir von Euch im Namen des Allmächtigen verlangen. Sträubt Euch nicht, chèr Abbé! Oder muss ich Euch eigens erklären, was sonst unsere heilige Pflicht ist.

Abt [beschwichtigend]: Schon gut, ich werde tun, wie Ihr wünscht und befehlt.

Ignatius [streng] So lasst uns mit dem Prozess beginnen.

Bartholomé [beipflichtend]: Ja, ich denke es wird – nach Lage der Dinge – möglich sein, kurzen Prozess zu machen. Alors, beginnen wir. [er beginnt sehr würdevoll, wird aber mit dem Verlesen der Anklagepunkte immer schärfer]:
Wir stehen hier im Namen des Heiligen Vaters, des von uns allen hochverehrten Papstes Alexander VI., und der heiligen Kirche und klagen vor Gott, dem Allmächtigen.
Die Anklage der heiligen Inquisition lautet wie folgt: Der Student Maximilian hat sich in gotteslästerlicher Weise über unseren Herrn Jesus Christus und – quel scandale! – ein erotisches Verhältnis des Herrn zu Maria aus Magdala ausgelassen, und er hat in Gestalt des Teufels die heilige Martha verführt und Unzucht mit der jungfräulichen Marthe aus dem Dorf getrieben. Er hat damit zur ungezügelten Wollust und Unzucht auch der Gottgeweihten aufgerufen. Dass er dies alles vor unschuldigen Kindern getan hat, ist als besonders verwerflich anzuführen. Mit ihm im Verbund steht Bruder Aurelius, Mönch am hiesigen Kloster. Ihm werden toutes les mêmes teuflische Verstrickungen vorgeworfen. Sollten die Angeklagten schuldig sein, kann dies Verbrechen der Ketzerei, ja des Bundes mit dem Teufel nur durch den Scheiterhaufen gesühnt werden.

Ignatius [erhebt sich und deutet auf Maximilian]: Da steht sie, diese erbärmliche Creature. Der Teufel nagt an seiner Seele, wie ein Wurm an der Wurzel des Weinstocks. Drei Punkte sind es, die unsere Anklage umfasst. Jeder einzelne für sich genügt, um eine Verurteilung herbei zu führen. Die Punkte sind genannt und der Angeklagte hat ein volles Geständnis abgelegt.

Abt [wirft ein]: Als Anwalt des Angeklagten darf ich einwerfen, dass das Geständnis nur unter der Folter erfolgte und dass es eigentlich nichts...

 

Ignatius [unterbricht ihn, säuerlich lächelnd, ironisch]: Ehrwürdigster Abt! Die Folter ist das ganz natürliche Instrument, um dem vom Teufel Gestärkten die Wahrheit zu entlocken. Nur wenn der Teufel Abscheu von dem gemarterten Körper empfindet, kann die Seele aufatmen und ihre Sünden bekennen. Aber das wisst ihr alles, warum diese Einwände? [ungeduldig] Und was war da noch?

Abt [versucht Haltung zu bewahren]: Die inkriminierten Worte sind doch gar nicht die Worte des angeklagten Studenten oder unseres Mitbruders. Es sind die Worte des Teufels im Weltgerichtsspiel. Sie dienen dazu, die ganze Hinterlist, die unsägliche Verwerflichkeit des Höllenherrschers zu zeigen.

Ignatius [tut so, als würde er ihm beipflichten, wird aber zunehmend schärfer]: Ihr habt völlig Recht. Es sind die Worte des Teufels und sie zeigen seine Hinterlist, seine gotteslästerliche Verdorbenheit. Es sind die Worte des Teufels im großen Gericht der Welt, das längst begonnen hat, und längst kein Spiel mehr ist, sondern tödlicher Ernst. Es ist der Teufel leibhaftig, der aus diesen Worten spricht.

Abt [wendet ein]: Lasst uns die Worte aus dem Spiel noch einmal genau anschauen: Es ist doch ein Spiel zum Lobe Gottes...

Ignatius [unterbricht ihn scharf]: Bartholomé de Richthofen. Zum Lobe Gottes berichtet der Teufel von der Unzucht des Herrn mit der Maria aus Magdala? Incroyable, hütet Eure Zunge Abbé, merkt ihr eigentlich was Ihr da sagt, in was Ihr da hineinschlittert? [der Abt tritt eingeschüchtert einen Schritt zurück mit resignierender und zugleich demutsvoller Geste; Ignatius voll Abscheu:] Die Worte wiederholen? Die schmutzigen Ketzer-, nein Satansworte?

Maximilian [mit dem Mut des Verzweifelten]: Aber es stimmt doch, was der Abt sagt. Es ist alles ein Spiel, ein wundervolles Spiel, das den Menschen...

Ingnatius [hart und scharf]: Ein Spiel treibt der Teufel mit uns. Ja, für ihn ist es nur ein Spiel, die Menschen wie Säue vor sich auf die Weide zu treiben. Und du bist sein erbärmliches Werkzeug. Steh auf und sag, was du zu sagen hast. Und dann schweige für immerdar.

Maximilian [dem nun klar scheint, dass alles verloren ist; erhebt sich schwankend]: Euer Urteil steht fest. Was immer hier noch gesagt wird, es ist doch in den Wind gerufen. [pathetisch] Aber ich muss es in die Welt hinausrufen: Ja, ich habe diese Worte gerne gesagt, weil ich sie wunderschön finde. Ja, ich liebe Marthe, und es war das Tollste auf der Welt, dass sie die Martha gespielt hat. Ja ich liebe auch den Mönch Aurelius, der mir ein inniger Freund geworden ist. Euer Mitbruder Savonerola, von der heiligen Inquisition verurteilt und verbrannt, hatte recht. Es ist die Verderbtheit der kirchlichen und weltlichen Herrscher, es ist Eure Verderbtheit, an der die heilige Kirche zu Grunde gehen wird. Gottes Macht ist mit Euch am Ende. Ihr seid wie die Fürsten und Bischöfe nur die Blutsauger des Volkes...

Bartholomé de Tarascon [unterbricht ihn]: Mon Dieu! [ruft] Haltet den Tollwütigen! Werft ihn nieder, den Teufel von Herrenalb![die Bewaffneten drücken Maximilian brutal zu Boden]

Ignatius [laut und mit nunmehr nicht mehr zu überbietender Schärfe]: Führt ihn ab! Er hat sein Urteil, zugleich über den Teufels-Freund, selbst gesprochen. Es ist das Urteil, das auch Savonerola erleiden musste – oh wie ich diesen Namen hasse; er hat große Unehre über die Jünger des heiligen Domenikus gebracht. [wie eine donnernde Bußpredigt ruft er ] Ja, Satanas wirkt mitten unter uns. Wie lässt der Herr den heiligen Johannes warnen:
"Tue Buße; wenn aber nicht, so werde ich bald über dich kommen und gegen sie streiten mit dem Schwert meines Mundes."
Und wie warnt er uns, was sagt er uns im 12. Kapitel der Apokalypse über die Macht des Teufels:
"Und es entbrannte ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften gegen den Drachen. Und der Drache kämpfte und seine Engel, und sie siegten nicht, und ihre Stätte wurde nicht mehr gefunden im Himmel. Und es wurde hinausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt: Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt, und er wurde auf die Erde geworfen, und seine Engel wurden mit ihm dahin geworfen. Und ich hörte eine große Stimme, die sprach im Himmel: Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes geworden und die Macht seines Christus; denn der Verkläger unserer Brüder ist verworfen, der sie verklagte Tag und Nacht vor unserm Gott. Und sie haben ihn überwunden durch des Lammes Blut und durch das Wort ihres Zeugnisses und haben ihr Leben nicht geliebt, bis hin zum Tod. Darum freut euch, ihr Himmel und die darin wohnen! Weh aber der Erde und dem Meer! Denn der Teufel kommt zu euch hinab und hat einen großen Zorn und weiß, daß er wenig Zeit hat." [er atmet tief und erleichtert durch und faltet die Hände]
Wir haben den Satan heute wieder überwunden.
[ganz hart und voll unbarmherziger Schärfe] Führt ihn ab. Verbrennt ihn! Und sucht mir den Mönch, sucht mir den vom Teufel Besessenen!

[die beiden Inquisitoren eilen ins Paradies; die Bewaffneten schleppen den völlig stillen Maximilian hinter ihnen ins Kloster, die Mönche folgen, einen getragenen Choral singend; der Abt ist niedergesunken zum Gebet.]

Trude [die wach und aufmerksam zugehört hat, zu dem Kind]: Welche Narren. Ein Kind wie Du kanns besser begreifen. [sie schlägt sich an die Stirn] Gerade den Kampf des Erzengels mit dem Satan hat doch der Mönch so schön in Verse gebracht. Und sie verstehens nicht, sie wollens nicht verstehen. Mir scheint es fast: Der Teufel ist mit der Inquisition im Bunde; er will nicht, dass wir durch das Weltgerichtsspiel auf den rechten Pfad geleitet werden. [sie wendet sich mit dem Kind ins Dorf] Lass uns nach Hause gehen, die Nacht bricht herein und die Teufel sind los.

13. Szene: Dorfhügel

Auf dem Dorfhügel ist der Scheiterhaufen für die Exekution vorbereitet. Maximilian wird von zwei Bewaffneten aus dem Gefolge der Inquisitoren auf den Hinrichtungsplatz geführt; die lange Prozession der singenden Mönche – mit Fackeln in den Händen – wird von den beiden Dominikanern sowie dem Abt des Klosters angeführt. Von der Dorfseite her nähern sich die Bauern, unter ihnen in bäuerlicher Kleidung auch der Mönch Aurelius mit Lene. Die Bauern umringen den Scheiterhaufen und die direkt davor stehenden Mönche. Maximilian wird am Holzpfahl festgebunden und bekommt, nachdem das Urteil verlesen ist, Gelegenheit zu einem Schlusswort.

In einem grandiosen Monolog verwünscht Maximilian die Inquisition und hält eine vorreformatorische Bußpredigt, in welcher der Untergang des Herrenalber Klosters, die Reformation, die kriegerischen Umwälzungen des kommenden Jahrhunderts (Dreißigjähriger Krieg, Bauernkrieg), ja die Geschichte Herrenalbs bis zur Milleniumsgrenze in fünfhundert Jahren [dem Jahr unserer Aufführung 1999] vorhergesagt wird. Die Rede wird von heftigen emotionalen Reaktionen der Dorfbewohner wie auch der Mönche begleitet. Nur die beiden Inquisitoren stehen mit steinerner Mine, die Hände zum Gebet gefaltet, neben dem Scheiterhaufen.

Trude steht mit dem Kind an der Hand auf der den Inquisitoren entgegengesetzten Seite des Scheiterhaufens, mit Blick zum Kloster.

Während Rede des Maximilian schleichen sich mehrere Bauern zum Kloster und zünden die Klosterkirche an. Bevor der Scheiterhaufen entzündet werden kann, schlagen die Flammen lichterloh aus dem Kloster. Während des sich ergebenden Tohuwabohus schleichen sich Aurelius, Lene und Marthe zum Pfahl und befreien Maximilian, der Marthe innig umarmt. Die vier bringen sich eilends in Sicherheit ins Badische.

 

Maximilian [Marthe schiebt sich durch die Menge zu Maximilian als der Zug fast am Scheiterhaufen angelangt ist und wirft sich ihm schluchzend an den Hals]: Ach, liebste Marthe, so wie ich die Marter der Folter ertragen habe, werde ich auch das hier zu einem Ende bringen.

Martha: Oh Maximilian, das bringt mich um. [während einer der beiden Bewaffneten Sie gewaltsam zur Seite zieht/stößt] Am liebsten will ich mit dir sterben. [verschwindet in der Menge und gesellt sich zu den etwas abseits – auf der den Mönchen und Inquisitoren abgewandten Seite – stehenden Freunden Lene und Aurelius, letzterer in Bauernkleidern nicht mehr als Mönch erkenntlich].

1. Bewaffneter [ruft ihr nach]: Das kannst du haben, du Hexe. Wart‘ nur, bis wir mit denen aufräumen, die mit dem Teufel gehurt haben.

2. Bewaffneter [lachend]: So sind sie die Huren; zuerst lassen sie sich mit dem Teufel ein und dann jammern sie hysterisch, wenn’s dem an den Kragen geht. Das haben wir gern. Die kommt als nächste dran.

Maximilian [wütend]: Lasst sie in Ruhe, was hat die mit euch Lumpen zu schaffen.

1. Bewaffneter [schlägt ihn]: Halt’s Maul!

Maximilian [fällt nieder und wird von den Bewaffneten wieder hoch gezerrt, keuchend]: Und was hab ich mit euch Gesindel zu schaffen, ihr elender Dreck.

1. Bewaffneter [stößt ihn wieder zu Boden]: Friss ihn nur, den Dreck

Maximilian [brüllt, am Boden liegend]: Der Teufel wird den Dreck fressen. Euch alle!

Abt [tritt mit den Inquisitoren dazu, sagt sanft zu Maximilian]: Junger Mann, verschlimmere deine Lage nicht noch mehr. Jetzt heißt es Abschied nehmen vom Diesseits. [er hilft Maximilian vom Boden auf] Bereite dich vor auf den Moment, wenn du unserem Herrn gegenübertreten wirst.

Ingnatius d‘auvergne [zynisch]: Ich glaube kaum, dass er den Herrn sehen wird. Sein Herr, der Herrscher über das ewige Feuer, wird ihn schon voll Sehnsucht erwarten. [zu den Bewaffneten] Bindet ihn an den Pfahl, auf dass dem Himmel Gerechtigkeit widerfahre.

Bartholomé de Tarascon [laut zur Menge gewandt]: Bevor wir das Urteil verlesen und der Ketzer zu Hölle fährt, gibt unsere Großmut ihm Gelegenheit zu sprechen und seine Sünden vor den Herrn zu bringen. [zu Maximilian] Nun sprich, es werden endgültig deine letzten Worte sein!

Ignatius [scharf]: Alors! ... Aber gib gut acht, was du sagst.

Abt [sanft]: Mein Sohn, der Herr stehe dir bei!

Maximilian [während er langsam und brutal an den Pfahl gebunden wird; er redet sich in Fahrt und wird immer pathetischer und lauter, wobei auch die Menge immer unruhiger wird]: Ja schaut nur zu, wie sie mich verbrennen. Wie sie einen Unschuldigen verbrennen. Und passt auf, dass es euch nicht genauso ergeht.

Ignatius [zynisch in den Monolog hinein]: Ja winsel nur, schrei nur. Mon dieu! Wie das Böse aus ihm spricht. Du entgehst deinem Schicksal nicht!

Maximilian [fährt fast ohne Unterbrechung fort]: Ich sehe keine schönen Jahre auf euch zukommen. Ja! Ganz deutlich seh ichs vor mir: Große Drangsalen werdet ihr erleiden. Und es werden nicht nur wenige Jahre sein, bis ihr erlöst werdet, nein Jahrhunderte werden vergehen.... Euer Glaube wird zerbrechen; und ein neuer Johan Hus wird kommen; und er wird nicht verbrannt werden, wie ihr Hus verbrannt habt und wie ihr mich verbrennt! Auch das Kloster Herrenalb wird zum neuen Glauben kommen, und das Kloster wird aufgelöst, und Kriegszeiten werden es zerstören. Ha! Und alle eure schönen Bücher, die Psalterien, Gebetsbücher, Bibeln und was sonst in der kostbaren Bibliothek steht, weg, alles wird zerstört, verstreut mit den Mauern; alles. Einzig der Ort, wo ihr mich gefoltert habt, und wo Aurelius gebetet hat, wird stehen bleiben und an eure einstige Herrlichkeit erinnern... Und alles wird bald beginnen: Schon in einem Viertel Jahrhundert werden ihr geplündert, und in einem halben aufgelöst. Die Mönche werden vertrieben und nochmal hundert Jahre später wird das größte Unheil über euch kommen. Not und Drangsal, Feuer und Zerstörung, Mord und Totschlag, Vergewaltigung und Vertreibung. [er brüllt die letzten Wortpaare heraus, stets begleitet von ängstlichen Gebärden und Rufen der Bauern und Mönche; dann steht er keuchend mit weit aufgerissenen Augen]

Bartholomé [zu Ignatius d’Auvergne und dem Abt]: Er ist wahnsinnig und der Leibhaftige hat ihn ganz in Besitz. Lasst uns ein Ende machen!

Trude [ruft aus der Menge]: Lasst ihn sprechen, er hat das Gesicht, er spricht aus einer andern Welt...

Abt [sehr bestimmt in Trudes Worte hinein]: Nein Bruder Bartholomé. Ihr habt ihm die letzten Worte gestattet, nun lasst ihn sagen, was er zu sagen hat. Die Geschichte wird zeigen...

Maximilian [hat sich wieder gefangen und ruft in die letzten Worte des Abtes hinein]: Und die Zeiten der Not werden noch nicht beendet sein. Nein! Viele werden in großer Armut leben. Auf großen Schiffen werden sie über riesige Ozeane in fremde Länder ziehen, um ihr Glück zu finden. Das Glück, das ihnen die Heimat nicht geben kann.... Und spät erst, sehr spät werdet ihr Gold finden, und ihr werdet denken, es sei pures Gold, das euch die Erde preisgibt. Und es wird nur Wasser sein. Und aus der Luft und dem reinen Wasser eurer Brunnen und Bäche werdet ihr Gold machen; aber reich werdet ihr davon nicht.... Und doch wartet nochmals zweifaches Unheil und Kriegeswirren auf euch. Eure Männer werden in der Fremde sterben und ein Weinen und Wehklagen wird die kargen Reste des Klosters erschüttern. Ihre zerfetzten Leiber müssen in fremdem Boden verscharrt werden. Ein halbes Jahrtausend der Not und des Leids sehe ich vor mir.... [es ist mittlerweile völlig still geworden, alle schauen auf den wie eine Verquickung von Kassandra und antikem Seher kündenden Maximilian, der wie aus dem Jenseits tönt:] Erde, Feuer, Luft und Wasser werden sich verbünden, und aus den Elementen werdet ihr neu erschaffen, wird euch Hoffnung auf neues Leben wachsen. Und tief aus der Erde wird heißes Wasser steigen, das eure über die Jahrhunderte müde und siech gewordenen Glieder erwärmt. Und langsam wird am Ende des Milleniums die Zeit der großen Drangsal ein Ende nehmen...[Trude schaut dem ‘Seher’ Maximilian voller innerer Erregung zu, sie unterstreicht dessen Worte mimisch und gestisch. Als das Kind an ihrer Hand schreit, löst sich die Starre der Bauern und Mönche langsam in helle Aufregung. Trude zieht das Kind in sichere Entfernung, von wo aus sie das Folgende bis hin zur Flucht der vier Liebenden aufmerksam verfolgt].

Ein Kind [an Trudes Hand, ruft, indem es auf das Kloster/Paradies deutet, nach ‚Ende des Milleniums]: Feuer, Feuer, das Kloster brennt!

[Die folgenden Sätze, Rufe sind ineinander verschachtelt, einander überlagert, alles drängt ins Dorf und zum Kloster, um Löschmittel, Eimer, Leitern etc. zu holen.]

Hanswurst [rennt nach vorn, ganz freudig aufgeregt, zeigt auf das flammende Paradies]: Oh, das ist ja phantastisch, wie das aussieht; das ham se toll hingekriegt!

Bruder Sebaldus [ruft]: Herrje, Feuer! Oh Gott, schon wieder! Der Ketzer wird doch nicht recht geweissagt haben? [es entsteht eine große Aufregung, Rufe, Schreie; alles rennt, um zu retten, was zu retten ist.]

Bauer Hinz [nimmt den Ruf auf, aus dem Kloster schlagen hohe Flammen, es prasselt und knistert]: Oh je, schaut nur, wie das Mönchsnest brennt!

Bruder Paul [steht wie angewurzelt]: Der Student hat recht. Gott ist mit ihm, und hat ihm die Worte gegeben, uns zu warnen.

Grossbauer Maier [ruft in die Menge]: Lauft, lauft und holt Eimer zum Löschen, bevor der Vorratsspeicher Feuer fängt. [Die Dorfbewohner eilen ins Dorf um Eimer zu holen.]

Abt [in heller Verzweiflung seine Mönche zum Handeln anfeuernd]: Ja, löscht, und beeilt euch, dass die Kirche gerettet wird. [Die Mönche eilen im Pulk ins Kloster und holen Eimer.]

Ignatius d‘Auvergne [wird mit Bartholomé deTarascon von den Mönchen mitgerissen, und ruft laut, ohne Gehör zu finden]: Das haben wir dem Ketzer zu verdanken, zündet den Scheiterhaufen an! Mon Dieu, was geht hier vor, was ist das? [Die beiden Inquisitoren verschwinden mit Mönchen und Abt im Klosterbezirk. Die Dorfbewohner kommen mit Eimern vom Dorf her, die Mönche um das Paradies zum Bach und bilden zwei Löschketten, um des Feuers Herr zu werden. Keiner, außer der Kräuter-Trude, beachtet, was beim Scheiterhaufen vor sich geht.]

Aurelius [der die Szene mit Marthe und Lene von der Seite beobachtet]: Kommt schnell, wir binden Maximilian los. Habt ihr ein Messer mit? [er eilt zum Scheiterhaufen]

Maximilian [ruft ihm zu]: Bitte, Aurelius, beeile dich; rette mich, bevor die Unmenschen zurück kommen.

Marthe [läuft mit Lene Hand in Hand hinter Aurelius her]: Wir haben kein Messer! Reiß die Fesseln einfach los!

Maximilian [er ist sehr aufgeregt]: Ja reißt, reißt sie ab!

Aurelius [nestelt und zerrt an den Fuß-Fesseln]: Die haben das verdammt fest verknotet. Ja, doch, jetzt geht’s... Ich hab einen Anfang gefunden. [beginnt, die Fesseln abzuwickeln].

Maximilian [müde und entkräftet]: Oh Aurelius, wie wunderbar, einen Freund wie dich zu haben; und Marthe, meine Liebe [er zieht sie mit der gelösten Rechten an sich und sinkt in ihre Arme, küsst sie].

Marthe [löst sich zart von ihm, während die beiden anderen die restlichen Fesseln lösen]: Mein Maximilian! Wenn wir hier schnell genug fort kommen, wirst du Gelegenheit genug haben, mir Abertausende von Küssen zu schenken. Jetzt lass uns eilen.

Maximilian [zieht sie nun, von den Fesseln befreit, wild an sich]: Nein, Marthe! Die Zeit muss sein, wenn man dem Tod gerade noch von der Schippe gesprungen ist. [er umarmt und küsst sie leidenschaftlich].

Lene [schmiegt sich zart an Aurelius]: Mein Liebster, jetzt nimmt alles doch noch ein gutes Ende.

Aurelius [sehr ernst]: Ja Lene, aber nur, wenn wir uns beeilen, dass uns die Häscher nicht doch noch fangen. Wir müssen fort aus dem Klosterbereich, fort aus dem Württembergischen. Am besten ins Badische.

Lene [schaut ihn ernst an]: Ich geh mit dir überall hin; wenn ich nur bei dir sein darf.

Maximilian [löst sich aus der Umarmung, und nimmt Martha an die Hand]: Ja, in Badische! Aber schnell gemacht, und nichts wie weg. Bevor die merken, was hier vor sich geht. [Er beginnt, sich mit Marthe zu entfernen, schaut sich aber nach wenigen Metern nach den beiden Andern um, und winkt ihnen, zu folgen.] Kommt, ihr zwei! Beeilung!

Aurelius [schaut Lene in die Augen und fasst sie an beiden Händen]: Nun musst du Vater und Mutter, ja die Heimat verlassen, und ich weiß nicht, was ein entlaufener Mönch dir noch an Leben bieten kann, meine Liebste...

Maximilian [ruft aus der Entfernung]: Fort, nichts wie fort.

Lene [fest und bestimmt]: Ach Aurelius! Für mich ist nur noch wichtig, dass ich dich liebe – und dass du mich liebst.

[Aurelius nimmt Lene an der Hand und folgt Marthe und Maximilian. Alle vier eilen aus dem Dorf "ins Badische" davon. Kräutertrude steht mit dem Kind an der Hand alleine auf der Szene, beide blicken den Davoneilenden schweigend nach.]


EPILOG

Hanswurst [ist schon lange zuvor vom Platz aufgestanden, um zu beobachten, was vorgeht. Wenn die vier verschwunden sind und nur Trude mit dem Kind noch schweigend die Szene beherrscht, wendet er sich nochmals an das Publikum]: Da gehn sie hin. Aus einer Zeit in eine andre Zeit. Ihr Glück ist jetzt gemacht. Ists Glück nur, was die Zukunft bringen wird? Und unser Glück? Ihr Herrenalber sagt – nun, sagt an: Hat der Student euch recht gesagt, was alles auf euch kommen wird? Habt ihrs verdient? Wars Schicksal nur? Seid ihr jetzt eures eignen Glückes Schmid? Der Fragen hätt ich viele noch – jedoch s‘ist Schluß jetzt..., aus..., vorbei..., war sowieso nur Spiel, Theater, Tanderei
[im Abgehen mit einer tiefen Verbeugung, während das Licht verlischt]
– nur Spiel, Theater: Tanderadei!...

 

fine

 

 

© Dr. Rüdiger Krüger, Rheda-Wiedenbrück 2006
Kontakt: mailto:siegfriedcarl@hotmail.com
letzte Änderung: 01.01.06

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