Schwarzwald

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Rüdiger Krüger

Über Leben
und
Überleben
im Schwarzwald

 

[In: Programmheft zu ‘Schwarzwaldmädel’, Stadttheater Bremerhaven 20/1993-94, S. 2-10.]

Es war in früheren Zeiten nicht leicht, und es ist auch noch heute nicht leicht, im Schwarzwald zu leben, zu überleben: Die Täler sind eng, die Hochflächen rau und unwirtlich, die Schädel dick, und die Wälder - nomen est omen - sind schwarz und undurchdringlich. Vom Leben in engen Tälern, auf rauen Höhen, unter Dickschädeln und in finsteren Wäldern soll hier die Rede sein. Die manchmal erschrockene Sicht des 'Reingeschmeckten', Fremden im Schwarzwald mag in manchem ungerecht wirken, aber sie ist in allem Fragmentarischen, das ihr anhaftet, wahr, geprägt von tiefer Zuneigung zu einem schwerblütigen Menschenschlag.

Erst knapp tausend Jahre ist die Besiedelung des Schwarzwaldes alt; der Name ist älter. Und wenn heute der 'Schwarze' Wald volksetymologisch zumeist vom ebenso 'schwarzen Tann', den großflächigen, dichten Tannen- und Fichtenbeständen und ihrer Düsternis abgeleitet wird, so kommt der mittelalterliche Name von der Undurchdringlichkeit und Unwirtlichkeit des ursprünglich aus Eichenmischwald mit diversen Laubbaumarten und geringem Fichten-, in höheren Lagen stärkerem Tannenbestand bestehenden Urwaldes. Der karge Boden wurde Hektar um Hektar dem Wald abgerungen, wie dieser letztlich zum Lebensnerv des Menschen im Schwarzwald wurde. Der stetige Kampf gegen die Unbilden der Natur prägt die Menschen des Schwarzwaldes noch heute, in unserer beinahe schon nachindustriellen Gesellschaft.

Wenn im Folgenden von den 'Schwarzwäldern' oder 'Schwarzwälderinnen' oder dem 'Schwarzwald' die Rede sein wird, so muss stets mitbedacht sein, dass diese Begriffe nur gemeinsame Nenner darstellen. Ähnliche geografisch-landschaftliche, klimatische, Verkehrs- und Vegetationsbedingungen, und ähnliche Verhältnisse im Zuge der Urbarmachung der undurchschaubaren Wüstenei haben ähnliche Verhaltensmuster und Denkstrukturen hervorgebracht; und dass die Besiedelung cum grano salis durch Alemannen und verwandte Volksstämme erfolgte, mag in dieser Hinsicht ein übriges getan haben. Trotzdem haben und hatten die Schwarzwälder schon von den geologischen Verhältnissen her untereinander weniger Kontakte als zu den sie umgebenden Gäu- und Flusslandschaften oder Ebenen, von welchen zumeist auch die unmittelbare weltliche und/oder geistliche Herrschaft ausgeübt wurde, und wohin sich auch die Verkehrsströme und -beziehungen orientieren. Auch die Fluchtbewegungen mancher Schwarzwälder weisen üblicherweise aus dem Schwarzwald hinaus - wobei der Städter unserer Tage aus den entgegengesetzten Motiven den Schwarzwald dort aufsucht, wo er ehedem einsam und urwüchsig war.

Es wird hier stillschweigend vorausgesetzt, dass der typische Schwarzwald v.a. im südlicheren Teil des mittleren Schwarzwaldes und im daran anschließenden Südschwarzwald zu finden ist. Das Gebiet wird gemeinhin als Hochschwarzwald bezeichnet und weist die homogenste Bevölkerungs-, Gewerbe- und Siedlungsstruktur auf.

Und dann noch dies zuvor: wer den alemannischen Dialekt nicht wenigstens einmal gehört, sich einmal auf ihn eingelassen hat, wird wenig vom Schwarzwälder Gemüt verstehen. Als kleine Kostprobe sei hier ein die stoische Gelassenheit des Pfeife schmauchenden und in jahreszeitlicher Bindung verwurzelten Schwarzwälders zeigendes Gedicht des alemannischen Autors schlechthin, Johann Peter Hebel, zitiert. Bis auf das im Hochdeutschen gänzlich unbekannte 'los' gleich im zweiten Vers der ersten Strophe, welches den Imperativ Singular von 'hören' bedeutet, ist dies ein Text, der mit ein wenig Sprachwitz auch von jedem 'Preußen' aufgedröselt werden kann.


Der allzeit vergnügte Tabakraucher
(Johann Peter Hebel)

Im Frühling
's Bäumli blüeiht, und s' Brünnli springt.
Potz tausig los, wie's Vögeli singt!
Me het si Freud und frohe Mueth,
und's Pfifli, nei, wie schmeckts so guet!

Im Sommer
Volli Aehri, wo me goht,
Bäum voll Aepfel, wo me stoht!
Und es isch e Hitz und Glueth.
Eineweg schmeckt's Pfifli guet.

Im Herbst
Chönnt den d'Welt no besser sy?
Mit si'm Trübel, mit si'm Wi
stärkt der Herbst mi lustig Bluet,
und mi Pfifli schmeckt so guet.

Im Winter
Winterzit, schöni Zit!
Schnee uf alle Berge lit,
uffem Dach und uffem Huet.
Justament schmeckt's Pfifli guet.

Von Fleiß und Schweiß

'Ohne Fleiß kein Preis' dichtet der Volksmund; für das Arbeiten im Schwarzwald - vor allem in den altheimischen Berufen, die mit den pflanzlichen und tierischen Früchten von Wäldern und Wiesen, oder den Mineralien und Erzen der Felsen und des Bodens verwoben sind - war es mit dem Preis meist nicht weit her, und hier dürfte es eher lauten: 'Ohne Schweiß kein Fleiß'. Es sind schweißtreibende und oftmals wenig ertragreiche Tätigkeiten, welchen die Schwarzwälder über lange Jahrhunderte nachgehen mussten.

Wichtigster und erster Erwerbszweig war die Land- und Forstwirtschaft. Die Besiedelung erfolgte durch Rodung und Urbarmachung des Bodens. Die freiwerdenden Flächen mussten und müssen v.a. in höheren Lagen mit viel Mühe einer landwirtschaftlichen Nutzung bereitet werden. Der Boden an Steillagen stand immer in Gefahr, durch die häufig niedergehenden massiven Regenschauer besonders im Frühling und Herbst abgeschwemmt zu werden. Und die Decke fruchtbaren Bodens war dünn. So musste die Erde mühsam wieder aus den Tallagen hinaufbefördert werden, um in der äußerst kurzen Vegetationsperiode - die Winter sind lang, kalt und schneereich - zum Anbau von Kartoffeln, Flachs, Hanf und den wenigen hier gedeihenden Getreide- und Gemüsesorten genutzt werden zu können. Die Feldarbeit diente weitestgehend der Selbstversorgung. Nur Hanf und Flachs, bzw. die daraus gefertigten Produkte, sowie Butter und Eier aus heimischer Produktion wurden durch die Bäuerin vermarktet.

Wichtigstes Standbein der bäuerlichen Wirtschaft war das Milchvieh und der Wald. Von den 30 bis 60 Hektar, die ein Hof im Hochschwarzwald umfasste - heute hat eine Konzentration durch Hofaufgabe und Maschinisierung die Hofgröße beträchtlich anschwellen lassen - war etwa die Hälfte Wald. Da das typische Schwarzwaldhaus ganz aus Holz errichtet wurde und auch bei der Feuerung nur Holz Verwendung fand, war der Waldbesitz und seine Pflege überlebensnotwendig. Seine Vermarktung, sei es als Spankorb oder Schnitzerei in der Heimarbeit langer Wintertage, sei es als Klafterholz oder Langholz, war neben der bescheidenen Milchwirtschaft die einzige Möglichkeit, Geld für notwendige Anschaffungen zu erwirtschaften.

Im bäuerlichen Bereich - und dies ist, wie schon gesagt, der wichtigste Erwerbszweig im Schwarzwald - war die ganze Familie in die Arbeit eingebunden. Alle Generationen lebten und arbeiteten unter dem Dach des typischen Eindachhofes, der Wohnraum, Küche, Schlafstätten, Gesinderäume, Stallungen und Scheune unter sich versammelte. D.h. nicht alle lebten unter einem Dach, die alten Menschen zogen nach der Hofübergabe an den Erben ins Leibgeding, einem ein wenig abseits gelegenen kleinen Häuschen. Im Schwarzwald erbt nur einer: der jüngste Sohn. Dies ist letzthin ein wahrer 'Generationenvertrag' und äußerst praktisch. Liegt doch zwischen dem letztgeborenen Sohn und den Eltern zumeist der Jahresabstand, dass diese sich bei der Hofübergabe an den Jungbauern im 'Rentenalter' befanden, ja heute noch befinden, denn diese Regel gilt über weite Teile hinweg bis in unsere Zeit. Alle andern, älteren Geschwister lebten, sofern sie nicht als Tagelöhner arbeiteten oder in die Fremde zogen, als Mägde und Knechte am Hof unter dem Regiment des jüngsten Bruders und der eingeheirateten Bäuerin; denn nur wer zu Lebzeiten der Eltern einen Beruf erlernt hatte und eine Familie ernähren konnte, durfte heiraten, nachdem er zuvor den elterlichen Hof verlassen hatte. Die Alten zogen sich nach der Übergabe des Hofes an den Jungbauern nicht auf ihr Altenteil zurück, sondern hatten weiterhin Pflichten zu erfüllen. In ihrer Obhut wurden die Kleinkinder erzogen, und wenn alle arbeitsfähigen Kräfte in der Landwirtschaft auf den Feldern oder der Forstwirtschaft in den Wäldern von Sonnenauf- bis -untergang bei härtester körperlicher Arbeit eingespannt waren, oblag den Alten die Sorge um das Vieh. Andererseits hatte der Hoferbe mit seiner Bäuerin die Alten mit allem Lebensnotwendigen zu versorgen.

Wer einen Hof erbte, und dieses Glück hatte eben in jeder Familie nur der jüngste Sohn oder in einem reinen 'Weiberhaushalt' die älteste unversorgte Tochter, hatte sein Auskommen. Aber durch den reichen Kindersegen nahm die Zahl derer, die auf dem elterlichen Hof geduldet werden konnten, ab - und wer wollte schon sein Leben fremdbestimmt unter der manches Mal harten Knute des jüngsten Bruders und einer eingeheirateten Bäuerin verbringen. So gab es mehr und mehr Tagelöhner, die auf Kleinstbauerhöfen in sogenannten 'Hüsli' wohnten, und sich im Holzbau, der Flößerei, in Glashütten und Bergwerken oder als Köhler und Fuhrleute verdingten. Wichtig wurde hier nun die Heimarbeit, in die die ganze Familie - denn wie gesagt, nur wer sein eigenes Auskommen hatte, durfte heiraten - eingespannt war. Die Kinder mussten ab dem sechsten Lebensjahr körperlich hart mitarbeiten, und war der Kindersegen zu groß, wurden die Buben ab dem achten Lebensjahr als Hütejungen vermietet. Es gab regelrechte Märkte, auf denen die Hütejungen feilgeboten wurden.

In der Heimarbeit entstand Beachtliches. Flachs-, Hanf-, Span-, Weidenarbeiten und die Schnitzereien trugen und tragen zum Ruf der Schwarzwälder als einem kreativen Menschenschlag bei. Kunstsinnigster Artikel war hierbei die Schwarzwalduhr, die bis in unser Jahrhundert hinein vollständig - auch in der Mechanik - aus Holz gefertigt wurde, und deren Raffinesse, die öffnenden Türen mit nickenden Vögeln, tanzenden Menschen, Tönen und Melodien, die Konstruktion winziger Blasebalge, Orgelpfeifen und weiterer mechanischer Teile erforderte. Was da heute auf dem Markt als Massenware angeboten wird, fällt zumeist weit hinter den früheren Kunstwerken zurück, die von Glashändlern als Nebenposten auf ihren Verkaufswanderungen mitgenommen wurden, und heute als ein Schwarzwälder Markenzeichen gelten.

Die Arbeit in den genannten Bereichen unter Tage im Silber- und Erzabbau, in der Knochenarbeit des Forstes und der Flößerei, in den Glashütten mit ihren giftigen Dämpfen und der nicht minder gesundheitsbelastenden Köhlerei, waren zum einen äußerst schlecht bezahlte Tätigkeiten mit schier unvorstellbaren Arbeitszeiten, zum anderen gefahrvoll, krankmachend und den Körper in kürzester Zeit verschleißend.

Wer ein anschauliches Panorama des armen Köhlerstandes sowie des durch Glashütte und Flößerei selten genug möglichen Wohlstandes erhalten und die Atmosphäre der Lebensbedingungen im Schwarzwald vor zwei Jahrhunderten atmen möchte, der mag sich aus der berühmten Märchensammlung 'Das Wirtshaus im Spessart' (dessen Originalschauplatz wohl eher im Nordschwarzwälder Waldgebiet westlich von Enzklösterle zu suchen ist) des schwäbischen Romantikers Wilhelm Hauff 'Das kalte Herz' zu Gemüt führen. Romantisch-dichterisch überhöht findet sich hier vieles der Arbeitswelt und des Arbeitsethos der Schwarzwälder wieder.

Köhlerlied
(Ludwig Seeger)

Die Tannen, die luftigen Tannen,
Sie grünen jahraus und jahrein;
Meine Liebste ist fortgegangen,
Meine Liebste, und denkt sie noch mein?

Die Tannen, sie schütteln den Wipfel:
Es dreht sich des Windes Hauch;
Mich beißt's in den Augen, wie Thränen;
Der Rauch, der leidige Rauch!

Die Tannen, sie schütteln den Wipfel: -
Und könnte sie falsch doch sein? -
Ihr Tannen, ihr immergrünen,
In's prasselnde Feuer hinein!

Von der Frömmigkeit

Dass Religion nach Herrschaft geht, zeigt sich im Schwarzwald besonders deutlich. Die ehemals altwürttembergischen Teile im Nordschwarzwald der früheren württembergischen Oberämter Neuenbürg, Calw, Nagold und Freudenstadt waren evangelisch, ja in weiten Teilen pietistisch geprägt. Im nordbadischen Landesteil überwog ebenfalls der Protestantismus. Wobei die nordbadischen Teile des Nordschwarzwaldes in den Einzugsbereichen der früheren Klöster Schwarzach und Allerheiligen seit jeher auch weitestgehend katholisch geprägt sind. Im Hoch- und Südschwarzwald galt und gilt jedoch bis auf kleinere Gebiete der Mark- bzw. Landgrafschaften Hochberg (südlich von Freiburg) und Sausenberg (nördlich von Basel) sowie des Herzogtums Mahlberg (nördlich von Freiburg) und von Teilen des Fürstentums der Fürstenberger der katholische Glaube als unantastbar - wobei die angeführten protestantisch durchmischten Gebiete nur westliche und östliche Randlagen des Schwarzwaldes ausmachen -, hier zeigt sich in den starken Bistümern Freiburg und Rottenburg, sowie dem ehemaligen Bistum Konstanz die ehedem vorderösterreichische und somit katholische Herrschaft. Der weitaus größere Teil des 'typischen' Schwarzwaldes darf so mit Fug und Recht als katholisch bezeichnet werden. Die ehemaligen Klöster in St. Peter, St. Märgen, Günterstal, Oberried, St. Trudpert und St. Blasien unterstreichen die seit Jahrhunderten katholische Prägung des Hochschwarzwaldes. Und wenn sich in den letzten Jahren in beinahe allen deutschen Landen die Kirchenaustritte mehren und die Gottesdienstbesucher rapide abnehmen, so kann man in weiten Teilen des katholischen Schwarzwaldes nicht nur an Feiertagen, sondern Sonntag für Sonntag festlich, ja teilweise in angestammter Tracht gekleidete Scharen den zumeist barocken Gotteshäusern zustreben sehen.

Noch heute ist das Jahr im Schwarzwald eng an das Kirchenjahr gekoppelt und nach den großen kirchlichen Feiertagen und Festen gegliedert. Diesen zumeist katholisch-kirchlichen Jahresrhythmus saugen die Kinder schon mit der Muttermilch auf. Und der Dienst als Ministrant, der 'Weiße Sonntag' - an welchem erstmals die einheimische Tracht getragen wurde - und das 'Sternsingen' am Fest der 'Heiligen Drei Könige', sowie die prachtvollen Prozessionen und geschmückten Festgottesdienste an Fronleichnam, an der Kirchweih und zum Erntedank gehören neben dem Oster- und Weihnachtsfest zu den unauslöschlichen Kindheitserinnerungen. Wobei die äußere Form mit Schmuck, Musik und Festtagsessen den inneren Gehalt häufig überdecken. Kaum ein Erwachsener, geschweige denn ein Kind, weiß beispielsweise, dass das am 6. Januar von den 'Sternsingern' auf den Türstürzen vermerkte "C + M + B" nicht die Initialen der heiligen drei Könige Caspar, Melchior und Balthasar verkörpern soll, sondern "Christus Mansionem Benedicat" (Christus segne dieses Haus) bedeutet.

Und vieles an dieser Frömmigkeit ist nicht der Religion, sondern der Magie verbunden, atmet vorchristlich-animistische Religiosität auch heute noch. Die um den Tod, um Erntedank, um Fastnacht, um viele weitere Festtage, ja auch um den Hochzeitstag gewundenen Riten, Symbole und Formeln deuten in diese Richtung. Ins Gebälk der Schwarzwaldhäuser geritzte Heilszeichen heidnischer wie christlicher Herkunft, ein kurzes Gebet vor dem Herrgottswinkel, dem an der Fensterseite des Hauptraumes angebrachten Kruzifix nebst anderen Devotionalien, oder der Ochsenschädel an der Firstsäule des Daches sollen stets gleiches bewirken. Wo St. Wendelin, der Schutzheilige des Viehs nicht helfen kann, schützt vielleicht der im Stall gehaltene Geißbock gegen die Unheil stiftenden Hexen. Dass die Gebete in den Kapellen des Wendelin, der Barbara, des Antonius, der Agatha, des Joseph und vor allen anderen der Maria in den Augen der Betenden erfüllt wurden, zeigen die zumeist selbst als Hinterglasmalerei oder sonst kunstfertig gestalteten Inschriften und Votivtafeln in den Wallfahrtskirchen und Hofkapellen.

Die Gestaltung des 'Glasmännleins' als gutem Kobold und des 'Holländer-Michels' als habgierig-bösem Kraftgeist in 'Das kalte Herz' von Hauff sind poetische Reflexe des magischen Schwarzwälder Denkens. Der Erfolgreiche, über dem Fortuna ihr Füllhorn ausschüttet, kann seinen Reichtum nur durch Mithilfe übersinnlicher Mächte erhalten haben. Ist er denn tüchtiger, klüger oder flinker als man selbst? Und so gottesfürchtig wie der ist man selbst schon lange. Nein, er muss mit anderen guten oder bösen Mächten im Bunde stehen.

Herrgottswinkel
(Siegfried Carl)

Von seinem Winkel schaut herab
auf Kinder, Bauern, Mägde, Greise,
von der Wiege bis zum Grab,
der Herrgott, und er lächelt leise,
blickt sanft und mild.

Die Bäurin hat verkehrt herum
vors Tor gestellt den Reisigbesen,
zum Winkel betend sitzt sie stumm,
die Erbsen werden ausgelesen,
das Kind gestillt.

Der Bauer hat den Schrätt'lesfuß
geritzt in Balken schwerer Tannen,
der Herrgott hilft schon, wenn er muss,
doch wird er auch den Waldschrat bannen?
- der wütet wild.

Da sitzen sie versammelt all',
der Regen an den Läden rüttelt,
ein 'Jesus hilf' beim Donnerknall,
am Kreuz hat Gott das Haupt geschüttelt,
der Westwind brüllt.

Von der Fremde und den Fremden

Der Schwarzwälder ist in der Großfamilie eingebunden bis in die jüngste Vergangenheit ein statischer Menschenschlag. So wie Brauchtum und Riten fast unverändert übernommen werden, so wird auch der knappe, karge Lebensraum akzeptiert. Mobilität ist kein Wesenszug der Schwarzwälder; aber trotz dieser Grundlage gilt - der Not gehorchend - auch folgendes:

Die Fremde ist dem Schwarzwälder über Jahrhunderte einziger Ausweg aus einer Existenz geworden, die zum Sterben zu viel, zum Leben aber zu wenig abwarf. Die Zahl derer, die bis in die erste Hälfte unseres Jahrhunderts hinein in andere Länder der alten Welt oder nach Übersee auswanderten, ist unübersehbar. Und auch die zahllosen Händler, die mit ihren Schnitzereien, Flechtarbeiten, Glasbläsereien oder später den berühmten Schwarzwälder Uhren fremde Gegenden 'erfuhren', bilden nur eine weitere Strophe der gleichen alten Melodie.

Ein weiterer Aspekt der Fremdheit darf in der über die Jahrhunderte immer wieder den Schwarzwald umgreifenden Fremdherrschaft und Fremdbestimmung gesehen werden. Seien es die Österreicher im südlichen Schwarzwald, die Franzosen - v.a. in napoleonischer Zeit -, die Preußen während der badischen Revolution usw. usf., die 'Fremden' waren nie gerne gesehen. Der Schwarzwälder lässt sich nicht von einem Außenstehenden sagen, wo's lang geht, er bestimmt die Richtung im Einklang mit der Tradition stets selbst, und wenn dies heißt, mit dem Kopf durch die Wand gehen zu müssen.

Der Fremde ist jedoch seit nunmehr knapp zweihundert Jahren als Gast im Schwarzwald gerne gelitten. Als die ersten im Ausland zu Wohlstand gekommenen Uhrenhändler zu Beginn des letzten Jahrhunderts ihr Vermögen in die heimischen Höfe investierten, und behagliche Gästehäuser und Hotels schufen, war das Signal für die touristische Eroberung des Schwarzwaldes gegeben. Die Reize der Landschaft, die gute und gesunde Höhenluft, die Weltabgeschiedenheit standen zur Vermarktung an. Hatte man doch in den zum Teil seit der Römerzeit, zum größeren Teil seit dem Mittelalter und der Neuzeit gut florierenden Heil- und Thermalbädern Vorbilder, wie die Finanzkraft des nach Ruhe, Erholung und Gesundheit lechzenden Städters weidlich genutzt werden kann. Schon früh waren die ersten Schneeschuhläufer als Vorgänger unserer Skiasse am Feldberg unterwegs, und dass der erste Skilift im Schwarzwald stand, ist Zeugnis des Erfindungsgeistes und Geschäftssinns. Ein gut ausgebautes Wanderwegenetz im Sommer, Loipen und Skihänge im Winter sind stets proper und gepflegt. Und so ist der Schwarzwald heute das Feriengebiet Nr. 1 in Baden-Württemberg; vom mondänen Hotel mit Michelinbesternter Küche bis hinunter zum kinderfreundlichen Gastzimmer auf dem über 1000 Meter liegenden Bauernhof mit Familienanschluss ist alles geboten. Der Fremdenverkehr ist zum drittstärksten Wirtschaftsfaktor nach der mittelständischen Industrie und der Land- und Forstwirtschaft geworden.

Doch begegnet der Schwarzwälder dem Fremden - auch als Ferien- oder Kurgast - zumeist reserviert. Ein Preuß', und jeder nördlich der Mainlinie ist letzthin in den Augen des Schwarzwälders ein solcher, bleibt eben ein Preuß'. Ein jeder, den es als Nichtschwabe oder -alemanne, gar noch als Studierten, in den Schwarzwald verschlägt, wird sich dessen stets schmerzlich bewusst: die Distanz, auf der er gehalten wird, ist meist größer als die Täler breit sind, und steht in umgekehrtem Verhältnis zum geistigen Horizont manches Dickschädels, dem er begegnet.

Bei manchem Schwarzwälder, der zu Reichtum gelangt ist, kann man als Fremder den Eindruck gewinnen, dieser habe sein warmes, pochendes Herz dem Holländer-Michel verschrieben, und statt dessen läge ein Herz aus Stein - 'Das kalte Herz' - in seiner Brust.

Badisches Wiegenlied
(Ludwig Pfau)

Schlaf', mein Kind, schlaf' leis,
Dort draußen geht der Preuß'!
Deinen Vater hat er umgebracht,
Deine Mutter hat er arm gemacht,
Und wer nicht schläft in guter Ruh',
Dem drückt der Preuß' die Augen zu.
Schlaf', mein Kind, schlaf' leis,
Dort draußen geht der Preuß'!

Schlaf', mein Kind, schlaf' leis,
Dort draußen geht der Preuß'!
Der Preuß' hat eine blut'ge Hand,
Die streckt er über's bad'sche Land,
Und alle müssen wir stille sein,
Als wie dein Vater unter'm Stein.
Schlaf', mein Kind, schlaf' leis,
Dort draußen geht der Preuß'!

Schlaf', mein Kind, schlaf' leis,
Dort draußen geht der Preuß'!
Zu Rastatt auf der Schanz',
Da spielt er auf zum Tanz',
Da spielt er auf mit Pulver und Blei,
So macht er alle Badener frei.
Schlaf', mein Kind, schlaf' leis,
Dort draußen geht der Preuß'!

Schlaf', mein Kind, schlaf' leis,
Dort draußen geht der Preuß'!
Gott aber weiß, wie lang' er geht,
Bis daß die Freiheit aufersteht,
Und wo dein Vater liegt, mein Schatz,
Da hat noch mancher Preuße Platz!
Schrei', mein Kindlein, schrei's,
Dort draußen liegt der Preuß'!

Von Schwarzwaldmädele und -frauen

Das Schwarzwaldmädel trägt in den Augen der meisten Nichtschwarzwälder einen 'Bollenhut'. Das Bild des schwarzen Hutes mit dicken roten Bollen hat sich bis nach den USA und Japan wie die 'Krachlederne' im Münchner Hofbräuhaus oder die 'rheinische Narrenkappe' unter dem Kölner Dom als Bild deutscher Bodenständigkeit tourismus-werbewirksam eingeprägt.

Und doch wird dieser 'Bollenhut' nur in einem sehr eng umgrenzten Gebiet des Hochschwarzwaldes von den noch unverheirateten Mädchen getragen. Vor allem an der Kopfbekleidung, aber auch an anderen Farben und Accessoires lassen sich die Tracht tragenden (unverheirateten) Mädchen und (verheirateten) Frauen sehr präzise ihrem jeweiligen Heimatort zuordnen; wobei über den Familienstand neben anderem die Kopfbedeckung Auskunft gibt, denn wer verheiratet - 'unter die Haube gekommen' - ist, trägt anstelle der oft malerischen, erotische Reizwirkung ausdrückenden Kopfbedeckung der Mädchen eine Haube. Diese ist zwar weniger bunt, in gedeckteren Farben gehalten und weniger ausladend als die 'Hüte' der Mädchen, aber mindestens ebenso aufwendig mit Glasperlen und sonstigem Zierrat bestickt.

Ab dem Weißen Sonntag, dem Tag der Kommunion, konnte man das Schwarzwaldmädel öffentlich in Tracht bewundern. Und im Jahreskreis gab es genügend Festlichkeiten, an denen zum Tanz aufgespielt und die zukünftigen Bräute bewundert und im Tanz 'erprobt' werden konnten. Aber erst seit der Generation der derzeitigen Großeltern spielt 'Liebe' bei der Suche nach der Auserwählten eine Rolle. In früheren Zeiten war streng reglementiert, welcher Mann überhaupt heiraten durfte. In diesen armen Zeiten musste der Nachweis erbracht werden, dass Mann überhaupt in der Lage war, eine Familie zu ernähren. Die Bäuerin des zukünftigen Erben suchte nicht dieser selbst, sondern der Vater aus. Und da Kindersegen auch viele Hände bei der Haus-, Hof- und Heimarbeit bedeutete, war die zukünftige Frau des Sohnes neben ihren vielfältigen Pflichten auch und zuerst Gebärende und Mutter. Die Auswahl der Zukünftigen - die 'B'schauete' -, die der Vater vornahm, und wobei das Mädel selbst die unwichtigste Rolle spielte - Haus, Hof, Viehbestand und Truhen der Gegenschwieger sowie die zu erwartende Mitgift standen an erster Stelle -, beachtete stets auch die in der Familie der Auserwählten bisher vorhandene Gebärfähigkeit.

Die junge Bäuerin übernahm nach Heirat und Hofübergabe einen beachtlichen Teil an Mitverantwortung. Die gesamte Heimarbeit, die Sorge für den Haushalt, das Milch- und Kleinvieh, sowie der Verkauf hofeigener Produkte lag in ihren Händen. Ihr besonderes Augenmerk galt aber den Kindern, wobei an erster Stelle Lehren der richtigen, christlichen Lebensführung zu stehen hatten. Die Bäuerin war aber auch für alle Krankheiten am Hof zuständig, denn der Doktor war weit und teuer. Neben dem Gebet halfen und helfen noch heute die bewährten Hausmittel, häufig aus dem hauseigenen Kräutergarten kommend.

Und dann war die Bäuerin quasi 'nebenher' als Normalzustand im Rhythmus von einem bis zwei Jahren schwanger, wenn sie eine gute Ehefrau war, ein Acker, den zu bestellen es sich lohnte. Doch nur knapp die Hälfte aller Neugeborenen erreichte das fünfte Lebensjahr, und so mussten schon an die zehn Nachkommen gezeugt werden, um Haus und Hof in Schuss zu halten, denn Kinder waren nicht nur Esser, sondern bedeuteten eine willkommene, wichtige Arbeitskraft. Die Kindersterblichkeit bekam man erst vor knapp hundert Jahren in den Griff, und im Zeitalter der Geburtenkontrolle und des landwirtschaftlichen Maschinenparks sind auch im bäuerlichen Hochschwarzwald kinderreiche Familien selten. Man kann sagen, dass sich gerade im Bereich der Stellung der Frau in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg im Schwarzwald eine Revolution ereignet hat. Wobei im bäuerlichen Bereich die Frau ihre angestammte Position als Herrin des Hauses nie aufgegeben hat.

Wer allerdings nicht 'unter die Haube kam', oder wer sich als unfruchtbar erwies, der hatte ein schweres Los zu tragen. Die Geschichte dieser Schwarzwälderinnen müsste erst noch geschrieben werden, um all dem Leid, das sich da, in einer außerhalb des bäuerlichen Hofes nur durch Männlichkeit und mühselige Arbeit ausgezeichneten kargen Umwelt, aufhäufte, eine Stimme zu verleihen. Dem mittellosen Mann war ein Überleben schwer gemacht, der mittellosen Frau beinahe unmöglich. Die Flucht in die kalte Ferne der Stadt war zumeist das letzte Mittel, dem Unglück zu entgehen; wenn man die Flucht denn wagte.

Bettlerlied
(Ludwig Seeger)

Mein Mädel ist zur Stadt hinein,
Sich Brod und Dienst zu suchen,
Weil gar zu sehr die Alten schrein,
Sie schelten und verfluchen.

Ich hab' kein' Strumpf und hab' kein' Schuh,
Und kann mich kaum bedecken;
Sonst lief ich gleich der Stadt auch zu
Mit Sack und Bettelstecken.

Gensdarmen überall, und hier
Vergeh' ich armer Bube.
Ach brächten sie sie nur zu mir,
Und wär's auch auf dem Schube!

Von Freude und Frohsinn

Selbst der Frohsinn kommt schwermütig daher. Wer den rheinländischen Karneval mit seiner überschäumenden Ausgelassenheit kennt, wird in der alemannischen Fasnet einer ihm unverständlichen, teils archaischen, teils bedrohlichen Form des Fastenbeginns begegnen. Winter-, Kälte- und Dämonenvertreibung, Frühlings- und Fruchtbarkeitskult für Mensch, Tier und Feld, und Anzeige des Beginns der christlichen Fastenzeit zum Freimachen der Seele für den Karfreitags- und österlichen Auferstehungszauber mischen sich; wobei schon vom alemannischen Namen her die 'Fast-'nacht der 'Fas-'nacht den Rang nicht streitig machen kann: er hängt etymologisch eng mit dem mittelhochdeutschen 'vasel' in der Bedeutung von 'Zuchttier' und dem althochdeutschen 'fasal', was 'Nachkommenschaft' bedeutet, zusammen. In der alemannischen Fasnet findet die schwarzwaldtypische Jahreszeitenfeier ihren originärsten Ausdruck. Dass hier Gottesdienst, Umzug, Essen, Trinken und Tanz eine unlösbare Einheit bilden, die sich leider in den letzten Jahrzehnten zur Touristenattraktion herabgewürdigt sieht, ist Ausdruck der magiegeladenen Volksfrömmigkeit.

Doch nicht nur an der Fasnet, auch zu den meisten anderen, durchweg dem christlich-katholischen Kirchenjahr eingegliederten Festtagen, gehören Festgottesdienst, Prozession, Festtagsessen und Tanz zu den unabdingbaren Bestandteilen. Die Beine des Schwarzwälders sind zum Knien, Stampfen, Laufen und Tanzen, die Hände zum Falten, Arbeiten, Bierkrug- oder Weinglashalten und Mädchen-Schwingen und der Mund zum Beten, Singen, Trinken/Essen und Küssen geschaffen, und in dieser Reihenfolge werden die Körperteile bei Schwarzwälder Festlichkeiten auch gebraucht.

Das Beten, Trinken/Essen, Tanzen und Küssen soll beim Procedere der Schwarzwälder Hochzeitsfeier im Bauernstand nochmals beleuchtet werden. Wie schon gesagt, spielte die Liebe bei der Auswahl des oder der Zukünftigen eine untergeordnete Rolle. Aber selbstverständlich wurde mit Liebe geheiratet und die Ehe vollzogen! Am Beginn des Hochzeitstages stand, quasi als Abschied, die Morgensuppe im Haus der Braut. Dann musste zwangsläufig eine größere Pause entstehen, in welcher die Herren der Schöpfung schon einen Vortrunk einlegen konnten, denn die Braut musste, von vielen Helferinnen, mit der Hochzeitstracht ausstaffiert werden. Drauf folgte der Brautzug mit viel Lärm und Böllerschüssen zur Kirche. Nach der eigentlichen Trauung im Festgottesdienst - die Braut durfte nun auch mit dem Segen der kirchlichen Obrigkeit geküsst werden - ging es auf den Friedhof. Der obligate Gräberbesuch stellte über den Tod hinaus die Gültigkeit der Ehe wie die Verwurzelung im Familienverbund fest. Und nun ging's zum eigentlichen Hochzeitsfest ins Wirtshaus. Wein, Bier und Obstler flossen in Strömen zu einem opulenten Mahl, bei welchem die Brauteltern zeigen durften, aus welchem guten Stall die Tochter stammte. Musik und Tanz bis in den frühen Morgen beschlossen das Fest. Der feste Ritus verband Religion, Rückbesinnung und Ausgelassenheit in einem jeweiligen Extrem und einer Mischung, wie sie sonst kaum ein Landstrich zeigt.

Fasnet
(Siegfried Carl)

Wenn Hexen, Teufel und auch Dämonen
Bedrohlich allerorten thronen,
Und Winter, Hornungskälte und -stürmen
Nur Gott noch trotzt von Glockentürmen;
Wenn dumpf erklingen die Narrenschellen
Und Wein und Bier aus Fässern schwellen,
- Im Tanz die kräftigen Hände packen
Dem Weib die wollustweichen Backen -,
Wenn hinter hölzernen Narrenfratzen
Geile Männerlippen schmatzen,
Dann nahen die freudenarmen Zeiten,
Die uns zum Kreuzestod geleiten.

Von der Schwarzwald-Forelle

Sie hat einen unverwechselbaren und unvergleichlichen Geschmack, vor allem in filetiertem und geräuchertem Zustand: die Schwarzwaldforelle. Mit ein wenig Sahnemeerrettich zu frisch getoastetem Baguette oder mit frischer Butter bestrichenem dunklem Bauernbrot eine Köstlichkeit.

Sie muss einmal noch köstlicher gewesen sein, bevor die mit EG-Recht in Einklang stehende Norm sie zu einer rein marktorientierten Delikatesse verkommen ließ. Denn die heutige Schwarzwaldforelle ist meist nur im Schwarzwald groß geworden, letztlich gemästet worden, im industriellen Verfahren getötet, geräuchert, filetiert, vakuum-verpackt und etikettiert worden. Aufgezogen wurde sie in Dänemark oder Holland, mit ein wenig Glück auch am Bodensee in Massenaufzucht. Zu Zigtausenden karrt man sie in Tankwagen als Babies in den Schwarzwald, wo sie dann 'reifen' darf - und hier ist Darwinismus angesagt: nur die Stärksten halten durch. Glück hat die Forelle, die in einem Naturbecken mit wirklich frischem, sauerstoffreichem Quellwasser erwachsen wird. Im schlimmsten Fall ist ein Betonbecken, wie wir es ähnlich in deutschen Freibädern an extrem heißen Sommertagen erleben dürfen, ihr 'Zuhause'. (Und da fressen sie sich gegenseitig auf; die kieloben Treibenden werden mit den Angefressenen abgefischt und manchmal mitverarbeitet: Guten Appetit!) Es gilt jedoch: Wer lang genug in Schwarzwaldwasser gebadet hat, ist Schwarzwälder, zumindest wenn er eine Forelle ist.

Hier im Schwarzwald, wo aus dem Ausland stammende Mitbürger es auch in zweiter Generation, alemannisch, badisch oder schwäbisch schwätzend, schwer haben, anerkannt zu werden - einen deutschen Pass zu erhalten, ist im ganzen Großdeutschland, wie bekannt, nach wie vor mit größten Schwierigkeiten verbunden -, ja wo selbst der 'Preuß' ein Fremdkörper bleibt, muss man Forelle sein, um, egal woher man kommt, mit Schwarzwaldwasser getauft, heimisch zu werden.

Aber auch die 'echte' Schwarzwaldforelle gibt es noch. Man frage einen Einheimischen nach den besten Forellen, nach denen, die er selbst isst, und wird zumeist den Tipp einer kleinen, nur regional, ja vielleicht nur örtlich bekannten Forellenzucht in einem kleinen Schwarzwaldseitental erhalten. Und dann ... lukullisch ...! - Oder dürfte es gar eine echte, freilebende Bachforelle sein?

Aber die Schwarzwaldforelle kann symptomatisch für den Schwarzwälder stehen. Sie ist ein in Gesellschaft lebendes Raubtier, das um gesund überleben zu können, Freiraum nicht nur zum Atmen braucht. Kälte, Sturm und wildes Wasser stört sie nicht, sofern sie sich in Freiheit wähnt.

Die Forelle
(Ludwig Seeger)

Im perlenden Bach, in der tosenden Flut,
Die über die Felsen und Kiesel schäumt,
Da haust die Forelle wohlgemuth,
Da spielt sie lustig und aufgeräumt.

Bring sie ins Wasser still und stet,
Sie wird sich darein nicht schicken,
Und wenn ihr wieder nach ihr seht,
Da liegt sie auf dem Rücken.

Vom Gevatter Tod

Der Tod ist im Schwarzwald stets gegenwärtig. Bei allen typischen altüberlieferten Tätigkeiten, sei es die schwere bäuerliche Arbeit in Land- und Forstwirtschaft, sei es die Holzhauerei und Flößerei, sei es die Arbeit unter Tage im Silber- oder Erzabbau, oder welcher Berufszweig auch immer - vom geistlichen Stand einmal abgesehen - war der Sensenmann stets mit von der Partie. So ist es nicht verwunderlich, dass die Sterblichkeit hoch war, nicht nur unter den hart arbeitenden Männern, sondern wegen der ständigen Mithilfe der Frauen auch unter diesen und den Ungeborenen, Säuglingen und Kleinkindern.

Der Schwarzwälder lebte in Angst vor Krankheit, Unglück und Tod, und das regelmäßige Gebet, die Wallfahrt und das Innehalten am Wegkreuz ist genauso stark Reflex dieser Angst wie Kapitulation vor einer stets als feindlich empfundenen Umwelt. Und doch wird der Tod als Teil der Natur und der göttlichen Fügung erfahren und somit schlussendlich akzeptiert.

Das Sterben war eine offizielle Angelegenheit, bei welcher die ganze Familie Anteil hatte. Der Sterbende wurde nie alleine gelassen, sondern wurde auf seinem letzten Weg von allen Familienangehörigen mit Gebeten begleitet; das Sakrament war Schlusspunkt eines mühevollen Lebens, und Totenmesse und -glöcklein geleiteten zur letzten Ruhe.

In den Totenbrauch, eingebettet in fromme Riten, mischt sich jedoch wiederum christlich überfremdetes Gut magischer Prägung. So wenn beispielsweise im Hochschwarzwald der Sterbende auf einem frisch gehobelten, massiven Brett als Totenbahre in der Stube zum Abschied im Kreis der Familie aufgebettet wurde. Nach der Beerdigung wurde das letzte Bett, das 'Totenbrett' als kleiner Steg über eines der vielen Rinnsale gelegt, welche die Wiesen und Hänge um die einstige Heimstatt durchzogen. Stets wenn einer hinüberlief, gedachte er in stummem Gebet des Toten, ihm so ein Stück Wegs im Jenseits erleichternd.

Leben und Sterben
(Ludwig Pfau)

Schön ist das Leben, das ist wahr,
Doch schön muss auch das Sterben sein:
Wenn leise träufelt, bis er gar,
Der ach so wilde Lebenswein;
Wenn unsres Hirnes tolle Schar
Gemach verstummt mit aller Pein -
Schön ist das Leben, das ist wahr,
Doch schön muss auch das Sterben sein:
Dringt nach der Angst und der Gefahr
Die Ruh' uns tief bis ins Gebein;
Schaut nach dem Tage heiß und klar
Ins Aug' die milde Nacht herein -
Schön ist das Leben, das ist wahr,
Doch schön muss auch das Sterben sein:
Wenn aus dem Finstern wunderbar
Die Mutter singt: schlaf ein, schlaf ein!
Bis unser Haupt, der Träume bar,
In ihrem Schoß ruht still und rein -
Schön ist das Leben, das ist wahr,
Doch schön muss auch das Sterben sein.

 

 

© Dr. Rüdiger Krüger, Rheda-Wiedenbrück 2006
Kontakt: mailto:siegfriedcarl@hotmail.com
letzte Änderung: 23.12.00

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