neue reimlose Liebeslyrik
Keimung
Wenn der Traum
das Leben spiegelt,
verzerrt, verklärt,
verquer erklärt,
so bist Du Leben,
denn:
ich träum mich in Dich...
Und wenn der Traum,
wie Liebe, wunderbar
schlaflos-beseelt,
Erfüllung sehnt,
bist Du mein Traum
ich träum Dich in mich...
Ja, wenn der Traum
Begleiter ist des Lebens
und der Liebe,
so keimt die Liebe,
denn:
ich träum mich in Dich,
ich träum Dich in mich,
ich träume uns.
Sehnsucht
Wenn endlich die Nacht herrscht,
Wolken den silbrigen Mond
bergend verhüllen
und der Sterne Leuchten.
Wenn dann doch der Schlaf kommt,
Wälzen im einsamen Bett,
Hände die suchend
nach der Liebsten tasten.
Und die Augen:
Sie schauen den Mond nicht
und die Sterne.
Und die Hände:
Sie fühlen die Glut nicht
deines Körpers.
Doch die Herzen:
Sie sind vereint
in sehnendem Glück.
Zärtlichkeit
Nicht nur Deine Hände,
Dein Mund, und Dein Körper...
Auch Deine Worte,
Deine Blicke - Deine Gedanken?
Lass mich fühlen:
Deine Hände und Deinen Mund,
Deinen Körper...
Lass mich spüren:
Deine Worte, Deinen Blick,
und Deine Gedanken...
Fühlst und spürst auch Du
die Lust meiner Liebe?:
...
und meiner Gedanken...
Artistik
Lass mich
dein Netz sein,
dein doppelter Boden,
beim Drahtseilakt des Lebens.
Lass dich
in mich fallen,
vertrau dich mir an,
nach gelungenem Salto Mortale.
Lass uns
einander halten,
in Freude und Leid;
wir sind uns Applaus genug.
Venus
beim Betrachten der Lithographie
"Vénus et l’amour" von Pablo Picasso
Venus,
Göttin der Liebe und der Schönheit,
nicht nur den Römern...
Cranach verlieh Dir die gotische Grazie
im schmalen, feinzügigen Gesicht,
in zarten Schultern und knospfruchtigen Brüsten,
in der eingeschmeichelten Taille und
im auf kräftigen Beinen harmonisch
sich wiegenden Becken - Lust verheißend...
gab Dir zur Seite, mir zur Qual,
Amor, den unschuldig-schuldigen Knaben,
mit seinem Bogen, seinen Pfeilen...
Picasso wandelte Dich, Cranach folgend,
in zeitlose Schönheit - die meiner Liebe gleicht...
Denn Amor war nicht tatenlos;
er traf:
und wie...
Aurora
Nacht umgab mich,
finsterste Nacht.
Nicht des Mondes
Schein; kein Funkeln
der Sterne.
Und doch:
wieder Morgen,
und die Sonne dringt
mit Macht heraus;
erhellt das Dunkel.
Die Bitterkeit des
Traums in tiefster Nacht
barg tief in sich
Aurora, Morgenröte:
DICH.
[1. Fassung:]
Morgenröte
Nacht umgab mich,
finsterste Nacht.
Nicht einmal
der Schein des Mondes
oder das Funkeln
der Sterne
konnten in mich dringen.
Und doch kam wieder
ein Morgen;
drang die Sonne
mit Macht hervor.
Muschelohr
Schaumgeborene, von großer Welle
an den Strand des Lebens geworfen.
Über die Schwelle der Unschuld getreten,
hinein in die Irrungen des prallen Seins,
in die Wirrungen des Lebens und der Liebe.
Schaumgeborene, Göttin der Schönheit
und der Liebe, zugleich ihre Schützerin.
Mit dem Muschelohr am Puls der Zeiten,
dem Streit und den Zerwürfnissen gelauscht,
den Schreien der Leidenschaft und des Leidens.
Schaumgeborene, Helenas Schicksal
und die Leiden des liebenden Paris
erspare sie uns. Lausche dem Flüstern
und dem heißen Atem der Lust und Leidenschaft,
schenk deinem Muschelohr die Melodie unsrer Liebe.
Duft des Himmels
Höher, immer höher
Wölben sich die Himmel.
Ferne, nur erträumt,
nie geschaut wachen Auges,
nur im Traum
lustvollen Erschreckens
dem innern Auge gewonnen
Und alle Himmel
erklommen;
beklommenen Herzens auch
den siebten erobert
im Sturm der Nacht.
Und seinen Duft noch
In den Haaren,
beim seligen Erwachen...
Erinnerung
Leuchtende Fenster
in die unendlichen Weiten
der Himmel -
und die ovale Pforte…
Den Vorhang weg gewischt
und durch die Fenster
geschaut, durch die Pforte
geschritten, die Himmel
erobert, und die Bilder
tief im Herzen verwahrt.
An dunklen Tagen,
in finsteren Stunden,
die Bilder durchblättern;
Trost finden
in geschauter Unendlichkeit.
Blicke
So viele Fenster
stehen offen, und
so viele Augen
schauen herein, und
schauen Dich an...
Und doch:
wie Du hinaus schaust,
so schaut es selten herein!
Nie mehr allein,
immer unter Beobachtung.
Achtung - Obacht:
Beobachtung...
Blicke geben Obacht,
nehmen in Acht, und
können Achtung geben
und stehlen zugleich,
und sind doch immer auch:
Beobachtung...
Ist es Achtung,
die man Dir schenkt;
ist es Beachtung?
Obacht ist es, auch Obacht!
Nie mehr einsam und allein:
Beobachtung...
Schlaflos
Wind reißt
die Wolken auf,
enthüllt des Mondes
Silberweiß...
verschleiert ihn wieder,
um ihn wiederum
- jetzt halb im Schwarz verschwindend -
zu entblößen.
Schwarz-graue Schattenspiele:
windiges Haschen
weiß-langfingriger Gespenster der Nacht.
Traumloser Schlaf...
Schlafloser Traum...
Vergesslicher Engel
Auch Engel
vergessen mitunter,
auch sich, und
werden vergessen.
Auch Engel
fallen mitunter,
auch tief, doch
manche gefallen.
Wer je an einem Engel
Gefallen gefunden,
der wird erhalten,
wird unvergesslich.